Beiträge von Sisch

    „Das Geburtstagsgeschenk“ von Barbara Vine alias Ruth Rendell ist eine gelungene Parabel auf den moralischen Konkurs der Thatcher-Ära in England.


    England Anfang der 1990er Jahre: Der ebenso charmante und wie ambitionierte Jungpolitiker Ivor Tesham steht kurz vor dem großen Karrieresprung bei der konservativen Partei. Da kommt ihm der Autounfall seiner verheirateten Geliebten gar nicht recht, denn der Shootingstar mit Neigung zu SM-Praktiken wollte seiner heimlichen Liebe ein Geburtstaggeschenk der besonderen Art machen: Auf offener Straße sollte sie von zwei Vermummten „entführt“ werden, um sie dann in ein „Liebesnest“ zu bringen. Doch der Wagen mit den dreien verunglückt, sie und der Beifahrer sterben. Da Tesham keinen Skandal gebrauchen kann, lässt er die Polizei über die Hintergründe des Desasters im Dunklen.


    Nur wenige Menschen wissen um die Umstände des Crashs - unter ihnen die etwas unscheinbare, 30-jährige Bilbiothekarin Jane Asherton, die als beste Freundin des Opfers stets das Alibi für die heimlichen Treffen der Verliebten stellte. Und Jane wittert die Chance, ihre ganz eigenen Vorteile aus der verzwickten Lage zu ziehen.


    Mein Fazit:


    „Das Geburtstagsgeschenk“ ist ein feiner psychologischer Roman von Barbara Vine, hinter deren Pseudonym sich die englische Krimiautorin Ruth Rendell verbirgt. Vines Geschichte um einen eloquenten machthungrigen Politiker der Torys beginnt 1990, im Jahr der IRA-Anschläge in England, der Krise auf dem Balkan und der ersten Rückschläge für die konservative Thatcher-Regierung. Die fiktive Handlung wird aus der Sicht zweier sehr unterschiedlicher Personen geschildert: der von Ivor Teshams Schwager Rob und der der „Alibi-Frau“ Jane Asherton.


    Mit dem ihr eigenen Stil schürt Vine/Rendell durch den gesamten Roman eine knisternde Erwartung des Kommenden und vermittelt gekonnt jene Atmosphäre der moralischen Anrüchigkeit, die alle Aktionen ihrer Hauptfigur umgibt. Obwohl es um das Ende der damaligen Tory-Regierung geht, rechnet die Autorin nicht platt mit den sich häufenden Skandalen und Rücktritten im Regierungstross der damaligen „Iron Lady“ Thatcher ab, sondern setzt als Metapher für diesen Verfall einen Politiker ein, der die Dinge stets mit nassforschem Upper-Class-Selbstbewusstsein „auf seine Art“ regelt.


    Kurz vor der nächsten England-Wahl wird „Das Geburtstagsgeschenk“ so zu einer gelungenen Parabel auf den moralischen Konkurs der Thatcher-Ära.

    In seinem Thriller "Schwarzer Regen" beschreibt Karl Olsberg, wie sich die gesellschaftliche und politische Situation nach einem Anschlag entwickeln kann


    gelesen von Florian Fischer


    Das unvorstellbare geschieht: Vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird eine Atombombe gezündet. Die Tatverdächtigen sind schnell gefunden – islamistische Terroristen, wer sonst? Auch der Hamburger Privatdetektiv Lennard Pauly ist persönlich betroffen, denn seine Ex-Frau und sein Sohn leben in Karlsruhe, auch wenn sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zu einander haben. Er reist in die zerstörte Stadt und findet seinen Sohn in einem eilig aufgestellten Rot-Kreuz-Zelt; er liegt im Sterben.


    Lennard ist zunächst deprimiert, dann aber vor allem ohnmächtig vor Wut, und das kommt bei einem zufälligen Interview mit der Klatschreporterin Corinna Faller auch deutlich zum Ausdruck. Und er ist nicht allein: „Zorn“ wird zum Wort der Stunde. Viele Menschen lassen sich die Haare rasieren und schreiben sich das Wort auf die Glatze, rechtsradikale Gruppen nutzen die Situation und hetzen auf Ausländer aller Art. Während der Volkszorn kocht, kommt der Hamburger Privatdetektiv bei einer illegalen Abhöraktion allerdings auf eine Spur, die ihn zu dem eigentlichen Attentäter führen könnte – und der ist wahrlich kein muslimischer Fundamentalist.


