nicht gefunden per Suche im Forum, daher wage ich es mal, eine Vorstellung des Buches zu schreiben:
Klappentext der SZ-Ausgabe:
"Utopie eines sanften Feminismus. Die Schlüsselerzählung der frühen 80er Jahre." Meike Fessmann
"Tiefer als von jeder anderen Regung, tiefer selbst als von meiner Angst, bin ich durchtränkt, geätzt, vergiftet von der Gleichgültigkeit der Außerirdischen gegenüber uns Irdischen. Gescheitert das Wagnis, ihrer Eiseskälte unsre kleine Wärme entgegenzusetzen."
Kassandra, die Seherin, die Prophetin des Untergangs, der man kein Gehör schenkte, steht am Ende des Trojanischen Krieges als Gefangene Agamemnons vor den Mauern von Mykenae und wartet auf den Tod. Sie kann den Lauf der Dinge nicht aufhalten, doch sie blickt ihm bewusst entgegen. Sie sieht die Männer vor sich, die Helden werden mussten: Der Krieg machte die Kämpfer beider Seiten, ob Trojaner oder Griechen, einander immer ähnlicher. Und sie stellt sich ihrer eigenen Geschichte, der Rolle einer Frau, die zum Objekt und Opfer der Geschichte der Sieger gemacht werden soll. Christa Wolf greift auf einen der grundlegenden Mythen des Abendlands zurück – und erzählt ihn neu, aus der Sicht Kassandras, die in einer männerdominierten Wirklichkeit um Autonomie ringt und den Heldensagen eine Stimme entgegenhält, die künftig nicht mehr unterschlagen werden kann. 1983 in der BRD und 1984 in der DDR erschienen, wurde "Kassandra" auch als Kommentar zur Stationierung der Mittelstreckenraketen und atomaren Hochrüstung in Ost und West aufgefasst. Die Erzählung gehört bis heute zu den meistgelesenen Büchern Christa Wolfs. Ihre Frankfurter Poetik-Vorlesungen "Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra" erlangten nicht zuletzt wegen der aktuellen Bezüge zur Friedens- und Frauenbewegung ebenso Kultstatus.
Angaben zum Autor
Mit der Autorin habe ich mich bisher nicht weiter auseinander gesetzt. Der SZ-Verlag schreibt folgendes:
Christa Wolf wurde am 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe geboren. Nach der Vertreibung 1945 blieb die Familie zuerst in Mecklenburg. 1949 machte Christa Wolf in Bad Frankenhausen Abitur. Sie studierte von 1949 bis 1953 Germanistik in Jena, unter anderem bei Hans Mayer. 1951 heiratete sie den Schriftsteller Gerhard Wolf. Christa Wolf arbeitete beim Deutschen Schriftstellerverband, als Lektorin für verschiedene Verlage und als Redakteurin der Zeitschrift "Neue Deutsche Literatur". Von 1955 bis 1977 war sie Vorstandsmitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Seit 1962 ist sie freie Schriftstellerin. 1976 war sie Mitverfasserin des offenen Protestbriefs gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann. Ihre Romane, Erzählungen, Essays und Artikel sind in viele Sprachen übersetzt worden. Christa Wolf wurde vielfach geehrt,
unter anderem mit dem "Heinrich-Mann-Preis" 1963, dem "Bremer Literaturpreis" 1977, dem "Büchnerpreis" 1980, dem "Geschwister-Scholl-Preis" 1987 und mit dem "Hermann-Sinsheimer-Preis" 2005.
(Falls ich dies nicht einfach so übernehmen darf, bitte ich um Löschung des Textes.)
Meine Meinung
Mein erster Kontakt überhaupt mit Christa Wolf. Natürlich habe ich vorher schon von ihr "irgendwo mal was gehört", aber bisher noch nie ein Buch von ihr in der Hand gehabt. Nun, mit der Anschaffung der SZ-Bibliothek, war dies das erste Buch aus der Reihe, welches ich auch gelesen habe.
Nach den ersten Sätzen war ich kurz davor aufzugeben, da das ganze Buch aus einem "inneren Monolog" besteht, was das Lesen erst mal etwas schwer machte. Nachdem aber die erste Verwirrung vorbei war, hat es mich gepackt und ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Und: ich bin begeistert! Ich musste mich halt erst einmal in den Sprachrhythmus einlesen und auf ihn einlassen.
Kassandra wartet in Gefangenschaft auf ihren Tod und lässt ihr Leben innerlich noch einmal Revue passieren. Die Ilias vorher einmal gelesen zu haben, hilft hier schon etwas weiter - ich fand es sehr spannend, wie Christa Wolf die Geschichte aus dem Blickwinkel einer weiblichen "Nebenfigur" interpretiert. Und wie sie die Helden der Ilias "auf den Boden" holt und ihnen ein menschliches und auch mal schwaches Gesicht gibt. Sie beschreibt die unausweichlichen Folgen des Handelns aus Stolz und Uneinsicht, so dass das tragische Ende für Troja zwingend wird.
Inwieweit die Erzählung als "Kommentar zur Stationierung der Mittelstreckenraketen und atomaren Hochrüstung in Ost und West" zu sehen ist, hat sich mir allerdings noch nicht erschlossen. Da muss ich noch etwas drüber nachgrübeln - oder kann mir hier jemand auf die Sprüge helfen?
Alt genug, um etwas mitzubekommen, war ich in den 80ern ja, aber anscheinend bin ich damals mit Liebeskummer-beschränkten Scheuklappen durch die Weltgeschichte gelaufen und habe mich auf tiefsinnige Gespräche bei aromatisiertem Tee mit Kandis und Räucherstäbchen beschränkt...
Viele Grüße
Trillian