Beiträge von Lupus

    Jürgen Habermas - Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik

    ASIN/ISBN: 3518587900


    Jürgen Habermas hat sich seit 1962 vermehrt über Öffentlichkeit und "Veröffentlichkeit" geäußert, er verfolgte die Zustände von Politik stets unter der Prämisse der Öffentlichmachung. Demokratie ist eine Systemform, die für ihre Funktionalität Öffentlichkeit benötigt. Aber wie nimmt die Politik selbst die Öffentlichkeit war und wie nimmt sie sich im öffentlichen Raum selbst war?

    Der sogenannte "neue Strukturwandel" im Zeichen der 'social media' und 'new media', bringt einen grundlegenden Wandel in der demokratischen Meinungs- und Willensbildung mit sich, sagt Habermas. Der Wandel offenbart sich vor allem auf der Ebene der deliberativen Prozesse, d.h. diejenigen Entscheidungen in der Politik, die auf Rückschlüssen und Beratungen auf Wirksamkeit in den Medien oder der Öffentlichkeit beruhen.

    Habermas sieht hier eine Beschädigung der Selbstwahrnehmung von Politik und der Rolle von Öffentlichkeit zwischen Zivilgesellschaft und politischem System.

    Ein, wie ich finde, hochinteressanter Ansatz, der zur "Begreifbarmachung" der neuen Rolle von Öffentlichkeit dienen kann.


    Jürgen Habermas, geb. 1929, lehrte Philosophie, Politik und Geschichte in Heidelberg und Frankfurt und ist einer der einflussreichsten politischen Denker Deutschlands. Sein Schwerpunkt liegt bei der Erforschung der Lebensbedingungen in der wissenschaftlich - technischen Welt.

    Dankeschön! :) Du scheinst auch vom Fach sein? Als Laiin kann ich ja leider nie beurteilen, ob das alles immer so stimmt, was man in Romanen liest.

    Ja , Sidonie , ich bin immer dann zufrieden wenn ich sehe, daß ein Autor (m/w/d) so sorgfältig und sachkundig arbeitet wie Ransmayr. Mittlerweile habe ich mich zu einer Art Fan von ihm entwickelt. Mein Favorit ist "Die letzte Welt", wo Ransmayr die (erfundene) Lebensgeschichte des Dichters Publius Ovidius Naso zusammen mit den Fragmenten seiner "Metamorphosen" zu einer furiosen Geschichte entwickelt, die am Schwarzen Meer spielt. Das Buch würde ich Dir auch sehr empfehlen.:wave

    Walahfrid Strabo - De cultura hortorum (Lateinisch/ Deutsch)

    ASIN/ISBN: 3930978954

    Zitat

    Instantia cultoris et fructus operis

    ( Beharrlichkeit des Gärtners und Frucht seiner Arbeit)

    Die Etablierung des Karolingischen Reiches verlangte nach einer Sicherung der materiellen Grundlagen durch Hofgüter, die verstreut im ganzen Reich zur Verfügung standen. Dazu gehörten neben den Eigengütern auch Reichsklöster, deren Grundbesitz zur erweiterten Machtgrundlage der Krone zählte und die Versorgung sicherte. Auch im Sinne einer geistigen Erneuerung sollten diese Reichsklöster mit der Verbreitung der lateinischen Schrift, in der Karolingischen Minuskel verfasst, für Strahlkraft in das Umland sorgen und so Pionierarbeit leisten. Karl der Große kümmerte sich dabei nicht nur um die Leitung dieser Reichsgüter, sondern auch um Details der Bewirtschaftung, bis hin zum Gartenbau:


    "Frauenminze, Salbei und Raute, Rosmarin, Feldkümmel und Anis, Liebstöckel, Weißwurz und Korriander, etc. ...sind anzubauen"


    (Aus 'Capitulare de villis',etwa 795)