    „Schwarzer Regen“ ist der radioaktiv verseuchte Niederschlag, der nach einer atomaren Explosion für Tage und Wochen niederfällt. Wer davon benetzt wird, stirbt meist innerhalb kurzer Zeit an Strahlenkrankheit, Leukämie oder Krebs. In Karl Olsbergs neuem Thriller ist der Schwarze Regen auch Ausdruck dafür, dass nach einem Atomschlag das Grauen noch lange danach weiter geht – gesundheitlich wie gesellschaftlich. In den Mittelpunkt seines Thrillers stellt er den frustrierten Ex-Polizisten und Privatdetektiv Lennart sowie die Sensations- und Promireporterin Corinna Faller.


    Sehr anschaulich beschreibt Olsberg, wie sich die gesellschaftliche und politische Situation nach einem solchen Anschlag entwickeln kann. Und auch wenn es in seiner Story vielleicht ein paar Zufälle zu viel gibt: der Spannung schadet das auf keinen Fall. Ein echter „Hör-Burner“, gut gelesen von dem Schauspieler Florian Fischer.

    Mit "Die Saat" von Guillermo del Toro und Chuck Hogan hat Stephen King ernsthafte Konkurrenz bekommen.


    Flug 753 aus Berlin landet noch plangemäß auf dem New Yorker Kennedy-Airport und rollt aus. Doch dann passiert gar nichts mehr: Alle Lichter der Boing 777 gehen aus, kein Laut dringt mehr heraus – Totenstille umhüllt das nächtliche Flugzeug.


    Die ratlosen Behörden glauben zunächst an einen Terroranschlag, aber da sich nichts weiter tut, schicken sie schließlich ein Seuchenbekämpfungsteam in den Flieger. Das kann nur noch den Tod aller Insassen feststellen. Doch dann bewegt sich im Cockpit doch noch etwas. Was steckt hinter dem mysteriösen Vorgang? Bevor der New Yorker Katastrophenschutz überhaupt eine Ahnung hat, ist es für die Millionen-Metropole fast schon zu spät...


    Mein Fazit:


    Dass Guillermo del Toro ein begnadeter Regisseur ist, hat er mit dem Kinofilm „Pans Labyrinth“ bewiesen: drei Oscars heimste er dafür ein. Dass er aber auch als Schriftsteller eine wunderbar gruselige, atmosphärisch dichte Hochspannung erzeugen kann, beweist er in „Die Saat“ - zusammen mit Chuck Hogan, der bereits bekannte Thriller wie „Endspiel“ und „Mördermond“ zu Papier gebracht hat.


    In kurzen Kapiteln, deren schwarz gewandete Titel den jeweils nächsten Akt einleiten, treiben sie ein klassisch aufgebautes Horrorszenario voran, das an Suspence kaum zu überbieten ist und durch ausgefeilte konventionelle Gruseleffekte besticht: hier haben Vampire noch eindeutige Interessen, und die sind alles andere als romantisch. Stephen King hat ernsthafte Konkurrenz bekommen - Fortsetzung folgt!

    Zoé Ferraris lichtet mit Totenverse ein wenig den Schleier für einen Blick auf Saudi Arabien, einen Staat zwischen kaufkräftiger Modernität und strenger muslimischer Tradition


    Eine junge Filmemacherin wird tot am Strand von Dschidda in Saudi Arabien aufgefunden. Ist sie wegen ihres Filmprojektes umgebracht worden, in dem sie über die absurde Sexualmoral des streng muslimischen Königreichs berichten wollte? Und in welchem Zusammenhang steht das plötzliche Verschwinden des Ehemanns der jungen US-Amerikanerin Miriam Walker zu dem Todesfall?


    Die staatliche Pathologin Katya und ihr männlicher Begleiter, der strenggläubige Wüstenführer Nahir, gehen der Sache nach und stoßen auf einen Fall, der sich ganz anders entwickelt, als anfänglich angenommen.


    Mein Fazit:


    Strikte Geschlechtertrennung und allgegenwärtige Glaubenswächter, doch auch unverhohlene Doppelmoral und kreative Schlupflöcher für Verliebte: Wie schon in ihrem Debütkrimi „Die letzte Sure“ beschäftigt sich Zoe Ferraris in „Totenverse“ (im englischen Original: City of Veils – Stadt der Schleier) mit der besonderen gesellschaftlichen Situation im Wüsten- und Ölstaat Saudi Arabien, dem strenggläubigsten muslimischen Land der Welt. Erst jüngst schlug dort die Eröffnung einer gemischt-geschlechtlichen Universität durch den pro-westlichen König Abdullah hohe politische Wellen.


