Beiträge von Rita

    Das an-den-Personen-Hängen ist ja eher ein Mythos. Wir brauchen unsere Personen, um eine Geschichte zu erzählen, sie sind eher Mittel zum Zweck.


    Natürlich fühlen wir uns in sie herein, leben und leiden mit ihnen, aber das ist ein gefühlt kurzer, vorübergehender Prozess. Wenn ich mir Charaktere ausdenke, die zur Handlung oder zum Thema passen könnten und diese vorantreiben, wenn ich sie sehr langsam forme, ihnen ein Aussehen und für die Geschichte notwendige Eigenschaften gebe, wenn ich mich in sie hineinfühle und sie schließlich - ob gut oder böse - schlüssig handeln lasse, dann sind sie mir nahe. Dann sitzen sie auf meiner Schulter, Tag und Nacht. Alles, was sich mir im Alltag bietet, wird auf sie projiziert.


    So ist das in der monatelangen Vorbereitungsphase und vor allem in der ersten, zweiten, und dritten Schreibversion. Bei der vierten bis achten Version sieht man das Personal dann schon kritischer, klebt nicht mehr am Inhalt sondern mehr am Stil. Dann kommen die Agentur- und dann die Lektoratsdurchgänge, in denen man sich noch einmal in die Köpfe seiner Personen vertiefen muss, aber das tut dann manchmal schon weh, weil sie nun zusätzlich Sachen tun müssen oder nicht mehr tun dürfen, für die sie (nicht) geschaffen waren, die aber besser zum Fortgang der Geschichte passen.


    In diesem Moment abstrahiert man das Ganze schon sehr. Zum Schluss geht es nur noch akribisch darum, Fehler auszumerzen, Logikfehler, grammatikalische und Rechtschreibfehler. Während dieser letzten Phase muss man sein Herz vollkommen ausschalten, darf nur noch kühl-kritischer Kopf sein.


    Zwischen all diesen Schritten liegen jeweils viele Wochen, ja Monate, in denen man sich innerlich allmählich von der Dramaturgie verabschiedet.


    In der Regel heben in mir neue Geister ihre Köpfe, sobald ich beim gefühlt vorletzten Eigendurchgang bin, also bei Version sechs. Wenn ich das Manuskript aus der Hand gebe, habe ich in den Wochen, die zwischen den einzelnen Überarbeitungsgängen liegen, schon längst mit den Vorbereitungen der neuen Geschichte angefangen, die seit Wochen in mir brodelt und immer stärker danach ruft, herausgelassen, aufgeschrieben zu werden. Da ist kein großes Gefühl mehr für die "alten" Figuren da, die werden langsam zu Handwerksmaterial, denn alles in mir dürstet nach neuen Seelen. :grin


    Und sobald ich das Manuskript wegschicke, beginne ich mit dieser neuen Geschichte, auch, weil mich die Angst treibt, meine neue Geschichte sonst zu verlieren.


    Es ist dann wie das Rausgerissenwerden aus einem schönen Traum, wenn eines Tages das "alte" Manuskript zurückkommt und in Windeseile nach den Vorschlägen der Agenten oder Lektorinnen überarbeitet werden muss.


    So weit dies.


    Andererseits war es bei mir so, dass mich mein letztes Buch, mein Thriller "Im Dunkel der Schuld", so sehr mitgenommen hat, mich so viel Kraft gekostet hat, dass ich grundlegend ausgelaugt war. Ich habe noch versucht, mich zu einem neuen Thriller zu schleppen, ein tolles Thema, das schon lange gewartet hat, aufgeschrieben zu werden, aber im Augenblick habe ich einfach die Kraft nicht dazu. Nicht, weil mich meine alten Personen nicht loslassen, sondern weil das Thema mich gequält hat und ich wirklich ALLES gegeben habe, um es möglichst gut "herüberzubringen".


    Deshalb mache ich jetzt eine Schreibpause. Wie lange sie dauern wird, weiß ich nicht.

    Ich habe dieses liebenswerte, leichte Buch gerade ausgelesen und weiß nun gar nicht, was ich noch dazu schreiben soll. Es ist ja schon alles gesagt.


