Beiträge von Buecherturm

    Wird irgendwann der Ukraine Krieg auch zu Legendenstoff werden?


    Das Buch hat mich beeindruckt. Und hat mich an die gegenwärtig in der Welt geführten Kriege denken lassen. Der Vergleich drängt sich einem regelrecht auf und ist unvermeidbar. Besatzer sind immer die Herren, führen sich wie Götter auf, unter ihren Stiefeln wird alles Leben erstickt und erdrückt. Chang erfasst diese schreckliche Atmosphäre schmerzhaft genau.


    Ein friedliebender Kontinent wird durch ein Portal urplötzlich angegriffen und geknechtet. Besonders perfide wie die Römer es im Buch tun: sie machen die Bevölkerung drogenabhängig und dadurch gefügig. Der Krieg wird dargestellt wie ein Kampf zwischen Wissenschaft (auf Seiten der Eroberer) und Magie (auf Seiten der Eroberten). Ich finde es schade, wie Chang das darstellt: Wissenschaft steht in den Diensten des Bösen. Aber Wissenschaft ist gut oder böse, allein abhängig vom Anwender. Die Römer bringen die Wissenschaft als Waffe und nicht zum Wohl der Eroberten. Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki oder Agent Orange im Vietnam Krieg. Das war Wissenschaft im Dienst des Bösen, wie man es sich nicht böser vorstellen kann. Höchstens die Drohnenangriffe in den gegenwärtigen Kriegen. Aber Wissenschaft kann auch so viel Gutes bewirken, die Menschheit voranbringen. Solarenergie, Windkraft, moderne Medizin, umweltfreundliche Fahrzeuge, und so vieles mehr. Chang hat wohl einen Gegenpol zur Magie benötigt und hat es Wissenschaft genannt.

    Die Magie gehört dem eroberten Volk an. Einige wenige Menschen verfügen über magische Kräfte. Unsere Heldin im Buch, Ruying, kann den Tod heraufbeschwören und auf Menschen loslassen. Der römische Prinz Antonius nimmt Ruying gefangen und macht sie zu seiner Komplizin. Ihm unliebsame Menschen werden von ihr getötet. Dabei gibt Antonius vor, er tue dies nur um des Friedens willen, weil sonst ein erneuter, noch grausamerer Krieg ausbrechen würde. Wie das stattfindet, wie Antonius sie subtil überzeugt, ohne Gewalt anzuwenden, nach dem Prinzip eiserne Hand im samtenen Handschuh, und was erst geschehen muss, bis Ruying merkt, wie sie manipuliert wird, ist spannend und sehr aufschlussreich. Unter uns gesagt: Putin hat diesen Samthandschuh nie angehabt.


    Molly X. Chang schrieb diesen Roman mit den Hintergedanken an den japanischen Überfall auf die Mandschurei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Besetzung der Mandschurei, die Gründung des Marionettenstaates unter Puyi, letzter Kaiser von China, die brutale Plünderung der Bodenschätze der Mandschurei, all dies findet sich im Buch wieder. Der schwache Kaiser von Er-lang steht für Puyi, die Wissenschaft wurde von Japanern angewandt in den Bombardements, Gasangriffen und Menschenexperimenten. (Josef Mengele war nicht der erste!). dies sind lauter Parallelen zwischen historischer Wirklichkeit und Fiktion, über die man nicht hinwegsehen kann und darf.


    So wie das Buch endet, schreit es direkt nach einer Fortsetzung.