    Neben ihrem clever inszenierten Kriminalfall beschreibt sie das alltägliche Leben aus der Sicht der Frauen, die weder Autofahren noch alleine einkaufen dürfen und dennoch nach Wegen aus der häuslichen Isolation suchen. Zoe Ferraris, die selbst ein Jahr in Dschidda am Roten Meer verbrachte, lichtet ein wenig den Schleier für einen Blick auf einen Staat zwischen kaufkräftiger Modernität und strenger muslimischer Tradition - spannend und lesenswert zugleich.

    „Hydra“ von Chris Marten ist ein raffinierter und engagierter Thriller aus dem Herzen des Ruhrgebietes


    Beate Rehbein ist eine angesehene Journalistin, die aus den Krisengebieten dieser Welt berichtet. Nach ihrem letzten Irak -Aufenthalt braucht sie allerdings einige Zeit, um das dort Erlebte zu verarbeiten. Als sie kurz vor Weihnachten eine mysteriöse Droh-Mail bekommt, denkt sie sich erst einmal nichts dabei; im weltweiten Netz gibt es schließlich genügend Spinner.


    Doch dann findet sie heraus, dass der Absender der immer häufigeren Mails sie persönlich kennt, denn es ist ein ehemaliger Mitschüler ihres Mannes Rainer. Und nicht nur das: Mit der letzten Mail schickt er das Snuff-Video eines realen Mords und dazu die komplette Namensliste von Rainers früherer Kolleg-Klasse - zusammen mit der Drohung, weitere Morde zu begehen, wenn Beate nicht in einem großen Nachrichtensender eine Reportage über die Verlierer unseres globalisierten Wirtschaftssystems platziert. Zusammen mit dem Kölner Kripo-Beamten Ludger Bethke recherchiert Beate fieberhaft, um den Täter aufzuspüren - der Wettlauf mit der Zeit hat längst begonnen, und das nächst Opfer steht schon fest.


    Eine Liste mit potentiellen Mordopfern und eine Journalistin, die von einem Serienkiller zum Sprachrohr der Globalisierungsverlierer gemacht werden soll - so beginnt der spannende Thriller „Hydra“ von Chris Marten. Doch das etwas ungewöhnliche Autorenteam aus Herbert Knorr, Literaturwissenschaftler aus Gelsenkirchen, und Birgit Biehl, seiner ehemaligen Lehrerin, setzt eher auf psychologische Raffinesse und ausgefeilte Suspence, als auf wilde Action. Mit einem gehörigen Schuss Kritik an einer profitgierigen Weltwirtschaft, deren Verlierer längst nicht mehr nur in der so genannten dritten Welt zu finden sind, ist „Hydra“ ein raffinierter und engagierter Thriller aus dem Herzen des Ruhrgebietes. Und dort weiß man sehr genau, wie schnell aus Boomregionen Krisenlandschaften werden können.

    Es aber ein Wissenschaftsthriller und Science steht hier eher für Wissenschaft und NICHT für echte "Weltraum - Raumfahrt - Aufbruch zu anderen Welten" Geschichten ..

    Mit "Limit" besticht Frank Schätzing wieder durch die gekonnte Verflechtung von Fiction und Science, von Wissenschaft und Thriller.


    Wir schreiben das Jahr 2025. Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe ist vorbei, denn auf dem Mond wird Helium 3 abgebaut, um die Energieversorgung der Menschheit zu sichern. Neben den USA und China mischen auch private Firmen kräftig bei der Gewinnung des Rohstoffs mit – vor allem Orlay Enterprises, deren Chef Julian den ersten funktionsfähigen Fahrstuhl in den Orbit gebaut hat. Sein neuestes Projekt ist ein wahrhaft „mondänes“ Hotel: Ein Ressort auf dem Erdtrabanten, das bereits kurz vor der Eröffnung steht. Um Sponsoren für weitere Mondvorhaben zu gewinnen, hat er einige Milliardäre zusammen mit Größen aus dem Showbiz eingeladen – sie sollen einen sensationellen Kurztrip erleben und einen ersten exklusiven Blick auf die Station werfen.


    Doch während die Reisegruppe sich auf den Weg macht, deckt der Cyber-Detektiv Owen Jericho auf der fernen Erde einen Komplott auf, der nicht nur Julians Pläne mit einem Schlag zunichte machen würde. Über Shanghai und Berlin führen ihn die Spuren zu einem zwielichtigen Ex-Despoten aus Äquatorialguinea, und allmählich deutet alles auf eine sehr, sehr große Sache hin...


