Beiträge von Charlotte T.


    Hallo Pelican,


    zu der Szene wollte ich schon die ganze Zeit was sagen, wollte aber abwarten, bis eine konkrete Frage dazu kommt.


    Für mich war das die schwerste Szene in dem ganzen Roman, schlimmer als all die Sterbeszenen. Ich konnte sie zuerst überhaupt nicht schreiben und habe, was ich sonst nie tue, die Ausführung an dieser Stelle ausgespart und sie erst in Angriff genommen, als das Buch fertig war. Normalerweise schreibe ich strikt chronologisch, Szene für Szene, entsprechend meinem Kapitel-Exposé. Das war mir an der Stelle nicht möglich.


    Für mich hat sich bei der Schaffung dieser antagonistischen Figur die Frage gestellt, welches ist - auch für den Leser - das schlimmstmögliche Feindbild, eingehergehend mit einem Trauma, das einerseits Angst und Abscheu auslöst, andererseits aber die Hauptfigur nicht zu nachhaltig beschädigt, zugleich aber, und das ist der springende Punkt, eine Feindschaft auf Leben und Tod etabliert, ohne Kompromisse, mit allen einhergehenden Notwendigkeiten wie Flucht, Verteidigungsbereitschaft, bis hin zur Entschlossenheit, zur Abwehr des Bösen zu töten.


    Der ganz "normale" Böse bietet dem Leser nicht das ultimative Konfliktpotenzial, d.h. löst nicht in so starker Form den unbewussten Wunsch aus, sich mit der Hauptfigur emotional zu identifizieren. - Was aber nicht heißt, dass nicht in jedem Roman auch diese gebrochenen Figuren vorkommen sollen; ein "Ensemble" aus mehreren Antagonisten sollte bei so vielen Handlungsträgern stets vorhanden sein.


    Die Figur des Cattaneo habe ich übrigens einer historischen Figur nachempfunden, die tatsächlich gelebt hat und auch in dem Roman namentlich Erwähnung findet. Diese Figur hat mich sozusagen inspiriert, sie war aus meiner Sicht der Inbegriff des Schreckens, böser ging nicht.


    Dass die Etablierung dieses Konflikts in einem Waisenhaus stattfindet, erfüllt natürlich in gewisser Weise ein Klischee, aber solche Dinge spielen sich auch in der Realität vor solchen Klischeekulissen ab; ich erinnere nur an den grausigen Fall, der sich vor Jahrzehnten auf einer englischen Kanalinsel zugetragen hat und erst vor Kurzem aufgedeckt wurde. Die Personen, die sich schuldig machen, stecken in Klischeerollen, die Betroffenen sind in Klischeesituationen.


    Was Beo sagt - dass es quasi schon darauf hinauslief - war so gedacht und hat es nach meinem Dafürhalten vielleicht für den Leser aushaltbarer gemacht, als wenn der Übergriff auch noch mit Schockeffekt von unerwarteter Seite kommt.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von Pelican


    ich bin schon gespannt, was Du uns wieder Neues von Venedig zu erzählen hast. Ich würde mich aber auch freuen, wenn eines Deiner Folgeprojekte in andere Städte oder Regionen führt.


    Hast Du auch schon einen Historienroman in einer anderen Region in Planung?


    Hallo Pelican,


    der als Nächstes geplante historische Roman soll auch wieder in Venedig spielen, dafür wird er sich aber in wesentlichen Punkten von den Vorgängern unterscheiden (worüber ich jetzt noch nichts verraten kann, weil das Projekt überhaupt noch nicht spruchreif ist).


    Über Romane, die an anderen Orten spielen, habe ich schon nachgedacht und auch in der Richtung bereits recherchiert, aber bislang konnte mich noch keine Gegend so stark fesseln wie Venedig. Das richtige Ziel kommt aber vielleicht noch. Allerdings bedeutet das nicht, dass Teile eines Romans nicht auch woanders spielen können. Im Moment befasse ich mich z. B. - im Zuge des derzeit in Arbeit befindlichen Romans - viel mit Konstantinopel, das ich faszinierend finde. Aber auch für eine Fortsetzung von "Die Madonna von Murano" schweben mir schon interessante Handlungsorte vor. In den nächsten Jahren komme ich bestimmt noch viel rum :-)



    Zitat

    Original von PelicanEs würde mich auch sehr freuen, wenn wieder ganz viel zu Gesellschaft, Kultur und Politik enthalten ist. Ich genieße diese Passagen immer besonders, weil es Dir gelingt auch komplexe Darstellungen locker, lebendig und einfach verständlich und leicht zu schildern - ohne Zweifel eine ganz besondere Fähigkeit.