    ASIN/ISBN: 3986665420

    Edit: ISBN13 durch ISBN10 ersetzt, damit das Cover angezeigt wird. Gruß Herr Palomar

    Ein Fantasy zum Träumen

    Interessanter Fantasy, der aber so einige Fragen aufwirft. Warum sind Menschen, die Träume beeinflussen, besser als Menschen, die in die Träume anderer eindringen können? Die einen werden direkt “herangezüchtet” und hochgelobt, die anderen verteufelt und verdammt. wo ist eigentlich bitte der Unterschied? Die Direktorin der Traumakademie, Jupiter Sterling, sagt: 'Wir träumen um die reale Welt zu beeinflussen… um die Welt zu verbessern” (S. 11). Aber dafür lässt sie ziemlich sadistische Lehrer auf ihre Zöglinge los, wie Professor O. Andere Frauengestalten im Roman kommen auch nicht so gut weg, wie zum Beispiel die zwei Mütter von Nemesis und Victoria. Kalt, egoistisch, quälen sie ihre Töchter und geben ihnen das Gefühl, nie gut genug zu sein. Nemesis von Winthers Counterpart ist der gutaussehende (wie denn sonst?) Mercy Sterling, Vollwaise und Neffe der Schulleiterin. Wie es zu erwarten war, sind sie zuerst verfeindet und werden dann allmählich zu Liebenden. Ist auch gut so, sonst wären wir um einige treffende Repliken ärmer.

    Ich weiß, Sex sells, aber dieses Buch ist gar nichtmal so schlecht. Es hat ein paar interessante Ideen, die weiter verfolgt und ausgebaut werden. Es hat interessante jugendliche Hauptgestalten und einige fragwürdige Erwachsene. Dass sich Nemesis und Mercy ineinander verlieben ist unausweichlich. Weshalb also die expliziten und schwachen Sexszenen? Es hätte sie wahrlich nicht gebraucht. Es bringt wirklich nichts, wie Audrey Carlan zu schreiben, bloß Minuspunkte.

    Interessanter Teenie-Fantasy


    Das Buch ist ein sehr reizender Auftakt einer neuen Teenie Fantasie Serie. Scheinbarer Außenseiter und Underdog wird zum Held und Retter. Zuerst muss aber Natasha Clarke ihr altes Leben zurücklassen, (unter uns gesagt: war eh nicht viel zum Zurücklassen, außer ihrem Kameraden Mason.) Sie fängt an einer neuen Schule an, irgendwo auf einer Insel, wird luxuriös ausgestattet, findet neue Freunde. Nur stellt sich die Frage, wem sie da vertrauen kann. Ihrer ehemaligen Klassenfreundin jedenfalls nicht, die hat ihr ja alles eingebrockt und an die neue Schule gebracht.

    Faszinierend fand ich die Zeitreisen, die nun Natasha unternehmen kann und wird. In Versailles zu Zeiten des Sonnenkönigs ist bestimmt ein verlockendes Ziel, oder eine Begegnung mit Shakespeare. Alison Noel vergisst aber auch nicht, Eigenheiten jener Zeiten hervorzuheben. Am Hofe von Versailles war Baden verpönt. Schlechter Geruch wurde mit literweise Parfüm überlagert, die Fächer der Höflinge waren nicht nur Modeaccessoire sondern handfeste Notwendigkeit, wollte man nicht ersticken.Und dieser anrüchige zustand wird von der Autorin betont.

    Die Handlung des Romans ist so typisch und für die Teenies gedacht: erste große Liebe, nächste neue Liebe am Horizont, falsche beste Freundin Elodie, die den Tod oder in der Vergangenheit zurücklassen der Heldin gerne in Kauf nehmen würde, Modehighlights, geheimnisvolle Treffen, merkwürdige Aufnahmerituale und dergleichen mehr. Und über allem thront ein geheimnisvoller Mentor, der nach Gutdünken Geschenke und unglaublich wertvolle Kunstschätze verteilt. Alles sehr mysteriös, so dass weder Natasha, noch wir, die Leserinnen so richtig zur Ruhe kommen können.

    Stilistisch gibt es natürlich die typischen Entgleisungen, markantes Kinn, wohlgeformte Lippen, (alles unter einer königsblauen Maske im Dunkeln gut erkennbar), breite Schultern, das ganze Programm. Schade eigentlich, das Buch wäre auch ohne diesen Firlefanz gut klar gekommen.

