Beiträge von Maarten

    Die Ankunft von Tom im Heim ist einfach wunderbar geschrieben.

    Die Mutter hat sich ja schon immer fein gemacht, wenn Pepik Novak ins Heim kam. In dem Moment, in dem Tom seinen Vater das erste Mal sieht, fügen sich da einige Puzzlestücke zusammen. Toms Mutter und Pepik Novak, da war schon damals was. Als Toms Vater es damals Toms Mutter beichtete, wusste die Mutter es offensichtlich schon. Sie wusste aber auch damals schon, dass es Tom war, der es Pepik Novak verraten hatte. Was ihre damalige Reaktion gegenüber Tom noch plausibler macht. (Ein Geheimnis, das nicht wirklich eines war, wie wir aus Marieluises damaliger Reaktion wissen).

    ZIMT und MINZE traue ich sowas von nicht über den Weg. Das ist wie mit Georg Täter, es ist genau das Gegenteil drin, von dem was draufsteht, aber es fehlt mir noch irgendwas, ich übersehe da was. Eine braune Warze alleine reicht da nicht. Hmm, da war diese Sache mit Metting TV.
    "Wenn gleich zwei Vereine in der gleichen Sache unterwegs sind, wird es kein kleines Problem sein."
    Genau so sehe ich das auch! (Und die eingeworfene Schaufensterscheibe des Internetcafes machts auch deutlich).

    Das merkwürdige Restaurant wird zu einem sehr angenehmen, sobald die Aussicht auf Melanie mit Vater und Kind da ist. Melanies Vater bekommt eine zweite Chance auf seine Kinder, mit Thomas als Filip.
    Melanies Brandmal ist verblasst.
    Mojca tut mir leid. Eine solche Lüge ist wie ein Webfehler in einem Teppich, der Fehler wird größer und größer und es wird immer schwieriger ihn zu korrigieren. Ihre positive Energie wird erwähnt, das ist mir eigentlich zu wenig. Sie war für Tom eine wichtige Bezugsperson in seiner Kindheit, mich wundert, dass da so wenig an Reaktion von ihm kommt. Aber es scheint ausgleichende Gerechtigkeit zu sein. Mir hätte es besser gefallen, wenn beide reifer geworden wären und jetzt miteinander auskommen könnten.

    Filip, die Kugelbahn.
    Jede kleinste Änderung ändert den Lauf der Dinge, alles hängt zusammen und alles hat mehrere Seiten.
    Mir fällt auch wieder die Modelleisenbahn mit Schattenbahnhof und Gleisharfe ein.
    Melanie steht für "gelungene Integration" einer Deutschen in Deutschland indem sie Zigeunerin genannt wird. Man gratuliert sich selbst sozusagen zur Diskriminierung.


    Matti führt Tom vor wie die Zeit zerrinnt. Sie kennt ihren Tom wirklich gut...

    Und Melina baut lauter kleine Kunstwerke aus Alltagsmaterial mit ungeheurem Detailreichtum. :)


    Matti und Tom wünsche ich alles Gute. Es klingt nach einem tollen Plan für die beiden.

    Aber ein Geheimnis scheint mir immer noch nicht gelüftet zu sein...

    Diese Reise nach Metting hat mir wirklich sehr viel Freude gemacht.
    Und ich werde sicher wieder dorthin reisen!




    Der Mutter ist es nicht recht, aber sie hat weder die Autorität noch die Kraft dagegen jetzt noch was zu tun. Tom und seine Mutter werden nie mehr ein gutes Verhältnis zueinander haben. Sie dulden sich gegenseitig, mehr aber auch nicht.


    Es funktioniert für mich ganz anders, aber das ist natürlich persönliches Empfinden und ich finde es schwierig zu erklären, wie ich die Stelle lese, ohne die Magie auszulöschen...

    Es ist eine Szene, die die gesamte Beziehung über all die Jahre zwischen Tom/Vater/Mutter, also im Grunde genommen alles was passiert ist, inkl. dem jetzigen Aufbruch, zu wenigen Worten kondensiert.


