Beiträge von Maarten

    Nur in Metting, sonst vier. :(


    Falls noch jemand darüber stolpert, das ist mir schon zugetragen worden, und es stimmt leider: Früher war die Ziehung der Lottozahlen tatsächlich nach der Samstagabendshow.

    😄

    Sorry, wollte nicht pedantisch sein.

    Ich hab's nur als fortschrittlich gegenüber unserem heutigen System empfunden, bereits mit 10 Jahren über den weiteren Weg der Kids entscheiden zu müssen (zumindest hier in NRW).

    Ist einfach viel zu früh.

    Der Beginn irritiert mich etwas. Tom spricht von seiner Legasthenie als wäre er ein Experte für Rechtschreibung, gleichzeitig scheint er eine Dyskalkulie zu haben, weil er sich bei einer simplen Rechnung verrechnet. Das passt zwar in gewisser Weise wieder ins Thema, aber ist es wirklich gewollt?


    War in Niedersachsen die Grundschule 6 Jahre lang?


    Ansonsten schlagen wir thematisch aus meiner Sicht eine Brücke zu Sommer-Stumpenhorst und ähnlichen Methoden. Eine Methode, die verspricht, die LRS-Quote zu senken, meiner Erfahrung nach genau das Gegenteil erreicht.

    Ich finde die Assoziationen zum Begriff Horizont interessant. Für mich ist es im Kontext hier der Lebenshorizont, der Tag für Tag näher rückt und für die Bewohner des Horizonts bereits erdrückend nah gekommen ist.

    Auf Metting bezogen ist es für mich der Tellerrand über den man nicht hinausblickt. Assoziiert mit dem eigenen Mief in dem man erstickt. (Vielleicht liegt's daran, dass ich selbst in einer Stadt in einem Talkessel lebe...)

    Hmm, ich weiß nicht, wie man am Handy die Zitate einkürzt, deswegen leider als länger Block.


    David Sylvian: ich konnte mir schon keinen Reim darauf machen.


    Morgan: Tatsächlich habe ich sein letztes Buch immer noch nicht gelesen, obwohl ich es schon lange habe. Ich finde ihn unglaublich gut, aber auch wirklich harte Kost, die man ertragen können muss. Und sehr pessimistisch. Am Ende bleibt seinen soziopathischen Protagonisten eigentlich nichts anderes übrig als die Welt niederzubrennen. Ich kann ihre Wut gut nachvollziehen, hoffe aber auf bessere Lösungen.


    Die Wahrheit über Metting ist ein tiefgehendes durchdachtes Buch. Ich ärgere mich immer, wenn ich bei Amazon Rezensionen lese, die solche Bücher zerreißen, weil die vordergründige Story nicht mit den Baseliks dieser Welt mithalten kann. Es ist eine Gratwanderung zwischen Kunst und Reichweite, beides ist wichtig. Morgan geht seinen Weg über das Genre, macht dafür ansonsten keine Kompromisse. Du gehst da einen anderen Weg. Beides finde ich spannend.

    Ich lese typischerweise auch erst die vordergründige Geschichte und schaue dann ggfls nochmal genauer hin, wenn es sich lohnt. In einer Leserunde versuche ich das im ersten Durchgang, eine Leserunde ist intensiver.

    Das Fliess ist mir aufgefallen, ich konnte mir noch keinen Reim auf die Anzeiger machen. Kommt noch...

    Die Wahrheit über Metting weckt aber auch sehr viele persönliche Erinnerungen in mir. Ich hatte z.B. lange eine Brandnarbe auf dem Bein durch eine unglückliche Geschichte mit meinem Vater, die mit Lesen, Licht beim Camping und eine dafür ungeeignete Aufhängung einer Gaslaterne zu tun hatte...

    Ich bin ein paar Tage unterwegs und tippe ins Handy, ich hoffe die Autokorrektur hält sich zurück...