    Mein Fazit:


    Natürlich lag die Latte für den neuen Schätzing nach „Der Schwarm“ sehr hoch. Doch „Limit“ meistert die Herausforderung souverän und geht nicht nur spannungsmäßig erneut ans Limit: Ohne aus dem Tritt zu geraten, schlägt uns Schätzings neuer Wissenschaftsthriller über satte 1320 Seiten in den Bann – übrigens keine ganz leichte Aufgabe, wenn man dabei der irdischen Schwerkraft trotzen muss. Wie die kultigen Science Fiction –Schinken aus den 1970er Jahren fängt die Geschichte ganz behutsam an. Schätzing führt seine Figuren sehr sorgfältig ein und entwickelt daraus eine Story, die bald immer rasantere Fahrt aufnimmt. Und er entführt uns in eine Zukunft, die durchaus nicht undenkbar scheint. Der Abbau von Rohstoffen auf dem Mond und ein Weltraumfahrstuhl, der an einem ultralangen Seil in den Orbit klettert, sind bereits heute diskutierte Ideen.


    Erneut besticht Schätzing dabei durch die gekonnte Verflechtung von Fiction und Science, von Wissenschaft und Thriller. Passagen, die wissenschaftliche Thesen und Zusammenhänge erklären, wechseln sich ab mit Actionszenen, die quer über den Kontinent führen und so manchen Actionfilm blass aussehen lassen. Schon die Liste der Danksagungen zeigt, wie ernsthaft sich Schätzing mit den Themen seines neuen Romans beschäftigt hat. „Limit“ ist ganz anders als “Der Schwarm“ – aber genauso gut. Und: Auf dem Mond wiegt der Wälzer ja bald nur noch ein Sechstel.

    Isla Morley beschreibt in ihrem Roman „Flug des Schmetterlings“ die Suche nach dem Sinn im Leben nach einem schweren Schicksalsschlag.


    Endlich mal wieder alleine ins Kino! Das auf Hawaii lebende Ehepaar Greg und Elisabeth „Abbe“ Deighton freut sich sehr auf diesen Abend, denn Tochter Cleo ist bei der Nachbarin gut untergebracht. Da passiert das Unfassbare: Als die beiden nach dem Kinobesuch in ihre Straße einbiegen, sehen sie schon den Krankenwagen. Cleo ist vor ein Auto gelaufen und liegt im Sterben. Für Abbe bricht eine Welt zusammen. Sie macht sich Vorwürfe, die bösen Vorzeichen nicht beachtet zu haben, so wie es ihr die Großmutter und die Hausangestellte Beauty Masinama beigebracht hatten – damals, als sie noch in Südafrika auf einer Farm lebten.


    Für Abbe beginnt eine schwere Zeit und es scheint, dass es keinen Ausweg aus dem Tief gibt. Erst in der Besinnung auf sich und ihre südafrikanische Kindheit, geprägt vom rassistischen Vater, dem rebellischen Bruder und einer viel zu duldsamen Mutter, findet sie schließlich neue Kraft.


    Fazit:


    Isla Morley beschreibt in ihrem Roman „Flug des Schmetterlings“ die Suche nach dem Sinn im Leben nach einem schweren Schicksalsschlag. Sehr authentisch erzählt sie die Geschichte einer Frau, die nicht über den Tod ihrer Tochter hinwegkommt. Sie kann nicht verzeihen und hadert auch mit der Ehe, aus der das Kind hervorging Doch mit der Aufarbeitung ihrer eigenen Kindheit im südafrikanischen Apartheitsregime entwickelt sich langsam ein Licht am dunklen Horizont, das den Weg in ein neues Leben weist. Ein einfühlsamer Roman über Verlust, Trauer und Neubeginn.

    Meine Rezension:


    Einfühlsam und kurzweilig beschreibt Curtis Sittenfeld die fiktive Lebensgeschichte der ehemaligen First Lady Laura Bush. So ungeliebt ihr Mann George W. Bush am Ende seiner Amtszeit auch war, auf Laura Bush färbte der unaufhaltsame Absturz des letzten US-Präsidenten nicht ab. Curtis Sittenfeld lässt ihrer Protagonistin sehr viel Platz, um aus ihrem Leben zu erzählen. Gespräche, Begegnungen und kleine Begebenheiten werden nahezu episch ausgebreitet, doch dank eines geschliffen-gewandten Stils wird die Erzählung trotz aller Akribie nie langatmig. Der Roman handelt aber nicht nur von persönlichen Erlebnissen, sondern auch von Schuld und Macht, von schweren Entscheidungen und ihren Folgen bis hin zu der Frage, ob es Selbstaufgabe ist, die eigenen politischen Überzeugungen hinter das Funktionieren einer Ehe zurück zu stellen.


    Curtis Sittenfeld ist eine gute Beobachterin und wirft einen aufschlussreichen Blick auf die letzten Jahrzehnte der USA. Ein ebenso beachtlicher wie unterhaltsamer, dicker Wälzer über – die Frau des Präsidenten.