    Das Kapitel der Numerologie hat mich persönlich nicht sonderlich interessiert. War nie eine Anhängerin der Kabbala, ich glaube nicht an diese Zusammenhänge. Zahlen, willkürlich addiert und multipliziert bestimmen nicht mein Leben, danke.

    Das wunderschöne Schmuckstück auf dem Cover erinnert an eine Monstranz oder Reliquienschrein. Das Schwert sieht sehr geheimnisvoll aus. Ebenso die drei Zahnräder am Rand im Hintergrund, wie Teil eines Uhrwerks.

    Ich bin auf die Zeitreisen im Folgebuch gespannt.

    Wow, das war mal ein Thriller!

    Die Ermittler, die aus unterschiedlichen Gebieten der Polizei und sogar aus unterschiedlichen Gebieten oder Städten zusammengezogen werden, Deutschland, Österreich, Finnland sind eigentlich eine Errungenschaft der EU. Ohne sie würde es das nicht geben. Danke EU, sonst hätte Benjamin Cors seinen Thriller umschreiben müssen. Ob er dann auch so spannend gewesen wäre?

    Als wiederholt Vergewaltigungen mit Todesfolge geschehen, ist die Sonderermittlungsgruppe heilfroh, dass ein Opfer überlebt hat. Aber es stellt sich heraus, dass im Hintergrund noch ein anderer Serienkiller operiert. Und das ist das Makabre an diesem Mörder: er sperrt Krähen mit seinen Opfern ein, lässt sie da verhungern, bis sie sich über die noch lebenden, aber gefesselten Opfer hermachen.

    Krähen sind mir persönlich sympathisch: hochintelligent, aufmerksam auf ihre Umwelt, zu sozialem Leben fähig, mit der Gabe des Vorausdenkens und hervorragenden Auffassungsvermögens versehen, ist ihre Rolle leider im Buch eine tragische. OK, dass sie zur Gattung der Singvögel gehören halte ich für ein Gerücht. Ich rechne es Benjamin Cors hoch an, dass er im Verlauf des Buches immer wieder betont, dass Krähen sich eigentlich nie an Menschen vergreifen, dass sie selbst auch Opfer des Mörders sind.

    Die bunte EU-Truppe des Sonderdezernats arbeitet genial. Sie haben unterschiedliche Gebiete, in denen sie brillieren und unterstützen sich gegenseitig. Dabei erfahren wir auch, was für Abgründe in ihnen stecken. Ich bin richtig gespannt auf eventuelle Folgekrimis.

    Home sweet home

    Da bahnt sich eine schöne Liebesgeschichte an. Ein junger Mann kehrt nach mehrjähriger Abwesenheit zurück und erhält genau den kalten Empfang von den Bewohnern, den er vorausgesehen hat. Der Vater, dement, schießt auf ihn, der Bruder leicht herablassend, der Polizeichef feindselig. Allein sein ehemaliger bester Freund und die Frau, die er liebt, freuen sich, ihn zu sehen. Der Anfang schon mal ist vielversprechend.

    Doch Camden ist nicht nur auf Besuch da, er will für immer bleiben, auch wenn es ihm die eigene Familie und die Ortsbewohner nicht leicht machen. Nur sein bester Freund und Willow halten zu ihm. Camden engagiert sich sofort in die Pflege seines an Alzheimer erkrankten Vaters, er bringt sich effizient und zum Wohle aller in die Entwicklungspläne für seine Stadt ein. Bleibt nur noch die Sache mit Willow. Sie leiben sich heimlich, aber geben es nicht offen zu. Willow galt als die Freundin von Sullivan, Camdens und Xanders verstorbenen Bruder. Das bedeutet, alle, auch Camden,respektieren Willows Schmerz und sehen nicht, dass Willow eigentlich Camden liebt, immer schon geliebt hat. Und dass Sullivan nie der strahlende Held war, als den ihn die anderen gesehen hat. Es wird noch einige Irrungen und Verstrickungen geben, bis diese anfangs so traurig weil unerfüllte Liebesgeschichte ihr wohlverdientes Ende findet, bis Xander als Bösewicht überführt wird und die ganze Stadt Camden als rechtschaffenen Bürger akzeptiert.

