Beiträge von dracoma

    Und jetzt kann ich berichten!


    Grundsätzlich: mir war der Roman zu intellektuell, zu verkopft, auch wenn ich den Hut ziehe vor der Tiefe, mit der der Autor sein Thema durchdrungen hat.


    Aber der Reihe nach:


    Der Roman beginnt in einem Klassenzimmer, und als Leser lernt man schnell die drei Hauptpersonen kennen: den namenlosen Ich-Erzähler, seinen neuen Freund Carl und Kirsten, die beiden Neuen in der Klasse. Dieser Anfang könnte zu einem Coming-of-Age-Roman führen, aber mit einem solchen Etikett lässt sich dieser Roman nur unvollständig etikettieren.


    In diesem Roman ist alles Kunst und künstlich, wohin der Blick des Lesers auch gelenkt wird. Das Geschehen ist aus der Zeit gefallen, eine eindeutige Zuordnung lässt sich nicht vornehmen, und die Handlung wirkt recht konstruiert. Die Sprache ist ebenfalls aus der Zeit gefallen; da bewegen sich die Personen „eiligen Schrittes“ (S. 165) und zeigen dem Freund ein Bild, „dessen Anblick dir Freude bereiten wird“ (S. 171). Auch die Figurenrede verzichtet großenteils auf Umgangssprache, sondern ist gelehrt, formvollendet, um nicht zu sagen gestelzt – künstlich eben.


    Die Hauptperson, Carl, wohnt in einem fast fensterlosen „Kunstversteck“, eine Art Raumkapsel, die mit versteckten Aufbewahrungsmöglichkeiten ausgestattet ist, die uns der Autor gerne detailliert beschreibt. Ebenso gerne und detailliert beschreibt er Kirstens Elternhaus, das auf den ersten Blick wie das Gegenteil von Carls Raumkapsel aussieht. Da die Mutter eine „physische Intoleranz allem Künstlichen gegenüber“ (S. 147) hat, wird Kirstens Elternhaus zu einem „Naturtheaterhaus“ umgebaut: ein elektrizitätsfreies Haus, verbunden mit der Abmeldung von allen öffentlichen Systemen, in dem sich der Tagesablauf der Bewohner am natürlichen Licht orientiert. Kurz: ein ausgesprochen kunstvolles „natürliches“ Haus!


    In der Bezeichnung und auch der Beschreibung dieses „Naturtheaterhauses“ und auch an anderen Stellen zeigt sich aber auch der Humor, mit dem Nickel seine Kunst-Geschichte erzählt. Mir haben auch seine witzigen Kapitelüberschriften sehr gut gefallen, die mit einem Augenzwinkern auf das Doppelbödige des Inhalts verweisen. Und damit passt das alles sehr gut zu den Bildern Spitzwegs, um die es hier unter anderem geht. Spitzwegs Bilder spiegeln bei der ersten Betrachtung das Biedermeier wider: die enttäuschte Absage an die Politik und den Rückzug in eine bürgerlich-kleinbürgerliche private Welt. Wenn man aber genauer hinschaut – und das macht Carl! – sieht der Betrachter das Doppelbödige und das Abgründige, d. h. die Wahrheit hinter dem Bild tritt hervor, und genau darauf weist der Roman hin.


    Worum geht es also?

    Es geht nicht nur um dieses genaue Schauen und den Bezug der Bilder zur Gegenwart, sondern es geht auch um Schönheit in all ihren Erscheinungsformen, um die Bedeutung der Kunst für die Ich-Findung, und es geht auch darum, sich die Kunst in einer höchst subjektiven Weise anzueignen.


    Das fand ich durchaus spannend, aber der dozierende Ton und die essayartigen Unterbrechungen durch andere Themen bremsten den Lesefluss aus.

    Ich bin von diesem Krimi (Krimi?) nicht so begeistert wie meine Vorrednerin.