    Ich versuche es mal vorsichtig über ein paar Andeutungen:

    Kaffee bringen - assoziiere ich mit einer Beziehung zwischen 2 Menschen, es ist die Mutter, die den Kaffee bringt
    dunkelgrünes Plastik - finde ich sehr steril
    Dann steht sie eine Weile schweigend neben mir - verschweigen, verstecken, nicht kommunizieren
    "Meinst Du wirklich, dass das etwas bringt?" - klingt für mich entmutigend. Ich denke dabei auch an Toms Schullaufbahn.
    "Was kann es schaden, wenn wir es ausprobieren?" - das Leben ist ein Abenteuer, wenn man bereit dazu ist
    "Staubsauger und Staubtücher hätte ich auch gehabt." - Die Mutter hatte jederzeit die Gelegenheit anders zu handeln
    "Ich weiß."
    Sie zuckt die Schultern und geht.
    Ich stehe auf und reiße das Fenster auf. - zum 1. Mal im Leben

    Bin jetzt auch durch, später mehr.
    Hier stellvertretend eine (der vielen) Stellen, die ich sehr gelungen finde:

    Meine Mutter bringt Kaffee und stellt ihn auf eine Wiese aus dunkelgrünem Plastikgranulat. Dann steht sie eine Weile schweigend neben mir.

    "Meinst Du wirklich, dass das etwas bringt?"

    "Was kann es schaden, wenn wir es ausprobieren?"

    "Staubsauger und Staubtücher hätte ich auch gehabt."

    "Ich weiß."

    Sie zuckt die Schultern und geht. Ich stehe auf und reiße das Fenster auf.

    Aber um ein Gegenbeispiel zu bringen:
    Wir hatten einen Lehrer, der immer mal wieder vollkommen fachfremde Sachen im Unterricht mit uns machte.

    Er hat sich aufs Pult gestellt und Goebbels imitiert, um uns zu zeigen, wie dessen Polemik funktioniert und warum die Menschen darauf hereinfielen (dabei hinkte er, weil Göbbels einen Klumpfuss hatte).
    Er erzählte über die Gefahren von Sex, dass die Begierde die Vernunft zu sehr ausschalten kann. Versuchte uns teilhaben zu lassen, an den Sachen, die ihm Freude machten (z.B. Camembert aus Frankreich, nicht das tote unreife Zeug, was es in Deutschland im Supermarkt gibt und nie wieder zum Leben erweckt werden kann).

    Solche Lehrer gab und gibt es auch.

    Flachmann im Unterricht, um den Pegel zu halten

    Das es solche Fälle gibt ist unvermeidlich.
    Lehrer sind auch nur Menschen, der Rest ist Statistik.
    Man braucht ein System, dass das mit einkalkuliert und das war früher weniger der Fall.

    Heutzutage hat man (zumindest hier bei uns) in der weiterführenden Schule 2 Klassenlehrer. Das ist schon mal eine enorme Verbesserung. Vertrauenslehrer ist auch eine ganz wichtige Sache.
    Denn auch heutzutage passieren merkwürdige Dinge in der Schule.

    Ein junges Beispiel das mir einfällt:
    Ein Klassenlehrer der in der 5. Klasse den Klassensprecher wählen lässt. Bei den Vorschlägen zeigen viele Kinder auf, er nimmt 2 dran, schreibt deren beide Vorschläge auf und sagt, ok 2 reichen, dann wählen wir jetzt. Es gibt Proteste, es gibt Kinder, die andere vorschlagen wollten, aber er insistiert, nein 2 Vorschläge reichen.
    Einige Kinder finden das nicht in Ordnung und gehen zur Vertrauenslehrerin.

    In der nächsten Stunde kommt er in die Klasse und übt erst mal solange Druck auf die Klasse aus, bis die Kinder die zur Vertrauenslehrerin gegangen sind, sich zu erkennen geben. Dann macht er klar, dass es nicht ok ist zur Vertrauenslehrerin zu gehen. Eine Klasse wäre wie eine Familie, da würde man auch nicht einfach so zum Jugendamt gehen, wenn es Probleme gäbe, sondern die unter sich klären. Das dürfe nicht mehr vorkommen.

