Beiträge von Cookie

    Liebe Eulen,


    Es war so eine schöne Veranstaltung, dass ich euch einige Höhepunkte des wunderbaren Leseabends nicht vorenthalten möchte, den Bodo und ich mit viel Freude und Spaß vorbereitet haben.

    Als ich bei schönstem Sonnenschein gegen 18:30 Uhr am Leseort, dem Ort der Idylle (bei Wikipedia als "Treffpunkt am Wasser" bezeichnet) eintraf, saßen schon einige Besucher auf ihren Stühlen und harrten der Lesung.
    Auch Bodo war bereits vor Ort, wir begrüßten uns und gleich darauf gesellte sich meine Freundin dazu, die extra aus Schleswig Holstein angereist war. Wir erzählten ihr, dass wir am Abend zuvor unsere Generalprobe hatten und dass es so kalt gewesen war, dass wir den zweiten Teil unserer Probe ins Auto verlegen mussten. Bodo erklärte ihr, dass wir das auf der Rückbank taten - so begann recht passend der Abend mit zweideutigem Gelächter.

    Es folgte die Mikrofonprobe und ich war erstaunt, dass innerhalb dieser kurzen Zeitspanne viele Gäste hinzugekommen waren. Die meisten Stühle und die Bänke unter der Pergola waren schon besetzt.
    Binnen weniger Minuten war klar, dass die Sitzgelegenheiten nicht ausreichten. Weitere Stühle mussten von irgendwoher angeschafft werden, die Besucher wurden vertröstet, und irgendwann war ein Laster mit einer Ladung neuer Sitzgelegenheiten gekommen. Doch der Besucherstrom versiegte nicht, sodass wir die Gäste bitten mussten, auf den Steinmauern und -stufen Platz zu nehmen. Dicht gedrängt saß das Publikum beieinander, manche Gäste saßen uns zu Füßen, die Besucher, die dann noch kamen, mussten stehend zuhören.


    Der idyllische Ort, ein rund angelegter Garten mit einem kleinen Teich, kleinen Wegen und einer wild überwachsenen Pergola, ist ein ausgesprochen schöner Ort für eine Lesung. Mit rund 130 Besuchern entstand eine kuschelige Atmosphäre. Bodo und ich stellten uns gegenseitig vor. Als Bodo den Titel meines Romans erwähnte "Die Nächte mit Paul oder die Nacht ist anderswo", korrigierte ich ihn leise - er wiederholte den Titel korrekt (" ... oder der Tag ist anderswo") und erklärte, dass er bei einer erotischen Lesung eben an die Nächte denken würde. Aus dem Publikum entgegnete jemand, dass man "es" auch am Tage tun könne, die Besucher lachten, das Eis war gebrochen und es wurde heiß.

    Ich begann mit den beiden Gedichten "Frühlingsnacht" von Eichendorff und "Ich ließ meinen Engel lange nicht los" von Rilke.
    Bodo, der den Abend moderierte, klärte das Publikum über Hintergründe zum Entstehen der jeweiligen Werke auf und stellte die Biografien der jeweiligen Schriftsteller vor, sodass ein Rahmenprogramm die Lesungsabschnitte einbettete.
    Zu hören waren u. a. Texte von Casanova, Boccaccio, Balzac, Nin und Gedichte von Heine, Brecht sowie Lyrik von Frauen aus unterschiedlichen Kulturen von der Antike bis zur Gegenwart.

    Am Ende gab es viele positive Rückmeldungen, Bodo und ich standen noch mit einem Teil der Gäste zusammen, endlich gab es auch für für uns einen Wein; eine witzig-spritzige Unterhaltung entstand, während die Organisatoren der Veranstaltung Stühle und Technik abbauten. Als es dämmerte, war es ruhiger geworden, wir entschlossen uns mit einem kleinen Teil der Gäste, noch ein wenig zusammenzusitzen und landeten in einem Irish Pub.
    Wein und Bier flossen reichlich, und am Ende des Abends landeten wir in einem Hotelzimmer - bitte nicht falsch interpretieren - wir hatten lediglich meine Freundin ins Zimmer gebracht. Davor aber hatte Bodo sich in einem der Hotelflure auf den Boden gesetzt, ein Buch hervorgezaubert und etwas vorgelesen. Ich hörte so etwas wie "Das war einer der schönsten Abende in meinem Leben".
    In der Tat, es war ein unvergesslicher Abend. Danke dir Bodo, für deine gekonnte Moderation.