    Der ansprechende Stil, die interessanten Dialoge, die Darstellung der früheren Ereignisse, die zu den aktuellen Verwicklungen geführt haben, alles zusammen machen das Buch zu einer angenehmen Lektüre, bei der man über einige kleinen trivialen Entgleisungen hinweglesen kann.

    Schickeria meets Finnland


    Arme Sarah Fuchs! Zuerst wird sie von einem Citroenfahrer verfolgt, dann erfährt sie am Zeitungskiosk aus der Klatschpresse, dass ihr Mann der neueste Sugardaddy eines Starlets ist. Sie wird bis zum Flughafen von einem Paparazzo verfolgt wird im Flieger von einer, rücksichtslosen sensationsgierigen Vertreterin der Münchner Schickeria angequatscht, ob sie Sarah Fuchs sei. Genial ihre Antworten auf finnisch mit der umtriebigen Katze! Man würde denken, schlimmer kann’s nicht kommen. Aber so richtig entspannen und abschalten wird Sarah wohl kaum in diesem Urlaub. Nach einer langen Fahrt von Helsinki übernachtet sie im falschen Haus und findet am nächsten Morgen einen Toten im See. Von hier geht es dann erst richtig los. Und ab hier treffen sich die drei Handlungsstränge. Der eine ist Sarah Fuchs gewidmet, der zweite Strang handelt um den Toten und seinen Mörder und der dritte ist der Strang um Onno, dem jungen Doktoranden. Wie in einer Komödie der Irrungen und Wirrungen denken der Mörder und Onno Sarah hätte eine wertvolle und geschichtsträchtige Statue, von der sie aber absolut nichts weiß. Sarah ihrerseits verdächtigt den Polizisten Aalto sie zu beobachten und sie als als Mörderin festnehmen zu wollen, dabei auch und nun setzt sie alles daran, den Mörder zu entlarven. Es geschieht ein weiterer Mord und Sarah selbst gerät in Gefahr. Diese Verdächtigungen und falschen Fährten, die Tobias Quast geschickt auslegt, machen das Buch so spannend und auch charmant. Die Wahrheit liegt vor ihren Augen, aber sie haben sich derart in ihre Theorien verbissen,dass sie nicht erkennen, wie sehr sie auf dem Holzweg sind. Wie in einem guten Krimi werden letztlich die Morde restlos geklärt, und alle Schuldigen bekannt gemacht. Meine Sympathie gilt ganz klar Sarah, selbst eine Vertreterin der Schickeria, die aber hochintelligent ist, nie um eine Antwort verlegen ist und das Herz auf dem rechten Fleck hat. Ilvi, die junge finnische Chaotin hilft Sarah tatkräftig. Onno, das wahre Opfer tut mir leid. Er hat Asperger und kommt mit seinem Umfeld nur schwer klar. So wird er leicht zur Beute des Mörders.

    Die Landschaftsbeschreibungen sind bezaubernd, man sieht direkt vor Augen den See, die Wälder, die Mökkis. Am Starnberger See wäre dieser Roman unglaubwürdig.

    Eine klare Leseempfehlung meinerseits.


    buch 9783365005606 buch

    In Torreira passieren ja keine Morde. Eigentlich (S. 327)