    Ich habe auch schon erlebt, dass Lehrer beim Elterngespräch in Tränen ausbrachen. Nicht weil das Gespräch so verlief, einfach nur aus Überforderung.

    Es sind eben auch alles nur Menschen und es ist ein einfach ein ziemlich großer Querschnitt über die Gesellschaft.

    :gruebel Also ich sehe das hier noch nicht so.

    Matti und Tomás haben zu unterschiedliche Interessen, um gut zusammen zu passen. Dann scheint Matti sich auch mehr für ihre Karriere einzusetzen als für ihre Beziehung.

    Tomás liebt sie auch nicht richtig und akzeptiert zu schnell, dass diese Verbindung nur eine weitere Episode in seinem wechselvollen Leben ist.


    Die Wahrheit verbirgt sich häufig hinter einer Fassade.

    Matti kann Menschen lesen, es ist eine Gabe, die sie zu ihrem Beruf gemacht hat und "in gewisser Weise haben wir an der Stelle etwas gemein, nur dass ich das mit Buchempfehlungen mache."
    Das sind doch sehr ähnliche Interessen, die sich gleichzeitig sehr gut ergänzen.


    Sie ist das vollkommene Gegenteil von Toms Mutter, er hingegen steht seinem Vater sehr viel näher, als es den Anschein hat (auch wenn das noch gar nicht wirklich sichtbar ist).

    Deshalb auch der Hinweis auf den, mit dem sie angeblich eine Familie gründen will. Sie will Tom nun aus der Reserve locken, nachdem er ja schon, indem er ihr seine Geschichte anvertraut hat, den Anfang gemacht hat, Wenn auch erst noch unbewusst.

    Meine Vorhersagen lese ich ja aus Fischen und die haben in dem Fall mit Eisenbahnen und Toms Eltern zu tun. Und natürlich auch mit Matti und Tom

    Aber im Grunde sagt das Fischorakel es sehr ähnlich... 😉

    Ich hoffe, wir haben Recht. 😃

    Tom ist zu einem rastlosen Nomaden geworden, ist durch die Städte gezogen, hat mal hier, mal dort einen Job gehabt, er zieht immer weiter, bis er in Hamburg ist. Hamburg ist anonymer, liberaler. Vielleicht schon wieder so liberal, dass es einfach jedem egal ist, was der andere macht.
    Er träumt davon irgendwann mal loszulegen, mit seinem eigenen Buchladen, aber es ist ihm nicht wichtig genug, auch wirklich etwas dafür zu tun, es muss ihm schon mehr oder weniger in den Schoss fallen. Was eigentlich für alles gilt, inklusive der Liebe.

    Er wirkt sehr einsam, liest Bücher im Cafe, um überhaupt jemand um sich rum zu haben. Ist unzufrieden mit seiner Situation, unternimmt aber nichts, um sie zu ändern.

    Er stellt sich vor, ein Kneipenbesitzer könnte sein bester Freund werden. Also ein Mann dessen Beruf es ist, Freund seiner Kunden zu spielen.

    Matti ist seine Freundin, sie zeigt wie stark sich die Zeit verändert hat, digital native, multinational, multikulturell. Er hätte sie nie kennengelernt, wenn sie nicht die Initiative ergriffen hätte. Und er wird sie auch nicht daran hindern zu gehen, sondern sich weiter dahintreiben lassen und darauf warten, was als nächstes in seinem Leben zufällig passiert.

    Parallel werden verschiedene Arten von Rassismus/Diskriminierung gestreift. Offensichtliche Diskriminierung wie "schwarze Sau". Dann die kurze Diskussion zwischen Matti und Tom bzgl. Obamas Hautfarbe. Tom spürt, dass Matti Recht hat. Positiver Rassismus und Farbenblindheit sind beide ebenfalls ein Problem, es ist schwierig dem zu entkommen.
    Ich fand den Rassismus gekonnt vorgeführt. Matti wird so eingeführt, dass ich sie als Leser quasi nicht als farbig empfunden habe, ich lerne sie sozusagen "farbenblind" kennen. Sie wird aber im Rong offensichtlich sichtbar für mich diskriminiert. Nicht in Form offenen Rassismus (schwarze Sau), sondern durch Ignoranz. Nur ein Sitzplatz für zwei, später bedienen, nicht anschauen, ignorieren. Es sind Nadelstiche, die sich summieren, nicht nur im Rong, sondern über ein ganzes Leben.

