Beiträge von Kati Naumann

    Hattest Du Mitspracherecht, als Harper Collins die Gestaltung der Buchcover verändert hat?


    Auch wenn ich erst vor einem Monat den Roman "Als wir Kinder waren" gelesen habe, hatte das Cover mit der Straßenansicht

    ASIN/ISBN: 3749900000
    und hier mit der Frau bei "Was uns erinnern lässt" vor dem Seepanorama
    ASIN/ISBN: 3959672470
    , die Stadtansicht in "Die Sehnsucht nach Licht"
    ASIN/ISBN: 3365001174
    sich bei mir im Kopf eingeprägt. Als - die letzten beiden vor "Fernwehland" erschienenen Buchcover für die Taschenbuchausgabe - dann überarbeitet wurden, verwirrte mich dies erst einmal, denn ich dachte kurz: "so viele neue Bücher in kurzer Zeit geschrieben?"

    Ja, ich habe ein Mitspracherecht. Und zwar dahingehend, dass ich Entwürfe vorgelegt bekomme und dann zustimme oder ablehne. Mein Verlag möchte natürlich, dass mir das Cover gefällt. Da ich aber von Grafik nicht viel Ahnung habe und auch nicht einschätzen kann, was meinem Publikum gefällt, vertraue ich da den Fachleuten komplett. Der erste Roman mit HarperCollins ist ja nun schon einige Jahre her. Da kann es natürlich sein, dass ein Verlag die Optik dem Zeitgeschmack ein wenig anpassen möchte. Ich finde es toll, dass nun alle meine Bücher bei HarperCollins noch einmal ein neues Gewand bekommen. Mir gefallen die neuen Cover unheimlich gut und noch besser als die alten. Vor allem das von Fernwehland finde ich so stimmungsvoll und Sehnsucht weckend..

    Ich frage mich, warum sie sich beim Captains Dinner nicht als Deutsche zu erkennen gegeben haben. Besonders Henri hadert mit seiner Herkunft. Das dachte ich mir auch, als er gegen Ende des Abschnitts mürrisch ist, weil der neue Passagier Elli sie einfach auf deutsch anspricht.

    DDR-Bürgern ist das "Deutschsein" regelrecht abtrainiert worden. Wir waren DDR-Bürger, keine Deutschen. Deutsche, das waren in der offiziellen Staatsversion die kapitalistischen und damit bösen Westdeutschen. Die Deutsche Seereederei der DDR wurde in Deutfracht umbenannt, damit bloß nicht mehr das Wort "deutsch" im Namen vorkam. So mancher spürt das bis heute und es wirkt sich bei den einen so aus, dass sie endlich stolz auf ihr Land sein wollen und bei den anderen, dass sie noch immer damit fremdeln.

    Wie war die Schreibarbeit? Hast Du abwechselnd die Handlungsstränge geschrieben oder erst mehrere Kapitel der Vergangenheit und dann die Gegenwart drumherum?

    Ich schreibe immer als erstes komplett die Vergangenheit, ohne mich um die Gegenwart zu kümmern. Meine Figuren sind ja erst durch die Vergangenheit zu dem geworden, was sie heute sind. Und bevor ich das mit ihnen durchlebt habe, kann ich ihr gegenwärtiges Wesen nicht schreiben. Erst wenn die Vergangenheitsebene komplett mit Kürzungen und Überarbeitungen fertig ist, mache ich mich an die Gegenwartsebene, die vor allem die Aufgabe hat, die Lücken und Sprünge in den Zeiten zu füllen und alles zusammen und bei der Stange zu halten :-)

    Welch ein Drama, beim Nachlesen im Netz hatte ich gelesen, dass ein Passagier der Stockholm ums Leben gekommen ist. Ausgerechnet Per, frisch verheiratet mit der lieben Frida, menno. Stimmt es, dass das Opfer damals tatsächlich in den Flitterwochen war? ist das überliefert?


    Zu der Szene: Ich lese wie Per seine Frida liebevoll zudeckt, er geht zum Rauchen ans Deck, lese "Per hört Orchesterklänge über dem Meer", ich ahne auch in dem Moment nicht das Unglück, dass Frida es miterlebt haben könnte. Obwohl ich gerade erst den wiki Eintrag gelesen hatte, habe ich nicht in Verbindung gebracht, dass der Zusammenstoß in Fridas Flitterwochen passiert sein könnte. Gut gemacht, Kati!

    In Wahrheit sind auf der Stockholm ausschließlich Besatzungsmitglieder und kein Passagier ums Leben gekommen. Es waren fünf Besatzungsmitglieder, die ihre Kabinen ganz vorn im Heck hatten, das komplett zerstört wurde. Da in dieser Nacht viele vom Service zusätzlichen Dienst hatten, gab es glücklicherweise nur wenige, die sich in den vorderen Kabinen aufgehalten hatten. Diese historischen Fakten findet ihr auch ganz hinten im Anhang.

    Die Detailliertheit zeigt auch das Wort Petticoatsessel (so könnte er auch ausgesehen haben) und auf S. 137 steckt ein Croissant in Fridas Handtasche, dazu passend haben wir auf S. 132 Fridas Erinnerung gelesen: Croissant ins Bett krümeln mit Per.

