Wie versprochen:
Ich habe in ziemlich jungen Jahren „Der Mann der Donnerstag
war“ von Chesterton gelesen. Einfach, weil das bei meinen Eltern im Regal
stand. Letztens ist mir Jasper Fforde in die Hände gefallen und da heißt die
Protagonistin „Thursday Next“. Ob das ein Zitat ist?
Dass es sich bei dem Titel „Freitags bei Paolo“ auch um ein
Wortspiel mit einem Nachnamen handelt, und dass dieser Name schon bei Daniel
Defoe auftaucht, das ist mir erst bei der Lektüre langsam aufgegangen und ich
fand es eine echt coole Idee.
Clemens Freitag und Marie de Bruijn sind total tolle Leute.
Sie sehen gut aus, sind begabt und werden beide von einer Menge Menschen
gemocht. Clemens ist vielleicht ein bisschen aggressionsgehemmt und Marie dafür
eher ein bisschen das Gegenteil, aber darum ergänzen sie sich gut und so kommt
es dann, dass sie in der Sylvesternacht auf 2000 ein Paar werden. Das ist ja
schonmal geschickt gemacht, denn an die Sylvesternacht 2000 haben vermutlich
90% der Leute, die als Leser in Frage kommen, noch ziemlich konkrete Erinnerungen. Ich für
meinen Teil habe da gearbeitet.
Und überhaupt ist das sehr gut durchdacht. Diese Beziehung
entwickelt sich nämlich absolut ideal. Die beiden lieben einander intensiv,
leidenschaftlich, körperlich und zugleich intellektuell und menschlich. Sie
ergänzen und respektieren einander und ermöglichen dem jeweils anderen, sich
weiterzuentwickeln. Das könnte einen abstoßen. So ähnlich wie dieses Paar in
einem der Loriotfilme, erinnert sich noch einer? „Ich freue mich immer, wenn
ich noch etwas von dir lernen kann.“ „Du Gute“ „Du Guter“
Aber das tut es nicht, denn das Buch geht sehr nett mit
seinem Personal um. Man versteht als Leser, was da vor sich geht, warum die
Protagonisten so empfinden. Man kann das mitfühlen. Trotzdem ist das natürlich
eine dezente Provokation, so ein bisschen ein Köder, der da ausgeworfen wird.
Solche Beziehungen gibt es nicht. Und wenn doch, dann ist es eine Lüge. Und sie
gehen kaputt. Ätsch. Tatsächlich habe
ich meine Zweifel, ob es sowas in der wirklichen Wirklichkeit gibt, aber hier
ist es ja schließlich nur ein Buch. Und hier gibt es das eben doch.
Dann bringt die Geschichte noch ein paar andere potentielle
Aufreger, vor denen ich ehrlich etwas Sorge hatte. Nämlich Cancel Culture und
Linke Politik. Clemens wird ein bekannter Comedian und kriegt Schwierigkeiten,
weil er sich auf den ersten Blick ziemlich hanebüchenen Vorwürfen ausgesetzt
sieht, die sich in Zeiten von social Media aber zu einem Shitsorm auswachsen.
Und Marie wird in einer linken Partei erfolgreich, mit allen Intrigen und
Winkelzügen, die dazugehören. Beide Themenfelder in einem Unterhaltungsroman,
das könnte platt, provokativ und politisch engstirnig werden. Aber ich kann
Entwarnung geben. So gnädig, wie das Buch mit seinen Protagonisten ist, so ist
es auch mit den Nebenfiguren. Auch mit den eigentlichen Antagonisten. Sogar der
bekannteste deutsche Thrillerautor, der in Frauengestalt auftritt, und von dem
ich weiß, dass viele Leute ihn trotz oder wegen seiner Popularität echt nicht
leiden können, kommt vergleichsweise gut weg. Ich würde sogar sagen,
Nadine Frontzecki gibt an der ein oder
anderen Stelle ein paar ganz schön tiefsinnige Analysen von sich.
Und darum wirkt die
Auseinandersetzung mit diesen beiden eher zeitgeistigen Themenfeldern
eben nicht engstirnig, sondern ausgewogen und freundlich und überlässt es ehrlich
dem Leser, was er von Identitätspolitik und solchen Sachen hält.
Überhaupt, die Nebenfiguren. Das ist ein zusätzlicher Spaß,
die Bezugnahme auf reale Persönlichkeiten lässt sich (trotz des „frei erfunden“
Disclaimers im Nachwort) unmöglich leugnen und es ist einfach vergnüglich, wenn
Namen wie „Bargeld“, „Einzick“ oder „Kautz“ auf echte Prominente verweisen. So
schwer ist das meist auch nicht zu erraten.
Und dann passiert, was passieren muss – sie lieben sich
nicht mehr und trennen sich. Das muss nicht passieren, weil das im echten Leben
auch immer passiert (selbst wenn das stimmen würde). Das muss passieren, weil
es der Plot erfordert, denn eine Geschichte, in der immer nur alles super ist,
eignet sich einfach nicht für einen Roman. Und es fordert den Leser heraus. Warum
genau haben die sich denn jetzt getrennt? Das ist die gute Frage, die im Buch
eher atmosphärisch beantwortet wird und die in einer Gesellschaft, die im
Herzen doch an die große, ewige Liebe glaubt, einfach eine Provokation
darstellt. Diese Geschichte stellt die Lebensentwürfe vieler Leser in Frage.
Und gerade dadurch, dass sie eine einfache Antwort auf die Frage, warum sich
solch ein Paar denn in Gottes Namen trennen muss, verweigert oder zumindest nur
nebulös behandelt – es war halt irgendwie vorbei – lässt es sich auch nicht
einfach widerlegen. Man muss es halt schlucken. Bei den beiden lief das halt
so. Und ganz am Ende finden beide das ganz genau richtig.
Es gibt so etwa 39874 Epiloge, wie nach einem Kinofilm, wenn
nach den Credits nochmal eingeblendet wird, wie es mit den Protagonisten
weitergegangen ist. Wie die Zugaben von Bands, die einfach Spaß haben, noch
weiterzuspielen, selbst wenn das Saallicht schon wieder angegangen ist. Oder
wie die Zugaben von Clemens, der
manchmal einfach aus Bock noch weitermacht.
Wahrscheinlich ist „Freitags bei Paolo“ mein Lieblingsbuch
von Tom. Aber es ist immer gerade das letzte mein Lieblingsbuch, was auch damit
zu tun haben kann, dass ich langsam älter werde. Und Tom auch.