    :wave Corinna




    Liebe Rosenstolz,


    schön, dass du "Die Nächte mit Paul oder der Tag ist anderswo" liest.
    Mittlerweile hast du die hier geposteten Beiträge gelesen und versuchst, dich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. Du hast Probleme mit der Erzählperspektive.


    Ein Autor muss sich für eine Erzählperspektive entscheiden.
    Ich habe mich aus vielerlei Gründen für die "Ich"-Form entschieden. Das heißt, dass konsequent aus der gewählten Perspektive erzählt werden muss.


    Sehr schön und leicht verständlich erklärt ist das im Bücher-Wiki.


    Auch hier im Forum gibt es unter "Autoren unter sich" einen Thread dazu.


    Die anderen Personen müssen also anhand der Dialoge, der Gestik, Handlung usw. interpretiert werden.
    Und du hast es schon an der Frage, wie alt Luisa sein mag, gemerkt: Man muss selbst ein wenig mitdenken beim Lesen. Ich selbst bevorzuge Texte, bei denen ich ein wenig gefordert werde und auch nachdenken muss. Wenn alles vorgekaut wird, empfinde ich einen Text schnell als uninteressant. Darum lässt mein Text viel Raum für Interpretationen und es gibt auch nicht immer "richtig" und "falsch".


    Vielleicht geben dir meine Zeilen die Möglichkeit, den Text anders anzunehmen. Vielleicht ist es aber auch momentan nicht das "richtige" Buch zum "richtigen" Zeitpunkt und ich würde es sehr gut verstehen, wenn du es erst einmal wieder zur Seite legst. Vielleicht kommt irgendwann dann doch der passende Moment. Wenn nicht, macht es auch nichts. Tu dir bitte keinen Zwang an. Man sollte ein Buch nicht lesen, wenn es einem nicht wirklich liegt und ich bin die letzte, die das nicht verstehen würde. Ich habe seit einiger Zeit selbst Schwierigkeiten, Bücher zu finden, die ich wirklich lesen möchte. Die meisten fallen schon nach dem ersten Satz durch.


    Es würde mich freuen, wenn ich dir weitergeholfen habe,
    liebe Grüße
    Corinna

    Zitat

    Original von Büchersally


    Darauf freuen wir uns auch und der Pflichttermin ist auch unumstößlich notiert.


    Der Termin liegt wirklich günstig. Und für alle Fälle gibt es ja noch die kleine feine Runde am Abend zuvor. Irgendwie wird ein Abend wohl klappen.


    :-) Corinna

    Lieber Herr Palomar,


    auch von mir ganz herzliche Glückwünsche :blume!!!


    Finde ich wirklich toll, vor allem auch für die zeitgenössische Literatur. Dort lese ich deine Beiträge immer besonders gern.


    Viel Freude!
    Corinna

    Zitat

    Original von Büchersally
    Wir sind wieder zu Hause und zehren noch von den Erlebnissen auf der Messe. Es war schön, ein paar von euch Eulen zu treffen. Wir sehen uns dann spätestens im Oktober in Hannover. :wave


    Hi Büchersally,


    ich habe mich auch gefreut, euch zu sehen. Leider hatte ich ja nicht so viel Zeit, weil ich mit der Nudelsuppe von einem Termin zum nächsten gehechtet bin.


    Aber es war wieder toll auf der Leipziger Buchmesse, auch wenn ich dieses Jahr wenig Zeit hatte, mir Bücher anzusehen.


    Oktober: Termin ist vorgemerkt!


    :wave Corinna

    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Dem Buch ist ein Brief von Primo Levi an den Übersetzer vorangestellt.


    Danke für deine Rezension, Herr Palomar!


    Ich habe das Buch gerade begonnen und finde diesen vorangestellten Brief an den Übersetzer allein schon sehr beeindruckend. In den Zeilen kommt so vieles schon zum Tragen, was Levis Leben nach den erfahrenen Grausamkeiten des Holocaust bestimmen sollte: die stete Präsenz und Beschäftigung des Erlebten im Lager.


