Beiträge von Buecherturm

    Ein Muss für Fußballfans und nicht nur.

    Ich habe mich um dieses Buch bemüht, um meinem Mann eine Freude zu machen. Was schenkt man einem Mann zum Hochzeitstag, der schon alles hat? Natürlich ein Buch, natürlich ein Buch über ein Thema, das ihn interessiert, natürlich ein Buch über Fußball. Dabei bin ich selbst am Buch kleben geblieben, so ähnlich wie Hans im Glück im Märchen.


    An Otto Rehagel - Rehakles - kann ich mich noch gut erinnern und an die Euphorie der Griechen in Griechenland und Europaweit. Fußball ist eigentlich eine einfache Sache. 22 Jungs oder Mädchen in kurzen Hosen gehen auf den Rasen, dreschen 90 Minuten auf einen Ball ein und gut is. Aber es sind die Anekdoten und Geschichten rund um Spieler, Trainer und das Stadion, die den Fußball erst interessant machen. Und das hat mich fasziniert. Ob Rehagel ohne seinen griechischen Assistenten wohl solch einen Erfolg mit der griechischen Mannschaft gehabt hätte? Manchmal ist die Übersetzung wichtiger als die Originalsprache.

    Da ich manche Sendungen der privaten Sender nicht verfolge, mangels Interesse und qualitativ besser verbrachten Zeit, war mir neu, dass manche Profi-Fußballer im Dschungelcamp mitgemacht haben oder sogar zu Wrestler wurden.

    Dass Fußballer ständig auf den Rasen spucken, ist nichts Neues, nur Ekliges. Ich würde den Stadionrasen nicht mal mit Springerstiefeln betreten. Dass sich Fußballer foulen, die Knie, Knöchel oder Beine zertrümmern, ist auch bekannt. Aber dass sie sich hinterrücks und trotzdem vor aller Augen tätlich angreifen, so wie Vinnie Jones es mit Paul Gascoigne getan hat, hätte ich lieber nicht gewusst. Da finde ich die Männerfreundschaft zwischen Péle und Franz Beckenbauer schon viel schöner.

    Das ganze Buch ist voller Anekdoten, Berichte, Zitate, Kommentare. Der Stil ist einzigartig und hat mich an Fußball erinnert: Vogelsang nimmt Anlauf, stoppt kurz, dribbelt ein paar Schritte auf der Stelle oder nach rechts, um dann sofort wieder die Richtung zu wechseln, Gesagtes dadurch in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Dadurch wird das Buch erst richtig lebendig und nicht wie ein Geschichtstraktat eines Oberstudienrates.


    ASIN/ISBN: 3608502246

    Spuren des Krieges, lange nach Kriegsende.


    Der Vietnamkrieg dauerte 10 Jahre lang. Von 1965 bis 1975. Wieviel Kinder

    vietnamesischer Mütter und amerikanischen Väter wurden in dieser Zeit geboren? Wieviel

    amerikanische Väter bekannten sich zu ihrer vietnamesischen Familien, ob mit oder ohne

    Trauschein?

    Der US-Staat hat auch versagt. Der Vatikan gesteht seinen Priestern Kindergeld für bis zu

    fünf Kindern zu, heimlich, unter der Hand, aber das berühmte „Fräulein Pfarrköchin“ gibt es

    so nicht mehr. Der US-Staat hat sich da nicht so effizient involviert, hat mit allen Mitteln

    versucht, diese Kinder zu unterdrücken, totzuschweigen. Es waren ja nicht reinrassige weiße Kinder, es waren „Amerasier“, umso schlimmer, wenn der Erzeuger ein schwarzer GI war.. Diese Amerasier hatten ein schweres Leben in Vietnam. Ver- und missachtet von der Gesellschaft, fiel es ihnen sehr schwer, irgendwo Fuß zu fassen. Viele Mütter haben in ihrer Verzweiflung die Kinder in Waisenhäuser abgesetzt. und haben sich davon gemacht. Mit einem unehelichen Amerasierkind wären sie auch von der Gesellschaft verachtet worden.


    Phan Que Mai schildert solch eine Situation. Zwei junge Schwestern ziehen während des Krieges nach Sai Gon um Arbeit zu suchen und die verarmten Eltern finanziell zu unterstützen. Sie landen in einer Bar, müssen sich prostituieren, steigen immer weiter ab. Die eine Schwester stirbt,die andere wird von einem schwarzen GI, einem Kunden, geschwängert. Und sie muss die Eltern nun allein unterstützen. Sie muss das Kind aussetzen. Das Ganze wird so undramatisch, fast beiläufig erzählt, und doch durchdringt den Leser das ganze Drama, das sich da hundert- und tausendfach in Vietnam abspielt.