    Dieser Schlusssatz ist passend für dieses Buch. In der beschaulichen portugiesischen Provinz und dem malerischen Ferienidyll grassiert im Hinter- und Untergrund das Verbrechen. Touristen ziehen ungewollt Drogen und Grundstücksspekulanten nach sich, die Polizei und die Justiz haben alle Hände voll zu tun. Ein toter Richter mitten in einem Natur- und Dünenschutzgebiet am Strand wirft viele Fragen auf. Die örtliche Polizei ermittelt in alle Richtungen. Eine schöne Gelegenheit für uns, Ria Almeida, ehemals Polizistin aus Stuttgart, und Mariposa, ihre hochschwangere Kusine, Joao, Mariposas Mann und Polizist in Torreira und Nuno, Kindheitsfreund von Ria und Joaquim Baptista, Chefermittler aus Aveiro wieder zu begegnen. Es ist das uns bekannte und sympathische Ermittlerteam aus dem Vorgängerroman. Auch wenn die Begrüßung zwischen Baptista und Almeida zuerst etwas frostig ausfällt: “ Sie sind eine bessere Tippse,Almeida”...”Und Sie sind ein Arschloch". (S. 34). Zum Glück für die beiden Protagonisten (oder schade, für uns, die Leser), legt sich diese Katze-Hund Feindschaft und die zwei arbeiten hervorragend zusammen, ergänzen sich in allen Punkten und können letztendlich gemeinsam diese vertrackten Mordfälle restlos aufklären.

    Der geradlinige Stil, die wenigen aber treffenden Beschreibungen, die direkten Dialoge, der immer wieder aufblitzende Schalk darin machen das Buch zu einem Lesevergnügen. Das Titelbild hätte ich mir fast ein bisschen größer gewünscht, schließlich lieben wir alle Meereslandschaften. Aber die Kacheln, die alle einem Mandala gleichen, haben das wieder wett gemacht. Die einzelnen Kapitel haben einen portugiesischen Untertitel mit einer deutschen Erklärung und sind auch zwischen Kacheln platziert. Das verleiht dem Buch einen besonderen Flair.


    ASIN/ISBN: 3548068146

    Ein Muss für Fußballfans und nicht nur.

    Ich habe mich um dieses Buch bemüht, um meinem Mann eine Freude zu machen. Was schenkt man einem Mann zum Hochzeitstag, der schon alles hat? Natürlich ein Buch, natürlich ein Buch über ein Thema, das ihn interessiert, natürlich ein Buch über Fußball. Dabei bin ich selbst am Buch kleben geblieben, so ähnlich wie Hans im Glück im Märchen.


    An Otto Rehagel - Rehakles - kann ich mich noch gut erinnern und an die Euphorie der Griechen in Griechenland und Europaweit. Fußball ist eigentlich eine einfache Sache. 22 Jungs oder Mädchen in kurzen Hosen gehen auf den Rasen, dreschen 90 Minuten auf einen Ball ein und gut is. Aber es sind die Anekdoten und Geschichten rund um Spieler, Trainer und das Stadion, die den Fußball erst interessant machen. Und das hat mich fasziniert. Ob Rehagel ohne seinen griechischen Assistenten wohl solch einen Erfolg mit der griechischen Mannschaft gehabt hätte? Manchmal ist die Übersetzung wichtiger als die Originalsprache.

    Da ich manche Sendungen der privaten Sender nicht verfolge, mangels Interesse und qualitativ besser verbrachten Zeit, war mir neu, dass manche Profi-Fußballer im Dschungelcamp mitgemacht haben oder sogar zu Wrestler wurden.

    Dass Fußballer ständig auf den Rasen spucken, ist nichts Neues, nur Ekliges. Ich würde den Stadionrasen nicht mal mit Springerstiefeln betreten. Dass sich Fußballer foulen, die Knie, Knöchel oder Beine zertrümmern, ist auch bekannt. Aber dass sie sich hinterrücks und trotzdem vor aller Augen tätlich angreifen, so wie Vinnie Jones es mit Paul Gascoigne getan hat, hätte ich lieber nicht gewusst. Da finde ich die Männerfreundschaft zwischen Péle und Franz Beckenbauer schon viel schöner.

