Der neue Mann von Sinela
„Gerda, kommst du mal?“
Die ältere Frau unterbrach das sortieren der Wäsche. Was wollte Hubert denn jetzt schon wieder?
„Was gibt es denn?“
Hubert nahm das Glas, das neben der noch vollen Bierflasche auf dem Tisch stand, in die Hand.
„Kannst du eigentlich gar nichts richtig machen? Das Glas ist nicht sauber, man sieht genau, welches Getränk als letztes daraus getrunken worden ist.“
„Das kann nicht sein, ich habe das Geschirr gründlich abgespült.“
„Das nennst du gründlich? Das ist ja wohl der Witz des Monats, wenn nicht des Jahres. Obwohl, das wäre dann wohl eher der Teppich im Flur, auf dem man überall Dreckkrümel sieht. Oder auch gut im Rennen wäre die Bettwäsche, die du erst gestern aufgezogen hast. Was für Flecken sind das eigentlich?“, fragte Hubert mit einem süffianten Grinsen im Gesicht. „Sieht aus als hättest du dich selbst befriedigt.“
Gerda kamen die Tränen.
„Warum bist du so gemein? Liebst du mich denn gar nicht mehr?“
„Wenn ich ehrlich sein soll – nein! Schau dich doch mal an, du bist eine wandelnde Tonne! Das Schwabbelkinn, die Hängetitten, der überdimensionale Bauch – das törnt einen doch total ab! Wenn es nicht so teuer wäre eine Putzfrau und einen Gärtner zu engagieren, hätte ich dich schon längst abserviert!“
Das war zuviel für Gerda. Sie drehte sich um und rannte aus dem Zimmer. Hubert sah ihr hinterher. Die dumme Nuss würde sich schon wieder einkriegen – so wie immer.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Das hat Hubert wirklich gesagt?“
Gerda nickte nur, spießte ein großes Stück ihrer Schwarzwälder Kirschtorte auf die Kuchengabel und steckte es sich in den Mund.
„Du wirfst den Kerl raus und lässt dich scheiden, das ist ja wohl klar! Mit so einem Drecksack kannst du nicht zusammen bleiben!“
Gerda nahm einen großen Schluck Kaffee, um die Torte hinunterzuspülen. Ihre Freundinnen Cordula und Sabine, mit denen sie sich einmal in der Woche im Cafe Adler traf, waren beide empört über das Verhalten ihres Mannes.
„Scheidung, das sagt sich so leicht. Ich bin mit Hubert jetzt 27 Jahre verheiratet, da geht man nicht so leicht.“
„Es ist doch egal, wie lange man verheiratet ist, wenn sich der Ehemann als kompletter Arsch entpuppt, dann gibt es nur diesen einen Weg!“
„Genau, du brauchst einen Partner, der dich respektiert, der dich so nimmt wie du bist.“
„Eben, du bist eine wundervolle Frau, vergiss das bitte nicht!“
Gerda merkte, wie gut ihrem angeknacksten Selbstbewusstsein diese Worte taten. Vielleicht war es wirklich an der Zeit etwas in ihrem Leben zu ändern.
Sabine und Cordula steckten die Köpfe zusammen.
„Hat dich Gerda auch angerufen?“
„Ja, sie erzählte mir, dass sie Hubert eine Fahrkarte zu seiner Mutter gekauft hat. Endlich hat sie ihn rausgeworfen, sie hat sich viel zu viel von ihm gefallen lassen.“
„Wohl wahr. Aber so war sie schon als Kind, wollte es immer allen recht machen.“
„Mir hat sie erzählt, es gäbe einen neuen Mann an ihrer Seite und sie möchte ihn uns heute vorstellen. Das ging jetzt ganz schön schnell, oder?“
„Ja, ich war auch total geplättet als ich das hörte. So hätte ich Gerda gar nicht eingeschätzt.“
„Wie heißt es so schön: stille Wasser sind tief. Aber es wird ihrem Selbstwertgefühl gut tun, dass … das glaube ich jetzt nicht!“
Sprachlos schaute Cordula die Straße hinauf, woraufhin sich Sabine umdrehte und nicht minder sprachlos Gerda und ihren Begleiter anstarrte, die immer näher kamen.
„Das gibt es doch nicht! Gerdas neuer Mann ist ein Hund!“