Warum sollte ich das lesen wollen?
Ich habe jahrelang einen weiten Bogen um dieses Buch gemacht, weil ich nur die Fassade kannte: Ein Buch über eine 3-tägige Schlacht. Wer liest sowas freiwillig? Warum sollte man das tun?
Und Abercrombies 'First Law'-Trilogie hat mich zwar gefesselt und ist wirklich gut geschrieben, aber letzten Endes hat sie mich ratlos hinterlassen.
Glücklicherweise habe ich eines Tages auf der Suche nach Lesestoff doch das 1. Kapitel dieses Buches gelesen.
Zufälligerweise auch noch in der dazu passenden Kulisse eines Urlaubs in Wales, einer Gegend, in der es zu jedem Schaf 2-3 Burgen im Hintergrund gibt (und es gibt dort unzählige Schafe).
Es ist ein reifes, durchdachtes Buch in der typischen lakonischen Sprache von Abercrombie, das ich sehr gerne gelesen habe.
Worum geht es?
Inhaltlich geht es um eine 3-tägige Schlacht um einen vollkommen unbedeutenden Hügel, auf dem ein paar große Steine stehen. Diese Steinformation wird 'Heroes' genannt, die Schlacht findet zu ihren Füßen und in ihrem Schatten statt.
Vor allem geht es dabei um Menschen, ihre Interaktion, ihre Beziehungen zueinander und ihrer Ohnmacht sich den Regeln der Welt/Gesellschaft zu widersetzen.
Wer Juli Zehs 'Unterleuten' mag, ist hier eigentlich genau richtig, auch wenn das ebenfalls großartige 'Unterleuten' eher ein 'Game of thrones' ist und nicht eine derart große Zahl von Bällen in der Luft jongliert.
Abercrombie fährt sehr viel Personal auf, fokussiert auf jeden einzelnen, zerlegt diese Gesellschaft in dieser Schlacht bis ins kleinste Detail und schafft es dabei erstaunlich mühelos mit diesem intellektuellen Ritt die Genre-Leserschaft so zu fesseln, dass es zu einem Weltbestseller wird. Obwohl er sie inhaltlich eigentlich komplett verprellen müsste, es ist gewissermaßen ein Anti-Fantasy-Buch.
Er schafft das u.a. durch eine scharfe Zeichnung der Charaktere, mit der er erstaunlich gut durchkommt, u.a. weil er die Vorurteile des Lesers für seine Sache nutzt (Abercrombie wird regelmäßig für die Tiefe seiner Charaktere gerühmt...).
Es ist tatsächlich dank dieser lakonischen Sprache und einem sehr britischen Humor ein wirklich unterhaltsames Buch.
Das ist doch Teil einer Reihe, kann ich das wirklich als erstes lesen?
Hierzulande ist das Buch - nach alter Tradition bei Heyne - unter einem vollkommen entstellenden Titel erschienen: Heldenklingen. Nicht davon abschrecken lassen. Es ist offiziell der 5. Band der 'Klingen-Saga', aber auch das kann man getrost ignorieren.
Tatsächlich ist es ein einzelner Band im Kontext des Erzähluniversum von Abercrombie. Man kann ihn ohne weiteres als ersten und auch als einzigen Band lesen.
Ich empfehle zumindest das hervorragende 1. Kapitel zu lesen, es ist der Auftakt zum Buch, gleichzeitig aber eine in sich abgeschlossene Geschichte (Amazons Blick ins Buch dürfte es komplett enthalten; edit: vielleicht auch nicht, Thalia aber schon). Dann kann man schon sehr gut einordnen, ob einen das Buch interessiert.
Und liest man das ganze Buch, empfehle ich sehr, dieses 1. Kapitel am Ende erneut zu lesen.
Eigentlich müsste ich diese Rezension unter 'Zeitgenössisch' einstellen, aber schaut man nur grob hin, wird's wohl 'Fantasy' sein.
Tom hat netterweise unten die Links ergänzt. Das englische Cover passt übrigens sehr gut zum Buch, das deutsche ist vollkommen daneben. Marketing...
Punkte?
Wenn ich 10 Bücher mit ins Grab nehmen dürfte, es wäre sicherlich dabei. Vielleicht sogar bei nur 5.
Und das 1. Kapitel würde ich sowieso heimlich mitschmuggeln, irgendwo unter dem Shirt versteckt oder so.