    Das ganze Buch ist voller Anekdoten, Berichte, Zitate, Kommentare. Der Stil ist einzigartig und hat mich an Fußball erinnert: Vogelsang nimmt Anlauf, stoppt kurz, dribbelt ein paar Schritte auf der Stelle oder nach rechts, um dann sofort wieder die Richtung zu wechseln, Gesagtes dadurch in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Dadurch wird das Buch erst richtig lebendig und nicht wie ein Geschichtstraktat eines Oberstudienrates.


    ASIN/ISBN: 3608502246

    Spuren des Krieges, lange nach Kriegsende.


    Der Vietnamkrieg dauerte 10 Jahre lang. Von 1965 bis 1975. Wieviel Kinder

    vietnamesischer Mütter und amerikanischen Väter wurden in dieser Zeit geboren? Wieviel

    amerikanische Väter bekannten sich zu ihrer vietnamesischen Familien, ob mit oder ohne

    Trauschein?

    Der US-Staat hat auch versagt. Der Vatikan gesteht seinen Priestern Kindergeld für bis zu

    fünf Kindern zu, heimlich, unter der Hand, aber das berühmte „Fräulein Pfarrköchin“ gibt es

    so nicht mehr. Der US-Staat hat sich da nicht so effizient involviert, hat mit allen Mitteln

    versucht, diese Kinder zu unterdrücken, totzuschweigen. Es waren ja nicht reinrassige weiße Kinder, es waren „Amerasier“, umso schlimmer, wenn der Erzeuger ein schwarzer GI war.. Diese Amerasier hatten ein schweres Leben in Vietnam. Ver- und missachtet von der Gesellschaft, fiel es ihnen sehr schwer, irgendwo Fuß zu fassen. Viele Mütter haben in ihrer Verzweiflung die Kinder in Waisenhäuser abgesetzt. und haben sich davon gemacht. Mit einem unehelichen Amerasierkind wären sie auch von der Gesellschaft verachtet worden.


    Phan Que Mai schildert solch eine Situation. Zwei junge Schwestern ziehen während des Krieges nach Sai Gon um Arbeit zu suchen und die verarmten Eltern finanziell zu unterstützen. Sie landen in einer Bar, müssen sich prostituieren, steigen immer weiter ab. Die eine Schwester stirbt,die andere wird von einem schwarzen GI, einem Kunden, geschwängert. Und sie muss die Eltern nun allein unterstützen. Sie muss das Kind aussetzen. Das Ganze wird so undramatisch, fast beiläufig erzählt, und doch durchdringt den Leser das ganze Drama, das sich da hundert- und tausendfach in Vietnam abspielt.

    Aber auch viele Amerikaner, längst wieder in der Heimat, werden von Erinnerungen und Gewissensbisse geplagt, was mit ihrem Kind und der Geliebten in Vietnam wohl geschehen ist, ob und wie sie überlebt haben. Phan Que Mai verschönert nichts. Unaufgeregt erzählt sie von der Teilnahmslosigkeit der US-Botschaft in Vietnam, die darauf aus ist, möglichst viele Amerasier davon abzuhalten, in die Staaten auszuwandern. Sie erzählt auch von einem ehemaligen Soldaten, Hubschrauberpilot, der 2016 erst den Mut findet, nach Vietnam zurückzukehren und nach seiner Geliebten von damals und dem Kind zu suchen. 1969, als er von der Schwangerschaft erfuhr, hat er sich nur umgedreht und ist davongelaufen. Und nun, 47 Jahre später, besinnt er sich und sucht nach der Frau und seinem Kind. Es ist so banal wie alltäglich: Besatzungssoldaten drücken sich vor der Verantwortung, die Frauen in der ganzen Welt werden mit ihren Sorgen und Problemen wegen der Schwangerschaft u nd dem Kind allein gelassen.


    Und doch, Dan kann zwar sein Kind nicht finden, nimmt sich aber Phongs und seiner Familie an. Vielleicht, um getanes Unrecht zu sühnen, der späte Versuch der Wiedergutmachung, oder einfach, weil er ein anderer, ein besserer und reifer Mensch geworden ist.