    Matti zeigt wie stark sich die Gesellschaft verändert hat, digital native, multinational, multikulturell.

    Ohne Matti würde Tom sich weitertreiben lassen, ohne sie ist er aufgeschmissen, er weiß es nur noch nicht. Alles läuft über sie, er meldet sich über ein von ihr eingerichtetes Konto an (und braucht dafür "nur" 5 Minuten), ohne sie ist er nicht in der Lage nach Filip in Metting zu suchen (er hatte ja auch nur 30 Jahre Zeit um darüber nachzudenken oder über den Nachnamen von Filip), als dann alles geregelt ist, traut er sich dann immerhin aber doch alleine nach Metting und das sogar aus eigenem Entschluß, wenn auch nur quasi in letzter Sekunde auf dem Bahnsteig. (Wie war das noch mit den Hubschrauberlandeplätzen für die Eltern der Sechstklässler... ;)).
    Matti ist klasse, ich wünsche Tom es noch zu kapieren... (und vertraue darauf dass ein anderer Tom das noch einfädelt).

    Das Ankommen in Metting ist eindruckvoll beschrieben, berührend.
    Tom begegnet dabei einer Vision seiner Zukunft, wenn er sich weiter so treiben lässt, wie derzeit.
    Und einem kurzen Blick auf die Option einer Gegenwart, wie er selbst hätte sein können.

    Es hätte etwas heranwachsen können, wenn der Vater für seinen Sohn eingestanden wäre und seinen Wunsch nach Bildung unterstützt hätte gegen den Rachedurst der Mutter. Leider hat er sich da als Weichei erwiesen.

    Er ist offensichtlich nicht in der Lage für sich selbst einzustehen. Obwohl er Schwierigkeiten hat, für sich selbst einzustehen und trotz der Legasthenie von Tom, die ein Gymnasium gerade damals schwierig macht, hat er es geschafft Tom gegen den Willen der Mutter aufs Gymnasium zu bringen. Das ist in diesem Kontext eine sehr große Leistung.

    Die Situation entgleist in mehrfacher Hinsicht, er hat Frau Awusi gegen sich, die Legasthenie ist und bleibt ein Problem und er hat wegen 'schlechtem Benehmen' noch weiter an Durchsetzungsvermögen verloren.

    Obwohl der Vater sich an dieser Stelle nicht durchsetzen kann, ist eine stärkere Bindung zwischen Tom und seinem Vater entstanden.

    Gestern habe ich an einer schönen Aussichtsstelle gesessen und über ein Moseldörfchen geschaut. Dabei landete ich in Gedanken bei Toms Vater und seiner Modelleisenbahn und konnte mich in den Gedanken vertiefen.
    Die Modelleisenbahn passt natürlich in die Zeit, das gab es häufig als Hobby. Für Toms Vater ist sie das einzige, bei dem er bestimmen kann was passiert. Und auch das nur zum Teil, denn manchmal fühlt Tom sich von den Geräuschen von Toms Vater beim Spielen gestört und sobald Tom das zu erkennen gibt, passt Toms Vater sich auch hier an und spielt geräuschlos weiter.
    Vertiefe ich mich in diesen Gedanken, bekomme ich ein sehr klares Bild zu Toms Vater, dieser Fremdbestimmung, die sein ganzes Leben so einengt, dass er sich jede Woche lediglich auf ein paar einzelne Stunden zurückziehen kann, in der er eine Spielwelt nach seinen Spielregeln ablaufen lassen kann, wobei er auch da ja nicht das Leben spielt, dass er gerne hätte. Es ist seine einzige Möglichkeit überhaupt etwas selbst zu gestalten, wenn es auch nur eine Spielwelt ist, in der er bestimmen kann, was passiert.
    Ich finde es erschütternd.
    Die Modelleisenbahn ist in Toms Zimmer, Toms Vater ist zwar nicht in der Lage sein eigenes Leben zu gestalten, aber auf das von Tom nimmt er Einfluss, es ist der einzige Einfluss, den er hat. Tom ist ihm offensichtlich sehr wichtig, auch wenn man das vordergründig kaum sieht. Er ist nicht in der Lage, seine Liebe zu zeigen.
    Nach dem 'schlechten Benehmen' spielt der Vater erst mal nicht mehr in Toms Zimmer, er ist komplett fremdbestimmt. Später ändert sich das wieder und der Vater kommt wieder in Toms Zimmer, aber es hat sich etwas zwischen ihnen geändert, es wächst etwas zwischen ihnen heran.