    Im Netz gesucht habe ich auch Saure Flecken

    Die Petticoatsessel sahen so aus:

    Sie haben diese seitliche Aussparung, in die der Petticoat eingeklemmt werden konnte, sodass er nicht hochklappte.

    Batcats beschreibenden Worten kann ich mich nur anschließen. Toll, dass es dieses Video gibt.

    Ja, dieses Video war unglaublich toll für die Beschreibungen. Ich hatte mir natürlich auch die GNTM-Folge reingequält und sämtliche Werbefotos und Broschüren der Astoria angeguckt, aber gerade für die Wirtschaftsräume und die technischen Sachen war das Video sensationell gut und ich sehr dankbar dafür.

    Hier möchte ich euch gern das Bilz-Bad zeigen. Eine Alteingesessene hat mir so lebhaft ihre Kindheitserinnerungen daran geschildert, dass ich mich unglaublich gut in diese Zeit zurückversetzen konnte. Ich fand es einen Glücksfall, dass dieses Wellenbad früher auch mit Dampfantrieb war, so dass ich hier noch einmal die Verbindung zu den Flussdampfern herstellen konnte.

    Um die Gegenwartsebene mit der Vergangenheit verbinden zu können, habe ich die Deckspläne von Stockholm und Astoria miteinander verglichen und die Querschnitte auf Pergament ausgedruckt und übereinander gelegt, damit ich immer gleich sehen konnte, welche Ebene wann wie heißt.

    Danke für die ausführliche Antwort. Das klingt wie eine Art Puzzle und braucht bestimmt auch Geduld. Wenn man unbedingt was besonderes wissen will und man partout noch keinen gefunden hat, der genau das weiss.

    Manchmal komme ich auch an den Punkt, an dem ich einsehen muss, dass es gerade bei Kleinigkeiten einfach nicht mehr herauszufinden ist. Dann muss ich mich zur Ordnung rufen und mir sagen, dass ich keine Doktorarbeit schreibe, sondern einen fiktiven Roman (der ein Abgabedatum hat) und mir durchaus Dinge ausdenken darf. Bei historischen Ereignissen widerstrebt mir das aber sehr.

    Hört sich total spannend an, die Recherche. Und ist ja eigentlich ein ganz eigener Job. Also der Autorenjob kommt eigentlich erst danach. :/

    Ich finde jeden Teil meiner Arbeit toll. Die Recherche liegt immer vor dem Schreiben und macht ungefähr ein reichliches Drittel aus. Große amerikanische Autoren beschäftigen dafür eigene Mitarbeiter. Ich würde das aber nicht auslagern wollen, weil ich die Begegnungen so bereichernd finde. Bei diesen Gesprächen komme ich oft auf ganz neue, ungewöhnliche Ideen, erfahre winzige Details, die eigentlich unwichtig sind, aber so gut die Vergangenheit spürbar machen, und ich bekomme ein inniges Gefühl für den Ort und seine Bewohner, das macht alles viel lebendiger.

    Um die Fahrten der Stockholm beschreiben zu können, habe ich nach alten Werbeprospekten, Menüplänen, Cocktailkarten und ähnlichem in Auktionshäusern gesucht. Die sind dort zum Glück immer gut abgebildet. sodass ich nicht alles kaufen musste! Aber einen alten originalen Decksplan musste ich unbedingt haben, das ist so inspirierend! Die Speisen, Getränke und die Vergnügungen auf dem Schiff habe ich alten Menükarten und Programmheften entnommen.

    Den Greta-Garbo-Cocktail hat mein Verlag übrigens bei der Vorstellung des Romans für die norddeutschen Buchhändler gemixt und ich kann euch sagen, es wurde eine sehr lustige Veranstaltung, denn das Zeug ist stark.

    Hier könnt ihr die alten Filmaufnahmen vom Untergang der Andrea Doria ansehen und dort seht ihr auch Aufnahmen der stark beschädigten Stockholm.

    https://www.youtube.com/watch?v=DYjfSwRIqNQ

    Für die Dampfschifffahrt habe ich bei der Recherchefahrt auf einem historischen Dampfer einen der letzten Dampfmaschinisten kennengelernt, dessen Großvater schon bei der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrt gearbeitet hatte. Er hat mir ganz viele Bilder zur Verfügung gestellt und wusste unzählige Episoden und Erinnerungen. Für die Stockholm habe ich Kontakt zu schwedischen Archiven und Museen aufgenommen, da es keine Filmaufnahmen oder Fotos von der Schiffstaufe gibt. Alles, was man dazu im Internet und in Bildarchiven findet, sind Aufnahmen der Vorgängerschiffe mit selbem Namen. Ich hatte dann riesiges Glück... Nach ewiger Suche habe ich vom schwedischen Reichsarchiv eine Kopie des Protokolls der Schiffstaufe zugeschickt bekommen. Vom Bau der Stockholm gibt es nur ein einziges Bild. Ich habe es einem Werftarbeiter und einem Matrosen gezeigt und die haben anhand der Hintergründe herausgefunden, dass das Schiff im Trockendock gebaut worden sein musste. Damit wusste ich, wie der Stapellauf abgelaufen war. Die Zeitzeugen habe ich kleckerweise gefunden. Ich bin direkt in Kötzschenbroda ins Heimatmuseum gegangen, habe nach Alteingesessenen gefragt, und dann überall gestreut, dass ich Werftarbeiter der Warnow-Werft und ehemalige Besatzungsmitglieder und Passagiere der "Völkerfreundschaft" suche und bin dann kreuz und quer durchs Land gefahren, um die Leute zu treffen. Und manchmal hatte ich Glück, denn die einen wiederum kannten dann andere...