    Levis Wille, das Geschehene begreifen zu wollen, ohne Hass im Unterton, ist bestimmend für sein Leben und Werk.
    "[...]ich habe das deutsche Volk nie gehasst[...]",
    "Ich bin am Leben, und ich möchte euch verstehen, um euch beurteilen zu können."


    Ein Brief, der von der menschlichen Größe dieses Autors zeugt.


    Am 11. April 1987 starb Levi in Turin. Sein Tod wurde vielfach diskutiert, Selbstmord wurde vermutet. Dazu gibt es hier einen interessanten Beitrag.

    Zitat

    Original von Bouquineur
    ich bin ja immer noch der Meinung, dass Paul einen Hang zur Aggressivität hat, auch wenn das hier im Buch oft nur unterschwellig zum Vorschein kommt. Ich weiß, dass hier die Meinungen zu Paul auseinander gehen. Aber einfach mal angenommen, er hat diesen Hang. Was passiert, wenn so jemand sich völlig auf einen anderen Menschen fixiert, wie sich das ja am Ende des Buches andeutet. Er nimmt ja Luisas Schluss machen nicht hin, glaubt, es würde so weiter laufen wie bisher. Kann so jemand zum Stalker werden?
    Oder wird nur jemand zum Stalker, der meint, er hätte ein Eigentumsrecht an einer anderen Person?


    Das ist die Frage, die mich noch immer beschäftigt.



    Nachdem mich Mitte der Woche ein Virusinfekt lahmgelegt hat und ich kurz darauf im Fieberwahn die Treppe hinuntergestürzt bin, gestern die ambulante Notfallaufnahme besucht habe, um dort eine reizende Ärztin kennenzulernen, bin ich nun endlich hier, um zu antworten:


    Soweit ich weiß, kann theoretisch jeder zum Stalker werden. Ein Mann wie Paul müsste also nicht unbedingt offenkundig aggressiv sein, um zum Stalker zu werden. Im wahren Leben sind Stalker ja oft sozial unauffällig.


    Da (ein Mann wie) Paul auch vorher schon Aufmerksamkeit, Kontrolle und Macht über seine Partnerin erlangen wollte, kann ich mir gut vorstellen, dass es ihm schwerfallen wird, sie ohne Weiteres ziehen zu lassen.


    Ich traue ihm schon zu, dass er einiges unternehmen würde, um sie zurückzubekommen.
    Aber das ist nur meine Interpreation seiner Figur.


    Die Frage ist für mich, wie das verfolgte Opfer damit umgeht. Für Luisa war der Prozess der Entscheidungsbildung langwierig. Ich glaube, dass auch die Festigkeit einer Entscheidung, wie Luisa sie getroffen hat, ausschlaggebend dafür ist, wie einer derartigen Situation letztlich begegnet werden kann.


    :wave Corinna


    Bleibt alle veschont von diesen grässlichen Viren! :schlaeger

    Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich habe zu danken, dass Du die Runde begleitet hast. Keine einfache, aber eine sehr interessante und gehaltvolle Runde, wie ich finde :-)


    Für mich war es ja die zweite Lektüre Deines Buches und ich werde es sicher ein drittes Mal lesen. Ich bin gespannt, welche Blickwinkel sich mir dann erschließen werden.


    @ Bouquineur
    Huch, ein drittes Mal lesen? Ganz klar: dafür gibt es dann
    die goldene Luisa-und-Paul-Ehrennadel :zwinker.


    Zitat

    Original von Bouquineur
    Paul macht sich nicht die Mühe, sich auszuziehen. Ich glaube sein Bekleidungszustand lässt auf seine Verfassung schließen. Fühlt er sich seiner sicher, präsentiert er sich ohne Kleidung. In Situationen, in den nicht auf seinem Spielfeld gespielt wird, wie in Luisas Zimmer und nach Luisas offensichtlicher Kenntnis über Kunst und Kultur, behält er seine Kleidung an. Kleidung als Schutzwall?


    Jetzt muss ich doch mal fragen: Hast du das beim ersten oder zweiten Lesen herausgefunden?