    Es zeigt was Kunst nicht ist und beschäftigt Deutschlehrer, die ansonsten womöglich Kunst beschädigen. ;-)

    Und ohne Ironie:
    Ich habe eigentlich gelernt über Dinge, die ich nicht verstehe, nicht zu urteilen, denn es könnte sein, dass ich sie einfach nur nicht verstehe. Wenn ein Dr. Theuert Spaß daran hat, hat es seine Existenzberechtigung. Wenn ich nichts damit anfangen kann, ist es ein Problem anderer Leute, dass mich auch nicht zu stören braucht. Und wer weiß erschließt es sich ja eines Tages.

    Folge ich meinem inneren Kompass, sind es mehr oder weniger willkürlich zusammengewürfelte Wörter.
    Vielleicht WhatsApp-Dichtkunst (tippe 2 Buchstaben, wähle eines der 3 Wörter oben, und dann immer wieder eines der weiteren Wörter, die auftauchen). Irgendwas in der Art.
    Edit: Nee, da hätte man ja immerhin die Auswahl aus 3 Wörtern, das ist eine Herausforderung, aber da ließe sich sicherlich noch was mit machen... ;-)

    Schön gesagt, Maarten! Ich wünschte, ich könnte die Fische auch so gut sehen. Leider verheddert sich mein Blick allzuschnell in den Schlingpflanzen.

    Dass Tom gut schreiben kann ist unbestritten, deshalb deute ich meist auf die Luftlöcher oder Schnecken auf den Wasserpflanzen.

    🐠 🦠 🐌:fisch

    😃

    Ich habe ganze Buchreihen gelesen, bei denen ich geschworen hätte, dass definitiv kein einziger Fisch drin ist. Als ich dann doch einen entdeckte, tauchten plötzlich Schwärme auf.

    Das kommt schon.

    Ach, unterstehe dich, "weniger zu schwafeln", deine Assoziationen sind echt bereichernd für mein eigenes Gedankenkarussell.

    Ich finde es ist eine Gratwanderung. Ich selbst habe - wie vermutlich fast jeder - ein paar Jahrzehnte gebraucht, bis ich das "Deutschinterpretation"-Trauma überwunden hatte (was ja auch hier im Buch mit Dr. Theuert angesprochen wird). Eine Interpretation bestand bei mir aus Einleitung, Schluss und ein paar strukturellen Aspekten. Mit einer halben Spalte kam ich für eine Gedichtsinterpretation hin, das reichte dann meist für eine 4.
    Aus meiner heutigen Sicht ist das, was damals bei uns im Deutschunterricht gemacht wurde, ungefähr so sinnvoll, wie einem Erstklässler die Aufgabenstellung zu geben, eine möglichst realistische Beschreibung eines Orgasmus zu verfassen.

    Nach der jahrzehntelangen Überwindung des "Deutschinterpretation"-Traumas brauchte ich noch etliche weitere Jahre um überhaupt eine Ahnung davon zu bekommen, was Kunst wohl sein könnte.