    Aber auch viele Amerikaner, längst wieder in der Heimat, werden von Erinnerungen und Gewissensbisse geplagt, was mit ihrem Kind und der Geliebten in Vietnam wohl geschehen ist, ob und wie sie überlebt haben. Phan Que Mai verschönert nichts. Unaufgeregt erzählt sie von der Teilnahmslosigkeit der US-Botschaft in Vietnam, die darauf aus ist, möglichst viele Amerasier davon abzuhalten, in die Staaten auszuwandern. Sie erzählt auch von einem ehemaligen Soldaten, Hubschrauberpilot, der 2016 erst den Mut findet, nach Vietnam zurückzukehren und nach seiner Geliebten von damals und dem Kind zu suchen. 1969, als er von der Schwangerschaft erfuhr, hat er sich nur umgedreht und ist davongelaufen. Und nun, 47 Jahre später, besinnt er sich und sucht nach der Frau und seinem Kind. Es ist so banal wie alltäglich: Besatzungssoldaten drücken sich vor der Verantwortung, die Frauen in der ganzen Welt werden mit ihren Sorgen und Problemen wegen der Schwangerschaft u nd dem Kind allein gelassen.


    Und doch, Dan kann zwar sein Kind nicht finden, nimmt sich aber Phongs und seiner Familie an. Vielleicht, um getanes Unrecht zu sühnen, der späte Versuch der Wiedergutmachung, oder einfach, weil er ein anderer, ein besserer und reifer Mensch geworden ist.

    Das Buch endet in einer sehr versöhnlichen Note: “Ich habe dieses Buch geschrieben als Gebet für eine Welt, in der es mehr Mitgefühl, Frieden, Vergebung und Heilung gibt. Möge unser Planet nie wieder einen bewaffneten Konflikt erleben” (S. 439). Das Buch erschien 2024. Zwei Jahre seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und ein halbes Jahr seit dem Krieg im Gaza-Streifen zwischen Hisbollah und Israel.



    Ho Shi Min Stadt, das ehemalige Sai Gon, hat viel menschliches Leid und Kummer gesehen.Die Menschen die den Vietnamkrieg überlebten, in Vietnam aber auch in den USA überwinden ihre gemeinsame Vergangenheit und lernen aufeinander zuzugehen in diesem bewegenden und doch so bescheidenen Roman.

    Ein Epos für die Frauen Siziliens, wie ein antiker Heldengesang


    Wunderschöner Roman, der es geschickt vermag, unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen zu verbinden. Der Schreibstil ist ruhig, erzählerisch, ohne je hastig zu werden, auch wenn das Thema schrecklich oder brutal ist. Als ob die Sonne Siziliens alles verklären aber auch alles ans Licht zerren würde. Das Wunderschöne und Begeisternde, aber auch das Harte, Tödliche. Alles liegt offen, vor den Augen der Sizilianer.

    Die Münchner Jahre der Familie Carbonaro hingegen sind von der deutschen Wirklichkeit der Zwischenkriegszeit und den Bombennächten und Terror während des Zweiten Weltkriegs, der fanatischen Nazi-Ideologie einiger Nachbarn und Schulkinder. geprägt.

    Zu den schönsten und auch bedeutendsten Szenen des Buches gehört gleich die Eröffnungsszene. Der Autor erzählt von der Begegnung mit drei Carbonaro-Frauen: Urgroßmutter Pina, Großmutter Anna, Tante Maria, als Vertreterinnen aller Carbonaro-Frauen: “Ich weiß, wo ich bin. Dies ist das Haus der Zeit, dort, wo Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. In den Zimmern, Sälen, Kammern und Nischen sitzen die Geister eines vergangenen Jahrhunderts, raunen sich Dinge zu und runden die Kanten. Eines Tages werde ich einer von ihnen sein oder bin es bereits. Die drei Frauen vor mir sind meine Familie. Ich bon hier, um ihnen zuzuhören.” (S. 13). Der Autor hält Wort, er hört diesen Frauen zu, lässt sie geduldig zu Wort kommen, lässt sie von ihrem harten Leben erzählen, von den vielen Kindern, die sie geboren haben, von denen nicht viele überlebt haben, wie sie ihr Schicksal auf sich genommen haben und um ihr bisschen Glück und Freiheit gekämpft haben.

