Beiträge von SchreibwettbewerbOrg

    Ich habe die eingegangenen Punkte im Punktethread notiert (ohne die Punkte). Wenn eure Bewertung dort nicht auftaucht, bitte hier melden. Kann aber ein paar Tage dauern da ich nicht täglich reinsehe, erst gegen Ende der Abgabephase.

    Der Soundtrack der Hölle

    von Breumel


    Tuuut, tuuut, klick. "Herzlich Willkommen beim Kundenservice der Global-Versicherung. Um sie mit dem richtigen Ansprechpartner verbinden zu können, brauchen wir einige Daten von ihnen. Wenn Sie bereits Kunde sind, drücken sie die eins. Wenn sie …"

    Ich drücke die eins. Es piepst. Dann ertönt eine elektronische Melodie. Vage kommt sie mir bekannt vor. Es klingt nach Mozart – wenn Mozart ein elektronisches Klavier von der Klangqualität eines alten Nokis-Handys gehabt hätte. Die kleine Nachtmusik? Möglich. Als ich den Hörer ein Stück von meinem Ohr weghalte, bricht die Melodie ab.

    "Herzlich Willkommen bei ihrem Kundenservice. Bitte halten sie ihre Kundennummer bereit und tippen sie diese nach dem Signalton über die Zifferntasten ihres Telefons ein, gefolgt von der Rautetaste. Piiiep."

    Darauf bin ich vorbereitet. Ich tippe die Zahlen ein, bei jeder Ziffer ertönt ein Ton. Nach der letzten Ziffer drücke ich auf "#".

    "Vielen Dank. Bitte wählen sie ihr Anliegen. Drücke sie die eins für Fragen zu ihrem Vertrag. Drücken sie die zwei, wenn sie zusätzliche Optionen buchen wollen oder Interesse an weiteren Versicherungsmöglichkeiten haben. Drücken sie die drei für eine Schadensmeldung. Drücken …"

    Ich drücke auf die drei. Piep.

    "Herzlich Willkommen beim Schadensservice der Global-Versicherung. Zurzeit sind alle Leitungen belegt. Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden."

    Die elektronische Melodie ertönt erneut. Ich schalte auf Lautsprecher, wer weiß schon wie lange das dauert. Dann stelle ich ganz schnell das Telefon leiser. Mozart würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was Telefonanlagenhersteller aus seinen Werken von gemacht haben.

    Ich warte.

    Und warte.

    Gerade als ich mir einen Kaffee holen will, bricht das elektronische Gedudel ab.

    "Sehr geehrter Anrufer, bitte legen sie nicht auf. Der nächste freie Anrufer ist sofort für sie da."

    Erneut Mozart im elektronischen Türklingel-Sound. Mein Genervtheitsgrad steigt. Warum muss Warteschleifenmusik immer in Gehörgangsfolter ausarten?

    Dann bricht die "Musik" wieder ab. Es knackst in der Leitung.

    "Angelika Gerber, Schadensannahme, was kann ich für sie tun?"

    Ich stelle den Lautsprecher wieder lauter.

    "Hallo. Wir hatten doch gestern diesen starken Sturm. Ich möchte einen Sturmschaden durch einen umgefallenen Baum melden."

    "Dafür ist die Wohngebäudeversicherung zuständig. Ich verbinde."

    Bevor ich noch etwas sagen kann, ist sie weg und Mozart wieder da.

    Ich überlege, ob es sich lohnt die Lautstärke wieder zu reduzieren. Kurzzeitig überlege ich auch, ob ich das Telefon einfach unter einem Sofakissen begrabe.

    Da ertönt wieder die Ansage: "Herzlich Willkommen beim Schadensservice der Global-Versicherung. Zurzeit sind alle Leitungen belegt. Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden."

    Mozart.

    Ich stelle leiser. Und überlege, einen erneuten Schaden zu verursachen, indem ich das Telefon im Klo versenke. Aber den Unfall würde die Versicherung wohl eher nicht übernehmen. Außerdem müsste ich dazu erneut anrufen.

    "Martin Hasenkamp, Abteilung Wohngebäudeversicherung, was kann ich für sie tun?"

    "Guten Tag. Ich möchte einen Sturmschaden durch einen umgefallenen Baum melden."

    "Was wurde beschädigt?"

    "Unser Gartenzaun."

    Herr Hasenkamp nimmt die Daten auf.

    "Und dann noch die Gartenbank unseres Nachbarn."

    "Dafür ist die Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht zuständig. Ich verbinde."

