Beiträge von SchreibwettbewerbOrg

    St. Maria del Mar

    polli


    Die abgegriffene Ansichtskarte zeigte ein weißes Kirchlein hoch über dem Fischerdorf mit seinem Hafen und dem tiefblauen Meer. St. Maria del Mar. Dort wohnt die Heilige Muttergottes, die, die den Schmerz kennt und das stumme Flehen erhört. Jeden Tag betete Minchen zu ihr, erschöpft und mit Tränen in den Augen, wenn sie ihre Arbeit zu langsam verrichtet hatte und Vaters zornige Worte nachhallten. Und immer nagte ein Zweifel: Maria ist so weit weg. Hört sie mich überhaupt? Wie will sie es aus der Ferne anstellen, dass der Vater nicht mehr so schrecklich streng ist?


    Der Witwer Karl führte ein angenehmes Leben. Nach dem Kirchgang folgte der Frühschoppen, später das sonntägliche Mittagsmahl und zu guter Letzt ein Schläfchen auf dem Sofa, bis es Zeit wurde für zwei, drei Stücke Kuchen zum Bohnenkaffee. Seine Tochter Minchen war eine gute Köchin und eine noch bessere Kuchenbäckerin geworden, das erfüllte ihn mit großer Zufriedenheit, auch wenn sie sich oft störrisch zeigte und immerzu zum Arbeiten auf dem Hof angehalten werden musste.


    Das Leben hätte durchaus so weitergehen können, wenn nicht eines Tages ein unbekannter Schmerz seine Eingeweide durchzogen hätte. Wie er sich auch drehte und wendete, der Schmerz ließ nicht nach. „Minchen, die Wärmeflasche und eine Kanne Kamillentee, schnell!“, verlangte er. „Wo steckst du denn, du dummes Ding? Faulheit ist eine Sünde, das weißt du genau!“

    Noch bevor Minchen gehorchen konnte, vernahm sie eine Stimme vor dem Haus. „Karl, bist du von Sinnen? Was schreist du so laut, dass ich es auf meinem Wege hören kann?“ Es war Tante Grete.

    „Du sollst deinem Kind keine Angst machen! Sieh zu, dass du auf die Beine kommst, ehe du vor lauter Essen und Nichtstun so gemästet bist, dass du eines Tages platzt wie ein Ballon!“

    Grete war die einzige Person im Dorf, die so mit Karl schimpfen durfte, alle anderen hätte er zum Teufel gewünscht. Er setzte gerade zu einer zornigen Erwiderung an, als ihn ein neuer Schmerz durchfuhr. „Hilf mir lieber, anstatt mir Vorhaltungen zu machen, und schaff mir Minchen herbei!“

    Diese war in ihrer Kammer und beschwor Maria: „Bitte, lass Vater gesunden, dann kann er wieder wie früher seine Arbeit verrichten. Und bitte, Heilige Maria del Mar: Ich wäre gern so nah bei dir, dass du mich hören kannst. Ich möchte zu dir ans Meer.“

    Sie hatte in ihrer Not laut gebetet und die letzten Worte hatte Tante Grete gehört.

    „Du willst jemanden besuchen?“, fragte sie freundlich.

    Minchen zögerte, dann erzählte sie von der Heiligen Muttergottes, die im Fischerdorf zu Hause war und in einer weißen Kirche wohnte.

    „Du meinst also, eine Art Wallfahrt zu deiner Maria del Mar könnte deinen Vater heilen und dir helfen?“

    „Aber ich bin doch gar nicht krank. Maria soll nur bitteschön dem Vater helfen,“ sagte sie bescheiden.

    „Dann will ich mit deinem Vater reden und dafür sorgen, dass sich dein Wunsch erfüllt.“


    Am nächsten Tag verließ Minchen an der Seite ihrer Tante ihr Heimatdorf. Karl tobte so lange, bis er hungrig wurde, dann erhob er sich ächzend vom Sofa und schlurfte in die Küche.

    Drei Wochen später übergab ihm der Briefträger eine Postkarte. „Lieber Vater! Wir sind jeden Morgen in der Kirche der Heiligen Maria del Mar und beten für dich. Wir gehen immer am Strand spazieren und der Kuchenbäcker am Hafen hat gesagt, dass ich bei ihm aushelfen darf. Er gibt mir richtig viel Geld und wir können noch hierbleiben. Freust du dich? Bist du schon ein bisschen gesünder geworden? Tante Grete lässt schön grüßen. Dein Minchen.“

    Karl fluchte und zerriss die Karte in kleine Fetzen.