    @ Geli


    Freut mich, dass dir der Bildausschnitt gefällt.


    :wave Corinna

    Zitat

    Original von Herr Palomar
    An dieser Stelle schon schon einmal ein Dankeschön an die Autorin für die Begleitung der Leserunde und die Beantwortung der Fragen.
    Ebenfalls Danke an die Initiatoren der Leserunde! :wave
    Ich glaube, dass das gemeinsame Lesen mit der LR den Roman für mich noch bereichert hat!
    :danke


    @ Herrn Palomar
    Als du diesen Beitrag am 5.1. eingestellt hast, dachte auch ich, die Leserunde sei so gut wie beendet. Dann entwickelte sich die Diskussion erneut :wow.


    Mein Text hat sehr unterschiedliche Gefühle ausgelöst. Ich habe diese lebhafte Leserunde so kurz nach Jahreswechsel wie ein zweites, spektakuläres Feuerwerk empfunden. In rasanter Folge wurde ein Beitrag nach dem anderen gepostet und es entfaltete sich ein abwechslungsreiches Bukett mit einigen ordentlichen Knatterschüssen.

    Die Diskussion entwickelte sich mitunter spannungsreich - offenbar lässt sich der Text nicht so ganz losgelöst von eigenen Erfahrungen oder Erlebnissen im Freundeskreis lesen, wie es hier bereits in einigen Beiträgen vermutet wurde.
    Ich selbst habe mich bewusst zurückgehalten, textbezogene Beiträge konkret zu kommentieren in der Art, "das ist richtig" und "das ist falsch". Denn genau das gibt es nicht in meinem Roman.
    Wie ich eben schon im Rezithread schrieb: "Keine der Personen ist nur "richtig" oder "gut" und keine nur "schlecht" oder "böse".
    Und eine Interpretation kann genauso wenig "richtig" oder "falsch" sein.


    Aber eines kann ich sagen: Viele eurer Auslegungen und Beiträge haben mich positiv überrascht, weil ich durch sie neue Aspekte bzgl. der möglichen Interpretationen und Lesarten gewonnen habe. Dank eurer Auseinandersetzung mit dem Thema des Romans ist diese Leserunde zu einem intensiven und spannenden Austausch geworden.

    Euch allen :knuddel1 ein besonders herzliches Dankeschön für eure interessanten Gedanken und vor allem offenen Meinungen zu meinem Roman! :blume :flowers :blume


    Und ein besonders warmes Dankeschön an Bouquineur :knuddel, die Initiatorin der LR! :bluemchen



    Bitte diesen Beitrag nicht als Schlusslicht sehen. Wer mag, kann zu jeder Zeit weiterschreiben.


    Da auch Interesse an meinen Bildern bestand, hier für euch zum Abschluss ein kleiner Bildausschnitt meines neuesten Bildes, sozusagen als kleines Dankeschön.


    Herzlich,
    :wave Corinna

    Zitat

    Original von Sigrid2110
    Man erfährt auch viel über die Sozialisation der Protagonisten, die dies in dieser Form überhaupt erst möglich macht.


    Sigrid2110


    Schön, dass du das sagst. Alle Figuren haben "ihr Päckchen zu tragen".


    Dadurch wird es, meine ich, auch schwierig, die Täter- und Opferrollen eindeutig zu bestimmen, wie auch die Beiträge in der Leserunde es gezeigt haben.
    Keine der Personen ist nur "richtig" oder "gut" und keine nur "schlecht" oder "böse".
    Mein Text ist keine Schwarz-Weiß-Zeichnung. Eine Schublade auf, Paul rein und schnell zu. Die nächste Schublade auf, Luisa rein ...


    :gruebel Eigentlich wie im richtigen Leben.


    Beste Grüße
    :wave Corinna

    Zitat

    Original von Bouquineur
    Muss denn Gewalt immer in extremer Form geschildert werden, um sie wahrnehmen zu können? Mag sein, dass man anhand des Klapptentextes mehr davon erwartet hat. Die, die da war, fand ich aber spürbar. Auf eine subtile, unterschwellige Art.