    Auch das Kloster Reichenau, im Bodensee gelegen und gegründet durch Bischof Pirminus um 725, war ein solches Reichskloster, eines der bedeutendsten dazu. Walahfrid Strabo (geb.um 807 - etwa.849) war einer der Äbte der Reichenau, der sich ausser als Dichter, Chronist und Übersetzer auch als Botaniker und Gartenbauer einen Namen machte und sich immer wieder auf die Vorgaben Karls des Großen dabei bezog. Als Abt eines Reichsklosters war er der uneingeschränkte Vorstand über alle Mönche, Freisassen, Hörige und Eigenbauern der Abteifreiheit und der damit verbundenen Güter. Pachthöfe, Mühlen und Gewerke, ebenso war er Gerichts- und Lehensherr. Darüber hinaus war er aber vor allem Theologe, Dichter und Botaniker und nur als solcher stellt er sich uns in diesem kleinen Werk vor.


    Das hier vorliegende kleine Buch, das 'Liber de cultura hortorum' ,ist in der Walahfrid eigenen Poetik und bilderreichen Sprache als ein Lehrgedicht geschrieben. Dabei sind zwei Teile vorherrschend. Im ersten Teil beschreibt Walahfrid die Arbeit des Gärtners als Bestandteil des täglichen Werkes vor Gott, stellt die Gartenarbeit als Teil des Gebets dar. Beten durch Arbeit im Garten des Herrn, also ganz im Sinne der benediktinischen Regel.

    Im zweiten Teil werden dann die Pflanzen einzeln in ihrem Wesen beschrieben, in wissenschaftlicher Genauigkeit in ihrer Morphologie, Physiologie und Wirkung. Beschrieben werden dabei Gemüse- und Heilpflanzen, die Zusammenstellung gibt einen hervorragenden Einblick in die pflanzliche Ernährung und die Heilkunde in einem begüterten Kloster des 9. Jahrhunderts.

    Die Klöster waren durch die Beherbergung von Pilgern und die Fürsorge für Kranke und Sieche die einzigen Heilstätten im Hochmittelalter, in denen eine therapeutische Versorgung von Kranken versucht wurde.

    Reichenau korrespondierte dabei in geistlicher wie auch in administrativer Hinsicht ständig mit der benachbarten Abtei St. Gallen, Walahfrid Strabos Vorstellungen eines idealen Klostergartens gingen dabei auch in den St. Galler Klosterplan ein, der die wohl nie so verwirklichte Idealform einer Karolingischen Reichsabtei vorstellte.

    Dieses kleine botanische Lehrbuch hat bis heute die Gültigkeit in der Beobachtung der Pflanzen und ihren Wirkungen nicht verloren:

    Zitat

    Ferventem domuisse sitim, depellere febres...

    (Er ( Der Wermut) stillt brennenden Durst und vertreibt das Fieber.

    Zitat

    Gern erwähne ich hier im leichten Gedicht auch den Schlafmohn der Ceres...

    (Cereale quidem nugarum in parte papaver...)

    Das zeigt, es gab auch zu dieser Zeit wirksame Arzneien, sogar zur Beruhigung und Schmerzstillung, was wohl dem Zugang der Klosterbibliotheken zu antiken griechischen Werken und deren griechische Übersetzungen aus dem Arabischen geschuldet war.




    Beurteilung:


    Walahfrid Strabo, der vermutlich 849 starb, brachte als Dichter, Theologe und Botaniker Werke in den fruchtbaren Kanon der Reichenauer Schriften ein, die zu den schönsten und interessantesten der sog. "Karolingischen Renaissance" gehörten. Anregungen dafür lieferte ihm die Poetik Vergils und Ovids, die Dichtungen des Prudentius und die Fabeln des Aesop. Vor allem aber Vergils Gedicht vom Landleben dürfte Walahfrid dabei vor Augen gehabt haben.

    Besonders ansprechend ist die klare, Formen- und bilderreiche Sprache, die nachvollziehbare Metaphorik und die damit in nur scheinbarem Gegensatz erscheinende wissenschaftliche Exaktheit der Beobachtung.