    Eine Leserunde wie diese ist bei einem Buch wie "Die Wahrheit über Metting" aus meiner Sicht deswegen eine Gratwanderung, weil man durch diese verquere Art des Kunstbegriffs, wie er z.B. aus dem Deutschunterricht kommt, ständig droht in einen Schlaumeier-Wettbewerb zu verfallen.
    Wie kommt man auf die absurde Idee Kunst z.B. im Sinne einer Deutschinterpretation zu einem benoteten Leistungswettbewerb von Kindern zu machen? Es ist abgründig, widersinnig!

    Tom hat uns ein Buch voller schillernder Fische gegeben und ich möchte gerne auf viele dieser Fische zeigen, weil sie so schön sind. Aber sie sind schnell wieder verschwunden, weil man sie nur sehen kann, wenn der Blickwinkel gerade der richtige ist und der ist bei jedem anders. Es ist ein gemeinsames Erlebnis, ein Teilen. Hat man den ersten Fisch erst mal gesehen und weiß, wie er aussieht, sieht man die anderen plötzlich leichter.
    Es ist ähnlich wie bei diesen 3D-Bildern, die nur dann 3D sind, wenn man ein bisschen schielt und einen Punkt hinter oder vor dem Bild fokussiert. Man kann nicht erklären, wie man drauf schauen soll, man kann nur sagen, was man sieht und schon fokussiert man falsch und es ist wieder verschwunden. Es ist auch ähnlich wie das Erklären eines Witzes, was einfach ziemlich sinnlos ist.
    Kunst zu erleben hat überhaupt nichts mit einer intellektuellen Leistung zu tun, sondern mit eigenen Erfahrungen, mit dem eigenen aktuellen Gemütszustand, mit einer Offenheit, dem richtigen Zeitpunkt.
    Durch den Deutschunterricht und das Bildungsbürgertum ist daraus ein höchst unsinniger Wettbewerb geworden und es ist schwer von Kunst zu reden, ohne zu einem Wettbewerbsteilnehmer zu werden. (Sorry, ich schreibe mich gerade in Rage...)

    Es ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis schöne Dinge zu teilen. Wenn ich schillernde Fische sehe, möchte ich gerne darauf zeigen und sagen, schau da dieser wunderbare Fisch. Aber ich weiß, dass womöglich nur ich ihn in diesem Moment gerade sehen kann und er auch für mich dann schon wieder weg sein kann. Und gleichzeitig gibt es eben noch das Problem, dass es seine Magie verliert, wenn man zu sehr darauf zeigt. Ich weiß nicht, ob ich dafür das richtige Gespür habe.
    Nichts ist so nah an Magie wie Kunst, es lässt einen tiefe Wahrheiten in einem selbst erkennen.
    Und es hat einfach rein gar nichts mit dem formelhaften Kram aus meinem Deutschunterricht zu tun.

    Ich liebe diesen Moment, wo aus der Fassade von ein paar Worten, einer Metapher plötzlich eine dreidimensionale Welt wird, man hinter die Kulisse treten kann und sieht, wie es wirklich ist.

    Tante Li : ich merke beim Lesen Deiner Antwort, wie schwierig der Heimatbegriff in meinem Fall ist. Wenn die Familie Dorfgröße annimmt, man sich kaum noch kennt und sich über die Welt verteilt, taugt sie wenig als Heimat. Ich meinte auch eher die Entwicklung weg von einer religiös dominierten engen nationalen Gesellschaft zu einer offeneren, globaleren. Die leider gleichzeitig einhergeht mit einem aufkommenden Rechtspopulismus.

    Heimat ist bei mir auch deswegen schwierig, weil wir des Öfteren umgezogen sind.


    Aber zurück zum Buch: Aus meiner Sicht sind sie schon da, die positiven Seiten von Metting für Tom. Um das Eisdielenbeispiel zu nehmen: Eine Eisdiele ist ohne Freunde auch nur ein kalter freudloser Ort. Tom hatte einen Blutsbruder als Freund, was will man mehr. Ein Ort der Wärme und Geborgenheit war für ihn trotz der unglaublichen Enge die Wohnung von Mojca. Es gab David und Sylvia. Es gab Marieluise und das Vorlesen und es entwickelte sich etwas mit Melina.

    Der Bingopokal ist eine tiefe Erinnerung.


    All das wurde aber abrupt beendet.