    Das Buch endet in einer sehr versöhnlichen Note: “Ich habe dieses Buch geschrieben als Gebet für eine Welt, in der es mehr Mitgefühl, Frieden, Vergebung und Heilung gibt. Möge unser Planet nie wieder einen bewaffneten Konflikt erleben” (S. 439). Das Buch erschien 2024. Zwei Jahre seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und ein halbes Jahr seit dem Krieg im Gaza-Streifen zwischen Hisbollah und Israel.



    Ho Shi Min Stadt, das ehemalige Sai Gon, hat viel menschliches Leid und Kummer gesehen.Die Menschen die den Vietnamkrieg überlebten, in Vietnam aber auch in den USA überwinden ihre gemeinsame Vergangenheit und lernen aufeinander zuzugehen in diesem bewegenden und doch so bescheidenen Roman.

    Ein Epos für die Frauen Siziliens, wie ein antiker Heldengesang


    Wunderschöner Roman, der es geschickt vermag, unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen zu verbinden. Der Schreibstil ist ruhig, erzählerisch, ohne je hastig zu werden, auch wenn das Thema schrecklich oder brutal ist. Als ob die Sonne Siziliens alles verklären aber auch alles ans Licht zerren würde. Das Wunderschöne und Begeisternde, aber auch das Harte, Tödliche. Alles liegt offen, vor den Augen der Sizilianer.

    Die Münchner Jahre der Familie Carbonaro hingegen sind von der deutschen Wirklichkeit der Zwischenkriegszeit und den Bombennächten und Terror während des Zweiten Weltkriegs, der fanatischen Nazi-Ideologie einiger Nachbarn und Schulkinder. geprägt.

    Zu den schönsten und auch bedeutendsten Szenen des Buches gehört gleich die Eröffnungsszene. Der Autor erzählt von der Begegnung mit drei Carbonaro-Frauen: Urgroßmutter Pina, Großmutter Anna, Tante Maria, als Vertreterinnen aller Carbonaro-Frauen: “Ich weiß, wo ich bin. Dies ist das Haus der Zeit, dort, wo Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. In den Zimmern, Sälen, Kammern und Nischen sitzen die Geister eines vergangenen Jahrhunderts, raunen sich Dinge zu und runden die Kanten. Eines Tages werde ich einer von ihnen sein oder bin es bereits. Die drei Frauen vor mir sind meine Familie. Ich bon hier, um ihnen zuzuhören.” (S. 13). Der Autor hält Wort, er hört diesen Frauen zu, lässt sie geduldig zu Wort kommen, lässt sie von ihrem harten Leben erzählen, von den vielen Kindern, die sie geboren haben, von denen nicht viele überlebt haben, wie sie ihr Schicksal auf sich genommen haben und um ihr bisschen Glück und Freiheit gekämpft haben.

    Allen dreien blieb der Lebenstraum verwehrt: die eine wollte ihrem Mann im Geschäft zur Seite stehen, die andere wäre gern Sängerin geworden, die dritte wäre gern Großhändlerin geworden, um sizilianische Früchte und Säfte nach Deutschland zu exportieren. Sie durften oder konnten es nicht tun, weil sie Frauen in einer strikten Männerwelt waren. Und doch hat jede von Ihnen es den Frauen in der nächsten Generation ermöglicht, wenigstens einen Teil ihrer Träume zu verwirklichen. Sei es die Tochter, die öffentlich auftreten und singen darf, oder die Tochter, die eine höhere Schule besuchen kann. Diese drei Frauen besitzen einen doppelten Schatten, der sie als Nachfahrinnen von Meeresnixen ausweist. In Sizilien können andere Frauen ihre Schatten sehen und meiden sie. In München hingegen sind diese Schatten nicht mehr sichtbar, sie können sich ungehindert auf den Straßen bewegen.