    Natürlich ist der Inhalt ziemlich schnell vorhersehbar, aber das störte überhaupt nicht, weil der Weg zum Ziel so unkonventionell und originell war. Don wurde mit seiner Asperger-Eigenschaft sehr eindringlich geschildert, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob jemand wie er - egal wie groß die Liebe ist - wirklich so weit aus seinem inneren Gefängnis ausbrechen kann, wie er es tut. Aber egal - ich habe die Hauptperson sehr liebgewonnen (obwohl mich Ich-Erzähler sonst sehr stören), hätte mir von Don gern mal einen Cocktail mixen lassen und habe sehr mit ihm gelitten, als er mit seinen genial erworbenen Tanzkenntnissen erst mal kläglich scheiterten, weil plötzlich ein zuvor nicht berücksichtigtes Detail zu den rein theoretischen Tanzschritten dazukam. :lache


    Warmherzig, humorvoll, nachdenklich, originell, nachvollziehbar - das macht auch von mir 10 Punkte.

    Was für ein Werk!


    Zwei Monate habe ich mich förmlich durchgekaut, habe die Sätze eingesogen, mich durch inhaltlich sterbenslangweilige Seiten gebissen, aber vor allem in wundervollen Sätzen gebadet. Wahrlich ein Meisterwerk - für disziplinierte Leser! Vor zehn Jahren hätte ich es nicht geschafft durchzuhalten, dies vielleicht als Trost für die jüngeren hier. Wartet einfach! Es wird der Tag kommen, an dem ihr mit dem Werk anfangt und nicht mehr aufhören mögt. Obwohl ich an manchen Abenden nur vier, fünf Seiten geschafft habe, bis ich einschlief.


    Ich habe die absolut großartige, literarische Jendis-Übersetzung von Hanser gelesen, gebunden, mit knapp 35 Euro richtig, richtig teuer, aber nun steht sie in meinem Bücherregal neben Tolstois Anna Karenina (ebenfalls gebunden von Hanser) wie meine ganz persönliche Lese-Trophäe des Jahrzehnts.


    Zum Inhalt muss ich nicht viel erzählen, ich bin nun perfekt ausgebildet als Beifahrer auf einem Walfangschiff, kenne mich mit dem Anheizen der Tranöfen, dem Häuten, Zerstückeln, Jagen eines Wals aus, aber auch mit all seinen Eigenheiten, angefangen von der Stellung der Augen über die Größe seines Skeletts bis hin zu den Bahnen, die er durch die Meere zieht. Archaischer Walfang Mitte des 19. Jahrhunderts - ich war mit Haut und Haaren dabei!


    Kleine Kritik: Die vielen seemännische Ausdrücke wurden im leider unübersichtlichen Anhang erläutert - da hätte ich mir ein kleines, herausnehmbares Beiheft gewünscht, ebenso war mir die Biographie über den Autor zu ausufernd, da hätte Kürze besser getan.


    Dennoch - ich glaube, ich lese es gleich noch einmal :-)

    Oh Kirsten, das seh ich erst jetzt. Was für eine schöne Nachricht!


    Die schlechte: Das Buch ist inzwischen - wie auch "Die Leiche im Paradies" - nicht mehr lieferbar. ;-( Ob nachgedruckt wird, überlegt der Verlag noch.

    Das e-book von "Im Dunkel der Schuld" kann ab heute bis Ende Januar (also auch für alle, die einen Reader erst zu Weihnachten geschenkt bekommen) für 4,99 Euro heruntergeladen werden. Ich freue mich sehr über diese Preispromotion des Verlags. Viel Spaß beim Lesen!

    Bücherfreund ,

    Das Buch steht seit Ewigkeiten in meinem Regal. Heute Nacht habe ich es endlich in die Hand genommen und das erste Kapitel gelesen. Atemlos. Lest selbst:


    "Drei Möwen kreisen über zerbrochenen Kisten, Orangenschalen, fauligen Kohlstrünken, die zwischen den zersplitterten Plankenwänden auf und nieder schaukeln, grüne Welle schäumen unter dem runden Bug, wenn das Fährboot, gleitend auf dem Flutstrom, schnalzend, glucksend die zerspellten Wasser schneidet, schleifend, schlappend langsam auf die Helling auffährt. .... Gittertore öffnen sich, Füße trappeln über den Spalt, Menschenscharen wälzen sich durch den mistverpesteten hölzernen Tunnel des Fährhauses, zusammengequetscht und kollernd und stoßend wie Äpfel, die man in die Rutsche einer Obstpresse schüttet."


