Zur Autorin (Quelle: Verlag)
Stine Pilgaard wurde 1984 geboren. Ihr Roman »Meter pro Sekunde« (2022 bei Kanon erschienen) war ein Erfolg bei Publikum und Kritik. »Meine Mutter« sagt ist ihr Debütroman und brachte ihr 2012 den wichtigsten Debütpreis Dänemarks ein. Stine Pilgaard lebt in Kopenhagen.
Zum Übersetzer:
Hinrich Schmidt-Henkel, 1959 geboren, übersetzt u.a. Werke von Jon Fosse, Tomas Espedal, Louis-Ferdinand Céline, Édouard Louis und Tarjei Vesaas. Für seine Arbeit wurde er vielfach ausgezeichnet, zuletzt war er nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse.
Klappentext:
Von Abschieden
und vergangener Liebe.
Nach dem Erfolg von »Meter pro Sekunde«
erscheint nun das sprühende Debüt der erfolgreichsten dänischen
Schriftstellerin unserer Tage. Witzig und warm schreibt Pilgaard über Liebe,
Familie und das Alleinsein. Und darüber, wie wir uns doch mit Worten umsorgen.
Nachdem die Ich-Erzählerin von ihrer
langjährigen Freundin verlassen wird, muss sie zurück zu ihrem Vater ziehen,
einem Pfarrer und Pink-Floyd-Fan. Während sie auf ebenso komische wie
verzweifelte Art versucht, ihre Ex zurückzugewinnen, wird sie von Freunden und
Familie mit Ratschlägen traktiert. Vor allem ihre Mutter bedrängt sie mit
zweifelhaften Lebensweisheiten. Doch allmählich lernt sie, zu trauern, ihre
inneren Widersprüche zu akzeptieren, laut, betrunken und auf ihre eigene Art
weise zu sein. – Ein Roman voller Energie und Eleganz, von Hinrich
Schmidt-Henkel aufs Treffendste übersetzt.
»Meine Mutter sagt« ist ein moderner Roman über
unsere Vereinzelung. Er handelt vom Aneinander-Vorbeisprechen, vom Alleinsein
durch Missverständnisse, von Abschieden und vergangener Liebe – und vom
Vermögen, sich doch durch Sprache zu erklären.
Mein
Lese-Eindruck:
„Meine Mutter findet, da ich
jetzt Urlaub habe, sollte ich in ihr Sommerhaus kommen.“So beginnt das erste
Kapitel, und dieses erste Kapitel zeigt schon das familiäre Miteinander der Ich-Erzählerin. Da
ist eine Mutter, die die Tochter mit vielen unerbetenen Ratschlägen überhäuft
und die sich bemüht, das Studium und allgemein das Leben ihrer Tochter wieder
ins Gleis zu bringen. Die Ich-Erzählerin begegnet uns nämlich am Anfang als
tief verletzte, entwurzelte junge Frau: ihre Lebensgefährtin hat sie vor die Tür
gesetzt. Sie findet Unterschlupf bei ihrem Vater, einem Pfarrer, der für Pink
Floyd schwärmt und im Unterschied zur Mutter von Belehrungen absieht. Im
Gegenteil: die Ich-Erzählerin freundet sich mit seiner neuen Frau an und
entwirft mit ihr spielerische Zukunftspläne. Alle Figuren dieses kleinen Romans
werden uns als teilweise schrullige, aber liebenswerte und lebensechte Typen
vorgestellt, keine der Figuren wird bewertet, und dieser freundliche Blick der
Autorin auf ihre Mitmenschen macht die Lektüre zu einem Vergnügen.
Das Buch ist originell
aufgebaut. Auf wenige kurze erzählende Kapitel folgt ein sog.
Seepferdchen-Monolog. Wieso Seepferdchen? Ein Teil des Gehirns ähnelt einem
Seepferdchen, lat. Hippocampus, und dieser Hippocampus überführt die
Erinnerungen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis. Diese
Seepferdchen-Monologe befassen sich also mit den langfristigen Erinnerungen und reihen sich oft assoziativ in die Erzählung ein. Sie öffnen dem Leser das Innere der Ich-Erzählerin: sprachlich wunderschöne
Monologe, in denen man versinken kann.
Überhaupt ist es die
Sprache, die den Roman zu einem besonderen Lesevergnügen macht. Schon im 1.
Kapitel zeigt sich der besondere Sprachwitz, wenn es z. B. darum geht, ob eine
Krabbe ein Schalentier oder ein Kriechtier ist; kriecht die Krabbe oder schalt
sie? Stine Pilgaard spielt in einer unglaublich frischen Weise mit der Sprache.
und so ist es auch die Sprache, mit der
sie alltägliche Situationen gleichsam seziert, und es ist die Sprache, die die
Kommunikation zwischen den Figuren letztlich gelingen lässt. Wie tröstlich!
Gleichzeitig gelingt der Autorin damit auch der Spagat zu tiefernsten Themen
wie der Vereinzelung des Menschen und der Angst vor dem Allein-Sein – und
schließlich der überbordenden Freude über eine neue Liebe.
Ein wunderbares
Buch!
Note 1,5