Beiträge von dracoma

    Zur Autorin (Quelle: Verlag):


    Aline Valangin (1889–1986), aufgewachsen in Bern, Ausbildung zur Pianistin. Verheiratet mit dem Anwalt Wladimir Rosenbaum und in zweiter Ehe mit dem Pianisten Wladimir Vogel. Im Zürich der Dreißigerjahre führte sie in ihrem Haus einen Salon der künstlerischen Avantgarde, der zum Zufluchtsort für Emigranten wie Ignazio Silone oder Kurt Tucholsky wurde. Tätigkeit als Psychoanalytikerin, Publizistin und Schriftstellerin. Ab 1936 lebte sie im Tessin im Onsernonetal und in Ascona, wo sie auch wieder Emigranten Unterschlupf bot. 1944 erschienen die beiden Romane «Casa Conti» und «Die Bargada».


    Klappentext:


    Nah der schweizerisch-italienischen Grenze, im hintersten Dorf des Onsernonetals, verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Es sei Krieg ausgebrochen. Schon tauchen die ersten Menschen, die vor den italienischen Faschisten fliehen, im Dorf auf. Entgegen den Befehlen der Regierung in Bern nimmt man sie auf. Indessen halten die Grenzwächter nicht nur Ausschau nach Flüchtlingen, denn auch Schmuggler passieren unentdeckt die Grenze und tragen Safran, Käse und Reis über die Berge. Sie machen Geschäfte mit den Dorfbewohnern und verstecken sich in ihren Ställen. Und sie verkehren auf der Bargada, dem Gut unweit des Dorfes, das Orsanna Armini, ihre Tochter Zoe und die junge Claretta bewohnen. Im zweiten Teil ihrer Chronik schreibt Aline Valangin die Geschichte der Armini-Frauen fort und verarbeitet die Ereignisse im Tessiner Dorf an der Grenze während des Zweiten Weltkriegs.



    Mein Lese-Eindruck:


    Ein kleines Tessiner Dorf direkt an der italienischen Grenze, abgelegen, in einer unzugänglichen Natur: das ist der Schauplatz dieses Romans. Eine Idylle, denkt man, und das ist es auch, wenn man sich mit dem Blick von außen begnügt. Und genau den hat Aline Valangin nicht. Sie ist Schweizerin und sie schaut genau hin, und ihr Blick legt bitterböse und gnadenlos die Scheinheiligkeit dieser Idylle frei.

    Die Geschichte spielt während des II. Weltkrieges. Die Nachricht vom Ausbruch des Krieges berührt die Bewohner weiter nicht. Allerdings horten sie Mehl und haben damit ihrer Meinung nach ihre Pflichten erfüllt. Und ansonsten? „Der Krieg, der tobte draußen, wo die Berge flach werden“ (S. 23). Für das Dorf hat er keine Schrecken. Im Gegenteil: alle Dörfler beteiligen sich an dem schwunghaften Handel einer Schmugglerbande mit Reis, Käse, Safran. Butter, Schinken etc. Dabei verdienen alle so gut, dass ein Kino installiert werden kann und die Bauernmädchen in Seidenstrümpfen zur sonntäglichen Messe gehen können.


    Aber die Idylle wird bedroht. In kleinen Schritten rücken der Krieg und seine Grausamkeiten näher. Zunächst vereinzelt, dann immer häufiger tauchen aber Flüchtlinge an der Grenze auf, entkräftet und verhärmt. Es sind jüdische Familien, die vor der Deportation fliehen, desertierte Soldaten und politische Flüchtlinge – aber das Dorf darf noch weitgehend passiver Zuschauer bleiben, weil die Grenzsoldaten angewiesen sind, alle Flüchtlinge zurückzuweisen. Die oft verzweifelte Bitte um Asyl in der neutralen Schweiz rührt sie zwar menschlich, aber das Gesetz hat Vorrang und wird durchgesetzt


    Partisanen berichten von den Zuständen jenseits der Berge: von Flucht, Vertreibung, Lynchjustiz, vom allgemeinen Hunger und dem Tod von Kindern, von Gräueltaten der Faschisten und der Besatzer. So rückt der Krieg immer näher an die Dörfler heran und sprengt schließlich ihre Idylle und zugleich verlebte Traditionen.


