Ich liebe Lesungen. Es ist eine unglaublich tolle Möglichkeit, mit den Lesern direkt in Kontakt zu treten. Ich stehe (!) da vorne, schaue in erwartungsvolle Mienen und freue mich. Oft überträgt sich schon das.
Es ist nicht so, dass sie aus Langeweile kommen oder um jemandem einen Gefallen zu tun. Sie zahlen für ein Event und haben ein Recht darauf, bestmöglich unterhalten zu werden. Egal, wie viele Personen es sind, zehn oder 200.
Meine Lesungen dauern in der Regel 90 Minuten am Stück, und da hat sich noch niemand gelangweilt. Ich bereite Blöcke vor: 10 bis 15 Minuten (zuhause stoppen) aus dem Text lesen (nach Möglichkeit von Anfang an weg, auf jeden Fall aber Szenen, in denen was passiert, keine Landschaftsbeschreibungen - man kann seinen Text auch dahingehend frisieren), dann 10 bis 15 Uhr etwas frei erzählen. Über Begebenheiten, die einem bei der Recherche zum Buch widerfahren sind, aber genauso interessant sind auch Schilderungen aus dem Autorenalltag. Bitte nichts beschönigen. Die meisten im Saal können ja auch selber schreiben und fragen sich, ob sie nicht auch mal ein Buch verfassen könnten. Also kommt es gut an, wenn man berichtet, welch ein einsamer Job das ist, wieviel Disziplin man aufbringen muss, dass man fürs Schreiben aufs Fernsehschauen verzichtet etc... Ich erzähle auch oft frank und frei, wie es mit dem Verdienst aussieht. Beim anschließenden Bücherverkauf runden dann manche mitleidige Seelen die Summe noch um ein zehn-Cent-Stück auf 
Für das Baden-Badener Roulette hatte ich mir einen Trailer gebastelt und vorgehabt, ihn zu Beginn der Lesung per Beamer vorzuspielen. Ich stellte mir das so vor: Alles ist dunkel, der Trailer läuft (aus dem ersten Kapitel des Buches), dann geht das Licht an und ich lese nahtlos an der Stelle weiter, an der der Trailer aufhört. Hat sich aber nie so angeboten. Schon allein, weil das Ambiente das nie hergegeben hat und man ja anfangs bei der Begrüßung im Hellen vor dem Publikum steht und es auf das Buch einstimmt. Danach würde ich es nicht mehr wagen, es "loszulassen" in die Dunkelheit.
Bei meiner Kollegin Petra Busch allerdings läuft das super gut auf diese Weise. Sie lässt ihren Text aus dem "off" von einem geschulten Schauspieler lesen, dann übernimmt sie den Part des Erzählens, dann liest der Schauspieler wieder. Tolle Sache. Ich könnte mir allerdings von meiner Gage niemanden leisten, genauso wenig wie einen begleitenden Musiker, was ja auch immer öfter angeboten wird.
Und es ist auch nicht nötig. Die Rückmeldungen, die ich nach den Lesungen bekomme, zeigen mir, dass es mit einfachen Mitteln auch geht, solange man, wie meine Vorschreiber schon kundtaten, unverkrampft und authentisch rüberkommt und auch sein Buch wirklich liebt.
Viele sind begeistert, weil sie nun mit meiner Stimme im Kopf dieses Buch oder folgende "anders" lesen werden als vorher.
Also, Beisswenger, probier's einfach mal aus!