    Allen dreien blieb der Lebenstraum verwehrt: die eine wollte ihrem Mann im Geschäft zur Seite stehen, die andere wäre gern Sängerin geworden, die dritte wäre gern Großhändlerin geworden, um sizilianische Früchte und Säfte nach Deutschland zu exportieren. Sie durften oder konnten es nicht tun, weil sie Frauen in einer strikten Männerwelt waren. Und doch hat jede von Ihnen es den Frauen in der nächsten Generation ermöglicht, wenigstens einen Teil ihrer Träume zu verwirklichen. Sei es die Tochter, die öffentlich auftreten und singen darf, oder die Tochter, die eine höhere Schule besuchen kann. Diese drei Frauen besitzen einen doppelten Schatten, der sie als Nachfahrinnen von Meeresnixen ausweist. In Sizilien können andere Frauen ihre Schatten sehen und meiden sie. In München hingegen sind diese Schatten nicht mehr sichtbar, sie können sich ungehindert auf den Straßen bewegen.

    Alle drei Frauen heiraten den Mann, den sie lieben, doch die Männer der ersten beiden Generationen sind Patriarchen, oder wären es gern, zu stolz und zu schwach zugleich, auf Ihre Frauen zu hören. Nur Maria, die Frau aus der dritten Generation, heiratet nach einer großen Enttäuschung in der Liebe endlich einen Mann, den sie liebt, der sie liebt, und der ihr vor allem zuhört und ihr helfen will, ihren Traum zu verwirklichen. doch er stirbt viel zu früh an einer unerbittlichen Krankheit und Maria muss ihre Firma verkaufen und kehrt mit ihrem Kind nach Sizilien zurück.

    Die Patruneddi, Hausgeister, sind faszinierend. Sie sind Teil der Familie, des Mobiliars, des Hauses.

    Das Buch endet in einer versöhnlichen und bejahenden Stimmung: “Wir waren die Frauen der Familie Carbonaro… Wenn es Tag wurde, würden wir wieder zwei Schatten werfen, aber wir fragten nicht mehr, wer wir sind. Wir sind das, was man von uns erzählt.” (S. 503”

    Hallo, Batcat,

    habe soeben den 2. Krimi von Sybille Ruge - 9MM Cut hier rezensiert. Leider habe ich den von Dir angezeigten Button auf der Seite nirgends entdeckt. ISBN für Sybille Ruges Buch lautet: 9783518473993. Bitte glaube mir, ich würde das ISBN sehr gerne an der richtigen Stelle einfügen, aber ich bin in solchen Sachen "IT-Illiterate". Kannst Du mir vielleicht einen Snapchat von der Seite schicken, auf der ich den Button sehen kann?

    Ich möchte Euch ja nicht zur Last fallen und Euch Mehrarbeit verursachen.

    Liebe Grüße

    Bücherturm

    Konfuse Handlung dafür aber ein herrlicher Stil

    Wirklich. Sybille Ruge hat es mit dem Sprüche klopfen drauf. Wer kann bei solchen Sätzen widerstehen? “Ein Land [die Schweiz] von Schiller erfunden, um den Deutschen zu zeigen, wie Heimatliebe geht” (S. 32). oder wenn Eve das Gespräch mit renitenten Zahlern das Gespräch so eröffnet: “Die vertraulichen Einzelsitzungen zur Konsensfindung leite ich mit einer Grundsatzfrage ein. Möchtest Du Invalidenrente? Eine Win-win-situation, besonders aufgrund der geringen Bürokratie" (S. 11). Einer meiner Favoriten ist der Dialog zwischen Eve und Karnofsky: “Ich sage dir etwas. Ich habe die Bilanzen überflogen” Antwort: “Im Sturzflug oder im Heißluftballon?” (S. 132) Damit meint Ruge, der Geschäftsführer hätte die Bilanzen viel früher und genauer studieren müssen. Mein Literatenherz hat bei dem Spruch “Amazon würde Dr. Faust unter Arztroman ablegen” (S. 152) fast einen Aussetzer gemacht. Lakonisch und trocken: “Apropos Poesie, ich halte einen abgetrennten Kopf für eine starke Metapher.” (S. 157). Und so geht es das ganze Buch durch, man liest und blättert nur wegen dieser sprachlichen Bilder und brillianten Einfälle. Ruges trockener Humor ist nicht zu überbieten.