    Über das Schild habe ich mich auch amüsiert. Ich hatte es für mich so interpretiert, dass es sich an die Besatzung richtet, die Kleider zu ordnen, bevor man Passagierdecks betritt, um bei den zahlenden Gästen stets einen guten und gepflegten Eindruck zu hinterlassen. :gruebel


    Wie die Passagiere aussehen, ist doch wurscht. Die zahlen für ihre Passage und gut ist. Denen muss man nicht sagen, dass sie ordentlich aussehen sollen. :lache

    Das Schild für die Kleiderordnung gilt für die Besatzung bei der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrt. Dort herrschte Zucht und Ordnung und bevor ein Maschinist den Maschinenraum verließ und Passagieren begegnete, musste er seine Uniform überprüfen, ob da auch alles absolut korrekt saß.

    Kati Naumanns Antwort auf meine Fragen, die ich im Anmeldethread bereits stellte und hier nun, der Übersichtlichkeit zuliebe, wiederholte, hat sich überschnitten. Daher füge ich ihre Antwort hier ein:

    Vielen Dank für die schnelle Antwort und die Verlinkung. Ich sehe schon, es gibt sehr viel zu entdecken. Dass das Schiff nun vor Helgoland liegt, dies hatte ich noch nicht im Netz entdeckt.

    Es gibt ein Schiffsradar, dort kann man die Postion jedes Schiffes ansehen:

    https://schiffsradar.org/ms-astoria/

    Fragen für die Leserunde:

    Ob wohl das Schiff seit fünf Jahren mit Möbeln/ Geschirr/ Besteck/ Bett- und Tischwäscheetc. in Rotterdam steht?

    Wird ein Schiff auch bei Namenswechseln getauft?


    Das Schiff lag zum Zeitpunkt meiner Recherche im Walhafen von Rotterdam. Jetzt liegt es irgendwo vor Helgoland. Und ja, es ist alles noch dort. Hier sind ein paar Leute eingestiegen und haben sich dabei gefilmt, da könnt ihr alles sehen:


    Beim Namenswechsel gibt es dann eine Umbenennungszeremonie. Die Schiffstaufe ist schon durch den damit zusammenhängenden Stapellauf für jedes Schiff einmalig.

    Für die Einstimmung möchte ich euch gern einen Blick in meine Recherchebücher zeigen. Die Recherchen liegen natürlich immer vor dem eigentlichen Schreiben eines Romans mit historischem Bezug. Die Herausforderung bei dieser Art von Büchern ist, dass sie von einer Zeit erzählen, deren Zeugen noch leben. Das bedeutet, ich muss besonders sorgfältig arbeiten, um niemanden zu verletzen und ich möchte natürlich, dass möglichst viele Menschen ihre eigenen Erinnerungen darin wiederfinden.

    Die Recherche zu diesem Roman war meine bisher aufwändigste. Ich habe zwei Handlungsorte, Rostock(Warnemünde/Reutershagen und Kötzschenbroda/Radebeul, und erzähle Teile deren Ortsgeschichte. Ich habe zwei Schiffe als Handlunsgorte, mit deren Decksplänen, Aufbauten/Umbauten und Technik ich mich befasst habe. Außerdem gibt es auf einem Schiff unglaublich viele Berufe. Die Seeleute und Besatzungsmitglieder, die ich befragen wollte, lebten im ganzen Land verstreut. Deshalb brauchte ich diesmal also 3 volle Recherchebücher.

    Auf den Bildern seht ihr ein paar Impressionen von der Uferstraße in Kötzschenbroda, die Restauration Dampfschiff (Dort habe ich auf der Terrasse bei Rhabarberkuchen die Eingangsszene geschrieben) und die Dampferanlegestelle, an der ich direkt einige Szenen geschrieben habe.

    Ein herzliches Hallo in die Leserunde! Ich freue mich sehr, dass ihr Lust auf meinen neuen Roman "Fernwehland" habt und begleite euch dabei sehr gern. Ich habe gesehen, dass ihr euch schon fleißig aufs Thema gestürzt habt und stelle euch zu den jeweiligen Abschnitten noch ein paar Bilder und Informationen ein, falls ihr Lust auf mehr habt.

    Und hier gibt es einen Beitrag zur Buchpremiere, da seht ihr das Schiff, um das sich der Roman dreht, einmal in Aktion: https://www.mdr.de/video/mdr-videos/a/video-895402.html

    Ich freue mich auf den Austausch mit euch und schicke herzliche Grüße in die Runde.