    Offline oder Enjoy your time and relax

    Lese-rina


    Wasser. Wasser, soweit das Auge reicht. Selbstverständlich auf einer Insel, aber Irene ging es trotzdem auf die Nerven. Wütend stapfte sie den Strand entlang. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, vier Wochen Urlaub auf einer „Robinson-Insel“ zu buchen? Ja, sie wollte ganz in Ruhe und ungestört an ihren nächsten Jobprojekten arbeiten. Doch wer hätte gedacht, dass man den Werbeslogan so wörtlich nehmen sollte? Irenes ursprüngliche Bedenken hatten sich schnell zerstreut. Das Domizil war perfekt: der Stand schöner als auf jedem Foto, das Wasser glasklar und die gesamte Anlage sehr gepflegt und großzügig angelegt. Doch was nützte die ganze Pracht, wenn es keine Internetverbindung und noch nicht mal Handyempfang gab, um die Bilder auf Insta und Co zu präsentieren? Und zudem gab es nicht mal Adapter für europäische Stecker! Nachdem sie gestern verzweifelt die ganze Insel abgelaufen war, um zumindest einen Strich Netz zu erwischen, war ihr Smartphone jetzt tot. Mit großer Wucht schleuderte Irene einen Stein ins aufgeschäumte Wasser. Auf ihre immer verzweifelteren Fragen an der Rezeption, wie sie denn Kontakt halten solle, hatten die Mitarbeiter nur immer wieder freundlich lächelnd auf das Festnetztelefon in der Lobby verwiesen. Und das, obwohl die Anlage ansonsten auf den neuesten Stand war.


    Nicht mal in ihrem schlimmsten Albtraum wäre Irene auf solche eine Idee gekommen. „Enjoy your time and relax“, hatte ihr die herbeigerufene Ressortmanagerin freundlich lächelnd geraten. Irene schnaubte. Den Aufenthalt genießen? Wie denn, wenn sich alle ihre Pläne vom entspannten Arbeiten mit einem Cocktail am Strand in Luft auflösten? Was sollte sie jetzt vier Wochen auf der gottverlassenen Insel anfangen? Paradiesisch und entspannend war es, doch warum hatte keine der Internetbewertungen die fehlende Verbindung zu Außenwelt erwähnt?


    Irene seufzte tief. Natürlich wollte sie unter diesen Umständen sofort abreisen, doch auf ihre Bitte nach einem Rücktransport erntete sie ratlose Blicke der Rezeptionisten. Die Fährverbindung zum Festland verkehre nur einmal monatlich und eine andere Verbindung gab es nicht. Auf ihr fassungsloses Erstarren fügten sie hinzu, medizinische Notfälle würden „selbstverständlich“ mit dem Rettungshubschrauber abgeholt. Jetzt wunderte sich Irene nicht mehr über den großen Tumult und die Feierstimmung beim Ankunft ihrer Fähre. Und wieder „Enjoy your time and relax!“ aus freundlich lächelnden Gesichtern.


    Nach zu vielen, zugegeben ausgezeichneten Cocktails, einer schlaflose Nacht und Kopfschmerzen weckte der Strandspaziergang zumindest etwas ihre Lebensgeister. Jetzt war es Zeit für den Zeichenkurs, zu dem sich Irene in ihrer Verzweiflung heute Morgen angemeldet hatte. Zeichnen war in ihrer Jugend eine große Leidenschaft, auch wenn im Berufsleben keine Zeit mehr dafür blieb.