    In meiner Grundschulzeit standen schwul und Spasti ebenfalls ganz oben im verwendeten Wortschatz. Zum Glück nahm meine Mutter uns Recht schnell beiseite, als sie diese Wörter von uns bei irgendeinem Spiel draußen hörte und fragte uns, ob wir wüssten, was sie bedeuten. Wir waren da genauso unwissend wie Tom in Metting. Ihre anschließende Erklärung hinterließ zwar noch viele Fragen, aber als Schimpfwörter wurde schwul und Spasti von uns tatsächlich nie mehr benutzt.


    Die umgedrehten Papierkörbe sind wirklich unglaublich herzlos, passen aber gut zum System 'Horizont'.


    'Georg Täter' verdreht in der Namensgebung Opfer und Täter, es ist das Gegenteil drin von dem was draufsteht. Und die Wahrheit droht hinter dem Anschein zu verschwinden, wie an vielen anderen Stellen in Metting (und der realen Welt) auch.


    Wahrheit und Lüge erkennt Tom bei seinem Vater sofort. In der schwierigen Situation nach der Entdeckung beim Sex mit Jockel ist Toms Vater ehrlich und aufrichtig. Er bürdet sein Geheimnis nicht Tom auf. Respekt!

    "Es fühlt sich gut an, aber gleichzeitig fühle ich mich nicht gut dabei. Ich glaube nicht, dass Du Dir das vorstellen kannst. Niemand kann das."

    ...genau das ist es, was Morgan in 'the Steel remains' versucht begreifbar zu machen und was als Leser sehr schwer zu ertragen ist.

    Für den Rahmen hier finde ich diese Szene sehr gelungen.


    David und Sylvia lockern die ernste Thematik auf (Zufall, dass ich immer an David Sylvian denken muss?)


    Zurück zum Heimatroman zu Herbert Adolf Zeck. Und wieder wird die Wahrheit verdreht, die Einwohner von Metting-Zeck werden als Zecken bezeichnet, dabei sind sie es, die ausgesaugt werden. Eine davon ist Filips Mutter, eine großherzige und taffe Frau. Sie ist deutsch, aber nicht deutsch genug für Metting: Schwarze Haare, olivfarbene Haut, Akzent (wer kennt schon hessisch).

    Frau Awusi diskriminiert deswegen Filip als 'Zigeunerjungen' (obwohl der Name Awusi auch einiges vermuten lässt...)

    Filips Probleme mit seiner Namensschreibung in der Schule kann ich gut nachvollziehen. Ich habe selbst mehrere Zeugnisse mit 'Marten' und eines mit 'Marteen'.

    Auch in der versuchten Vergewaltigung von Melanie findet sich wieder die Verdrehung von Täter und Opfer.

    Bin ich zu ahnungslos? Ich verstehe den Zusammenhang zwischen Wurstwasser und Kindesmissbrauch und wie man darauf kommt nicht.

    Und wenn der Vater um die 40 ist, kann er seine Homosexualität nicht in der Nazizeit entdeckt haben. :gruebel

    Metting wird sicher viele verborgene Geheimnisse enthalten. Vielleicht liegts aber auch nur daran, dass meine Liebste Bewährungshelferin ist und ich dadurch einen anderen Blickwinkel habe. Die Stelle ist jedenfalls kunstvoll geschrieben. Es lohnt sich sie nochmal zu lesen.

    Der Vater ist 42. Aber stimmt, ich habe sein Alter von meiner Erinnerung an die Grundschulzeit abgezogen (73) statt dem wahrscheinlich richtigeren 78. So oder so war Homosexualität in Deutschland bis 1969 strafbar und wurde exzessiv verfolgt. Es macht also nicht so viel aus.

    Marieluise am Anfang des Buches hat mich sofort sehr an meinen Lieblingsonkel erinnert, der Anfang diesen Monat gestorben ist. Er war ein wunderbarer, lebensfreudiger und sehr unkonventioneller Mensch, der seinem eigenen inneren Kompass folgte, der immer in die richtige Richtung zeigte. Nach dem Tod meiner Tante vor 4 Jahren, mit der er über 6 Jahrzehnte zusammen war und 6 Kinder hatte, hat er nach einem Jahr eine neue Beziehung gefunden und hat mit seiner neuen Freundin bis kurz vor seinem Tod mit 93 Jahren trotz vieler körperlicher Probleme die Welt bereist. Er meinte, in seinem Alter wäre jeder weiterer Tag ein Geschenk, er hätte nichts mehr zu verlieren. Er war ein unverbesserlicher Optimist. "Morgen geht die Sonne wieder auf", war sein Motto. Auch an seinem Todestag meinte er, wenn ich heute durchkomme, geht es mir morgen bestimmt schon wieder etwas besser. Er starb zuhause, nachdem er sich mit Corona angesteckt hatte.