    Nein. Nicht! Hilfe!!!

    Aber es hilft nichts. Die Warteschleife hat kein Erbarmen mit Mozart oder mir.

    Kurz bevor ich einen Glasbruchversicherungsschaden verursache, indem ich das Telefon durchs Fenster werfe, geht jemand dran.

    "Can Saral, Abteilung Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht, was kann ich für sie tun?"

    Ich gebe die Daten durch.

    "Die Stürme werden in den nächsten Jahren vermutlich zunehmen durch den Klimawandel. Mit einer Elementarschadensversicherung wären sie besser abgesichert. Wenn sie Interesse habe, verbinde ich sie gerne mit einem unserer Kundenberater."

    "NEIN!"

    Dann lege ich auf.


    "Papa, du kommst doch heute Abend zum Konzert der Musikschule?"

    "Klar, Schatz. Was spielt ihr denn?"

    "Mozart. Die kleine Nachtmusik."

    Hast Du Töne?

    von Marlowe


    Wie soll man etwas vermissen, von dessen Existenz man gar nichts weiß? Kar saß Tag und Nacht vor dem Eingang der riesigen Höhle, bewachte das Feuer und hatte ansonsten viel Zeit, seine Umgebung zu beobachten.


    Andere brachten das trockene Feuerholz und von Zeit zu Zeit legte Kar einige der Äste auf das Feuer und beobachtete, wie die Funken, er nannte sie die Kinder des Feuers, mit dem Rauch in den Himmel stiegen. Er hatte alles gut im Blick, das Feuer, die anderen des Clans, den Eingang der Höhle, den Waldrand.


    Seit Got,der Schamane, die Höhle als besonderen Ort der Göttin des Lebens und der Fruchtbarkeit erkannt hatte, wurde viel Zeit in die Gestaltung der Höhle investiert. Riesige Wandmalereien entstanden seitdem und die Bedeutung des Schamanen wurde immer größer. Er genoss diese Anerkennung natürlich, denn nach Wal, dem Anführer des Clans und besten Jäger, war Got nun die unbestrittene Nummer zwei. Er teilte sich mit Wal die Frauen, ohne Murren der anderen, er bekam nach Wal das beste Fleisch der erlegten Tiere und führte das Kommando über die Fackelbauer und die Maler.


    Kar dagegen war zwar unbedeutend, aber sehr zufrieden mit sich und seiner Aufgabe. Ab und zu briet er sich ein paar erlegte Vögel in seinem Feuer, langsam setzte er Fett an, doch den jungen Mädchen gefiel das offenbar und so teilte er gerne das Fleisch mit ihnen und ihm wurde selten langweilig.


    Doch heute war so ein Tag, alle waren unterwegs, er saß alleine am Feuer und spielte mit ein paar weißen Knochen, Reste vergangener Mahlzeiten. Ein langer gerader Knochen hatte es ihm besonders angetan. Er war hohl und Kar schlug mit ihm leicht und gedankenverloren auf einen Stein. Das klang irgendwie anders als alle anderen Geräusche, die er so kannte. Plötzlich bemerkte er, dass sich die Geräusche veränderten.


    Er sah sich den Knochen genauer an. Unwillig stellte er einige Löcher fest, das war ärgerlich, es hatte so hübsch geklungen. Er blies hinein um die Reste zu entfernen und klopfte wieder leicht auf den Stein. Es war nicht so wie vorher, also blies er nochmals kräftig hinein und plötzlich kam ein kräftiges, helles Geräusch aus dem Knochen. Erschrocken sprang er rückwärts und warf ihn ins Gebüsch. Sein Atem ging heftig, so etwas war noch nie passiert.


    Nach einer Weile, in der absolut nichts geschah, wurde er wieder mutig. Er suchte den Knochen, hielt ihn wie vorher und blies diesmal leicht hinein. Da war wieder dieses Geräusch. Er hielt kurz inne und sah sich um. Doch nichts passierte. Er versuchte es wieder und wieder, verdeckte dabei die Löcher abwechselnd und die Geräusche veränderten sich immer wieder. Das machte Spaß und so blies Kar immer wieder hinein und probierte alles mögliche aus.


    Dabei bemerkte er nicht, dass fast der gesamte Clan inzwischen zurück war und wie ihn alle fassungslos, einige nur erschrocken oder sogar ehrfürchtig anstarrten. Bis Got aus der Höhle herausstürmte, ihm den Knochen aus den Händen riss und Kar mit einem Tritt ins Feuer beförderte.


