@ Malaika und Melanie
Herzlichen Dank für eure Fragen. Es freut mich sehr :-), dass wir uns damit nun wieder auf die sachliche Ebene begeben können.
Aus Zeitgründen möchte ich zunächst auf das Stockholm-Syndrom an sich mit einigen Zitaten und der Broschüre "Richtig helfen bei häuslicher Gewalt" eingehen.
Die Broschüre möchte ich euch und allen anderen sehr ans Herz legen. Vielleicht ergibt sich aus den dort aufgeführten Darstellungen und Informationen schon weitere Klärung im Bezug auf die anderen Fragen.
http://www.kfd-bundesverband.de/Handlungsleitfaden_06_72dpi.pdf:
Zitat (Ausschnitt):
1.3. Formen und Folgen von Gewalt
Frauen erleben Gewalt in vielfältigen Erscheinungsformen von physischer und psychischer
Gewalt. Männer setzen in Beziehungen eine breite Palette von Kontroll- und
Beherrschungsmitteln ein. Frauen müssen in der Regel nicht nur eine Form der Gewalt
erleiden, häufig erfahren sie Gewalt in Form von physischer, sexueller, psychischer, sozialer
und ökonomischer Machtausübung durch ihren Partner.
Folgen:
• Physische Folgen:
Blutergüsse, Knochenbrüche, Schädigung innerer Organe,
Fehlgeburten, Unterleibsverletzungen, Tod
• Psychische und psychosomatische Folgen:
starke Ängste, Nervosität, Schlafstörungen,
Essstörungen, zerstörtes Selbstwertgefühl, Sucht, Suizidgedanken
• Ökonomische Folgen: finanzielle Abhängigkeit, Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust von
Eigentum und der Verfügbarkeit von Geld- und Sachmitteln
• Soziale Folgen: soziale Isolation
• Stockholm-Syndrom: Solidarisierungsverhalten der Frau gegenüber dem Täter
Stockholm-Syndrom – Was ist darunter zu verstehen?
Eine betroffene Frau wird Ihnen als Helfer/in unter Umständen signalisieren, dass sie keine
Hilfe wünscht. Dieses Verhalten entspricht wahrscheinlich nicht Ihren Erwartungen.
Als Folge langjähriger häuslicher Gewalt kann es zu scheinbaren Solidarisierungen der Frau mit dem Mann/Täter bis hin zum Abstreiten der vorgefallenen Gewalttaten kommen.
Wie ist dieses ambivalente Verhalten der Frau zu erklären?
Um zu überleben, passt sich das Opfer dem Täter an; es kommt zu einer Identifikation mit
dem Aggressor. Dadurch wird die Bindung an den Täter so stark, dass häufig dessen
Perspektive von dem Opfer übernommen wird. Die so entstandene Koalition mit dem
Misshandelnden ist für Unterstützer/innen oft unerklärlich und nicht nachvollziehbar.
Von der Zentralstelle des Landeskriminalamtes für Opferschutz und häusliche Gewalt heißt es:
"Die Opfer sind in einer Gewaltspirale gefangen. Zunächst würde der Mann sie nur beleidigen und isolieren. Erst nach Monaten, manchmal nach Jahren, schlägt er zu. Viele Frauen entwickeln in dieser Zeit das sogenannte Stockholm-Syndrom: Sie solidarisieren sich[...]mit dem Täter.[...]"
Auf der Seite des Landkreises Kelheim unter dem Button "Gewalt gegen Frauen" erfährt man:
"[...]Gewalterfahrungen ohne soziale Unterstützung und Hilfe führen zu einer Erschütterung des Glaubens an die Möglichkeit eigener Sicherheit und Unverletzlichkeit. Rückzugstendenzen, Veränderungen des Wertesystems, Wahrnehmungsstörungen, Suizidgedanken, selbstverletzendes und -schädigendes Verhalten, Persönlichkeits- und Beziehungsstörungen sind die Folgen. Geringes oder völlig abhanden kommendes Selbstbewusstsein, Passivität und Ambivalenz bei Entscheidungen sind weitere Folgen dieser Gewalterfahrungen - und nicht ihre Ursachen. Sie führen dazu, dass die Frau in der Gewaltbeziehung bleibt und nicht die Kraft hat, aus ihr auszubrechen. Die Bindung an den Täter wird ähnlich stark wie beim sog. Stockholm-Syndrom von Geiseln, zumal der Partner nicht durchgehend gewalttätig und widerwärtig ist, sondern auch immer wieder freundlich und liebevoll. Das Opfer übernimmt seine Perspektive, wodurch die für Außenstehende oft unerklärliche Koalition mit dem Misshandler entsteht.[...]"
Bis später dann
Corinna