    Klappentext:

    Penelope St. James zieht aus London in den kleinen Ort Shaftesbury, um dort eine Partnervermittlungsagentur zu eröffnen. Der Anfang ist schwierig, denn Handyempfang gibt es nur auf dem Friedhof, und ihr neuer Nachbar Sam ist ausgerechnet Tierarzt – mit Tieren kann Penelope nun wirklich nichts anfangen. Als sie mitansehen muss, wie eine Frau überfahren wird, ist sie misstrauisch, denn sie glaubt nicht an einen Unfall. Zusammen mit Sam und den Dorfbewohnern stößt sie auf ein düsteres Geheimnis – das weitere Opfer fordern wird, wenn Penelope nicht schnell den Mörder findet.

    Oh so very British: ein charmanter Krimi voller England-Flair mit einer Ermittlerin, die alle Herzen schneller schlagen lässt


    Mein Hör-Eindruck:

    Eine junge Frau entschließt sich, auf dem Lande die Dependance einer Partnervermittlung für den gehobenen Anspruch zu gründen. Das Telefon lässt auf sich warten, der Internet-Anschluss erst recht – aber sie hat ein grell beleuchtetes Firmenschild, dessen Aufschrift für allerlei Missverständnisse sorgt. Sie gewinnt zwar keine Kundschaft, aber dafür knüpft sie schnell Kontakt zu den Bewohnern, die nun der Reihe nach auftreten: ein gutaussehender Tierarzt mit einer altklugen kleinen Tochter, die Besitzerin des Gemischtwarenladens, der Wirt des Dorf-Pubs, der die Damen des Lesekränzchens und so fort. Ein berühmter Schauspieler, Schwarm aller Damen, sowie ein Earl und ein Lord runden das Figurenangebot ab.


    Die Protagonistin lernt nun das Leben auf dem Lande kennen und auch lieben, und die einzelnen Schritte dieses Kennenlernens werden dem Leser ausführlich und in munterem Plauderton vorgestellt. Nach einem Drittel des Hörbuchs erfüllte sich schließlich meine Hoffnung, dass doch bitte endlich etwas geschehen möge, dass die Geschichte ein bisschen Schwung aufnehmen möge und dass eine Zielrichtung des Geplauders zu erkennen wäre: die Protagonistin findet einen verletzten Hund und eine tödlich verletzte Frau.


    Wer gerne harmlose sanfte Krimis liest und keine Angst vor Klischees hat, die das britische Landleben bedienen, ist mit diesem Krimi gut beraten. Man sollte keine großen Ansprüche an die Logik der Handlung stellen und auch nicht erwarten, in die Aufdeckung des Bösewichts involviert zu werden. Man sollte auch nicht zu streng mit einzelnen Handlungselementen sein, weil einige nur einer aktuellen Situationskomik dienen.


    Die Stimme der Sprecherin Regine Lange hat einen jugendlich-frischen Ton, der sehr gut zu dem munteren Geplauder der Handlung passt. Allerdings bin ich zusammengezuckt, wenn sie aus einem Buffet ein „Bufätt“ macht. =OAua!

    Ansonsten hat es mir Freude gemacht, ihrer schönen und klaren englischen Aussprache zuzuhören, daher bewerte ich dieses Werk noch mit Note 3.

    ASIN/ISBN: 3701717591


    Bestenliste des SWR


    Darum geht es:

    Ein furioser Roman voll von Punk, Zorn und bissigem Witz: Atemlos folgen wir einer Reise durch die Abgründe der Vorstadtidylle von Helsinki.

    Seit jener Party der vielversprechenden Jeunesse dorée ist nichts mehr, wie es war in dem eleganten Villenviertel bei Helsinki: Familien zerbrechen, Karrieren enden, und ein düsteres Schweigen liegt über der einst so heiteren Idylle am See. Unerbittlich legt Fagerholm frei, was sich in dieser Nacht ereignet hat: Der charmante Gastgeber Nathan, Gusten und deren zwei Freunde haben das Mädchen Sascha im Keller eingeschlossen, sie stundenlang gequält und vergewaltigt. Und auch wenn Schweigegeld bezahlt und Geständnisse abgelegt werden, kann nichts mehr heil werden, weil es keine Sprache gibt für das, was geschehen ist. Das muss auch Gusten erfahren, als er nach Jahren auf der Suche nach seiner großen Jugendliebe Emmy zurückkehrt …