    Kar schrie vor Schmerzen, doch Got war wie von Sinnen und tötete Kar mit einem schweren Schlag eines Steines. Dann nahm er den Knochen und erklärte den Clanleuten, die Göttin hätte ihn dazu aufgefordert, Kar daran zu hindern, er erfand in aller Schnelle das Wort, Töne zu machen. Das wäre den Schamanen vorbehalten. Dann stolzierte er in die Höhle zurück wo er nächtelang übte, aber er hatte kein gutes Gehör dafür.


    Mit der Zeit lockerten die Götter deshalb angeblich die Regeln und Knochenblasen wurde nun auch anderen erlaubt. Kar, das erste Opfer der Töne, wurde vergessen, aber sein Erbe blieb: Musik.

    Mit Musik geht alles besser

    von Sinela


    Magdalena Meyer ging auf ihren Balkon. Der Himmel war strahlendblau und es war angenehm warm für Anfang April, aber es waren kaum Menschen unterwegs. Die Busse, die an ihrem Haus vorbeifuhren, kamen nur noch jede halbe Stunde und nicht wie sonst alle 15 Minuten. Büchereien waren geschlossen, Hallenbäder, viele Läden, Gaststätten und Bars ebenso; sogar Schulen und Kindergärten waren zu, viele Menschen in Kurzareit oder im Home Office. Man durfte seine Angehörigen in den Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern nicht mehr besuchen. Kontakte aufrechterhalten ging nur noch per Telefon; gut, man konnte sich draußen noch mit einer Person treffen, aber nur auf Abstand, die Hand geben oder den anderen gar umarmen durfte man nicht. Auf so vieles musste man im Augenblick verzichten und keiner wusste, wie lange dieser Zustand noch anhalten würde. Magdalena seufzte. Und das alles wegen Corinna. Die junge Frau lachte laut. Wer um Gottes willen nannte einen Virus Corinna? Sie grinste. Wahrscheinlich war das der Name der Exfrau des Mannes, der diesen Erreger zum ersten Mal im menschlichen Körper nachgewiesen hatte. Aber egal, warum und weshalb und überhaupt – sie wollte, dass das Ding wieder verschwand, und zwar sofort! Sie wollte ihr Leben zurück haben!


    „Es ist einfach alles furchtbar deprimierend. Am meisten fehlt mir allerdings das Singen im Chor.“

    „Du kannst doch jederzeit singen, sei es in deiner Wohnung oder hier im Park.“

    Magdalena schaute ihre Freundin Marie, die mit ihr auf einer Bank im Grünen saß, an.

    „Klar könnte ich das, aber es ist einfach nicht das Gleiche, als würde ich zusammen mit anderen Menschen singen.“

    „Dann mach das doch einfach!“

    „Spinnst du, wie soll das denn gehen? Draußen darf ich mich nur mit einer weiteren Person treffen und in meine Wohnung möchte ich niemanden einladen, das ist mir zu riskant.“

    „Das kann ich nachvollziehen“, antwortete Marie. „Aber ich habe eine Idee. Wie wäre es denn, wenn die Leute auf ihre Balkone gehen und ihr dann zusammen was singt?“

    „Ich weiß nicht, ob sich die Menschen das trauen würden.“

    „Versuch macht klug, wie es so schön heißt.“ Marie stand auf. „Los komm, wir gehen ein Stück und überlegen uns, wie man so eine Singstunde auf die Beine stellen könnte.“


    Magdalenas Herz raste, ihr Atem flog, und sie schwitzte. Gleich sollte zum ersten Mal die abendliche Singstunde stattfinden, für die sie im Internet und auf Plakaten in den Supermärkten geworben hatte. Hoffentlich wurde das kein Reinfall! Die nahe Kirchturmuhr schlug Sieben und kaum war der letzte Glockenschlag verklungen, hörte sie es – da sang jemand auf dem Balkon unter ihr! Nun gab es auch für Magdalena kein Halten mehr, laut erklang ihre Sopranstimme und vermischte sich mit den Alt-, Bass- und Tenorstimmen, die von den Balkonen ringsherum erklangen, und die Luft mit Tönen erfüllten. Magdalena war überglücklich, wie schön das war, wieder mit anderen zusammen zu singen!