    Hier meine Rezi:


    Mit „Der Sünde Sold“ gelingt Inge Löhnig ein spannendes Debut. In ihrem Erstlingskrimi durchbricht sie die scheinbare Idylle eines kleinen bayerischen Ortes und beschreibt dabei nicht nur die alltägliche, oft zermürbende Polizeiarbeit, sondern legt auch ein großes Augenmerk auf die persönlichen Schicksale ihrer Figuren. Davon gibt es zwar manchmal etwas viele, aber der Spannung tut dies keinen Abbruch.


    Und auch wenn eine Liaison zwischen dem Kommissar und einer Zeugin keine ganz neue Idee ist, erzählt Inge Löhning die angehende Romanze mit schön viel Einfühlungsvermögen. Zwar ahnt man irgendwann bereits, wer der Täter ist, doch bleibt der Krimi bis zum Schluss spannend. Ein psychologisch fein gesponnener Fall und eine Autorin, von der wir hoffentlich noch mehr lesen können.

    Totenkind von Krystyna Kuhn ist ein weiterer spannungsreicher Krimi aus Deutschlands Bankenhauptstadt Frankfurt.


    Als der Frankfurter Staatsanwältin Miriam Singer an einem nasskalten Dezemberabend vor der Wohnungstür die Einkaufstüte platzt und sie all ihre Lebensmittel vom Fußweg zusammenklauben muss, steht mit einem Mal ein etwa sechsjähriges Mädchen vor ihr, ein Zettel in der einen Hand und eine Tüte in der anderen. Auf dem Zettel steht: „Kümmern sie sich bitte um Maja“ und in der Tüte befindet sich - ein menschlicher Schädel. Das Mädchen spricht nicht, und es wird auch keines vermisst.


    Miriams Lebensgefährte, der Kommissar Henri Liebler, steht also vor einem Rätsel. Doch dann stellt sich heraus, dass der Schädel zur Mutter des Kindes gehört. Eine erste Spur, immerhin. Aber wo führt sie hin? Gleichzeitig wird auf einer kleinen russischen Insel am Polarkreis ein grausiger Fund gemacht: In einer Gruft unterhalb eines Klosters werden Leichen und Knochenreste junger Frauen gefunden, die alle im Laufe der Jahre spurlos verschwunden waren.


    Mein Fazit:


    Dies ist der dritte Fall mit der Frankfurter Staatsanwältin Miriam Singer und dem Kommissar Henri Liebler. Diesmal geht es um vernachlässigte Pflegekinder und illegale Adoptionen, um dunkle Machenschaften deutscher Diplomaten und das Schicksal junger russischer Frauen, die eigentlich nur ihr Glück suchten. All diese Zutaten führt Krystina Kuhn zu einem spannenden Krimi zusammen, in dem sie sich erneut mit den kriminellen Strukturen Russlands beschäftigt - und mit ihren Auswirkungen, die bis ins weit entfernte Deutschland reichen.


    Aber auch privat entwickelt sie ihre beiden Hauptfiguren weiter. Nachdem Henri in „Signatur des Mörders“ nur knapp dem Tod entronnen ist, wohnen der Polizist und die Staatsanwältin nun zusammen und kämpfen gemeinsam gegen das Verbrechen und das tägliche Allerei. Ein weiterer spannungsreicher Krimi aus Deutschlands Bankenhauptstadt Frankfurt.

    Schwarzer Regen von Karl Olsberg ist ein packender Thriller mit einer mitreißende Story


    Das Unglaubliche ist geschehen: Terroristen haben am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Atombombe gezündet. Hunderttausende sterben, Zahllose sind radioaktiv verseucht. Die Schuldigen sind schnell gefunden: vier arabische Dschihad -Kämpfer.


    In Deutschland wird die Situation immer brisanter, denn rechte Agitatoren nutzen die Gunst der Stunde. Auch Ex-Kommissar Lennard Pauly, der in einer trostlosen Hamburger Satellittenstadt sein Leben fristet, hat bei dem Anschlag seinen Sohn verloren. Unehrenhaft entlassen, arbeitet er jetzt für einen privaten Sicherheitsdienst und belauscht in seiner Freizeit die Nachbarn. Als er in einer Abhöraktion zufällig etwas über die Drahtzieher des Anschlages erfährt, nimmt er die Sache selbst in die Hand.