    Das ist immer mein Anliegen, und ich bin froh, wenn ich einen Teil dessen, was mich selbst so fasziniert und beeindruckt hat, an die Leser weitergeben kann, ohne dass es trocken oder gelehrsam wirkt. Vielen Dank für dein Kompliment.


    Herzlich,
    Charlotte T.

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    Original von Sabine Sorg
    Liebe Charlotte,


    da ich im Moment - aus beruflichen Gründen - leider nicht so viel zum Lesen komme wie ich es mir wünschen würde, musste ich meine Beteiligung an der Leserunde "Die Lagune des Löwen" absagen, das Buch habe ich mir aber schon besorgt. Mit dem Buch "Die Madonna von Murano" bin ich noch mittendrin und voll begeistert.
    Ich bewundere alle, die so viel Talent zum Schreiben haben.


    Viele Grüße
    Sabine Sorg


    Hallo Sabine,


    vielen Dank für das nette Kompliment! Es freut mich sehr, dass "Die Madonna von Murano" dir gefällt und ich hoffe, auch "Die Lagune des Löwen" findet zu gegebener Zeit deine Zustimmung!


    Herzlich,
    Charlotte T.

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    Original von Pelican


    Zwei? Kannst Du zu dem zweiten auch schon etwas sagen?


    Hallo Pelican,


    zu dem zweiten kann ich leider noch nichts sagen, weil es sich dabei um das Projekt handelt, über das noch nähere Gespräche geführt und entschieden werden muss.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von Pelican
    @ Charlotte


    den Part mit Carlo und dem Löwen am Ende des Buches fand ich sehr stimmungsvoll und sehr schön. Ein Ende, das in Erinnerung bleibt und viel Aussagekraft hat.


    Vielen Dank, das freut mich sehr :-)


    Herzlich,
    Charlotte T.

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    Original von Bouquineur
    Wie bunt ist Venedig eigentlich heute, Charlotte? Ich bin immer ganz fasziniert, wenn ich in Deinem Buch von den farbigen Fresken und Fassaden lese. Bei Venedig habe ich immer Bilder von abblätternden Fassaden und ausgebleichten Farben im Kopf.


    Hallo Anke,


    von bunt kann heute gar keine Rede mehr sein, die alten Palazzi sind tatsächlich eher bleich, höchstens mal ocker oder rötlich, meist aber pflegt man diese eher farblose, vornehm blasse Patina und behält das auch bei Restaurierungen bei. In der Renaissance waren aber die Häuser der Reichen tatsächlich vielfach bunt bemalt, wie man heute noch auf alten Gemälden erkennen kann. Marmorinkrustationen an den Fassaden waren wegen des Gewichts nur eingeschränkt möglich und blieben meist den Sakralbauten vorbehalten, und so griffen die Adligen für ihre Prachthäuser gern auf die Fresken zurück.


    Richtig knallbunte Häuser gibt es übrigens heute noch an einer Stelle in Venedig - auf Burano :-)


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von beowulf
    Dazu noch eine andere Frage- ich habe gerade nichts gefunden, aber irgendie habe ich mal gehört die Venezianer planten einen Nachbau des Dogenschiffes- weißt du was da drüber?


    Warst du schon mal bei einer Vermählung mit dem Meer dabei? Himmelfahrt ja diesmal knapp verpasst :grin


    edit : Canaletto verlinkt.


    Hallo Beo,


    ja, davon habe ich auch gehört, aber das eigentliche Problem wäre wohl, wohin mit dem Schiff bzw. wer fährt damit. Zu Zeiten der Republik mussten über 160 Ruderer das Schiff bewegen, das mehr als 40 Meter lang war, also ein ganz schöner Brocken. Ein kleines sehenswertes Modell steht übrigens im venezianischen Marinemuseum, lohnt sich sehr, das anzuschauen.