    Vielleicht kam mir auch zugute, dass ich das Buch zweimal gelesen und so in seiner Gesamtheit gesehen habe. Man kann es eigentlich nicht lesen wie einen Roman, kann sich nicht mit dem Protas identifizieren, sie versuchen zu verstehen oder vom eigenen Verhalten auf ihres schließen sondern muss das Ganze aus der Perspektive des Beobachters sehen. Das langsame Abdriften in die Spirale aus beiderseitiger Abhängigkeit und und unterschwelligen Forderungen und die letztendliche Erkenntnis, das wirklich nicht klar definierbar ist, wer Täter und wer Opfer ist bzw. wer die Schuld trägt.


    Es ist ein schwieriges Buch, keines, das gefallen will. Aber eines, dessen Lektüre sich lohnt und das auch bei erneuter Lektüre noch andere Interpretationsmöglichkeiten und Blickwinkel lässt.


    Bouquineur


    Ich glaube, du hast einen wichtigen Aspekt angesprochen, der im Zusammenhang mit meinem Roman sicher von Bedeutung ist.


    Berichterstattung und Darstellung von Gewalt werden m. E. durch die Medien immer spektakulärer und sensationslüsterner verbreitet.
    Im Zusammenhang mit Gewalt erwarten wir dadurch immer härtere, außergewöhnlichere Darbietungen.
    Die daraus resultierende "Einseitigkeit" der Darstellung kann dazu führen, dass die feinen Nuancen im Bereich der emotionalen Gewalt, Demütigungen, psychischen Gewalt u. v. m. oft nicht mehr als mögliche Form von Gewalt wahrgenommen werden.


    Zweimal mein Buch gelesen? :anbet


    Herzliche Grüße
    :wave Corinna

    Zitat

    Original von beowulf


    Mir ist beim Lesen der Auszüge aus den Infobroschüren aufgefallen, dass das Richten des Fokuses auf Paul im Ansatz falsch sein könnte.[...]Der Vater steht da eigentlich als so bedauernswerte Figur, dass ich beim Lesen auf diese Idee erst gar nicht kam. Aber auch als subjektiv völlig unschuldiger, als jemand "der dafür gar nichts kann" (was so natürlich auch nicht stimmt) kann man zum Agressor und Schädiger werden.


    Sic!
    Genau das wollte ich. :-)
    Mehrere Interpretationsebenen schaffen, die eben nicht nur von der Handlung und den Handlungsweisen der Protagonisten allein bestimmt werden, sondern von der strukturellen Komplexität der Motivik an sich und dem subjektiven Verständnis des Lesenden.


    Herzliche Grüße
    :wave Corinna

    Zitat

    Original von Malaika
    Sollte das Thema des Buches das Stockholm S. sein? Oder sollte es nur Nebenhandlung sein? Also ich meine ist die ganze Geschichte drumrum um das Stockholm S. geschrieben,oder nur einer von vielen Ansätzen in der Geschichte? In welche Richtung sollte die Geschichte von Luisa den Leser führen?Was war der Gedanken dahinter? Und dann würde ich gerne noch wissen wie du grade auf das Stockholm S. gekommen bist? Also warum genau dieses Thema?


    Viele Fragen auf einmal.
    Es ist für einen Autoren nicht unbedingt üblich und sinnvoll, alle Fragen bis ins Detail zu beantworten, da die Gefahr besteht, dass man dem Text das Geheimnis nimmt. Der Antiquar Wiegand sagt: "Jedes Buch bewahrt ein Geheimnis".
    Eine Gebrauchsanleitung zum Lesen ;-) kann ich nicht geben, aber ich bemühe mich, die Fragen zu beantworten. Einige habe ich bereits in meinen einzelnen Beiträgen beantwortet und auch in den Beiträgen der "Leserundler" finden sich schon viele Antworten.


    Zitat

    Also warum genau dieses Thema?


    Zum einen:
    Als ich in den 90er Jahren in Hannover lebte, wohnten zwei Frauen in meiner Nachbarschaft, die von ihren Partnern misshandelt wurden. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen endeten häufig in Polizeieinsätzen. Kurze Zeit später kehrten diese Frauen immer wieder zu ihren Partnern zurück.
    Zum anderen:
    Mit dem Thema "Gewalt gegen Frauen" beschäftige ich mich bereits seit vielen Jahren. Die kleinen, einspaltigen drei bis fünf Zeilen in der Tagespresse, in denen über Vergewaltigungshergänge berichtet wird: Das Opfer selbst spielt kaum eine Rolle. Ich frage mich immer wieder, was hinter diesen wenigen Zeilen steht, wie es dem Opfer nach solch einer Tat ergehen mag.
    Das wollte ich wissen.