    Leider kommt bei dieser tollen Sprache der Krimi an sich etwas zu kurz. Die Handlung scheint mir verworren, etliche Gestalten versprechen einen interessanten Nebenstrang um dann doch nicht ausgebaut zu werden. Die Zwillinge Lara und Laura sind leider nichts mehr als ein Störfaktor im Buch. Ich hätte gerne gewusst, wie sich ihr Leben weiter entwickeln wird. Mit Helene, der neurotischen Mutter (Spitzname “Hell”) können die Mädchen nicht weiter leben, ob der Vater sich mehr um sie kümmern wird?

    Alles in allem, ein unterhaltsamer Krimi mit einigen Schwächen aber einem hervorragenden Gebrauch der Sprache.

    Wenn der geliebte Mensch geht

    Wenn der geliebte Mensch stirbt, plötzlich verstirbt, ohne Zeit zu haben, sich zu verabschieden, ist das wie die Amputation eines Gliedmaßes. Der Phantomschmerz wird immer bleiben. Irgendwann arrangiert man sich mit dem Schmerz, lernt ihn ertragen. Adriano und Konrad waren ein Paar, waren verheiratet, hatten auf Sizilien ein Haus gebaut. Konrad lebte mehr in Rom, der Arbeit wegen, Adriano in Berlin. Sie trafen sich regelmäßig, in Berlin oder in Rom oder in Sizilien, wo sie der Gemeinschaft der deutschen Expats angehörten. Adrianos Tod in Berlin ist tragisch (wie jeder Tod) und absurd zugleich. Adriano ist mit brennender Zigarette eingeschlafen, die Couch hat angefangen zu glimmen, er ist am Sauerstoffmangel und den eingeatmeten Gasen erstickt. Das Buch setzt nach Adrianos Tod ein, Konrad fliegt nach Sizilien, um seine Asche da in den Ätna zu streuen. Aber diese Geste, die in Berlin noch so elegisch schön und bedeutsam erschien, war nach den Strapazen der Ätna-Besteigung weder symbolisch und elegisch schön noch bedeutsam Er wird die Asche aus einem Impuls heraus von einem Schiff aus wortlos und rasch ins Meer streuen.

    Das Buch ist aber nicht nur über die Trauerbewältigung eines geliebten Menschen, sondern auch ein Plädoyer für eine wunderschöne Insel, Sizilien und mit allem, was diese Insel für Sizilianer, Italiener und deutsche Bewohner bedeutet. Die Insel wird mit all ihren zauberhaften aber auch hässlichen Facetten beschrieben und weckt die Sehnsucht nach Sizilien. Um mit Goethe zu sprechen:

    “Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

    Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,

    Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

    Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?”

    Genau in dieses Land versetzt uns Adriano Sack mit diesem Buch. Den überquellenden Müll am Straßenrand, die ausufernde Bürokratie der sizilianischen Verwaltung, all das wird auch im Buch beschrieben, aber dann kommt ein Sonnenuntergang oder eine Landschaftsbeschreibung zum Niederknien schön.

    Konrad, der in Sizilien Corrado angesprochen wird, hört sich Adrianos Reden an, ohne etwas darauf entgegnen zu können. Er sehnt diese Reden herbei, sie bestätigen ihn in seinen Handlungen auf Sizilien, auch wenn er da diverse Liebesaffären hat. Im letzten Zwiegespräch Adriano - Konrad sagt Adriano: “Ich werde Dich mehr vermissen als mich selbst. Und vergiss nicht, dass Du leben musst.” (S. 332) Konrad ist auf der Heimfahrt zurück nach Deutschland, er befindet sich auf der Fähre von Messina auf das italienische Festland, als in seinen Gedanken Adriano diese Worte sagt. Konrad wird klar “... und ich werde niemals auf dieser Fähre stehen können, ohne Adriano zu vermissen. Denn auch das war unsere Liebe: nebeneinander in aufgewühltes Wasser blicken,” (S. 332).

    Das Titelbild erinnert in seinen Farben und Gestaltung an ein Gemälde von Gauguin

    Eine kleine Besonderheit sei noch erwähnt: Adriano Sack, der Autor lässt den verstorbenen und doch so präsenten Partner Konrads auch den Namen Adriano tragen. Das wirft die Frage auf, wie viel von einem Adriano steckt im anderen Adriano?