    Mein Fazit:


    Nach „Das System“ und „Der Duft“ ist „Schwarzer Regen“ ein weiterer packender Thriller von Karl Olsberg. Und diesmal geht er dabei in die Vollen: mit hohem Tempo werden wir durch eine ungemein mitreißende Story gepeitscht, die zudem noch brillant erzählt ist und mit intelligenten Wendungen aufzuwarten weiß.


    Dabei beschreibt er gekonnt die Stimmung, wie sie nach einem solch furchtbaren Anschlag im Land herrschen könnte: die Unfassbarkeit und die Verunsicherung, aber auch der unbändige, hilflose Zorn, der von rechten Gruppen und anderen Hasspredigern leicht für ihre Zwecke ausgenutzt werden kann. Auch wenn einige Handlungsstränge ein wenig konstruiert wirken – ein echter Pageturner, den man nicht aus der Hand legt.


    Übrigens: Nicht ganz zufällig ist der Titel des Bandes von einem Werk des japanischen Schriftstellers Masuji Ibuse entliehen, der schon 1964 ein Buch über die grausamen Folgen des amerikanischen Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki verfasste.

    Susanas Fortes Roman „Im Zeichen der Madonna“ ist ein Blick auf eine der spannendsten Epochen im italienischen Florenz der Renaissance.


    Die junge spanische Doktorandin Ana Sotomayor liegt im Endspurt ihrer Forschungsarbeit über den Maler Manzoni, der während der Blütezeit der Renaissance in Florenz lebte und u. a. das berühmte Bild der „Madonna im Schnee“ malte. Während ihrer Recherche stößt sie nicht nur auf einige rare Notizbücher des Malers, von denen drei von zwölf fehlen, sie findet auch Hinweise auf den damaligen Herzog, der die berühmte Händler- und Kunstförderer-Familie der Medici an die konkurrierende Familie der Pazzi verriet und dadurch einem blutigen Anschlag auf die Medici den Weg bereitete. Doch nicht nur Ana interessiert sich für die damaligen Ereignisse, auch der Vatikan hat großes Interesse an ihren Forschungen. Zusammen mit ihrem Doktorvater Giulio Rossi recherchiert Ana weiter – bis beide in eine Kette mysteriöser Unfälle verwickelt werden...


    Mein Fazit:


    Susanas Fortes Roman „Im Zeichen der Madonna“ ist ein Blick auf eine der spannendsten Epochen im italienischen Florenz der Renaissance. Die Familie Medici unter ihrem Oberhaupt Lorenzo bot vielen Baumeistern, Künstlern und Schriftstellern die Möglichkeit, ihrer Berufung nachzugehen. Leonardo Da Vinci, Sandro Botticelli (der die „Geburt der Venus“ aus der Muschel malte), und Michelangelo waren nur einige von ihnen. Fortes beschreibt den Verrat des mächtigen Familienclans durch ein anderes reiches Haus: Die Pazzi standen dem damaligen Pabst Sixtus IV näher und setzten alles daran, um sich der ungeliebten Konkurrenz zu entledigen. Erst 2004 wurde aufdeckt, wer der Drahtzieher hinter einem blutigen Anschlag war.


    Die Autorin wechselt in ihrem Roman behände zwischen den Zeiten hin und her, so dass wir den Gang der historischen Ereignisse und die Recherchen der jungen Doktorandin „live“ mitverfolgen können. Zwar kann Fortes die Spannung ihres Geschichtsthrillers nicht über das gesamte Buch aufrechterhalten, aber ein aufschlussreicher Blick auf eine der eindrucksvollsten Epochen der italienischen Renaissancekultur ist es allemal. Spätsommerliche Lektüre für alle Italien- und Geschichtsfans.

    „Das Haus der Tibeterin“ von Federica de Cesco ist nicht nur eine emotional geschriebene Familiengeschichte, sondern auch ein Blick auf die Situation im Tibet.


    Die junge Dolkar arbeitet in einem renommierten Architekturbüro in Zürich. Über ihre tibetischen Wurzeln und die Geschichte ihrer Familie, insbesondere über deren Flucht aus Tibet, weiß sie fast gar nichts. Ihre Mutter und ihr Onkel, ein buddhistischer Mönch, hüllen sich in Schweigen und zu ihrer Tante, die noch in Tibets Hauptstadt Lhasa wohnt, hat sie keinen Kontakt. Erst als ihr eines Tages ein Blick auf den stets verhüllten und völlig vernarbten Rücken ihrer Mutter gelingt, fängt Dolkar an, Fragen zu stellen. Und so erfährt sie Stück für Stück die bewegende Geschichte ihrer Familie.


    Sie erfährt von ihrer Großmutter, die als Juwelenhändlerin durch Tibet reiste, von ihrem einst reichen Haushalt, von Verfolgung, Misshandlungen und Flucht. Um mehr über ihre eigene Vergangenheit zu erfahren, beschließt Dolkar, selbst nach Lhasa zu reisen.