    Zitat

    Sollte das Thema des Buches das Stockholm S. sein?


    Nein, auf keinen Fall.
    Was mir aber wichtig war:
    In der Auseinandersetzung mit der Opfer- und Täterrolle ist das Problem unserer Gesellschaft, dass dem Täter oft mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als dem Opfer. Die Öffentlichkeit würde nicht auf die Idee kommen, Handlungsweisen von Geiseln, die auf das Stockholm-Syndrom zurückzuführen sind, moralisch zu verurteilen oder sie gar dafür verantwortlich zu machen, wohl aber geschieht dieses häufig mit misshandelten Frauen.


    Zitat

    Oder sollte es nur Nebenhandlung sein?


    Nicht einmal das.


    Zitat

    Also ich meine ist die ganze Geschichte drumrum um das Stockholm S. geschrieben, oder nur einer von vielen Ansätzen in der Geschichte? Und dann würde ich gerne noch wissen wie du grade auf das Stockholm S. gekommen bist?


    Nein. Die Recherche erfolgte parallel zum Schreiben. Eines Tages stieß ich auf das in der Psychologie als B-Bezugspersonen-Bindungstheorie bezeichnete komplizierte Bindungsphänomen, das auch dem Stockholm-Syndrom zugrunde liegt. Die Symptomatik und deren Auswirkungen passten auf die Frauen, die ich kenne oder von deren Geschichten mir berichtet wurde und die in derartigen Beziehungen leb(t)en. Das war wichtig für die literarische Umsetzung.

    Zitat

    In welche Richtung sollte die Geschichte von Luisa den Leser führen?Was war der Gedanken dahinter?



    Das bleibt mein Geheimnis ;-) - jeder hat eine eigene Lesart und Wahrnehmung des Buches, was ich - auch hier in dieser Leserunde - überraschend und sehr spannend finde. Ich wünsche mir - aber das hat mit dem Buch nichts zu tun - eine Beschäftigung mit Opferrollen. Das Urteil "selbst Schuld" ist schnell gefällt. Inzwischen "erleben" wir Gewalt in den Medien in übersteigerter, extremer Form. Das könnte zu einem Verlust der Wahrnehmung subtilerer Signale führen, wann - vor allem psychische - Gewalt passiert. Ich kann nicht sagen, ob mein Buch den Blick schärfen kann, aber allein über das Thema zu diskutieren, halte ich für wichtig.

    Sicher kann ich nicht alle Aspekte, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind oder sein könnten, aufführen.
    Ich hoffe aber, dass meine Antworten ein wenig weiterhelfen.


    Beste Grüße
    :wave Corinna

    @ Bouquineur


    Mache ich gerne.


    Selbstverständlich werde ich auch noch auf all die anderen Fragen von Malaika näher eingehen. Ich habe aus Zeitnot zunächst nur auf die Schnelle geantwortet.
    Sorry, wenn das nicht so deutlich aus meinem Beitrag hervorgegangen ist.


    Infos und Broschüre sind erst einmal dafür gedacht, sich einen Überblick zu verschaffen im Bezug auf den Zusammenhang von Stockholm-Syndrom und häuslicher Gewalt.


    Bis später also mit lieben Grüßen
    :wave Corinna

    @ Malaika und Melanie

    Herzlichen Dank für eure Fragen. Es freut mich sehr :-), dass wir uns damit nun wieder auf die sachliche Ebene begeben können.

    Aus Zeitgründen möchte ich zunächst auf das Stockholm-Syndrom an sich mit einigen Zitaten und der Broschüre "Richtig helfen bei häuslicher Gewalt" eingehen.