    Wie Aline Valangin diese Geschichte erzählt, hat mir sehr gut gefallen. Sie wahrt streng die Perspektive der Dörfler, und als Leser muss man sich die politischen Zustände selber zusammenreimen. Ihr Erzählton bleibt immer freundlich und ruhig, oft humorvoll-ironisch, wenn sie ihre Figuren in deren überholten Traditionen vorstellt. Und was mir besonders gut gefallen hat: kein einziger Satz findet sich, in dem die Kritik der Autorin an der Schweiz direkt formuliert wird: an ihrer Asylpolitik und ihrer Kunst, am Elend der Anderen Geld zu verdienen. Es ist allein die Handlung, aus der der Leser das herauslesen kann, wenn er mag.


    Die Schweizer konnten es jedenfalls; der Roman aus dem Jahre 1944 durfte erst 1982 (!) erscheinen.

    Eine mutige Frau, diese Aline Valangin!


    9/10 P.


    ASIN/ISBN: 3039260502

    Klappentext

    Ein Meisterwerk der moralischen Beunruhigung – die Weltpremiere von A.L. Kennedys neuem Roman.

    Soll man Unbarmherzigen gegenüber barmherzig sein? Anna unterrichtet an einer Grundschule und möchte immer noch die Welt verbessern. Wie vor fünfundzwanzig Jahren, als sie in Edinburgh mit einer Gruppe von Straßenkünstlern gegen die Kriegs- und Sozialpolitik der englischen Regierung demonstrierte. Was sie damals nicht ahnte: Einer ihrer Kumpane war ein V-Mann, der sie alle verriet. Nun stellt sie dem Peiniger nach. Doch bis wohin reicht das Böse – und kann Anna sich selber davon freihalten? Ein Meisterwerk der moralischen Beunruhigung. In ihrem unnachahmlichen Stil, in dem sich Ironie und Empathie verbinden, erzählt A.L. Kennedy von der Möglichkeit der Liebe der Menschen füreinander.


    Mein Lese-Eindruck


    Der Titel und auch das beeindruckende Cover zeigen es schon: wir leben eben nicht in einem barmherzigen Land. Die Autorin zeichnet ein provozierendes Bild des zeitgenössischen Englands nach dem Brexit. Das mag ein Grund dafür sein, dass das Buch bisher in England keinen Verleger gefunden hat.


    Im Mittelpunkt stehen zwei Menschen, zwei Ich-Erzähler: einmal Anna, eine idealistische und engagierte Lehrerin, die sich nach Kräften bemüht, ihrem Sohn und ihren Schülern während des Lockdowns gerecht zu werden. Und dann „Buster“, der sich in Studententagen Annas Straßentheatergruppe angeschlossen und dann als Polizei-Spitzel die Gruppe vor Gericht gebracht hatte.

    Annas Erzählstimme ist ein einziger Monolog, in dem sie ihr Leben, ihren Alltag, ihre Gedanken und vor allem ihre Wut zu Papier bringt. Dagegen erzählt Buster wesentlich sachlicher, gelegentlich fast zynisch und legt seine Aufgabe als Undercover-Agent und Auftragsmörder dar.


    Was macht Anna so wütend?

    Es ist nicht nur der Verrat Busters, sondern die gesamte Situation. Sie beobachtet sehr differenziert das Auseinanderdriften der gesellschaftlichen Gruppen, und die zunehmende Verarmung der Mittel- und Unterschichten empört sie genauso heftig wie in ihren Studententagen, als sie mit ihrer Straßentheatergruppe Streikende unterstützte und gegen soziale Ungleichheit kämpfte. Sie sieht die Ursachen der Situation im schamlosen Machtstreben und dem ausufernden Egoismus einer Führungsschicht, die kein soziales Gewissen kennt.


    Diese Gruppe bezeichnet Anna als die Stilzchen nach dem Märchen der Gebrüder Grimm, wo das Rumpelstilzchen aus Stroh Gold spinnt und als Lohn das Kind der Königin einfordert. Dieses Bild löst Anna auf: die Gruppe der Stilzchen interessiert sich nicht für andere Menschen, sondern nur für Gold, nur für das eigene Fortkommen, nur für die Festigung ihrer eigenen Machtposition, nur für ihre eigenen Vorteile. „Was zählt, ist die Demonstration der absoluten Macht.“ Und so wird Annas Text eine wütende und auch verzweifelte Anklage gegen die Ungerechtigkeiten ihrer Zeit und ihres Landes.