    Walahfrid hatte einen in frühscholastischer Dialektik geschulten Verstand, seine Bildung war, für seine Zeit gesehen, stupend.

    Seine geistigen Lehrer Hrabanus Maurus und Wiligis garantierten für geschärfte Sinne in der Beobachtung.

    Was dieses Gedicht aber so besonders macht, ist seine feine Naturbeobachtung und die mit Liebe zu den Pflanzen getragene Art der Gestaltung, man erkennt die Freude des Autors am Wachsen und Gedeihen, am Gärtnern und an der Vielfalt der Natur. Und man erkennt, Walahfrid will uns diese Freude mitteilen in der schönsten Sprachform, die er zu bieten hat und das ist sehr viel.


    Darum möchte ich dieses Büchlein allen empfehlen, die sich für ein paar schöne Stunden in die Welt der Pflanzen und Gewächse begeben möchten, auch ruhig zum Vergleich in dieser kraftvollen und anmutigen lateinischen Sprache Walahfrid Strabos.

    Nach einigen Bedenken habe ich "De cultura hortorum" als Sachbuch eingeordnet, weil das, wie ich vermute, dem Anliegen des Verfassers wohl am nächsten kommt, nämlich es in erster Linie als botanisches Werk zu sehen, in der Form des Gedichtes.

    Eine der schönsten Parabeln auf die Zeitlichkeit und die Zeit, die ich kenne. Und auf Ransmayrs Recherche kann man sich verlassen, die ist historisch exakt. Viel Spaß dabei.:wave

    Anne Cheng - Grundriss Geschichte des chinesischen Denkens

    ASIN/ISBN: 3787339736


    Die meisten Europäer haben von der Lehre des Tao, oder dem 'rechten Weg', gehört, und kennen den Namen des Kon-fu-tse. Dennoch ist die Einordnung der philosophischen Strömungen Chinas in einen historischen Kontext nicht leicht. Die oft freigeistigen Denkmodelle der chinesischen Vorstellungen vom Sein und dem Menschen, korrespondierten oft mit den restriktivsten und starrsten Regimen zu ihrer Zeit. Von der archaischen Zeit über die Periode der streitenden Reiche bis hin zur Integration des Buddhismus in das chinesische Denken in der Han - Zeit, haben die Hauptströme der Philosophie unzählige Wandlungen erfahren und ihre Adaptionskraft beweisen müssen. Ein Grund dafür, warum uns Grundzüge chinesischer Philosophie in unserer heutigen Zeit oft so modern, praktikabel und angemessen erscheinen wollen. Eine Spurensuche einer großartigen Autorin, deren stupendes Wissen ich in ihren Büchern sehr zu schätzen gelernt habe.


    Anne Cheng - Wang, geb.1955, ist eine in Paris geborene Sinologin und Professorin für 'Intellektuelle Geschichte Chinas' am College de France. Für Ihre über 40jährige Forschungsleistung erhielt sie den Dagnan - Bouveret - Preis der Academie francaise.

    Ich wurde in einem Land flinker Flüsse und flacher Ströme geboren: kräftige Wasserbänder, süß und dunkel vom Moor gespeist, quirlige Bäche, die durch Birkenhaine und von Strahlgras und Heide gesäumte Felder plätschern, breite Läufe aus den Bergen; klar wie Fensterglas, die das mittige Tal queren, bis sie auf die Städte treffen, zu seicht und zu alt, um viel Leben zu beherbergen, ganz anders als die betulicheren, nachdenklicheren Ströme inmitten von Hügellandschaften und Wäldern, fruchtbare 'aibhnichean', die ihre Ladung Schlick und Kraut über fischäugige Kiesel und wassergeglättete Puddingsteine tragen, während sie sich behäbig aufs Meer zuwinden.


    (Mit Rücksicht auf Zeit und Raum diesmal nur der erste Satz, aber was ist das für ein Satz!)