    ASIN/ISBN: 3312013143

    Ein schmerzhaftes aber notwendiges Buch

    Ich bin Gott dankbar, ich habe alle meine Schwangerschaften zu Ende und gut ausgetragen. Ich bin dankbar für meine Kinder. Falls ich mal eine Schwangerschaft verloren habe, dann war es in den ersten zwei bis drei Wochen und ich habe nichts davon mitbekommen, höchstens mal eine etwas verspätete aber heftige Periode. Ich empfinde das heute als Gnade. Aus meinem persönlichen Umfeld weiß ich, wie schmerzhaft für eine Frau das ist. ich meine, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Wenn das kleine Herz im vierten oder sechsten oder gar Ende des 8.Monats aufhört zu schlagen und die Mutter stumm und verzweifelt und voller Trauer mit dem Schmerz allein gelassen wird. Psychische Betreuung und Begleitung in der Zeit der Trauer wären da zwingend notwendig. Oder Aufklärung, so in etwa wie dieses Buch das bringt.

    Lindner behandelt alle Aspekte einer Fehlgeburt: wie sich die Mutter fühlt, wenn sie erfährt, dass sie die Schwangerschaft verlieren wird, wie sie sich danach fühlt, nachdem sie ein Sternenkind entbunden hat, wie sie sich nach der Trauer wieder in das “normale” Leben eingliedert. Oft zerbrechen die Beziehungen daran, weil beide Elternteile in ihrer Trauer wie in einer Blase gefangen sind und nicht mit dem Partner kommunizieren können. Lindner geht auch auf die gesundheitlichen Aspekte einer Fehlgeburt ein, die hormonellen Störungen im Körper der Frau, die Schmerzen, Wehen, starken Blutungen und Krämpfe.

    Und was können wir, Außenstehende tun, wenn eine uns nahestehende Frau Ihr Kind verliert? Eva Lindner hilft uns dabei: “... zuhören und aushalten. Aushalten, dass ein geliebter Mensch traurig und am Boden zerstört ist. Aushalten, dass das Leben der Betroffenen vielleicht nie mehr so sein wird wie vorher. Aushalten, dass die Person Schmerzen durchleben muss, ohne dass man ihr dabei helfen kann. Und trotzdem da sein, Hilfsangebote machen, dranbleiben, den Namen des Kindes aussprechen, wenn die Eltern ihm einen gegeben haben. Immer wieder nachfragen.“ (S. 252)

    Das Buch ist in 13 Kapitel eingeteilt, wobei nach der Einleitung die folgenden Kapitel Namen der Mütter tragen, die ein Kind während der Schwangerschaft verloren haben. Jede Muter steht für einen Aspekt, der Schwangerschaft und des Verlusts. Sehr einfühlsam geschrieben, vermittelt das Buch den betroffenen Frauen, dass sie nicht allein in ihrem Kummer sind, dass leider viele Frauen ihre Kinder an den Tod verlieren. Und uns anderen hilft das Buch, mit Frauen in dieser Situation besser und empathischer umzugehen.

    Endlich mal wieder gute Vampire

    Seit den Cullens bin ich auch dem Vampir-Fieber erlegen. Aber nur wenn es liebe, kuschelige Vampire sind. Zumindest ein Teil von ihnen. Und hier haben wir genau das. Einen ganz akzeptablen Mix aus guten Vampiren und bösen, niederträchtigen Vampiren, die Menschen töten und aussaugen. Oraya wurde in ihrer Kindheit aus einem noch unbekannten Grund, vom Vampirkönig gerettet und wuchs wohl bewacht und behütet in seinem Palast auf. Um aufzusteigen, muss sie ein Turnier, das Kejari, gewinnen. Nur so wird sie vor den anderen Vampiren in Sicherheit sein und auch die Menschen der Stadt vor ihnen schützen. Die aufregenden Abenteuer und harten Kämpfe, die sie während des Turniers aber auch in der Zeit zwischen den Prüfungen besteht, machen Gegenstand des Buches/Hörbuches aus. Wirklich atemberaubend und spannend geschildert.

    Hinzu kommt noch eine Liebe über alle Barrieren hinweg, eine außergewöhnliche und doch eigentlich nur logische Allianz mit einem der Kontrahenten, um die Spannung im Buch zu erhöhen.

    Einziges Manko (ohne Punktabzug), das Buch endet leider und wie so üblich in einem Cliffhanger. Nix zu machen. Da müssen wir durch.

    Vanida Karun hat das Hörbuch zu einem Hörgenuss werden lassen. Eine Stimme voller Inflektionen und hoch modulierbar, zieht sie jeden Hörenden nach nur wenigen Worten in ihren Bann. Chapeau, wie sie das gesprochen hat.

    Das geheimnisvolle und anziehende Coverbild und der interessante Klappentext lassen Buch/Hörbuch zu einem Eyecatcher werden.