    Fazit:


    Federica de Cesco hat schon über viele Völker und Kulturen in verschiedenen Staaten geschrieben. Dabei legt sie durch die Wahl ihrer Hauptfiguren immer ein besonderes Augenmerk auf die Situation der Frauen.


    Jetzt ist auch de Cesco auf die allgemeine Tibet-Welle aufgesprungen und legt mit „Das Haus der Tibeterin“ eine bewegende Familiengeschichte über die besondere Situation dieses Landes vor. Dabei stellt sie eine junge Schweitzer Ex-Tibeterin in den Mittelpunkt, die immer mehr über die Geschichte ihrer Familie vor und während der chinesischen Okkupation erfährt. Ihre Heldin rekonstruiert nicht nur das Schicksal ihrer ehemals wohlhabenden Verwandtschaft, sondern auch das einer mit ihr befreundeten Nomadenfamilie. So erfahren wir viel über die Gesellschaft des Landes und die politischen Hintergründe der Okkupation durch das maoistische China am Ende der 1950er Jahre.


    Besonders geht de Cesco auf das rigorose Vorgehen der Chinesen während der Kulturrevolution und auf die „Kampha-Rebellion“ der zur Sesshaftigkeit gezwungenen Nomadenvölker ein. Daneben geht es aber natürlich auch um persönliche Beziehungen, um Verrat, Liebe und Mut. So ist „ Das Haus der Tibeterin“ nicht nur eine emotional geschriebene Familiengeschichte, sondern auch ein historisch wie aktueller Blick auf die Situation im Tibet.

    Hier meine Rezi:


    Alan Bradleys erster Roman „Flavia de Luce – Mord im Gurkenbeet“ ist ein bezaubernder Krimi, der mit viel Witz und Humor angereichert ist. Und nicht erst seit Miss Marple wissen wir, dass auch im beschaulichen Landleben Englands das Verbrechen hinter jeder schönen Gartenmauer lauert. Mit seiner jungen, gewitzt-vorwitzigen Heldin, die auf ihrem Rad „Gladys“ der Polizei immer eine Nasenspitze voraus ist, präsentiert Bradley einen kindlich unbeschwerten All-Age-Krimi, von dem man noch viele weitere Fälle erwarten kann. Miss Marple hat hier eine würdige Nachfolgerin gefunden.


    LG Sisch

    Ein sehr sympathischer Kommissar und ein etwas skurriler Fall machen „Kälteschlaf“ von Arnaldur Indridason zu einem beschaulichen, aber äußerst spannenden Krimispaß gelesen von Walter Kreye


    Es ist nicht viel los in der Reykjavíker Mordkommission, die rund 300.000 Isländer leben meist friedlich zusammen. Deshalb hat Kommissar Erlendur auch Zeit, sich mit einigen „Cold Cases“ zu befassen: dem Verschwinden zweier Jungendlicher vor vielen Jahren und dem Selbstmord der Historikerin Maria X. Marias Freundin Karin glaubt nämlich, dass hinter dem Selbstmord ihrer langjährigen Vertrauten mehr steckt. Und richtig: je tiefer Kommissar Erlendur bohrt, desto mehr gerät Marias Ehemann, der Arzt Balvin in seinen Focus. War es doch Mord? Und was haben die beiden vor Jahren verschwundenen Jugendlichen mit der Sache zu tun?


    Nahtoderfahrungen, ein Medium, das mit Verstorbenen kommuniziert und profane Geldprobleme - das sind die Zutaten, mit denen sich Kommissar Erlendur diesmal auseinandersetzen muss. Mit seiner ruhigen und sehr hartnäckigen Art findet der Kommissar immer wieder Spuren, wo andere schon längst aufgegeben haben. Auch die Nebenhandlung um die beiden seit Jahren verschwunden jungen Leute ist sehr rührend erzählt.


    Fazit: Ein sehr sympathischer Kommissar und ein etwas skurriler Fall machen „Kälteschlaf“ zu einem beschaulichen, aber äußerst spannenden Krimispaß - mit viel Timbre und Inspiration vorgetragen von dem Schauspieler Walter Kreye, TV-bekannt als der neue „Der Alte“-Darsteller.

    In „Stahlhexen“ gelingt es Patrick Lennon, amehrere Handlungsstränge zu einem souveränen und spannenden Krimi zu vereinen.