    Und auch das stand auf der Bestenliste:


    ASIN/ISBN: 3498002287


    Darum geht es:

    Péter Nádas’ neuer Roman ist ein unerwartetes Geschenk. Sprachgewaltig und vielstimmig erzählt er das Leben eines Dorfes am Fluss mit all seinen Bewohnern: Da sind die großen Bauern wie die Tagelöhner, der Priester und der evangelische Pfarrer, ein geistig behindertes Mädchen, eine junge Mutter, der Schäfer des Dorfes, der Lehrer, eine Frau, die Jahrzehnte zuvor unwiderruflich in Schande geriet, ein vom Teufel besessener Bäcker, dazu entwurzelte Aristokraten und Grandes Dames auf Landpartie. Ein Panoptikum von Figuren, getrieben von Missgunst und Bosheit.

    Und um die Menschen des Dorfes herum: Gespenster.

    Im Verlauf weniger Tage begegnen uns namenloses Elend, Schwäche, Abhängigkeit und Gewalt, in einer Welt, die an Céline und Tschechow erinnert, in der Sprache sich in ihr Gegenteil verwandelt, die Unfähigkeit zu sprechen. Rohe Gier und plötzliche Großmut wechseln einander ab, während dämonische Triebkräfte die Leben der Menschen chaotisch steuern. Dabei fließt die Erzählung ruhig dahin, schlägt Bögen, versammelt immer mehr Orte und Akteure und trägt uns ohne Aussicht auf Rettung einem alles umfassenden Unheil zu.

    Ich persönlich brauche keine literarischen Kunstobjekte oder experimentelle Literatur. Bin gespannt, wie dein letztes Urteil bei "Spitzweg" aussehen wird.

    Hihi, ich auch :):P!


    Ich habe grundsätzlich nichts gegen "Kunstobjekte", wie Du das nennst, und ich bin auch gerne bereit, meinen Hut zu ziehen vor dem Einfallsreichtum des Autors, seinem Witz (z. B. die Sache mit dem Suchbild, die finde ich genial!), der kunstvollen Sprache und so fort.

    Mein Problem besteht eher darin, dass ich mich von einem Buch berühren lassen möchte - also ich möchte, dass Geist und Gemüt versorgt werden - ich hoffe, Du verstehst, was ich meine.

    Und da warte ich bei dem Buch halt noch drauf.


    ASIN/ISBN: B09HXKVYCC

    "Wiesenstein" interessiert mich auch noch, Pleschinski hat den Briefwechsel von Friedrich II. und Voltaire herausgegeben, das hat mir sehr gut gefallen.

    Das ist ein guter Tipp, ist aufnotiert!

    Pleschinski hat auch die Briefe der Mme de Pompadour herausgegeben, hat mir gut gefallen.


    Noch besser hat mir seine Herausgabe der Lebenserinnerungen von Else Sohn-Rethel gefallen, ein wirklich spannendes und farbiges Epochenbild - wenn ich mich richtig erinnere, war sie seine Großtante oder so ähnlich.


    ASIN/ISBN: 340669165X


    "Wiesenstein" könnte Dir gefallen, denke ich.


    Sein letztes Buch fand ich nicht so geglückt, aber immerhin habe ich eine Menge über einen vergessenen Dichterfürsten erfahren: Paul Heyse. Das allein hat schon die Lektüre gelohnt!


    ASIN/ISBN: 3406766315

    Dieses Buch gibt es auch unter dem Titel:

    Der Club der singenden Metzger

    Das habe ich nicht gewusst, danke für den Hinweis!


    Mein erstes Buch von ihr war

    ASIN/ISBN: 3351035799
    ,


    und das war für mich wie eine Reise in eine völlig unbekannte Welt.

    Deswegen habe ich hintereinander weg "Der Klang der Trommel" und "Ein Lied für die Geister" (Beeindruckend!) gelesen, und auf meinem unendlichen SuB wartet noch "Der Nachtwächter" und

    "Schattenfangen", und natürlich der singende Metzger.


    Sie kann einfach wunderbar erzählen, und wie sie die Realität mit dem magischen Wissen der Indianer verbindet, das finde ich genial.