    Der Schein trügt

    Eine junge Frau, die aus (vorläufig nur ihr bekannten Gründen) ihrer Umwelt und vor allem ihrem Freund eine falsche Identität angibt, wird plötzlich mit einer anderen Frau konfrontiert, die in ihre eigene Identität geschlüpft ist. Was geht da vor sich? Das Buch verspricht interessante Verwicklungen und Wendungen.

    Anfangs ist das Ganze noch humorvoll, doch je weiter man im Buch voranschreitet, umso mehr lässt der Humor nach, um dann gegen Ende wieder hervorzukommen. Faszinierend für mich war zu beobachten, wie Evie/Lucca jede Klippe umsegeln kann, wie sie sich aus brenzligen bis gefährlichen Situationen heraus manövrieren kann, ohne je wirklich die Contenance zu verlieren und immer schlagfertige Antworten parat zu haben. Ich habe die Szenen richtig genossen, in denen sie die Damen aus Ryans Umfeld gekonnt im Zaum hält.

    Ihr Freund ist nicht der gediegene Geschäftsmann, der er vorgibt zu sein. Eigentlich wurde Evie ja auch deshalb auf ihn angesetzt, um ihn auszuspionieren. Langsam beginnt sie das Spiel ihres Auftraggebers zu durchschauen und es gelingt ihr, ihn praktisch gegen sich selbst auszuspielen und das Vertrauen und die Liebe ihres Freundes zu bewahren oder gar zu vergrößern. Respekt, Evie!

    Ein historischer Schmöker nach meinem Geschmack

    Dies ist ein Historienroman nach allen Regeln der Kunst. Eine junge Frau, Adriana, belesen und hoch gelehrt, gibt sich als Mann und Mönch aus, um in einem Kloster Studien zu betreiben und insgeheim nach einer apokryphen Schrift, das sogenannte Testament des Athanasius, zu suchen. Diese Schrift könnte die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttern, wenn sie öffentlich bekannt werden würde. Die Päpstin und der Name der Rose lassen grüßen. Der Grunddiskurs ist die Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit Gottes. Sind Gott, Jesus und der heilige Geist eine Einheit oder ist Jesus der Sohn Gottes und nicht markierender Teil Gottes? Nun, darüber mögen sich Theologen und Exegeten bis in alle Ewigkeit streiten (oder solange das Christentum besteht), aber im Jahr 1405 war das ein wichtiges Thema und die Meinung der allein seligmachenden katholischen Kirche zählte.

    Um dieses Schriftstück werden nun Kabalen und Intrigen gesponnen, es kommt zu Morden und gruseligen Vorfällen.

    Die Handlung ist linear erzählt, es gibt kaum Platz zu Nebenschauplätzen und Handlungssträngen außer dem Hauptstrang. Und doch ist dies ein spannendes Buch, das Narrativ ist straff gespannt, man fiebert der Auflösung entgegen.

    Adriana / Adrian ist der rote Faden und auch der Lichtstrahl, der durch die Geschichte leitet und letztendlich für die Leser die Geschichte zu einem guten Ende bringt. Als besonderes Schmankerl hat Peter Orontes den Lageplan des Klosters dargestellt und die Einteilung des Klostertages nach Gebeten.zu festen Stunden.

    Das Titelbild mit dem schönen Kirchenportal weist jedem Liebhaber von historischen Romanen den Weg zum Buch.

    Ja, Richie, Deine Begründungen zum Buch sind durchaus griffig. Für mich hat die amtierende Kanzlerin das Buch "gerettet", so konnte ich ihm doch einiges abgewinnen. Überhaupt, die Politiker die im Buch vorkommen, ob in der BRD, in China oder die ioc-Magnaten haben mich umgehauen. Und die menschenverachtende Politik die China in Afrika betreibt war mir auch bekannt, und wurde im Buch bestätigt. Für mich waren das lauter Gründe, das Buch zu Ende zu lesen.

    Wer ist hier der Mörder?