    Der ehemalige Polizist Tom Fletcher arbeitet als Privatdetektiv im hochwürdigen Cambridge, England. Den Kontakt zu seinem Vater hat er vor fünfzehn Jahren abgebrochen, nachdem seine Mutter spurlos verschwand. Jetzt aber ruft ihn sein Vater an und verlangt etwas völlig Absurdes: Er soll einen alten Bekannten, den Amerikaner Nathan Slade töten. Natürlich steht das für Tom nicht zur Debatte.


    Doch als er am nächsten Morgen auf seiner Joggingtour auf genau diesen Mann trifft, der tot in eine Kiesgrube liegt, fängt Tom an zu ermitteln – zumal sein Vater seit dem mysteriösen Anruf unauffindbar ist und auch von Slades Nachbarin, der Physik-Studentin Daisy, seit Slades Tod jede Spur fehlt. Was genau machte der Amerikaner, der für einen amerikanischen High-Tech-Konzern arbeitete, eigentlich in Cambridge? Und warum interessierte sich die angehende Physikerin Daisy so sehr für „Steel Witches“, also für jene Pin-Ups, die während des 2. Weltkrieges an fast jedem alliierten Jagdflieger klebten? Je weiter Tom bohrt, desto näher führen ihn die Spuren zu seiner eigenen Familie.


    Mein Fazit:


    Geheimprojekte der amerikanischen Luftwaffe während des 2. Weltkrieges, ein tougher Privatdetektiv und die Hexenverfolgung im England des 17. Jahrhunderts - wie passt das alles zusammen? In „Stahlhexen“ gelingt es Patrick Lennon, all diese Handlungsstränge zu einem souveränen und spannenden Krimi zu vereinen. In hohem Tempo erzählt er eine Geschichte, deren Zusammenhänge für uns Leser lange im Dunkeln bleiben. Nach dem Überraschungserfolg „Tod einer Strohpuppe“ legt Lennon hier seinen viel versprechenden zweiten Krimi vor. Bleiben wir gespannt, was noch kommt.

    Hier meine Rezi:
    Mit dem „Wein des KGB“ zeichnet Paul Grote das Bild eines Landes, das erst seit kurzem zur EU gehört und sich offenbar noch immer eher durch Korruption und Armut auszeichnet, als durch erkennbare Reformen. Dabei lässt Grote stets sein enormes Wissen um den Wein einfließen. Dass Rumänien eine lange Tradition von guten Weinen hat, wissen die Wenigsten – das bekannteste Exportprodukt „Schwarze Mädchentraube“ zählt schließlich nicht gerade zu den Top-Weinen. Nach dem Ende des Kommunismus möchte das Weinbusiness an diese in Vergessenheit geratene, große Weintradition anknüpfen. Und hier wird mit harten Bandagen gekämpft; das Hauen und Stechen um die besten Tortenstücke hat längst begonnen.


    Auch wenn Grotes Story manchmal etwas verwirrende Bahnen nimmt, ist „Der Wein des KGB“ ein spannender Krimi, ein kritischer Blick auf den neuen EU-Nachbarn Rumänien und nicht zuletzt ein wahrer Fundus an bestem Wein-Wissen.

    Nichts ist wie es scheint. Unter diesem Motto schreibt die Münchnerin Sandra Herrler ihren Psychothriller „Roter See“.


    Als sich die 35jährige Anja Pfeiffer das Leben nimmt, bricht für ihre Familie eine Welt zusammen. Was ist schief gegangen im Leben der dreifachen Mutter, die in einem vermeintlich idyllischen bayerischen Dorf lebte?


    Ihre Schwester Kerstin zieht, nicht ganz ohne Hintergedanken, beim frisch gewordenen Witwer Christian ein und kümmert sich rührend um die Kinder. Doch irgendetwas ist merkwürdig im Haushalt der Pfeiffers. Immer wieder ertappen sie alle den Vater, wie er Selbstgespräche führt und sich eigenartig verhält. Und seine Ausfälle werden immer extremer und bedrohlicher. Trägt er doch die Schuld an der Verzweifelungstat seiner Frau?


    Mein Fazit:


    Nichts ist wie es scheint. Unter diesem Motto schreibt die Münchnerin Sandra Herrler ihren Psychothriller „Roter See“. Und richtig: aus der scheinbaren Familienidylle wird mehr und mehr ein beklemmendes Horrorszenarium. Dabei schleicht sich das Grauen ganz leise heran, und bevor es bemerkt wird, ist es auch schon zu spät. Leider gelingt es Autorin nicht ganz, diese gruselige Grundspannung durch die ganze, am Ende etwas vorhersehbare Gesichte hindurch aufrecht zu erhalten. Trotzdem: Shining lässt grüßen – hier allerdings ohne Happy End.