Beiträge von dracoma

    ASIN/ISBN: 3293208436


    Colin Dexter, Der Tod ist mein Nachbar


    Ich habe Spaß beim Lesen!

    Der Ermittler, Mr. Morse, kann zwar ein Grobian sein, und er trinkt auch bisschen viel, aber er beobachtet genau und baut ständig neue Theorien zusammen.

    Und vor allem gefällt mir sein Humor.

    Sein Adjutant Lewis ist ein geduldiger Mensch, der seinem Chef dessen despektierlichen Äußerungen nicht nachträgt.

    Klappentext:


    Meret ist Krankenschwester. Die Klinik ist ihr Zuhause, ihre Uniform trägt sie mit Stolz, schließlich kennt die Menschen in ihrem Leiden niemand so gut wie sie. Bis eines Tages ein neuartiger Eingriff entwickelt wird, der vor allem Frauen von psychischen Leiden befreien soll. Die Nachwirkungen des Eingriffs können schmerzhaft sein, aber danach fängt die Heilung an. Daran hält Meret fest, auch wenn ihr langsam erste Zweifel kommen.

    Ein simpler Eingriff ist nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Welt starrer Hierarchien und entmenschlichter Patientinnen ihren Glauben an die Macht der Medizin verliert. Es ist auch die intensive Heraufbeschwörung einer Liebe mit ganz eigenen Gesetzen. Denn Meret verliebt sich in eine andere Krankenschwester. Und überschreitet damit eine unsichtbare Grenze.

    Eine Geschichte von Emanzipation, Liebe und Empathie.


    Mein Hör-Eindruck:


    Wann spielt die Geschichte? Und wo? Der Leser bleibt im Unklaren und erkennt, dass es hier nicht um konkrete Verortungen in Raum und Zeit geht.


    Die Protagonistin Meret, eine junge Krankenschwester, bewegt sich in zwei Mikrokosmen: ihrer Familie und dem Krankenhaus. Ihre Familie wird geprägt durch eine fast unerträgliche Beschränktheit des Wohnraums und vor allem durch den Vater, der uneingeschränkt die Familie beherrscht und seine Aggressionen entlädt in gewalttätigen Übergriffen auf seine Kinder. Der andere Mikrokosmos ist das Krankenhaus, Merets Arbeitsplatz. Zusammen mit vielen namenlosen Krankenschwestern funktioniert sie wie ein Rädchen im Getriebe.


    Beiden Mikrokosmen gemeinsam ist ihre streng patriarchalische Struktur und das System von Unterordnung und Gehorsam.


    Meret ist als Pflegerin beteiligt an der operativen Behandlung von psychischen Erkrankungen. Die Details der Operation bleiben unscharf, aber der ausführende Arzt verspricht ein besseres Leben nach dem Eingriff. Der Mensch – meist sind es Frauen – würde befreit von unangenehmen Verhaltensweisen. Immer wieder werden Wut und Aufmüpfigkeit als unerwünschtes Verhalten erwähnt, d. h. die Operation hat nicht das Ziel einer Heilung, sondern sie hat das Ziel, Frauen an die gesellschaftlich erwünschten Normen anzupassen, und diese Normen sind von Männern gesetzt. Unerwünschtes Verhalten von Frauen wird operativ eliminiert, und die versprochene Besserung sieht so aus, dass Frauen zu einem klaglos funktionierenden Teil dieser restriktiven Gesellschaftsordnung werden. Für Männer gilt dies offensichtlich nicht, wenn man an Merets Vater denkt.


    Meret fügt sich in dieses autoritäre System ein und verteidigt die Notwendigkeit der Anpassung. Bis sie unter dem Einfluss ihrer Geliebten Zweifel entwickelt und einen Ausbruch wagt.


    Der Roman wirkt merkwürdig schwebend. Nicht nur wegen der fehlenden zeitlichen und räumlichen Verortung, sondern auch inhaltlich. Der Leser bewegt sich zwischen den beiden Mikrokosmen hin und her. Wir lesen kurze Rückblicke in die Familiengeschichte und Erinnerungen an die geliebte Schwester, Andeutungen über das Schicksal des Bruders – und auch der konkrete Klinikalltag, das Miteinander mit den Kolleginnen, der Kontakt zum Bruder einer Patientin, all das wird nicht klar konturiert, sondern bleibt angedeutet stehen.


