Original von Waldlaeufer
Lieber Hef.
Weder will hier aber jemand den Japaner zu Messer und Gabel bekehren noch dem Italiener die Hände festbinden oder dem Thüringer das "Noh" sagen zur Bejahung ausreden. Ebenso wirst du nicht moralisch verurteilt, wenn du als Fremder die Sitten noch nicht beherrscht und sie dir erklären lässt. Weder hier noch in Japan. Darum geht es aber nicht. Sprich: "Sitten" und "Gebräuche" sind hier nicht das Thema.
(Im Übrigen finde ich schon, dass sie "uns" etwas "angehen", im Sinne des Austauschs und des gegenseitigen Interesses. Unterschied bedeutet anders, nicht hierarchisch eingeteilt, es gibt an sich bekannt und weniger bekannt. Deine Haltung ist unter diesem Standpunkt ignorant und keinesfalls deinem vermeintlichen Erfahrungshorizont fremder Länder angemessen.)
Worauf will ich aber eigentlich hinaus?
Dass du andere Kulturen degradierst. Weshalb?
Punkt 1: Weil der Einsatz für Menschenrechte nichts mit dem Kampf gegen andere Kulturen zu tun hat. "Menschenrechte" mögen eine Idee der Aufklärung, sprich einer europäischen Denktradition, sein. Sie sind aber keinesfalls ein Eigentum oder Trademark Europas. Und sie finden sich im Grundprinzip, nicht zuletzt in der Aufforderung den anderen zu achten und ihm kein Leid zuzufügen, in anderen Kulturen. Wenn ich mich also für den Schutz von Kindern, Frauen, Unschuldigen jeglicher Art (politische Gefangene, welche ihr Recht auf Meinungsäußerung wahrgenommen haben) einsetze... missioniere ich nicht Europa in die Welt hinein, sondern trete in die Verantwortung, meinen Mitmenschen Entscheidungen und Selbstraum zu ermöglichen. Was sie daraus machen, bleibt ihnen überlassen, solange sie nicht den Entscheidungsraum eines anderen gewalttäig eingrenzen.
Anders gesagt. Was haben deine Sitten mit schlichten moralischen Grundsätzen zu tun?
Willst du unterstellen, jede Kultur habe eine andere Moral?
Andere Sitten ja, andere Moral - nein.
Es ist ein Unterschied zwischen gesellschaftlichen Konventionen und Traditionen wie Sitten und Gebräuchen und Moral und gar Recht.
Daher mag in einem Staat es traditionell sein, dass man sich einmal im Jahr rote Nasen aufsetzt. Das führt auch zu keiner Verletzung von menschlichen Grundrechten, auch wenn es den ein oder anderen gerne mal nervt.
Es mag weiterhin in einem Staat nun rechtens sein, dass man Menschen, die sich ein Buch kaufen wollen, in den Knast steckt, weil es auf der roten Liste des Staates steht. Das mag nun die Bibel sein oder Harry Potter. Gleichweg, es mag in DIESEM Staat hinsichtlich des Strafrechts rechtens sein, aber dies macht es noch lange nicht moralisch rechtens.
Und hierbei tritt durchaus ein Verantwortungsprinzip in Kraft, welches über-national, interkulturell undwasweißich ist.
Um mein allseits beliebtes Inuit-Beispiel einzubringen:
Dort wurden einst die Eltern ab einem gewissen Alter von ihren Kindern getötet. Auf den ersten Blick ein für uns unmoralisches Verhalten. Aber: aufgrund der harten Lebensumstände, der Knappheit an Nahrung und dem täglichen Kampf in dieser Region soll so den Alten ein Dahinsiechen und Verhungern/Erfrieren erspart werden. Dahinter steht also ein ähnlicher moralischer Satz wie bei uns: Den Eltern Gutes tun und Leid vermeiden.
Deswegen finden wir das immer noch nicht gut, aber es wird verständlich.
Es ist ein und derselbe Grundsatz, der aufgrund unterschiedlicher Lebensbedingungen zu divergenten Handlungen führt. Diese Lebensumstände können sich ändern und du wirst sehen, dass sich auch der Umgang ändert.
Weil nicht das Töten der Eltern, sondern das Vermeiden von Leid im Vordergrund steht. Ist dieser Leidfaktor nicht mehr vorhanden, wird auch das Töten nicht mehr relevant sein.
Unterstellst du anderen Kulturen eine völlig andere Moral, führst du nicht nur den Begriff der Moral ad absurdum, du rückst unterschiedliche Kulturen in ein Gegnerverhältnis, welchen den anderen als jeweils unmoralisch erscheinen lassen soll. Das führt eher zu Krieg, als zu Verständnis.
Vertrittst du nun die Ansicht, dass das Schlagen der Frau ein Kulturgut des arabischen Raumes ist, ist dies eine Beleidigung für... den arabischen Kulturraum und eine lange Tradition weiser und gelehrter Denker.
Ich würde Ausländer verprügelnde Neonazis ja auch nicht als deutsches Kulturgut und deutsche Sitte verorten.
Punkt zwei: DEN Buddhismus gibt es nicht, das ist eine romantische Vision des von dir so latent verhassten Westens. Es gibt zig Untergruppierungen, von denen einige durchaus totalitäre Züge tragen. Klar, das klingt dann halt nur nicht mehr so schön... romantisch. Durchaus aber historisch und theologisch entsprechender.
Bevor du also zum nächsten mal einen solchen Schwachsinn vom Stapel lässt, denk doch bitte daran, dass du neben der freien Meinungsäußerung auch noch das Recht zu denken hast. Nutze es zur Abwechslung doch mal.
Bitte.