    Und auch der Ring aus Eisstielen blieb unvollendet.

    Kap. 10 endet damit, dass Tom einen Schlüsselbund hat. In Kap. 11 geht's weiter mit seinem Blutsbruder Filip, der offensichtlich auch einen Schlüsselbund für seine Situation gefunden hat.

    Erst Dr. Kurtus, den er mal schön aufs Kreuz legt.

    (KorinthenkackerAlarm: 5-stellig ist nicht 6-stellig)


    Anschließend deckt er Frau Awusis Bezug zu Sinti auf. Eine schöne Szene, wie Filip die Augen verschließt und damit Frau Awusi die Macht über ihn entreißt und die anderen Kinder sich mit ihm solidarisieren.

    (Damit ist es allerdings so, dass die Ressentiments gegenüber Sinti sich zumindest in der hier durch Filip vorgetragenen Geschichte zu bewahrheiten scheinen. Später fällt Frau Asuwi auch noch bei einem Diebstahlversuch auf. Hmmm...)


    Schappkow: Dieses Kapitel war bei dieser Thematik natürlich unvermeidbar (es wäre mir lieber, wenn es nicht notwendig wäre).

    Die Nazizeit und Nazis wurden in der Literatur natürlich schon sehr häufig aufgearbeitet. Ich finde es hier sehr originell gelöst. (Hundöh!)


    Frau Käding klingt für mich wie das Öffnen einer Kasse... 😉


    Ansonsten geht alles in Metting den Bach runter, die Menschen, die man gerne um sich hat, sterben, tauchen unter, gehen weg. Die "Zigeuner" werden dauerhaft vertrieben, der Pfarrer in den Selbstmord getrieben (Strange fruits...).


    Es ist wirklich unglaublich herzlos von Toms Mutter den Papierkorb vor das Bananenzimmer zu stellen, selbst wenn Tom verboten ist, dort langzugehen.


    Es wird dringend Zeit für den 2. Teil. Marieluises Brief ist eine schöne Überleitung.


    Zur Predigt von Tizian Odol fällt mir wieder einiges an Assoziationen ein (Kann mir bitte einer einen Wink geben, wenn ich zu viel rumschwafele und ich näher am Buch bleiben soll...).

    Vielleicht lohnt sich ein Blick in meine niederländische Heimat, das ist natürlich anders als in Deutschland, aber thematisch kann man sich auch dort fragen, was steckt eigentlich hinter diesem Begriff Heimat? Auch in der Niederlande ist das wegen des Vormarsch der Rechtspopulisten ein wichtiges Thema.


    Ich kann da nur den Blick aus meiner Sicht bieten, der ja als Niederländer von Deutschland aus ist:

    Ich stamme aus einer sehr großen Familie, bei meiner Mutter 11, bei meinem Vater 12 Geschwister (wir selbst dann nur noch 3). Das liegt daran, dass zu der Zeit die Katholiken mit den Protestanten in der Gegend im Wettkampf lagen, wer mehr Anhänger hat. Der katholische Pfarrer ging regelmäßig durch die Gemeinde und forderte die nächste Geburt an. Bei gleichzeitigem Rückgang der Kindersterblichkeit führte das zu großen Familien.

    Bei meinem Vater gingen die Söhne anschließend in die Priesterschule. Mein Vater war der vierte Sohn und mich gibt es nur, weil er aus der Priesterschule ausgerissen ist. Die nachfolgenden Söhne wurden dann nicht mehr dorthin geschickt.

    Mein ältester Onkel väterlicherseits hat seinerzeit eine Zeit lang Predigtverbot bekommen, weil er die Meinung vertrat, Himmel und Hölle wären lediglich Metaphern, das ewige Leben ebenfalls, es stände für die Nachwirkungen des eigenen Lebens auf der Erde.

    In der Niederlande gibt es trotz der geringen Größe auch so etwas wie einen Bibelgürtel, eine Gegend in der es z.B. auch Probleme mit Polio gab, da eine Impfung abgelehnt wird (Impfungen untergraben Gottes Wille).