    Die Meeresstimmung einzufangen war das heutige Thema, wie Kursleiterin Shoana, natürlich freundlich lächelnd, erklärte. „Hallo, so ein Zufall“, quatschte sie ihr Nachbar zur Rechten begeistert an. Irene brauchte ein paar Sekunden, bis ihr einfiel, dass er ihr schon beim Einchecken am Münchner Flughafen ein Lächeln geschenkt hatte. Damals konnte sie noch zurücklächeln, jetzt brachte sie nur ein mürrisches „Hi“ hervor und widmete sich lieber ihrer Leinwand. Am liebsten würde Irene ihre Stimmung in Grau- und Schwarztönen wiedergeben, aber schließlich entschied sie sich doch für eine naturalistische Meeresdarstellung. Gar nicht so einfach, denn bei jedem Hinsehen entdeckte Irene neue Farbnuancen. Irene mischte, probierte, verwarf, mischte hinzu, mischte neu, überprüfte und erst als sie wirklich mit jedem Farbton zufrieden war, versuchte sie die Wasseroberfläche einzufangen. Völlig versunken vergas sie nicht nur ihren Ärger, sondern auch die Zeit. Erst als sie Shoana leise ansprach und an „time for lunch“ erinnerte, sah Irene auf. Nun bemerkte Irene, dass außer ihr nur noch ihr Nachbar an der Leinwand arbeitete. Als sich nun ihre Blicke trafen, begann sich ganz unwillkürlich auch auf Irenes Gesicht ein kleines Lächeln auszubreiten.

    Mit allen Sinnen

    Breumel


    'Dieses Arschloch!' Sie kochte immer noch. Was hatte er zu ihr gesagt? "Du und dein Selbstbewusstsein!" 'Ja danke, ich habe wenigstens welches! Wenn du damit nicht klarkommst, ist das doch nicht mein Problem! Aber dein Püppchen vom Empfang wird dir damit schon nicht das Ego ankratzen. Die himmelt dich blos an und springt, wenn du "Hüpf" sagst!' Ihre Finger umklammerten das Lenkrad fester. Nachdem er ihr eröffnet hatte, dass er sich seit einem Monat heimlich mit der kleinen Blonden vom Empfang traf, die ihn jeden Morgen schmachtend anlächelte, hatte sie eine Auszeit gebraucht. Spontan hatte sie ihren Chef um ein paar freie Tage gebeten, und jetzt saß sie in ihrem Auto und fuhr Richtung Nordsee. Um diese Jahreszeit hatte sie auch kurzfristig ein hübsches Appartement mit Blick aufs Meer buchen können.


    Jetzt war es nicht mehr weit. Freie Autobahn und trockenes Wetter, sie konnte entspannt Tempo 160 fahren. Hier im Norden gab es keine Steigungen oder engen Kurven, auf dem flachen Land an der Küste, wo der Blick weit über die Felder schweifte und das Fahrradfahren nur durch den Wind erschwert wurde. Mit jedem Kilometer ließ ihre Wut ein wenig nach.


    Im Augenwinkel bemerkte sie eine Bewegung. Möwen! Sie liebte Möwen. Wo Möwen waren, war das Meer nicht mehr weit. Ihre Schreie gehörten zum Klang des Meeres wie das Rauschen der Wellen und das metallische Pling der Wanten im Hafen bei Wind. Und Wind gab es eigentlich immer. Regen auch, aber den vertrieben die Wolken schnell wieder. Sie war auf alles vorbereitet. Reichlich warme Kleidung, dazu Regenjacke, Kuschelsachen und Bücher. In eine Decke gehüllt auf dem Balkon sitzen, ein Buch lesen und ab und an auf's Meer hinausblicken. Dazu brauchte sie keinen Mann.


    Da war ihre Ausfahrt. 'Endlich. Mir tut schon der Hintern weh. Warum baut BMW auch so schmale Sitze? Gibt schließlich nicht nur Modelfiguren! Und was stinkt hier so?' Die Antwort gab die schwarze Rußwolke am Auspuff ihres Vordermanns. Sie überholte zügig und ließ das Fenster herunter. Tief atmete sie die frische Luft ein. Man konnte es schon riechen! Diese unvergleichliche Mischung aus Salz, Seetang und nassem Sand. Fast da!


    Dann sah sie das Schild und bog auf den Parkplatz. Das Haus lag direkt am Deich, so dass die oberen Stockwerke darüber schauen konnten. Hören konnte sie die Wellen bereits, und wenn sie mit der Zunge über die Lippen fuhr schmeckte sie Salz. Nichts schmeckte in diesem Moment besser. Nun gut, bis auf den frischen Matjes den sie sich nachher gönnen würde. Oder doch Scholle mit Nordseekrabben? Auf jeden Fall mit Bratkartoffeln.


    Mit ihrem Koffer ging sie zur Rezeption. Alles war maritim mit Fischernetzen, Muscheln, Leuchttürmen, Seehunden und Schiffsmodellen dekoriert.

    "Moin! Neumann, ich habe reserviert."