    Die Sensa habe ich einmal "gesehen", aber bei dem ganzen Rummel war nicht viel mitzukriegen, abgesehen von dem Trödelmarkt, der dort hinterher stattfand.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von geli73
    Anscheinend war es damals üblich, dass die Gassenkinder stahlen, so kam es mir zumindest vor. Etwas später kommt auch dazu noch eine Bemerkung. Schlimm, dass soviele anscheinend drauf angewiesen waren. Wobei wiederum später Crestina (die Apothekerin) meint, dass niemand in Venedig verhungern muss. Fand ich etwas widersprüchlich. :gruebel


    @ Charlotte: Wird die Sensa auch heute noch gefeiert oder war das ein historisches Fest?


    Hallo Geli,


    dass "niemand verhungern musste" zu der Zeit in Venedig, bedeutete lediglich, dass es Nahrungsmittel in ausreichender Menge gab, aber die musste man sich natürlich kaufen :-) (es sei denn, man stahl sie :-)


    Die Sensa wird immer noch gefeiert, mit einem Aufzug historischer Boote von San Marco bis zum Lido, wo dann der Bürgermeister den Ring ins Meer wirft.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von beowulf
    Was ist das wirklich ärgerliche wenn man so ein Buch ausgelesen hat? Immer das gleiche- es dauert etwa ein Jahr bis man wieder ein Werk dieser Autorin in die Hand bekommt.


    Ich beeil mich :-)


    P. S.: Wenn es so läuft, wie ich es mir wünsche, gibt es nächstes Jahr zwei neue Historische.

    Hallo Beo,


    es gibt zwei venezianische Seucheninseln mit ähnlich klingendem Namen.


    San Lazzaro war die Lepra-Insel; heute befindet sich dort ein Armenierkloster. Der Name ist dem Heiligen Sankt Lazarus entlehnt, dem Schutzheiligen der Aussätzigen (Leprösen).


    Santa Maria di Nazareth hingegen ist eine andere Insel, genannt auch Lazzaretto Vecchio - dort kamen die Pestkranken hin. Heute befindet sich dort ein Hundeasyl.


    LG,
    Charlotte T.

    Hallo Beo,


    ich bin zwar selbst mathematisch ein absolut bejammernswerter Laie, habe aber gelesen, dass man zur damaligen Zeit bereits daran arbeitete, Gleichungen dritten Grades zu lösen. Kaufleute, vor allem Patrizier wie Vivarini, erhielten in ihrer Jugend mathematischen Unterricht, haben also sicher das Prinzip einfacher algebraischer Gleichungen mit einer Unbekannten gekannt.


    Muda ist eigentlich nur die venezianische Bezeichnung für Schiffskonvoi, wobei ich gefunden habe, dass gerade bei längeren Handelsfahrten nicht nur Galeeren, sondern auch die besser zu segelnden Großraumschiffe wie Karacken oder Koggen gefahren wurden. (Wobei die Koggen um die damalige Zeit eigentlich in ihrer weiterentwickelten Form anders hießen, aber die Bezeichnung "Holk" kennt nach meinem Dafürhalten außer Nautikern kein Mensch).


    Herzlich,
    Charlotte T.

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    Original von drehbuch
    das mit den zwillingen werde ich im auge behalten. vermutlich schloss ich aus der tatsache, dass sie im personenregister zusammen mit cecilia erwähnt werden (ohne dort allerdings ausdrücklich als brüder bezeichnet zu werden), auf familienzusammengehörigkeit.
    vielleicht hilft uns aber auch charlotte weiter?



    :wave


    Hallo Drehbuch,


    die Zwillinge sind keine Brüder von Antonio.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von beowulf
    Da ich das mit dem aktuellen Projekt ja vom Blog lesen weiß interessiert mich ob nach den Gondeln eine Fortsetzun der Madonna geplant ist? Ausserdem drängt sich die Frage auf ob es in Zukunft nur noch Charlotte Thomas Projekte geben wird, oder auch andere Linien weitergeführt werden?


    Hallo Beo,


    die Fortsetzung von der "Madonna" habe ich immer noch im Auge, und wenn nichts dazwischenkommt bzw. alles so klappt, wie ich es mir vorstelle, möchte ich gern irgendwann in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres damit anfangen.