    So beginnt das Buch.


    Wow! :anbet


    Auch wenn der Inhalt wohl eher einem Flickenteppich gleicht, so freue ich mich schon jetzt auf jeden Fetzen dieser überbordenden Wortgewalt.

    Gute Frage. Ich hatte dieses Buch erst gestern zufällig wieder in der Hand.


    Ich habe den Autor bei der Buchvorstellung in New York selbst erlebt. Damals hatten wir eine sehr hektische Zeit, und ich las das Buch mit wachsender Betroffenheit, nahm es mir nochmals vor und las es jeden Morgen abschnittweise meinem Mann vor. Mit dem Ergebnis, dass er eines Morgens nach wieder einem Kapitel aufsprang, seine Sekrtärin anrief und sich den ganzen Tag einfach so frei nahm. Seitdem leben wir viel, viel bewusster und dankbarer.

    Findus, deine Begeisterung für dieses Buch freut mich.


    Im Augenblick zittere ich ein bisschen, weil sich die strengste Rezensentin aller Zeiten ;-) das Buch vorgenommen hat. Das sind dann Momente, in denen sich eine Thriller-Autorin die Bettdecke über den Kopf zieht. :lache

    Was für eine intensive Diskussion! Ich gehöre im wahren Leben auch eher zur Fraktion von Findus, dass jeder in seiner Kindheit zwar verletzt, aber trotzdem ein halbwegs vernünftig denkender und handelnder Mensch werden kann. ABER es gibt eben auch diese sehr subtilen, zwanghaften Kreise, in denen das nicht möglich ist. In denen Kinder krank gemacht werden, und die später gar nicht merken, dass sie krank sind, sondern immer wieder/noch in ihren alten Mustern verharren und keinen Ausweg finden.


    Danke also für eure Diskussion, genau um diese Themen ging es mir. Diese Leserunde hat es wirklich in sich.

    Ich spar mir hier, den Inhalt zu wiederholen.


    Ich habe das Buch nach dem Eulentreffen am Bahnhof in Hannover gesehen, hatte Zeit bis zur Abfahrt meines Zuges und hab es einfach "nur mal so" aufgeschlagen (man konnte ja nicht sagen, dass ich an dem Wochenende nicht schon genug Bücher gesehen hätte :lache ) . Was soll ich sagen: Ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen.


    Ich tat mich natürlich leichter als Babyjane, mich im amerikanischen Schul- und Gesellschaftssystem zurechtzufinden, auch wenn Baseball auch nach Ende der Lektüre immer noch ein Buch mit sieben Siegeln für mich ist. (Ganz zu schweigen, wie oft ich in Amerika versucht habe, Sinn und Zweck dieses Spiels zu verstehen!)


    Aber darum ging es hier auch gar nicht. Fasziniert hat mich, mit welcher Sogwirkung der Autor seine Personen erschaffen hat, wie leidenschaftlich (und amerikanisch erfolgsorientiert) sie agieren, wie sie in ihren eng umgrenzten Welten leben und leiden.


    Im Gegensatz zu BJ hat mir die diffizile Schwulengeschichte gut gefallen, aber dafür fand ich die einzige nennenswerte weibliche Hauptperson überhaupt nicht liebenswert, die wahllos und ohne Anlauf mit jedem ins Bett hüpft. Und trotzdem konnte ich die Handlungsweise eines jeden Protagonisten nachvollziehen. Immer noch bin ich stark beeindruckt von dem fast schon hypnotischen Schreibstil des Autors. Man merkt, dass dies ein Debüt ist, bei Debüts feilt man oft wesentlich länger an Formulierungen als später als Erfolsautor, wenn man meint, jedes Jahr ein neues Buch auf den Markt werfen zu müssen.


    Für mich ist "Die Kunst des Feldspiels" ein heißer Anwärter auf mein persönliches "Buch des Jahres".


    P.S. Es ist inzwischen als Tachenbuch herausgekommen.

    Danke für eure tollen und intensiven und sensiblen Rückmeldungen. Ihr habt mir dadurch sehr viel zurückgegeben. Zuerst war ich etwas nachdenklich, weil es zunächst relativ ruhig war in der Leserunde, aber ich habe inzwischen verstanden, dass euch die Geschichte ganz ehrlich mitgenommen hat. Das ist das Wunderbarste für eine Autorin und eine hohe Messlatte. :-]