Beiträge von Wiesner19

    Mein Lieblingsspruch von Emerson:


    "Bleib ruhig: In hundert Jahren ist alles vorbei."


    Simpel, aber genial, wie geschaffen für verfahrene Situationen, miese Streifen, Frust und Depression. So wie beispielsweise Nietzsches:


    "Aus der Kriegsschule des Lebens: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker."

    Ich schaue mir gerade das TV-Programm für heute an, auf arte läuft der Western "Faustrecht der Prärie"- die berühmte Geschichte von Wyatt Earp und Doc Holiday - längst ein amerkanischer Mythos. Selbst bei Star Trek geriet einst Käpt'n Kirk ins Geschehen kurz vor der legendären Schießerei am O.K .Corall :lache

    'zig Mal verfilmt, meist schlecht und recht. Doch dieser Klassiker hat es in sich. Mir lief es damals eiskalt den Rücken runter :grin, als der todkranke Revolverheld und studierte Zahnarzt Doc Holiday einspringt - bei einem der berühmtesten Monologe der Weltliteratur, den ich noch heute auswendig kenne - natürlich nur in der kongenialen Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel:


    Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:

    Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern

    Des wütenden Geschicks erdulden oder,

    Sich waffnend gegen eine See von Plagen,

    Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –


    Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf

    Das Herzweh und die tausend Stöße endet,

    Die unsers Fleisches Erbteil, ’s ist ein Ziel,

    Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –

    Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:


    Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,

    Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,

    Das zwingt uns stillzustehn. Das ist die Rücksicht,

    Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.

    Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,


    Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,

    Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,

    Den Übermut der Ämter und die Schmach,

    Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,

    Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte


    Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten

    Und stöhnt’ und schwitzte unter Lebensmüh?

    Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,

    Das unentdeckte Land, von des Bezirk

    Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,


    Daß wir die Übel, die wir haben, lieber

    Ertragen als zu unbekannten fliehn.

    So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;

    Der angebornen Farbe der Entschließung

    Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;


    Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,

    Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,

    Verlieren so der Handlung Namen. – Still!

    Die reizende Ophelia! – Nymphe, schließ

    In dein Gebet all meine Sünden ein!

    Hamlet/Shakespeare

    Hier eines seiner letzten Gedichte, gleich mal in 3 Fassungen:

    Knarren eines geknickten Astes

    Erste Fassung

    Geknickter Ast, an Splittersträngen

    Noch schaukelnd, ohne Laub noch Rinde,

    Ich seh ihn Jahr um Jahr so hängen,

    Sein Knarren klagt bei jedem Winde.

    So knarrt und klagt es in den Knochen

    Von Menschen, die zu lang gelebt,

    Man ist geknickt, noch nicht gebrochen,

    Man knarrt, sobald ein Windhauch bebt.

    Ich lausche deinem Liede lange,

    Dem fasrig trocknen, alter Ast,

    Verdrossen klingts und etwas bange,

    Was du gleich mir zu knarren hast.

    Knarren eines geknickten Astes

    Zweite Fassung

    Splittrig geknickter Ast,

    Hangend schon Jahr um Jahr,

    Trocken knarrt er im Winde sein Lied,

    Ohne Laub, ohne Rinde,

    Kahl, fahl, zu langen Lebens,

    Zu langen Sterbens müd.

    Hart klingt, rauh sein Gesang,

    Klingt trotzig, klingt bang

    Noch einen Sommer, noch einen Winter lang.

    Knarren eines geknickten Astes

    Dritte Fassung

    Splittrig geknickter Ast,

    Hangend schon Jahr um Jahr,

    Trocken knarrt er im Wind sein Lied,

    Ohne Laub, ohne Rinde,

    Kahl, fahl, zu langen Lebens,

    Zu langen Sterbens müd.

    Hart klingt und zäh sein Gesang,

    Klingt trotzig, klingt heimlich bang

    Noch einen Sommer,

    Noch einen Winter lang.

    Allerdings!


    DER PANTHER



    IM JARDIN DES PLANTES, PARIS



    Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

    so müd geworden, daß er nichts mehr hält.

    Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe

    und hinter tausend Stäben keine Welt.



    Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

    der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

    ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

    in der betäubt ein großer Wille steht.



    Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

    sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,

    geht durch der Glieder angespannte Stille –

    und hört im Herzen auf zu sein.

    Angesichts des 1:0 Pausen-Standes für Frankreich gegen Marokko:


    "Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, Doch ihre Weine trinkt er gern."


    Goethe, Faust


    Reine Figurensprache, denn wenig später gibt Mephisto eine Prognose:


    "Gib nur erst acht, die Bestialität wird sich gar herrlich offenbaren."

    Was heute die "Bunte" ist, war damals wohl als ernstzunehmende Zeitung gedacht. Vermutlich von Fallersleben schnell und sehr gekonnt dahingeworfen, treffsicher, witzig:


    Wie ist doch die Zeitung interessant

    für unser liebes Vaterland !

    Was haben wir heute nicht alles vernommen !

    Die Fürstin ist gestern niedergekommen,

    und morgen wir der Herzog kommen,

    Hier ist der König heimgekommen,

    dort ist der Kaiser durchgekommen,

    bald werden sie alle zusammenkommen -

    Wie interessant ! wie interessant !

    Gott segne das liebe Vaterland !


    Wie ist die Zeitung doch interessant

    für unser liebes Vaterland !

    Was ist uns nicht alles berichtet worden !

    Ein Portepeefähnrich ist Leutnant geworden,

    ein Oberhofprediger erhielt einen Orden,

    die Lakaien erhielten silberne Borden,

    die höchsten Herrschaften gehen nach Norden,

    und zeitig ist es Frühling geworden -

    Wie interessant ! wie interessant !

    Gott segne das liebe Vaterland !


    Hoffmann von Fallersleben

    Yep, von Lichtenberg gibt es phantastische Aphorismen.

    Hier z.B. nimmt er die Vokalarmut der deutschen Sprache aufs Korn:

    "Despaviladera heißt eine Lichtputze auf Spanisch. Man sollte glauben, es hieße wenigstens ein kaiserlicher Generalfeldmarschalllieutenant."

    Berühmt:

    "Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?"


    I tak dalje ...

    By the way: Wenn ich meinte „kaum lesbar“, so meinte ich natürlich nicht, dass er nicht zu verstehen wäre. Auf keinen Fall! Es geht einfach um das, was der geniale Schopenhauer bemängelte: verquastes, gestelztes Deutsch, mit dem Hegel simple, banale Gedanken – ganz im Geiste seiner Zeit – in möglichst umständlichen Satzkonstruktionen versteckt. Wir haben das auch heute noch. Die „Geisteswissenschaften“ haben den Naturwissenschaften nichts Substanzielles entgegenzusetzen, so flüchten sie sich zuweilen in möglichst unverständliches Kauderwelsch (damit meine ich jetzt nicht Heidegger, den ich sozusagen in extremer, außerordentlicher Situation gewissermaßen "erfahren" habe). Hochintelligente Naturwissennschaftler schauen auf viele dieser Ergüsse wie auf die Manifestationen von Geisteskranken - .

    Hatte kürzlich mal Frust über Paketdienste hier deponiert, und dafür ist der höchst sinnvolle Thread ja da. Mittlerweile sind beide Pakete (XXL - Bootsteile) hier angekommen. GLS - hervorragender Service, auch die online abgegebene Abstellerlaubnis hat jetzt funktioniert - O Zeiten! O Wunder! :anbet

    Bie Hermes hingegen geht alles hart gegen 0 ... :schlaeger:grin Nur was die Logistik anbelangt freilich, ansonsten gilt: Es ist ein harter Job, den die Jungs und Mädels da beim Ausliefern machen.

    Schopenhauer und Nietzsche galten als erzreaktionär, so dass sie in der DDR (meine Jugend) natürlich nicht verlegt wurden. Interessant das mit deinem Vater. Dito. Bei mir war es so, dass einer Tages aus dem Nichts heraus mein Vater am Küchentisch Nietzsche zitierte. - Boah eh, wer zum Teufel ist das? :grin

    Verbotene Früchte sind süß, ich besorgte mir über Umwege die Lektüre und war begeistert.