    Der Sprecherin Lisa Hrdina gelingt es hervorragend, die Ich-Erzählerin lebendig werden zu lassen. Sie trifft den leicht naiven Ton der jungen Protagonistin, und ihre junge Stimme wirkt authentisch.


    Mir hat es gefallen, wenn auch mit Einschränkungen!

    ASIN/ISBN: 3293208436


    Colin Dexter, Der Tod ist mein Nachbar


    Das Buch habe ich aus der Kreisbücherei ausgeliehen und ich muss es Dienstag zurückgeben, weil es vorbestellt ist - die Reihe scheint begehrt zu sein!

    Und das verstehe ich inzwischen. Mir gefällt der Krimi. Ich muss nur eine Leiche aushalten und bleibe von Grausamkeiten verschont, die nichts zur Handlung beitragen. Und die beiden Ermittler haben Humor.

    Klappentext:


    In den Walliser Alpen wird eine grausam zugerichtete Leiche gefunden. Da sich der Tote als ehemaliger deutscher BKA-Beamter erweist, schaltet sich Interpol ein und schickt ihre beste Ermittlerin: Valeria Ravelli. In der eisigen Abgeschiedenheit der Berge stößt sie bei ihren Nachforschungen auf eine Mauer aus Schweigen. Ein mächtiges Areal der Wälder rund um das Dorf Steinberg ist abgeschottet und dient als privates Winterquartier für eine Gruppe schwerreicher Geschäftsleute. Gemeinsam mit einem neuen Kollegen folgt Valeria den weit verzweigten Spuren eines wahnhaften Mörders, dessen Taten zurück in die Vergangenheit reichen. Doch was sie nicht ahnt: Sie selbst ist längst in sein Visier geraten.


    Mein Hör-Eindruck:


    Cover und Klappentext versprechen einen atmosphärisch dichten, spannenden Roman. Und eines muss man dem Autor lassen: er versteht es, eine unheimliche und gruselige Atmosphäre zu schaffen. Da gibt es Dunkelheit, Modergeruch, Kälte, tiefe Schluchten, blutige Fußabdrücke, geheimnisvolle Unterwelten, das Gefühl, ständig beobachtet zu werden, es gibt versteckte Hütten, die von Spinnweben überzogen sind und ein unterirdisches Verlies, es gibt apokryphe Botschaften, südamerikanische Dämonen, grausam zugerichtete Leichen, geheime Kellerräume, unklare Atemgeräusche, geheimnisvolle internationale Verschwörungen und so fort – dieses Handwerk beherrscht der Autor sicher.


    Aber mich hat die Verbindung dieser einzelnen Elemente nicht überzeugt. Ich habe die innere Logik der Handlung vermisst. Der Beginn zeigt schon das erste der vielen blinden Motive: da werden zwei Ermittler eingesetzt, die sich nicht ausstehen können. Nun denkt der Leser, dass diese Feindseligkeit eine Rolle im Roman spielen wird – das tut es aber nicht, das Motiv bleibt blind. Ebenso verhält es sich mit einer defekten Brücke in einer Höhle, zwei geheimnisvollen Buben, dem vermissten Bruder der Protagonistin und mit vielen anderen Handlungselementen, die man ohne zu spoilern nicht aufführen kann.


    Einige Elemente hat der Autor bei Großmeistern dieses Genres abgeschaut, und zwar bei Hitchcock (Film „Psycho“) und aus Daphne du Mauriers Novelle „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Gegen Intertextualität bzw. Zitate ist grundsätzlich nichts zu sagen, wohl aber gegen die Art und Weise, wie diese Elemente hier eingebaut werden. Z. B. stammt aus du Mauriers Novelle der geheimnisvolle kleinwüchsige, rotgewandete Mensch, der immer wieder gesichtet wird, aber dessen Funktion im Unterschied zum Original unklar bleibt. Seine Funktion in der Geschichte wird auch nicht klarer, wenn er mitten in der Nacht einem angeschossenen Ermittler sein Leben erzählt. Diese nicht motivierten Erklärungsgespräche finden sich allerdings häufiger im Roman; mir hätten diese Erklärungen – wenn sie denn nötig sind - als integrierter Teil der Handlung besser gefallen.


