Lesenswerte
Kurzgeschichten von Nord- und Ostsee...
Um es gleich vorneweg zu
sagen: ich bin eigentlich kein Fan von Kurzgeschichten (bin ich einmal drin,
bin ich auch schon wieder draußen...), aber ich hatte bereits einige Krimis des
Autors H. Dieter Neumann gelesen (empfehlenswert!) und wollte mich deshalb auf
dieses „Wagnis“ einlassen. Hinzu kam, dass ich in Hamburg lebe, einige Jahre in
Schleswig-Holstein zur Schule gegangen bin, mir ist also die Umgebung durchaus
bekannt, so minimierte sich mein „Abenteuer“ Kurzgeschichte... Und dieses
„exotische Experiment“ hat sich vollkommen gelohnt – ich will damit nicht ausdrücken,
dass jetzt Kurzgeschichten zu meinem bevorzugten Genre gehören, aber
Kurzgeschichten von H. Dieter Neumann: jederzeit und immer wieder gern!
Es sind acht Erzählungen, sie
umfassen die Zeit vom Untergang der sagenumwobenen Insel Rungholt bis in die Gegenwart.
Sie sind nicht lang – und meine Idee, jeden Tag nur eine zu lesen, hat sich für
mich als goldrichtig erwiesen, so hatte ich Zeit, mich mit diesem Blickwinkel
auseinanderzusetzen. Denn genau das fand ich nötig: die Geschichten haben
Tiefe, eine Schärfe, eine Präzision des geschriebenen Wortes, des Ausdrucks,
dass sie alle noch länger nachhallen.
Ich werde hier nicht einzeln
auf die verschiedenen Geschichten eingehen, denn ich denke, bei Kurzgeschichten
ist die Spoiler-Gefahr noch größer als bei Romanen. Es sind keineswegs
„Wohlfühl-Geschichten“, einige empfand ich als wirklich traurig. Bei einer
erschreckte mich die Perspektivlosigkeit (die wir allerdings genau so oder
ähnlich fast täglich in unseren Nachrichtensendungen hören, aber hier waren es
eben keine anonymen Menschen, sondern Menschen mit Namen und Vergangenheit),
bei einer habe ich mit-gezittert und mit gebibbert (im wahrsten Sinne des
Wortes) ... Aber alle habe sie eines gemeinsam: sie lassen eine Botschaft
dahinter erkennen, mit der wir LeserInnen uns auseinandersetzen können (wenn
wir wollen!) ... Sogar die einzige humorvolle Geschichte hat mich einen Moment
innehalten lassen!
Fasziniert hat mich auch
meine Erkenntnis, dass bei Kurzgeschichten jedes Wort, jedes Verb, jedes
Adjektiv punktgenau und exakt sitzen muss, in Romanen hat der Autor /die
Autorin viel mehr Zeilen zur Verfügung, um z.B. Gefühle auszudrücken.
Ich vermute, das Buch heißt
nicht ohne Grund „Auf Tiefe“, es sind zwar „See- und Küstengeschichten“
(Untertitel), aber die Geschichten gehen im positiven Sinn sehr „tief“ -
zumindest ist es mir so ergangen... Mich haben sie jedenfalls alle sehr berührt
und beeindruckt – ich war schon etwas traurig, als ich sie beendet hatte. Ich
glaube, es wird ein Buch werden, was ich immer wieder mal hervorholen werde, um
die eine oder andere Geschichte noch einmal zu lesen.
Deshalb: ein absolutes
Lesevergnügen (auch – oder gerade – für mich als Kurzgeschichten-Muffel), was
ich hier sehr gern und wärmstens weiterempfehlen möchte!