    Spinoza habe ich noch nie gelesen. Wird wohl mal Zeit.

    Und natürlich mag ich auch die Stoiker. Epikur, Seneca, und Mark Aurels "Selbstbetrachtungen" schleppe alle paar Jahre wieder ein Weilchen mit mir rum. :wave

    Hegel selbst ist kaum lesbar, und aus der Biographie, die ich vor 1000 Jahren las, blieben mir nur diese Anekdoten im Gedächtnis. In der DDR galt er als Begünder der Dialektik und Vorläufer von Karl Marx. :)

    Und natürlich steht mir Schopenhauer näher, aber sowas von dermaßen ... Schopenhauer ist auch ein "Sprachmeister". Es macht großen Spaß, den "witzigen Waisen" zu lesen, er weitet den Bick ungeheuer.

    Hegel kam eines Abends besoffen ins Internat (studierte am Tübinger Stift). Zimmerkamerad meinte zu dem großen Philosophen und Dialektiker: "Mensch, Hegel, du saufscht dir noch das letzte bissel Verstand weg."

    Schopenhauer, der ihn hasste, bestand darauf, in Berlin parallel zu Hegel zu lesen. Resultat: Schopenhauer hatte keine Handvoll Zuhörer, während Hegels Vorlesungen voll waren. Die Zeit war noch nicht reif für Schopenhauer.

    Na, aber nach Nietzsche jetzt noch was Nettes. Eine Passage, die ich sehr liebe, saß ich doch selbst einst in diesen Hörsälen - mit Blick auf das Opernhaus:


    Wie gefällt Ihnen aber die Universität? Fürwahr, ein herrliches Gebäude! Nur schade, die wenigsten Hörsäle sind geräumig, die meisten düster und unfreundlich, und, was das schlimmste ist, bei vielen gehen die Fenster nach der Straße, und da kann man schrägüber das Opernhaus bemerken. Wie muß der arme Bursche auf glühenden Kohlen sitzen, wenn die ledernen, und zwar nicht saffian- oder maroquin-ledernen, sondern schweinsledernen Witze eines langweiligen Dozenten ihm in die Ohren dröhnen, und seine Augen unterdessen auf der Straße schweifen, und sich ergötzen an das pittoreske Schauspiel der leuchtenden Equipagen, der vorüberziehenden Soldaten, der dahinhüpfenden Nymphen, und der bunten Menschenwoge, die sich nach dem Opernhause wälzt.

    Heinrich Heine


    Opernhaus schon auch, aber meistens blickte ich auf die blechernen Ströme des Straßenverkehrs.

    1916, also mitten in WK1. Europa kriegsbesoffen. Ein Deutschlehrer in Augsburg gibt das Thema vor: "Dulce et decorum est pro patria mori" (Süß und ehrenvoll ist, fürs Vaterland zu sterben) - Horaz


    Der junge Brecht verursachte einen handfesten Skandal:

    "Der Ausspruch, daß es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben kann nur als Zweck-Propaganda gewertet werden. Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bett wie auf dem Schlachtfeld, am meisten gewiß jungen Menschen in der Blüte ihrer Jahre. Nur Hohlköpfe können die Eitelkeit so weit treiben, von einem leichten Sprung durch das dunkle Tor zu reden, und auch dies nur, solange sie sich weitab von der letzten Stunde glauben. Tritt der Knochenmann aber an sie selbst heran, dann nehmen sie den Schild auf den Rücken und entwetzen, wie des Imperators feister Hofnarr bei Philippi, der diesen Spruch ersann."

    :)

    «Du musst hart sein, wenn der Dschungel weint.»


    Teilnehmer von "7 vs. Wild", gerade läuft die 2. Staffel - ein Survivalformat, eigentlich für die Generation Youtube, äußerst professionell gemacht und extrem erfolgreich. Auch psychologisch sehr interessant. Unbedingt empfohlen!