    Bis dahin habe ich noch ein anderes Projekt im Kopf, ebenfalls einen Venedig-Roman, wobei dieser sich aber in wesentlichen Punkten von den drei Vorgängern unterscheidet. Inwiefern, muss noch Autorengeheimnis bleiben, weil dazu noch diverse Planungsgespräche stattfinden und noch nichts entschieden ist.


    Ob es noch einmal eine romantische Frauenkomödie von der Art gibt, wie ich sie vor den Historischen verfasst habe, möchte ich auf keinen Fall ausschließen. Ich will ja noch lange und viel schreiben :-)


    Herzlich,
    Charlotte T.

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    Original von milla
    Liebe Charlotte,


    natürlich interessiert mich, ob es schon ein neues Projekt von dir gibt und wenn ja, ob es auch wieder in Venedig spielt! :wave


    Hallo Milla,


    momentan schreibe ich an dem dritten Venedig-Roman, dessen Handlung ca. 10 Jahre später als bei der "Lagune des Löwen" einsetzt. Es handelt sich nicht um eine Fortsetzung, sondern eine eigenständige Geschichte, wenn auch wieder von vergleichbarem Umfang. Dieser Roman wird in den folgenden Monaten fertig und kommt im nächsten Frühjahr heraus.


    Herzlich,
    Charlotte T.

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    Original von beowulf
    Ich habe dazu nichts gefunden- gab es 1509 in Venedig zwei- oder dreizinkige Gabeln?


    Hallo,


    in Venedig tauchten Gabeln schon früh auf, eher als in anderen europäischen Ländern; sie wurden aber hauptsächlich in reichen Haushalten benutzt und waren damals nur zweizinkig.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von Elbereth
    Ich habe just, meinen ersten Katzenkampf hinter mich gebracht und frage mich nun, ob es Verlustigungen dieser Art wirklich gegeben hat?
    Das Totschlagen mit dem Kopf und verbundenen Augen und mit Inkaufnahme dieser schweren Verletzungen durch die Krallen *grusel*


    Wo hast Du das bloß her?


    Hallo Elbereth,


    anscheinend hat es solche Kämpfe tatsächlich gegeben, ich habe diese Information aus einem Sachbuch.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von drehbuch
    schön, dass du da bist und diese leserunde begleitest, charlotte!
    ich hab gleich eine frage:
    die im nachwort genannte charlie mit dem indischen gericht - ist das "unsere" charlie, die "vineta-charlie"? und: kommt das rezept mit dem leckeren geicht im buch vor - oder verrätst du es uns hier?*g*


    (sollte während des laufs der leserunde eine weitere venedigreise erforderlich werden, fahre ich gern für dich!*g*)


    :anbet :wave


    Hallo drehbuch,


    das Indien-Essen ließ mir meine Lektorin zuteilwerden, während Charlie Lyne mir liebenswürdigerweise typische englische Gerichte der damaligen Zeit nannte, die im Roman Erwähnung finden. Rezepte dafür kommen nicht vor, aber bestimmt kann Charlie auch hier im Bedarfsfall weiterhelfen :-)


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von beowulf
    Na toll die feilschen undi m Glossar steht nur Münze und kleine Münze- wie war den die Kaufkraft von drei Baggatini oder einem Marcello?


    Alaun wirde zur Tuchherstellung benötigt.


    Die Kaufkraft kann man ungefähr anhand der Wertverhältnisse zwischen den Münzen und den aus dieser Zeit überlieferten Gehältern ermitteln:


    Zu Beginn des 15. Jhds. ergaben 12 Bagattini einen Soldo, 10 Soldi einen Marcello. Ein Arbeiter im Arsenal verdiente ungefähr um diese Zeit pro Tag rund 10 Soldi und konnte davon eine mehrköpfige Familie über die Runden bringen.


    LG,
    Charlotte T.

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    Original von beowulf
    Ein lachender Tizian, ob er wirklich noch ein Porträt von Laura malt?
    Dann wäre es dieses hier, mit den roten Haaren.


    Guten Morgen Beo,


    du hast mit Tizians "Flora" wieder mal zielsicher meine Inspirationsquelle offengelegt :-)


    Herzlich,
    Charlotte T.