    Zuweilen haben wir Familienfeste. Bei dem letzten mütterlicherseits waren es über 200 Gäste, das sind dann nur Onkel und Tanten von mir inkl. deren Kinder, Anhang und Kindeskinder. (Die väterliche Seite ist dank der Priester etwas weniger überbordend...)

    ("Nein, sag nichts, Du bist der ... von ...")

    Wir haben grob die Nationen der Gäste auf dem Fest durchgezählt und kamen auf 14.

    Soviel als Kurzexkurs zu meiner niederländischen Heimat...

    Die Erzählung bis zum Ende des 1. Teils verdichtet sich immer weiter bis zur eindringlichen Szene in Marieluises Zimmer.


    Es gibt hier so viele Anregungen, verwinkelte Stellen um nachzudenken. Gefällt mir ausgezeichnet...


    Ein "Negerpfarrer" in einem Gebäude mit einem konischen Turm.

    "10 kleine Negerlein" war in meiner Kindheit noch ein vollkommen normales Kinderlied...

    "Die Trauerfeiern bei Pfarrer Tizian Odol waren Legende."


    "Eine Beleidigung muss als Beleidigung gedacht sein, sonst ist sie keine."

    An dieser Stelle habe ich zunächst gedacht: Ja!!!

    Gleichzeitig denke ich an naiven Rassismus, wie er z.B. in der Niederlande in Form des zwarte Piet in der Tradition um Sinterklaas allgegenwärtig ist. (Ich bin Niederländer, auch wenn ich mit 4 Jahren nach Deutschland gezogen bin und dort grossgeworden bin, was damals aus niederländischer Sicht an Landesverrat grenzte).

    Es wird in der zwarte piet-Diskussion ebenfalls dieses Argument verwendet, es sei nicht beleidigend gemeint, es solle lediglich die schöne Tradition mit der man aufgewachsen ist, weitergeführt werden.


    Wichtig scheint mir, auf sich selbst zu hören, statt sich daran zu orientieren, was andere denken. Seinem inneren Kompass zu folgen, in der Entscheidung, was richtig ist.

    Dann ist es häufig gar nicht so schwer Lösungen zu finden.


    Es ist schön, dass Tom den Schlüsselbund (ich bin mit dem männlichen Schlüsselbund aufgewachsen) am Ende in Händen hält, auch wenn er ihn nochmal abgeben muss.

    Marieluise zum Älterwerden: Hier findet sich unsere Diskussion zum Begriff Horizont wieder: "Deine Welt wird kleiner, bis du sozusagen die Wände mit den Händen berühren kannst - die Wände des Gefängnisses, in dem du unschuldig einsitzen musst."

    Ich verstehe, dass sie so gerne liest. Es ist eine Möglichkeit aus dieser Enge auszubrechen.


    Mettings große Zeit war in den 60ern. Es war Großes geplant, aber die Möglichkeiten wurden immer beschränkter (ein bisschen wie Älterwerden...). Dies führt u.a. zu einem Schulgebäude mit einer comichaften Justitia, Zellen im Keller und tiefergehängten Pinkelbecken. :-)


    Die nachfolgenden Passagen finde ich sehr dicht und verschlungen erzählt. Sehr gelungen. Es wird keine einzelne Begebenheit in Frau Awusis Gerichtssaal direkt geschildert, sondern sie wird als eine in einer Kette von Begebenheiten indirekt während des Essens bei Filips Mutter durch Tom vorsichtig aufgedeckt. Die Systematik gegenüber Filip und die Ohnmacht mit der er dieser begegnen kann, wird dadurch sehr deutlich. Gleichzeitig wird dadurch diese dichte Erzählung möglich, die Kombination mit der Rückkehr von Filips Vater und dem Einflechten von Melina.

    Wie bei Filip - seinem Blutsbrüder - steht dann etwas später auch bei Tom noch ein Essen an. Und wie bei Filip Probleme mit seinem Vater zu erwarten sind, sind bei Tom Probleme mit seiner Mutter zu erwarten. Die es dann auch prompt gibt.

    Auch hier wieder sehr verdichtet und geschickt erzählt.