    Mir fehlte nicht nur die Kausalität der Handlung. Manche Handlungselemente sind einfach nicht glaubwürdig. So hinterlässt z. B. eine Verfolgungsjagd im Schnee offensichtlich keine Spuren, eine jahrelang stumme Patientin kann plötzlich zur rechten Zeit sprechen, der Rettungshelikopter ist innerhalb von Minuten zur Stelle etc. Ich konnte auch das Verhalten der Protagonistin nicht immer nachvollziehen. Sie will Zeugenbefragungen durchführen, aber bricht nach zwei Zeugen ab – wieso? Es wirkt so, als hätte der Autor vergessen, dass da noch mehr Zeugen im Wartestand sind... so wie er auch zu Beginn vergessen hat, dass er seiner Heldin schon einen Schirm zugeteilt hat.


    Dazu befremdet das Verhalten der Protagonistin: ihr anmaßende Auftreten, ihre Ohrfeige für den Leiter der Ermittlung, fehlender Kontakt zum Vorgesetzten, ihre unnötigen Alleingänge etc. – natürlich kann von einem Krimi nicht erwartet werden, dass er die Polizeiarbeit präzise wiedergibt, aber ich kann nur hoffen, dass die Polizeiarbeit nicht derart unprofessionell abläuft!


    Die Sprecherin macht ihre Sache gut. Sie bemüht sich, den verschiedenen Personen ihre eigene Stimmfärbung zu geben, was ihr nicht immer überzeugend gelingt. Trotzdem liest sie den Roman klar und sinnbetont.


    Insgesamt: Zu viele lose Erzählfäden. 5

    Ich mag seine Art zu erzählen.

    Ich bin da eher gespalten. Mir hat "Unter der Drachenwand" nicht so recht gefallen, ich fand den Erzähler da sehr redselig, fast geschwätzig.

    "Das glückliche Geheimnis" hat mich aber dann doch positiv überrascht, weil Arno Geiger offenbar ein netter Mensch ist.

    Ist ja auch was wert.


    Was mir im Nachhinein noch eingefallen ist: Arno Geiger beschließt, "ungekünstelt" zu erzählen. Da hätte ich gerne gewusst, wie man das denn macht: es zur Kunst zu erheben, ungekünstelt zu sein.

    Kommt mir widersprüchlich vor.

    Roth aber, und das ist der Punkt, prognostizierte in besagtem Satz gleich den "Tod der Literatur". Das ist starker Tobak und mal noch eine ganz andere Nummer als die berechtigte Forderung von Böll. Literatur kann nicht sterben. Die größten Artisten deutscher Sprache lebten in Zeiten, in denen die meisten Leute Analphabeten waren. Selbst Länder, in denen es knallhart, ja geradezu sozialdarwinistisch zur Sache geht, brachten und bringen großartige Autoren hervor.

    Danke für Deine Erläuterungen! Wieder was gelernt!

    Klar: starker Tobak, aber manchmal muss man übertreiben, um das Problem deutlich zu machen.


    Sicher steht auch das Problem dahinter, ob und wie ein Autor von seinem Autorendasein leben konnte. Das konnten auch die "größten Artisten" wie Du sie nennst, nur bedingt.

    Ich habe irgendwann mal seine Kolumnen gelesen, vev, in einer fiel mir dieser Satz unangenehm auf, weil's schlicht Bullshit ist. Er hatte halt Angst, dass er weniger Bücher verkauft.

    War es nicht viele Jahre so, dass Autoren keine finanzielle Vergütung für ihre Bibliotheksbücher erhielten? Mir kam einmal ein Text unter, "Ende der Bescheidenheit" von Heinrich Böll. Das muss eine Rede gewesen sein, und da fordert er diesen Bibliotheksgroschen. Das muss, schätze ich, ca. 1975 (????) sein.

    Also vor Joseph Roths Zeiten.

    Insofern gäbe seine Aussage Sinn.

    Ich habe dieses Buch beendet

    ASIN/ISBN: B09XTPHM43


    und nun ist mir nach einem Krimi.

    Ich glaube, mit dem werde ich nicht warm. Nicht nur, weil er im schneereichen Wallis

    (haha, das war einmal... ) spielt, sondern weil sich die Protagonistin gleich zu Anfang einen Schirm ausleiht

    und die Autorin das vergisst: 2 Seiten später muss sie sich schon wieder einen Schirm leihen.


    Vielleicht bin ich zu pingelig.


    ASIN/ISBN: B09VQ6N2YT