    „Frau Meyer, das war gestern wieder wunderschön!“

    „Das kann ich nur unterschreiben, ich freue mich schon auf heute Abend!“

    „Wollen Sie nicht mal ´Geh aus mein Herz und suche Freud´ singen? Ich mag dieses Lied so sehr.“

    Magdalena wusste gar nicht wie ihr geschah, als sie durch den Supermarkt ging. Sie kam keine zwei Meter weit, ohne dass sie auf die abendliche Singstunde angesprochen wurde. So ging das schon seit ihre Nachbarn und sie zusammen sangen, also seit einer Woche. Und jetzt hatte sogar eine Zeitung angefragt, weil sie einen Artikel darüber schreiben wollten. Wahnsinn! Sie hätte nie gedacht, dass so viele Menschen sich über das gemeinsame Singen freuen würden. Mit Musik geht halt doch alles besser.

    Banausenpausen

    von Inkslinger


    Seit über zehn Minuten starre ich schon auf das hässliche PVC. Warum hört der Typ nicht endlich auf zu labern?

    Eigentlich sollte ich zuhören, was er da so von sich gibt, aber ich schaffe es nicht.

    Es ist bereits das vierte Mal, dass Herr Schröder mich belehrt und so langsam kenne ich den Text auswendig.

    „Nachbarn beschweren sich... Blabla... Sie können nicht mitten in der Nacht Krach machen... Blabla... Anständiges Miteinander... Blabla...“

    Endlich stoppt sein Redefluss und ich schaue vom Hausflurbelag auf. „Ich weiß, Herr Schröder. Es tut mir auch leid, aber es ist nicht meine Schuld. Mit meinem Beruf kommen viele Leute nicht klar. Ich als Musiker lebe die Kunst, egal, wann sie zu mir kommt. Auch um 4 Uhr früh. Die Musen, Herr Schröder, die Musen!“

    Herr Schröder starrt mich an, als hätte ich sein Meerschweinchen gefressen. „22 bis 7 Uhr ist Nachtruhe, Herr Eck. Das war ihre letzte Verwarnung. Wenn das noch einmal passiert, muss ich Ihnen leider kündigen.“ Er rauscht ab und ich schließe meine Wohnungstür.

    Diese morgendlichen Störaktionen immer! Wie soll ich bei all den Unterbrechungen je mit meinem Opus fertig werden?


    Meine Nachbarn sind echt das Letzte. Einundzwanzig Parteien leben in diesem Haus und jeder einzelne reizt mich bis aufs Blut!

    Beschwere ich mich je über ihre Kinder, die den ganzen Tag draußen im Hof lärmen? Oder ihre dummen Köter, die die Welt mit ihren Hinterlassenschaften beschmutzen, die ihre Herrchen zu dekorativ finden um sie zu entsorgen? Nein!

    Denn im Gegensatz zu diesen Banausen habe ich Anstand. Ich nehme jeden Menschen so, wie er ist.

    Na ja, außer die, die unter meiner Würde sind. Arbeitslose Penner, dreckige Arbeiter und überhebliche Angestellte zum Beispiel. Die könnten ruhig etwas an sich ändern. Und natürlich diese lästigen Teenies, die überall rum gammeln und mich in unbekannter Sprache anlallen.


    Ich setze mich an meine Notenblätter und suche die Stelle in meiner Komposition, an der ich vor der Interruption hängengeblieben war. Das Papier raschelt zwischen meinen Fingern und ich versinke in meinem Werk. Note nach Note summe ich an, korrigiere hier, streiche dort. Ich kann die Musik förmlich in der Luft spüren. Die Fliegen surren zum Rhythmus und machen Liebe zu dem Zauber, der durch die Stube hallt.

    Nach sechs Stunden Überarbeitung, ist es geschafft. Ich lasse mich am Klavier nieder und haue in die Tasten. Jeder Ton eine Wonne, nur der passende Text fehlt mir noch.


    Drei Wochen und zwei Verwarnungen des Vermieters später ist es endlich soweit. Ich habe mein Lied vollendet. Flux sende ich es an meinen Agenten. Dieser zeigt sich hellauf begeistert und versichert mir, es wie einen Schatz zu hüten und glühend beim Kunden anzupreisen.

    Kurze Zeit darauf höre ich es im Radio. Nie ist mir so etwas Herrliches widerfahren. Lediglich der Text wurde etwas verändert. Doch solche Kompromisse muss jeder Künstler eingehen um groß raus zu kommen.

    Ich drehe die Lautstärke voll auf und aus den Lautsprechern schallt es:


    Surrmanns Sauerkraut

    Schnapp dir eine Wurst und kraul' das Kraut

    Sonst ist es weg und dein Tag versaut!