    Die Broschüre :lesend möchte ich euch und allen anderen sehr ans Herz legen. Vielleicht ergibt sich aus den dort aufgeführten Darstellungen und Informationen schon weitere Klärung im Bezug auf die anderen Fragen.


    http://www.kfd-bundesverband.de/Handlungsleitfaden_06_72dpi.pdf:


    Zitat (Ausschnitt):


    1.3. Formen und Folgen von Gewalt
    Frauen erleben Gewalt in vielfältigen Erscheinungsformen von physischer und psychischer
    Gewalt. Männer setzen in Beziehungen eine breite Palette von Kontroll- und
    Beherrschungsmitteln ein. Frauen müssen in der Regel nicht nur eine Form der Gewalt
    erleiden, häufig erfahren sie Gewalt in Form von physischer, sexueller, psychischer, sozialer
    und ökonomischer Machtausübung durch ihren Partner.


    Folgen:
    • Physische Folgen:
    Blutergüsse, Knochenbrüche, Schädigung innerer Organe,
    Fehlgeburten, Unterleibsverletzungen, Tod


    • Psychische und psychosomatische Folgen:
    starke Ängste, Nervosität, Schlafstörungen,
    Essstörungen, zerstörtes Selbstwertgefühl, Sucht, Suizidgedanken


    • Ökonomische Folgen: finanzielle Abhängigkeit, Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust von
    Eigentum und der Verfügbarkeit von Geld- und Sachmitteln


    • Soziale Folgen: soziale Isolation


    • Stockholm-Syndrom: Solidarisierungsverhalten der Frau gegenüber dem Täter


    Stockholm-Syndrom – Was ist darunter zu verstehen?
    Eine betroffene Frau wird Ihnen als Helfer/in unter Umständen signalisieren, dass sie keine
    Hilfe wünscht. Dieses Verhalten entspricht wahrscheinlich nicht Ihren Erwartungen.
    Als Folge langjähriger häuslicher Gewalt kann es zu scheinbaren Solidarisierungen der Frau mit dem Mann/Täter bis hin zum Abstreiten der vorgefallenen Gewalttaten kommen.


    Wie ist dieses ambivalente Verhalten der Frau zu erklären?
    Um zu überleben, passt sich das Opfer dem Täter an; es kommt zu einer Identifikation mit
    dem Aggressor. Dadurch wird die Bindung an den Täter so stark, dass häufig dessen
    Perspektive von dem Opfer übernommen wird. Die so entstandene Koalition mit dem
    Misshandelnden ist für Unterstützer/innen oft unerklärlich und nicht nachvollziehbar.



    Von der Zentralstelle des Landeskriminalamtes für Opferschutz und häusliche Gewalt heißt es:
    "Die Opfer sind in einer Gewaltspirale gefangen. Zunächst würde der Mann sie nur beleidigen und isolieren. Erst nach Monaten, manchmal nach Jahren, schlägt er zu. Viele Frauen entwickeln in dieser Zeit das sogenannte Stockholm-Syndrom: Sie solidarisieren sich[...]mit dem Täter.[...]"


    Auf der Seite des Landkreises Kelheim unter dem Button "Gewalt gegen Frauen" erfährt man:
    "[...]Gewalterfahrungen ohne soziale Unterstützung und Hilfe führen zu einer Erschütterung des Glaubens an die Möglichkeit eigener Sicherheit und Unverletzlichkeit. Rückzugstendenzen, Veränderungen des Wertesystems, Wahrnehmungsstörungen, Suizidgedanken, selbstverletzendes und -schädigendes Verhalten, Persönlichkeits- und Beziehungsstörungen sind die Folgen. Geringes oder völlig abhanden kommendes Selbstbewusstsein, Passivität und Ambivalenz bei Entscheidungen sind weitere Folgen dieser Gewalterfahrungen - und nicht ihre Ursachen. Sie führen dazu, dass die Frau in der Gewaltbeziehung bleibt und nicht die Kraft hat, aus ihr auszubrechen. Die Bindung an den Täter wird ähnlich stark wie beim sog. Stockholm-Syndrom von Geiseln, zumal der Partner nicht durchgehend gewalttätig und widerwärtig ist, sondern auch immer wieder freundlich und liebevoll. Das Opfer übernimmt seine Perspektive, wodurch die für Außenstehende oft unerklärliche Koalition mit dem Misshandler entsteht.[...]"

    Bis später dann
    :wave Corinna