    Vor unseren Augen entfaltet sich ein internationaler Thriller mit Verstrickungen bis in die höchsten Ebenen der Weltpolitik. Die Handlung spielt in der ehemaligen DDR, im wiedervereinten Deutschland, in Mosambik und in Shanghai statt. Auslöser der Handlung? Die mosambikanischen Gastarbeiter die zu DDR-Zeiten mit Verträgen aus ihrem Heimatland in die DDR gelockt wurden, hier arbeiteten sie schwere lange Jahre für einen Hungerlohn, schickten das Geld in die Heimat in der Hoffnung, später, bei ihrer Rückkehr sich mit dem ersparten Geld etwas aufbauen zu können. Gleich nach der Wende mussten sie Deutschland verlassen und stellten fest, ihr Geld war nie auf ihren Konten angekommen, die korrupte Regierung hatte mit dem Geld einen Teil der Auslandsschulden beglichen. Die wütenden Proteste der Arbeiter werden in Mosambik belacht und verhöhnt. Ein deutscher Reporter nimmt sich der Sache an, veröffentlicht in Deutschland Artikel und setzt sich für ihre Rechte ein. Die Bundesregierung zahlt eine Entschädigung, die aber nie bei den Arbeitern ankommt. Und nun springt die Handlung in die Gegenwart, ins Jahr 2021 in Shanghai. Da tagt das IOC und die Vergabe der olympischen Spiele für 2032 soll bekannt gegeben werden.Gleichzeitig erfahren wir, wie China still und heimlich sich große Teile des afrikanischen Continents unter den Nagel gerissen hat. Gebiets Ankäufe, Gründung von Unternehmen, die aber nur chinesische Arbeiter beschäftigen, nie Einheimische, Ausbeutung der Bodenschätze, usw. Kolonialismus im 21. Jahrhundert. Sind die afrikanischen Länder der einstigen Kolonialherren losgeworden, England, Frankreich, Portugal, Belgien, Deutschland, Spanien, führen sich nun die chinesischen Funktionäre als Befreier auf, aber die Ausbeutung bleibt die gleiche.

    In Shanghai ist die kommunistische Partei allgegenwärtig. Ob die eigenen Bürger oder ausländische Gäste, nichts und niemand entgeht der Partei. Wie kann da, unter den stets wachsamen Augen der Geheimpolizei Chinas, ein deutscher Journalist eiirdnen Mord an einen mosambikanischen IOC Funktionären ausüben, in einem internatonalen Hotel, in dem es mehr Kameras als Zimmermädchen gibt?

    Stephan Schmidt erlaubt sich in diesem Buch ein paar wunderbare literarische Freiheiten: Wir schreiben das Jahr 2021. Angela Merkel ist immer noch Bundeskanzlerin (OK, mit Baerbock oder Scholz hätte es nicht die gleiche Gewichtung gehabt, ich gebe das gerne zu), sie wird von Seiwert, dem Pressesprecher begleitet und vom deutschen Innenminister Seehofer. Wobei letzterer eine etwas diffuse Rolle im Buch spielt. Ist er so naiv oder wird er von Chinesen bestochen? DAzu sagt Schmidt selbst: “Alle real existierenden Personen in diesem Roman, auch die Bundeskanzlerin, wurde von mir frei erfunden. Bei anderen Figuren hingegen habe ich mich eng an die Vorgaben meiner Fantasie gehalten”.

    Das Buch ist spannend, von Anfang an und vermag es, die Spannung bis zum Schluss zu halten.

    Interessant ist, wie die Partei alles eisern festhält. Und wird einmal etwas außerhalb des Willens der Partei bekannt, dreht und wendet die Partei die Tatsachen, bis die Partei im Recht ist. Alles andere wäre undenkbar. Es gilt nur der Wille der kommunistischen Partei. Aber das war genau so in der DDR, in Rumänien, Albanien, Polen, ist heute noch immer so in Russland und Nordkorea. Die kommunistische Partei hat immer Recht!

    ASIN/ISBN: 3832168079

    Edit: ISBN 10 ergänzt, damit das Cover angezeigt wird Gruß Herr Palomar


    Die Schöne, die da kommt

    Das bedeutet Nefertiti oder Nofretete in der Sprache des alten Ägyptens. Als ich sie im Berliner Museum sah, bin ich ihr augenblicklich verfallen. Ich bin ihrem Zauber restlos erlegen.

    Dieses Buch nun erklärt, wie Nofretete seit ihrer Entdeckung am 06, Dezember 1912 in Amarna und bis heute von den Menschen und politischen Systemen rezipiert und für unterschiedliche Theorien eingenommen wurde. Eigentlich begann ihre globale Karriere erst 1924, als sie zum ersten Mal öffentlich ausgestellt wurde in Berlin. Bis dahin war sie mehr oder weniger offiziell als Grabfund nach Berlin geschmuggelt worden und nicht sogleich ausgestellt, weil es nicht ganz klar war, ob Deutschland einen Anspruch auf Nofretete hatte. So wurde sie zuerst als unfertige Studie, Handübung und unbedeutende Büste bezeichnet, um nicht die Neugier und Animositäten der Franzosen und der Engländer zu wecken. Während des Weltkrieges wurde Nofretete wohlbehütet in einem Versteck aufbewahrt und erst lange nach dem Krieg und den Unruhen und Revolten von 1919-1920 ausgestellt. Ab 2024 begann Nofretetes Siegeszug um die Welt. Und der war unglaublich. und hält heute noch an.