    Was hat das mit der Wahrheit über Metting zu tun?
    "Es sind nicht die Orte, es sind immer die Menschen."
    Metting ist ein imaginärer Ort mit einem Kreisverkehr ohne Ausfahrt, einem Altenheim namens Horizont und einem imaginären Lyrikdichter der es scheinbar geschafft hat Deutschland während der Nazizeit nicht entfliehen zu müssen und trotzdem später den Nobelpreis zu bekommen. Einem Lyrik-Dichter mit imaginärer Lyrik die keine ist, sie ist vermutlich durch irgendeinen willkürlichen Algorithmus entstanden.
    Metting hat eigentlich nichts zu bieten außer einem Schulgebäude, dass zu Höherem bestimmt war und diesen geheimnisvollen Dichter, der gleichzeitig mit Metting nichts zu tun haben möchte.


    Und ich fühle mich sofort erinnert an das eigene provinzielle Kaff in dem ich wohne, auch wenn es hier immerhin ein Landgericht und sogar eine große Universität gibt.
    Auch fühle ich mich an meine eigene Kindheit erinnert, 78 war ich 13, das passt gut. Wobei ich mich eher an meine Zeit in der Grundschule erinnert fühle, also eher 74. Ich wohnte in einem kleinen Dörfchen umgeben von Weizenfeldern. Hauptattraktionen des Jahres eines winzige Kirmes, eine Tombola zu St. Martin (Hauptgewinn neben vielen Schokotafeln, Kaffeepackungen usw. eine lebende Gans, die ich tatsächlich in einem Jahr gewonnen habe), riesigen Scheiterhaufen zu St. Martin (damals durfte man die noch aus Autoreifen stapeln). Ab und zu campten auch in der Nähe dieses Dorfes Menschen die Zigeuner genannt wurden und deren Kinder dann für wenige Wochen zu uns in die Schule kamen und beäugt wurden. In solchen Zeiten wurde im Dorf davor gewarnt auf seine Sachen aufzupassen, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, dass wirklich jemanden mal was weggekommen ist.
    Jedenfalls weckt das Buch viele Erinnerungen bei mir...

    Aber zurück zum Anfang:
    Die Truhe von Marieluise: Ein gelungener Einstieg, die Truhe macht mich direkt neugierig auf die Geschichte, auch oder vielleicht gerade, weil ich mittlerweile eine Vermutung habe, welches Geheimnis in ihr verborgen ist. Ich bin gespannt auf die Auflösung.

    Der Vater: Der Vater dürfte seine Homosexualität in der Nazizeit entdeckt haben. Es ist verständlich, dass er sie unterdrückt/versteckt hat. Die Stelle mit dem Uropa und dem Wurstwasser klingt nach Kindesmissbrauch.
    Tom , Du schreibst an anderer Stelle, dies ist ein Buch über Heimat. In diesem Kontext denke ich sofort an Alan Turing: Genie und Kriegsheld mit der Entschlüsselung der Enigma, 1952 wegen seiner Homosexualität zur chemischen Kastration verurteilt, in Folge der Hormonbehandlung depressiv mit Suizid 2 Jahre später. Eine Begnadigung wurde noch 2011 trotz Petition abgelehnt. Erst 24.12.2013 endlich ein "Royal Pardon".
    Heimat? "Es sind immer die Menschen..."
    Ich bin nicht wirklich glücklich mit "Wurstwasser", vielleicht ist mir das Thema zu ernst. Aber wie Du merkst: Die Wahrheit über Metting beschäftigt mich, ich lese es gerne.
    (Ich fand zu diesem Thema Richard Morgans "The steel remains" sehr gelungen, allerdings keine leichte Kost, schwer erträglich.)