    Ein zweites Märchen spielt eine Rolle: das Märchen vom Barmherzigen Land. Dieses Land verzeiht auch vielfachen Mördern, und es wird gegen Ende des Romans eine besondere Rolle spielen. „ Ohne Barmherzigkeit werden die normalen Menschen zu den neuen Stilzchen.“


    Fazit: ein provokanter, bissiger Roman.


    ASIN/ISBN: 3446276246

    Zwei Seiten später kommt die Ich-Erzählerin zu der Erkenntnis: "Aufmachen ist absolut gefährlich."

    Da hast Du einen echten Kernsatz gefunden, der Satz trifft es aber wirklich auf den Punkt!

    Das hängt sicherlich mit der teilweise vernichtenden (und teils misogynen) Kritik zusammen, der sie ausgesetzt war; darauf führe ich auch zurück, dass sie nichts von ihrer Biografie preisgibt. Alles, was sie erzählt, wird sofort wieder gebrochen, und sie versteckt sich irgendwo zwischen literarischen und realen Realitäten.


    Damit erfüllt sie, denke ich, den Anspruch der Vorlesungsreihe: nämlich ihr poetologisches Programm darzulegen.

    Und das besteht u. a. in ihrer Art, dem Leser Leerstellen zu überlassen.


    Schade, ich hätte Dir gerne "Daheim" ans Herz gelegt.


    ASIN/ISBN: 3596523303

    Fandest du es sehr merkwürdig?

    Die Umstände des Todes? Die fand ich sogar ziemlich unglaubwürdig. Da machen ein paar übermütige Jungs abends einen Tanz um eine Frau, die in einem Männeranzug nach Hause geht (das mit dem Männeranzug habe ich überhaupt nicht verstanden?!) und die springt in einen Bach und kommt um - also das fand ich schon sehr gesucht.

    Es knirscht meiner Meinung nach noch an anderen Stellen im Getriebe des Romans; ich habe oben in meinem Versuch einer Rezension einige aufgezählt. Totzdem habe ich sehr gut bewertet.


    Der Verlag hat übrigens wegen einer Lesung angefragt, ich habe die Anfrage weitergereicht und würde die auch befürworten!

    aber das klingt interessant.

    Finde ich auch.

    Ich finde so etwas eh spannend. Ein wenig reißerisch ist sogar ganz in Ordnung für mich. Ist meist spannend.

    Da hast Du auch wieder recht - aber das Auge passt so überhaupt nicht zu diesen Ku-Klux-Clan-Monstern dadrunter, und das wundert mich.

    Aber das Einfachste ist einfach: hineingucken und anlesen.

    das Titelbild mit dem Auge der Freimaurer

    Das ist übrigens nicht das Allsehende Auge der Freimaurer - ich hatte die angeschnittene Schrift oben drüber übersehen, sie lautet:

    Annuit coeptis

    Und schwupps - sind wir bei den USA.

    ASIN/ISBN: 3832182160


    Ich lese gerne Bücher, in denen die Mölglichkeiten unserer Sprache so richtig ausgenutzt werden: Sprachwitz, originelle Bilder und dergleichen.

    Das ist hier der Fall.

    Aber noch mehr als der wirklich souveräne Umgang mit der deutschen Sprache hat mir der freundliche Blick der Autorin auf die Kümmernisse ihrer Mitmenschen und auch ihre eigenen gefallen. Da wird der Kummer gleich kleiner!

    Klappentext:


    Ein kleines Buch über Kummer, das erstaunlich gute Laune macht

    »Alle wirken innerlich blitzblank, nur in unserem Inneren sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa«, denkt sich Kioskbesitzer Armin, als er vergeblich versucht, erfolgreich zu meditieren. Und auch im Inneren der anderen Figuren dieser literarischen Kolumnen herrscht Unordnung: Frau Wiese kann nicht mehr schlafen, Herr Pohl ist nachhaltig verzagt, Lisa hat ihren ersten Liebeskummer, Vadims Hände zittern, Frau Schwerter muss ganz dringend entspannen, ein trauriger Patient hat seine Herde verloren, und Psychoanalytiker Ulrich legt sich mit der Vergänglichkeit an. Kummer aller Art plagt die Menschen, die sich, mal besser, mal schlechter, durch den Alltag manövrieren. Aber der Kummer vereint sie auch, etwa, wenn auf Spaziergängen Probleme zwar nicht gelöst werden, aber zumindest mal an die Luft und ans Licht kommen.
    Klug, humorvoll und mit großem Sinn für Feinheiten und Absurditäten porträtiert Mariana Leky Lebenslagen von Menschen, denen es nicht an Zutraulichkeit mangelt, wohl aber am Mut zur Erkenntnis, dass man dem Leben nicht dauerhaft ausweichen kann.