    Alle drei Frauen heiraten den Mann, den sie lieben, doch die Männer der ersten beiden Generationen sind Patriarchen, oder wären es gern, zu stolz und zu schwach zugleich, auf Ihre Frauen zu hören. Nur Maria, die Frau aus der dritten Generation, heiratet nach einer großen Enttäuschung in der Liebe endlich einen Mann, den sie liebt, der sie liebt, und der ihr vor allem zuhört und ihr helfen will, ihren Traum zu verwirklichen. doch er stirbt viel zu früh an einer unerbittlichen Krankheit und Maria muss ihre Firma verkaufen und kehrt mit ihrem Kind nach Sizilien zurück.

    Die Patruneddi, Hausgeister, sind faszinierend. Sie sind Teil der Familie, des Mobiliars, des Hauses.

    Das Buch endet in einer versöhnlichen und bejahenden Stimmung: “Wir waren die Frauen der Familie Carbonaro… Wenn es Tag wurde, würden wir wieder zwei Schatten werfen, aber wir fragten nicht mehr, wer wir sind. Wir sind das, was man von uns erzählt.” (S. 503”

    Hallo, Batcat,

    habe soeben den 2. Krimi von Sybille Ruge - 9MM Cut hier rezensiert. Leider habe ich den von Dir angezeigten Button auf der Seite nirgends entdeckt. ISBN für Sybille Ruges Buch lautet: 9783518473993. Bitte glaube mir, ich würde das ISBN sehr gerne an der richtigen Stelle einfügen, aber ich bin in solchen Sachen "IT-Illiterate". Kannst Du mir vielleicht einen Snapchat von der Seite schicken, auf der ich den Button sehen kann?

    Ich möchte Euch ja nicht zur Last fallen und Euch Mehrarbeit verursachen.

    Liebe Grüße

    Bücherturm

    Konfuse Handlung dafür aber ein herrlicher Stil

    Wirklich. Sybille Ruge hat es mit dem Sprüche klopfen drauf. Wer kann bei solchen Sätzen widerstehen? “Ein Land [die Schweiz] von Schiller erfunden, um den Deutschen zu zeigen, wie Heimatliebe geht” (S. 32). oder wenn Eve das Gespräch mit renitenten Zahlern das Gespräch so eröffnet: “Die vertraulichen Einzelsitzungen zur Konsensfindung leite ich mit einer Grundsatzfrage ein. Möchtest Du Invalidenrente? Eine Win-win-situation, besonders aufgrund der geringen Bürokratie" (S. 11). Einer meiner Favoriten ist der Dialog zwischen Eve und Karnofsky: “Ich sage dir etwas. Ich habe die Bilanzen überflogen” Antwort: “Im Sturzflug oder im Heißluftballon?” (S. 132) Damit meint Ruge, der Geschäftsführer hätte die Bilanzen viel früher und genauer studieren müssen. Mein Literatenherz hat bei dem Spruch “Amazon würde Dr. Faust unter Arztroman ablegen” (S. 152) fast einen Aussetzer gemacht. Lakonisch und trocken: “Apropos Poesie, ich halte einen abgetrennten Kopf für eine starke Metapher.” (S. 157). Und so geht es das ganze Buch durch, man liest und blättert nur wegen dieser sprachlichen Bilder und brillianten Einfälle. Ruges trockener Humor ist nicht zu überbieten.

    Leider kommt bei dieser tollen Sprache der Krimi an sich etwas zu kurz. Die Handlung scheint mir verworren, etliche Gestalten versprechen einen interessanten Nebenstrang um dann doch nicht ausgebaut zu werden. Die Zwillinge Lara und Laura sind leider nichts mehr als ein Störfaktor im Buch. Ich hätte gerne gewusst, wie sich ihr Leben weiter entwickeln wird. Mit Helene, der neurotischen Mutter (Spitzname “Hell”) können die Mädchen nicht weiter leben, ob der Vater sich mehr um sie kümmern wird?

    Alles in allem, ein unterhaltsamer Krimi mit einigen Schwächen aber einem hervorragenden Gebrauch der Sprache.