Ihr Lieben,
die Auffassung, dass es keine historischen Romane im eigentlichen Sinne gibt, stammt nicht von mir, sondern von Feuchtwanger, nachzulesen in seinem Essay "Vom Sinn und Unsinn des historischen Romans".
Eure Einwände sind natürlich berechtigt, trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass
- die Geschichte in erster Linie von Männern geschrieben wurde
- der Alltag im Mittelalter erst sehr spät überhaupt Gegenstand der Forschung war
- der Alltag der Frauen, so sie nicht gerade Hildegard von Bingen heißen und aus armen Schichten stammen, bis heute wenig erforscht ist. Sachbücher zu diesem Thema finden sich in den Bibliotheken, jedoch bleiben viele Fragen offen.
- Originale Quellen nicht überall zur Verfügung stehen, und wenn, dann für uns Heutige nur schwer zu lesen und zu beurteilen sind. Hier ein Beispiel aus einer Gerichtsakte von 1635, Betreff Schmuckdiebstahl zu Frankfurt:
"Bey welcher Liefferung (gemeint ist die Auslieferung des Diebes von Höchst nach Frankfurt) dann eine sehr grosse Menge Volcks, so mit hinausgegangen, gewessen und sonsten auch in der Statt auff der Gassen, da er durchgeführt worden, auffgewartet und diesen grossen Haupt- und Erzdieb sehen wollen, dergleichen zuvor niemals mehr besehen und gehört worden." Quelle: Frankfurter Strafenbuch
Wenn man aber wissen möchte, ob die Mittelältler sich schon die Zähne geputzt , was sie anstatt Toilettenpapier benutzt , wie sie ihre Wunden versorgt, ihre Kinder erzogen und ihren Haushalt geführt haben, was auf den Tisch kam, welches Angebot der Schlachter hatte, wie viel ein Kleid kostete usw. usf., dann stößt man schnell an Grenzen.
Es gibt beispielsweise unzählige Bücher über den Schmalkaldischen Krieg. Seitenlang wird in er Fachliteratur und in den Quellen berichtet, wer sich wann mit wem und wofür verbündet hat und was aus diesen Bündnissen entstanden ist. Wie sich diese Dinge aber auf den Alltag einer Frankfurter Handwerkersfrau ausgewirkt haben, steht im besten Fall zwischen den Zeilen.
Ich bin stets davon ausgegangen, dass meine Leser/innen sich nicht so sehr für die innenpolitische Lage des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation interessieren, sondern eher für den Alltag.
Und nichts anderes habe ich mit Kulisse gemeint. Schlicht den Alltag. In vielen historischen Romanen kann man den gut nachlesen, gut nachvollziehen, aber was für Wünsche, Träume, Sehnsüchte und Bedürfnisse die einfachen Menschen damals hatten, darüber können wir nur spekulieren.
Ich möchte in meinen Büchern über den Alltag der Zeit erzählen, möchte berichten, dass selbst die Familie Goethe nur alle Vierteljahr die Wäscherin bestellt hat, und dass dies ein Zeichen für Reichtum war. Ich finde es interessant zu wissen, welche Aussteuer ein Handwerkermädchen mit in die Ehe brachte, wie viele Kleider sie besaß, von welchem Geschirr welche Mahlzeiten gegessen wurden.
Dabei möchte ich natürlich auch die gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen mit einbeziehen, aber in erster Linie eben mit der Frage, wie diese sich auf den Alltag auswirken.
Dabei gucke ich natürlich durch die heutige Brille. Einfach, weil mir keine andere zur Verfügung steht.
Ich schreibe aus dem 21. Jahrhundert für Leser/innen des 21. Jahrhunderts.
Zugleich möchte ich mich entschuldigen, dass ich an dieser Debatte nur sporadisch teilnehmen kann, da ich derzeit wegen Baulärm vor meinem Büro meist Zuhause arbeite und dort kein Internet habe (wirklich wahr).
Euch allen herzlichen Dank für Eure Beiträge. Und einen besonderen Dank an alle, die für mein Buch nicht nur Geld ausgegeben, sondern sich obendrein damit auseinandergesetzt haben.
Beste Grüße
Ines