    Mein Hör-Eindruck:


    Schlaflosigkeit, Schüchternheit, Angst vor Konflikten und andere Ängste und auch Liebeskummer – in diesem Buch geht es um Kummer und Kümmernisse, wie sie der Alltag dem Menschen beschert. Diese Kümmernisse beobachtet Mariana Leky in einer Art Mikrokosmos: in dem Mietshaus, in dem sie wohnt, und in ihrer Verwandtschaft, und in beiden Mikrokosmen pflegen die Beteiligten ein freundliches und vertrautes Miteinander. Daher tauchen auch immer wieder dieselben Personen auf, deren Kümmernisse Mariana Leky freundlich, aber präzise ins Visier nimmt: Frau Wiese mit ihrer Schlaflosigkeit und ihrer Verliebtheit, Herr Pohl mit seiner Angststörung und seinem (wie passend!) dauerzitterndem Zwergpinscher und immer wieder Onkel Ulrich, der Psychiater, der auch seine Kümmernisse hat.


    Mir hat der Blick der Autorin auf diese Kümmernisse gefallen. Sie wertet nicht, sie belehrt nicht besserwisserisch und erhebt sich nicht über die Betroffenen, sondern sie sucht das Gespräch, sie fühlt mit und sie hat Mitleid, aber sie suhlt sich nicht in Gefühlen, auch nicht bei ihren eigenen Kümmernissen. Gefühle werden personifiziert und immer visualisiert, wenn z. B. die liebeskranke Nichte von ihrem Liebeskummer begleitet wird und hinter diesem Hünen kaum mehr sichtbar ist. Mit solchen originellen und ausgesprochen fantasievollen Bildern verdeutlicht sie treffsicher und voller Sprachwitz die Gefühle der Betroffenen, ohne sie aber zu mindern oder der Lächerlichkeit preiszugeben. Im Gegenteil: sie stellt sie als Teil des menschlichen Alltags dar.


    Die Kolumnen werden vorgelesen von Katharina Quast. Ihre warme und flexible Stimme verstärkt die Grundhaltung der Texte: einen freundlichen, mitfühlenden und immer wohlwollenden Blick auf die Mitmenschen.


    Ich habe die Kolumnen in einem Zug angehört und fand die gelegentlichen Wiederholungen etwas ermüdend. Daher würde ich das Einzel-Hören empfehlen, aber das ist Geschmackssache.


    8/10 P.


    ASIN/ISBN: 3832182160

    Klappentext


    »Vielleicht ist einer von uns morgen schon nicht mehr da.«

    Über fünfzig Jahre lang teilen sie ihr Leben. Doch nun ist der Mann schwer krank. Lange schon wird er palliativ umsorgt; und so wird der Radius des Paares immer eingeschränkter, der Besuch seltener, die Abhängigkeit voneinander größer.
    Kraftvoll und poetisch erzählt Helga Schubert davon, wie man in solchen Umständen selbst den Verstand und der andere die Würde behält.


    Mein Hör-Eindruck:


    Helga Schubert wählt für ihr Buch den Untertitel „Stundenbuch“ und erinnert damit an die liturgischen Stundenbücher des Christentums, die dem Laien Gebete rund um die Uhr, meist beginnend ab Mitternacht, anbieten. Der Untertitel „Stundenbuch der Liebe“ wird dem Leser schnell klar: Die Ich-Erzählerin dient ihrem schwer kranken Mann rund um die Uhr, und das aus Liebe.


    Man kann wohl davon ausgehen, dass Ich-Erzählerin und Autorin in diesem Buch identisch sind. Sie beginnt mit dem Morgen und verschont ihre Leser nicht mit den Pflege-Handgriffen, die jeden Morgen zu erledigen sind. Sie verschont ihre Leser grundsätzlich nicht: wir erfahren harte Details ihrer Rund-um-die-Uhr-Pflege, die sie trotz ihres eigenen hohen Alters – 83 Jahre alt und selber nicht gesund - auf sich nimmt.