    Tatsache ist, Nofretete besitzt eine universale Schönheit,die den einzelnen Betrachter sofort in ihren Bann zieht. Vielleicht auch weil sie so genieál im Neuen Museum Berlin ausgestellt ist, allein in einem großen grünen Kuppelraum, geschickt beleuchtet, da muss man von ihr verzaubert sein. Außerdem, wenn ich sage universale Schönheit, meine ich, sie kann für weiß gehalten werden, für schwarz oder für semitisch oder sogar für amerikanische Ureinwohner. Das macht sie so besonders. Kein Wunder, dass Berlin sie nicht hergeben will, dass Schwarze sie für sich einnehmen wollen und dass Ägypten sagt: Nofretete muss nach Hause kommen.

    Doch würde Berlin Nofretete wirklich an Ägypten übergeben, würde Ägypten sofort all die anderen Schätze des Ägyptischen Museums Berlin zurückverlangen, es folgen der Louvre in Paris und das British Museum in London, das Bodleian in Oxford und unzählige Museen in der ganzen Welt. Da würde sich Berlin keine Freunde machen. Also lieber ein verärgertes Ägypten als Streit mit allen Großmächten! Außerdem würde es Jahre dauern, bis Kairo die entsprechenden Bauten bereit hätte, um all die Schätze die in zahlreichen Museen weltweit ausgestellt sind, auch entsprechend und sicher aufzunehmen.

    Interessant war die Ambiguität, mit der das Dritte Reich Nofretete betrachtet und behandelt hat. einerseits ist Nofretete kein pausbäckiges blondes Gretchen mit Zopfschnecken um die Ohren. “... die Nofretete in ihrer orientalisch dekadenten Ueberkultiviertheit ohnehin allen nordischen Blubo-Idealen ins Gesicht schlägt”(S. 144). Also hätten die Ägypter die Büste zurück haben können, wenn nicht der Oberschnauzbart persönlich interveniert hätte und bestimmt hätte, Nofretete muss in Berlin bleiben, weil sie ein “einzigartiges Meisterwerk, ein Juwel, ein wahrer Schatz” (S. 144) sei. Goebbels musste diese Kröte schlucken. Andere Schriftsteller der Blut-und-Boden-Zeit sahen in Nofretete und Echnaton ein arisches Paar, “im Sinne der Ideologie des Naziregimes” (S.108)

    Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Nofretete kurzzeitig in amerikanische Gefangenschaft. Wahrscheinlich war sie zu bekannt, so dass sie nicht in einem Museum in New York oder Washington landete, sondern zuerst in Frankfurt/Main ausgestellt wurde und dann in Berlin. Natürlich meldete sich sofort die DDR und erhob Ansprüche auf Nofretete. Ihr Platz sei in Ostberlin weil auch dort vor dem Krieg gewesen. Ägypten? Nein, da hat die DDR sich nicht dazu geäußert. Zunächst. Erst später, im Bestreben dem faschistisch-imperialistischen Westdeutschland eines auszuwischen, erwachte in der DDR die Bruderliebe zum ägyptischen Volk und die DDR verlangte, Nofretete zurück nach Ägypten zu senden. Aber da waren schon viele Jahre die Spree lang geflossen, bevor das geschah.

    Sebastian Conrad geht auch auf die Empowerment Bewegung der Colored People in den USA ein, die Nofretete für ihre Zwecke einsetzen. Doch betrachten wir das genauer: Nofretete war eine Königin (Pharaonin bedeutet Königin, ist kein Teil ihres Namens), die tausende von Sklaven zu ihrer Verfügung hatte. Wenn man das Wort Sklave in den USA auch nur denkt, bricht sofort ein Sturm der Entrüstung aus, “Black Lives Matter”, Sklaverei in den USA war ein unrecht, usw. usf. Ich denke, die Colored People müssten da mit einem etwas feineren Kamm über diese Geschichte gehen und sehr wohl überlegen, ob Nofretete für sie zur Leitfigur taugt.

    Das Buch war ein Genuss zu lesen. Zahlreiche Abbildungen unterstreichen das Gesagte, veranschaulichen die Erklärungen.


    ASIN/ISBN: 3549100744

    Edit: ISBN 10 ergänzt, damit das Cover angezeigt wird. Gruß Herr Palomar