Hallo Baumbart,
tröste dich. Bei dem Versuch, die verschiedenen geplanten Heiratsarrangements zu begreifen, rauchten auch schon anderen Leuten die Köpfe. Ich stürzte mich natürlich wie ein Geier darauf und überlegte, wie ich sie am Besten für den Roman verwenden konnte.
Fakt war, dass Maria Theresia, je länger kein Bruder geboren wurde, immer mehr in den Rang der Erbin der Habsburger Besitzungen aufstieg, und damit nahm eine mögliche Heirat eine Dimension an wie selten zuvor bei einer Prinzessin aus einem regierenden Haus, vergleichbar höchstens noch mit der Heirat Bloody Marys, der Schwester Elisabeths I. von England mit Philipp von Spanien.
England und die Niederlande, zu jener Zeit Hauptverbündete Habsburgs, wollten einen zu großen Machtgewinn durch diese Heirat verhindern und ließen auf geheimen dilomatischen Wegen durchsickern, dass sie eine Verbindung Habsburgs mit einem der großen Königreiche Europas wie Spanien, Schweden und Frankreich notfalls mit Waffengewalt bekämpfen würden.
Frankreich hoffte, Maria Theresia im Fall ihrer Thronbesteigung einige Ländereien in Italien abfordern und seine Grenze auf Kosten kleinerer deutscher Staaten weiter nach Osten ausdehnen zu können. Außerdem machte es klar, dass es bei einer Verbindung Habsburgs mit Lothringen, die sich immer mehr abzeichnete, nicht tatenlos zusehen würde. da es ein derart massives Heranrücken der Habsburger Macht an seine Grenzen fürchtete, zumal von Lothringen aus der Weg nach Paris nicht weit war.
Prinz Eugen, der in etwa die Stellung eines Premierministers einnahm, wusste um die Befindlichkeiten der anderen Reiche durchaus Bescheid und strebte eine Heirat für die Erbtocher an, die Habsburgs Stellung im Reich dauerhaft stärken konnte, ohne das fragile Gleichgewicht in Europa zum kippen zu bringen. Für ihn gab es vor allem drei interessante Möglichkeiten, mit Preußen, dessen Hauptteil an das damals noch habsburgische Schlesien grenzte, mit Bayern, den Deutschösterreichern stammesverwandt, dazu ebenfalls erzkatholisch und eine in Prinz Eugens Augen sinnvolle Erweiterung Österreichs nach Nordwesten. Als drittes kam dann noch Sachsen mit dem zum Zeitpunkt von Charlottes Besuch in Wien noch nicht geborenen Erbprinzen Friedrich August von Sachsen, den Sohn der Maria Josepha, das an das habsburgische Königreich Böhmen grenzte.
Den Franzosen wäre keine der drei Möglichkeiten recht gewesen, doch sie besaßen nicht die Macht, sie zu verhindern, zumal England unter der Hand sein Einverständis bekundete und in einem Waffengang auf Habsburgs Seite gekämpft hätte.
Am interessantesten erschien Prinz Eugen die preußische Heirat, da Preußen sich neben Habsburg zur zweitstärksten Macht im Reich entwickelt hatte. Außerdem war der Bayernprinz zehn und der Sachse fünfzehn Jahre jünger als Maria Theresia. Prinz Eugen zog diese beiden denn auch erst nach dem Seitern seiner preußischen Pläne in Erwägung, um die in einen Augen fatale Heirat mit Lothringen zu verhindern. Doch Karl VI. als zärtlicher Vater und Maria Theresia setzten sich im Endeffekt durch und Franz Stephan durfte das Reserl zum Traualtar führen.
Um die preußische Heirat zu verhindern, stellten Frankreich und Spanien die im Roman kurz erwähnte Möglichkeit einer spanischen Heirat in den Raum, für die Karl VI. sich zum Entsetzen Prinz Eugens begeisterte. Erst ein energisches Fingerklopfen Englands und der Niederlande beendeten dieses Zwischenspiel. Die preußische Option war da aber bereits durch den Hochmut der Habsburger Unterhändler, der Einmischung der katholischen Kirche und Maria Theresias Einfluß auf ihren Vater bereits vom Tisch.
Bevor es jedoch zum finalen Kampf um Maria Theresias Erbe kam, musste erst einmal der polnische Erbfolgekrieg ausgefochten werden. Es gelang Österreich zwar, Friedrich August, den Sohn Augusts des Starken als polnischen König durchzusetzen, doch es verlor bereits in diesem Krieg etliche Gebiete an Frankreich und dessen Verbündeten und Franz Stephan durfte sein Herzogtum Lothringen mit der weitaus weniger bedeutenden Toscana vertauschen, die zudem von ihrem letzten Herrscher aus dem Haus Medici bereits vorher testamentarisch an Habsburg vermacht worden war.
Als dann Karl VI. starb, kam für Habsburg zu dem von Prinz Eugen befürchteten Schlimmsten aller Fälle. Frankreich, sowie die sich beleidigt fühlenden Bayern und Preußen erkannten die Erbfolge nicht an und setzten ihre Truppen in Marsch. Das Ergebnis kennen wir ja.
Viele Grüße
Eric