    Sie lernt, dass sie keine Dankbarkeit erwarten kann, z. B. in Form von Unterstützung bei der Pflege, und umgekehrt erlebt sie auch uneigennützige Hilfen, die sie nicht erwartet hatte. Sie erzählt auch vom Rat, ihrem Mann mit einer höheren Dosis Morphium aus dem Leben zu helfen, weil sein Leben doch nicht mehr lebenswert sei. Sie selber sieht durchaus die Vorteile, die sie von seinem Tod hätte: nicht nur das Ende einer Dauersorge, sondern auch der Rückzug in die Großstadt, Teilnahme an Sitzungen des PEN-Clubs, Lesungen in entfernteren Städten etc.


    Und der Leser fragt sich, was es ist, dass sie die Pflege ihres Mannes auf sich nimmt. Diese Frage beantwortet die Autorin mit vielen Rückblenden in das gemeinsame Leben, angefangen vom ersten Kontakt an der Universität bis zum Umzug aufs mecklenburgische Land. Diese Rückblenden lassen manchmal den Zusammenhang vermissen und wären überflüssig. Viele sind aber von Verzicht geprägt (z. B. dem Verzicht auf die Ausreise in den Westen), und sie zeigen die tiefe Verbundenheit dieser beiden Menschen.


    Und so wird dem Leser klar, wie sehr es Helga Schubert schmerzen muss, dass ihr Mann sich nun alleine aufmacht in eine andere Welt. Und sie erkennt ihre neue Lebensaufgabe: das Annehmen dieses Weggangs und das Loslassen. Dabei hilft ihr das Schreiben, sagt sie: „Ich rette mich durch Schreiben.“


    Sie begleitet ihn, und sie ist dankbar für die kleinen gemeinsamen Freuden, die ihnen bleiben: der Vogelgesang, die Sonnenstrahlen im Garten und vor allem die Freude an jedem kleinen gemeinsamen Moment.


    Ruth Reinecke, die das Hörbuch eingelesen hat, spricht sehr deutlich, eher langsam und sehr prononciert, ihre Stimme habe ich als hart, fast hölzern empfunden. Mir hätte eine wärmere und flexiblere Stimme besser gefallen. Geschmackssache.


    ASIN/ISBN: 342328319X


    7/10 *

    Das kenne ich gut, den Überblick, ob ich was wo habe, oder gekauft habe, in Köln oder Würzburg eingeräumt, im Keller oder unterm Dach, habe ich schon längst verloren und gelernt, das zu akzeptieren.

    :)

    Und so hat man eben manches doppelt und weiß es nicht, und man hat manches, das einfach verschwunden ist; bei einigen Büchern merkt man es, bei vielen vermutlich nicht! Einiges verleiht man auch und vergisst es gnädig.


    Aber ich suche seit Wochen dieses Buch, weil man das öfter lesen kann:


    ASIN/ISBN: 370998114X

    Ein Endzeitgefühl der besonderen Art, in der irrealen Kulisse von Luxus und Ferienidylle.

    Das steht auf meiner Wunschliste, vielleicht habe ich es auch schon gekauft?, gelegentlich verliere ich den Überblick - egal wie es ist: ich würde mich freuen, wenn Du von unterwegs berichtest!


    Ich war gestern in der Ausstellung von Charlotte Salomons "Theater? oder Leben?", da ist mir die Situation der Kulturschaffenden dieser Zeit sehr präsent und ich will noch mehr erfahren :)!

    dass die Sprecherin ein besonderes Lob verdient.

    Ja, das sehe ich auch so, das floss bei mir in die Bewertung mit ein.


    Wie hat Dir die Rahmenhandlung gefallen?

    Es ist ja so, dass die Enkelin von Frau xxx (Namen vergessen) den Einsiedler Josef besucht und die Geschichte von ihm hören will. Sie nennt ihn so vertraulich - das finde ich im Nachhinein merkwürdig, immerhin macht sie ihn für den Tod der Großmutter verantwortlich.

    (Ich bin wieder mal streng 8o:wave)

    ASIN/ISBN: 0241502799


    Klappentext:


    Port Angeles, Trinidad. In den sonnendurchglühten Gassen mischt sich das vielstimmige Geschrei der Händler mit Vogelgezwitscher und Verkehrslärm; es riecht nach Gewürzen und reifen Früchten. Unter stillen, schattigen Bäumen ruht Fidelis, der jahrhundertealte Friedhof der Insel. Hier arbeitet Emmanuel als Totengräber. Der junge Rastafari hat sein Zuhause verlassen, um seinen Vater zu finden. Als er Yejide trifft, hat das Schicksal ihre Wege längst fest miteinander verflochten. Und so beginnt dort, wo das Leben endet, eine magische Liebesgeschichte.


    Mein Lese-Eindruck:


    “No one but the corbeaux know that inside their bodies the souls of the dead transform and release.”


    Der Roman entführt seine Leser in die Karibik, nach Morne Marie auf Trinidad. Die Großmutter erzählt ihrer Enkelin eine Geschichte: In einem vorzeitlichen Paradies lebten einmal riesig große Papageien, die sich nach einer Art Sintflut veränderten. Die einen werden zu den kleinen bunten Vögeln, wie sie die Enkelin täglich beobachten kann, die anderen aber verwandeln sich in die schwarzen „Corbeaux“, in Aasfresser, in deren Körper sich die Seelen der Toten verwandeln und bereit werden für den Übergang in eine andere Welt.


    In Morne Marie begegnen sich die beiden jungen Menschen, deren Geschichte der Roman erzählt. Da ist Darwin, ein junger Rastafari, der dringend eine Arbeit sucht, um seiner Mutter Medikamente kaufen zu können. Dafür übertritt er seine Glaubensgebote und stutzt sich Haare und Bart, und obwohl ihm sein Glaube den Umgang mit Toten verbietet, nimmt er die harte Arbeit als Totengräber auf dem großen Friedhof Fidelis an.

    Und da ist Yejide, eine junge Frau aus einer alten Familie, die in einem großen ehemals herrschaftlichem Plantagen-Haus wohnt. Sie ist Traditionen auch in anderer Weise verbunden. Ihre Ahnenreihe wird bestimmt durch Frauen, und jeweils eine Frau in jeder Generation wird die Fähigkeit und die Aufgabe vererbt, Seelen nach dem Tod auf dem Weg in die andere Welt zu begleiten und sie so zu erlösen. In ihrer Generation ist es nun Yejide, die sich schweren Herzens dieser Gabe und dieser Aufgabe bewusst wird, auf die sie die Großmutter mit der Sage von den Corbeaux schon vorbereitet hatte.


    Beide hadern mit ihrer Situation, und der Friedhof ist es, auf dem sie zusammentreffen. Hier in dieser Totenstadt kreuzen sich die Wege der Lebenden und der Toten, auch der lebenden Toten, die sich materialisieren und mit den Lebenden in Verbindung treten. Der Autorin mischt die beiden Welten zu einer einzigen Welt zusammen. Darwin ist trotz seiner Arbeit und seiner Situation lebensfroh, während Yejide sich aufgrund ihrer Gabe den Toten näher fühlt. Sie unterscheidet dabei zwischen „Neutoten“, die sich in ihr Schicksal nicht fügen wollen und „Arbeit machen“, und „Alttoten“, die zwar schon weitergezogen sind, aber immer noch an ihren Knochen hängen.


    Diese Vermischungen von Leben und Tod zeigen sich in wunderschönen, fast märchenhaften Bildern, aber auch in furchterregenden und bedrohlichen Wirbelstürmen und Sturmfluten. Die Autorin vermischt auch die Realitätseben und schafft für ihren Leser eine magische Welt, die aber zugleich sehr realistisch ist (z. B. Darwins Jugend) und im Hier und Heute existiert.

    Dazu trägt auch die realistische Sprache entscheidend bei. Das Original wurde geschrieben im trinidad-kreolischen Englisch und von Michaela Grabinger adäquat übersetzt, sodass die Sprache erfrischend aktuell ist.


    Eine wunderbare Geschichte! Ein Märchen, eine Liebesgeschichte, ein Krimi, eine Geistergeschichte, eine Geschichte über soziale Probleme, über paranormale Phänomene, über Traditionen und Familienwurzeln, bunt und farbig wie das Cover.


    10/10