    "Moin moin! Einen Moment – da haben wir sie ja. Appartement 21, gleich links und dann die Treppe oder den Aufzug in den zweiten Stock. Möchten Sie heute Abend in unserem Restaurant essen? Dann könnte ich ihnen gleich einen Tisch reservieren."

    "Ja gerne. Auf 19 Uhr bitte."

    "Sehr gern."

    "Danke!"

    Mit dem Schlüssel in der Hand ging sie in die genannte Richtung. Appartement 21, hier war sie richtig. Sie schloss die Türe auf und legte den Koffer auf die Ablage. Dann trat sie zur Balkontüre und zog die Vorhänge auf. Da war es – das Meer! Sie trat auf den Balkon, atmete die würzige kühle Luft, das Geräusch der Wellen umfing sie, sie schmeckte das Salz auf den Lippen, betrachtete die Wellen und fühlte den feinen Sand der sich auf dem Geländer abgelegt hatte. Alles andere war plötzlich egal. Sie war am Meer.

    Mer de Noms

    Inkslinger


    Tagsüber bemerke ich es nicht. Doch es ist immer da.

    Wenn ich im Bett liege, kurz bevor mein Bewusstsein sich ausknipst, höre ich es.

    Das Meer der Namen.

    Das Geräusch, wenn die Wellen an den Felsen zerschellen, zieht mich in seinen Bann. Obwohl ich eher der Wald- und Süßwassertyp bin, lockt es mich zu sich.

    Alle Namen, die ich bisher getragen habe, landen in diesem Meer. »Tochter« und »Schwester« waren die ersten von vielen.

    Die Abendsonne färbt es rosa und spielt neckisch mit den Schaumkronen. Die Wellen lecken am Sandstrand und ziehen sich dann wieder zurück. Unbeständig und kraftvoll.

    Meine nackten Füße gleiten über die Muscheln aus Buchstaben. So viele Es und Rs. An manchen Stellen werden ganze Wörter angespült.

    Freundin. Geliebte. Nervensäge.

    Von jeder meiner multiplen Persönlichkeiten ist etwas dabei.

    Vorsichtig hebe ich sie auf und werfe sie zurück ins Meer.

    Taugenichts. Versager. Platzverschwendung.

    Oh, die sind hartnäckig. Die sind nämlich von mir selbst. Die tauchen immer wieder auf. Besonders an farblosen und aufwühlenden Tagen. Aber heute bin ich vorbereitet.

    Ich krame Steine und Garn hervor und wickle beides um die Nervtöter. Mit einem lauten Platschen landen sie im Wasser und gehen unter. So schnell sehe ich die nicht wieder.

    Ich gehe weiter und finde den Namen, den ich früher am meisten gefürchtet habe.

    Monster.

    Jeder ist jemandes Monster. Egal, ob bewusst oder nicht. Auch der freundlichste Mensch. Das habe ich mittlerweile akzeptiert. Ich hoffe nur, dass ich eher wie Nessie für meinen Jemand bin. Friedfertig und nur einmal in hundert Jahren gesichtet.


    Meistens können wir uns aussuchen, wie viel Platz unsere Mitmenschen auf den Seiten unserer Lebensgeschichte einnehmen. Manchmal auch nicht.

    Ob nun ein Halbsatz, ein paar Zeilen, eine handvoll Seiten oder mehrere Kapitel. Wichtig ist, was wir uns für Namen geben und wie wir sie gewichten.

    Im Meer der Namen ist genug Platz und es gibt kein Gewichtslimit.

    Wenn uns einer besonders gut gefällt, können wir ihn angeln und in ein Goldfischglas stecken um uns daran zu erfreuen.

    Bei mir ist es heute »Mein Stück Glück«.

    Fridolins Abenteuer

    Johanna


    Fridolin war neugierig und obendrein recht frech und hatte oft einfach keine Lust in der Formation zu bleiben.

    Zwar wußte er, dass das dringend notwendig war, da es so wesentlicher sicherer für die Gemeinschaft war und die großen Fische sich nicht so einfach herantrauten.

    Trotzdem, Fridolin wollte so gerne viel mehr von dieser Welt sehen.

    Leider passte seine Mutter immer viel zu gut auf, dass er ja nicht abhanden kam.


    Eines Tages, als ihm wieder einmal so richtig langweilig war, entstand ein kleiner Tumult im Schwarm durch zwei alte dickbäuchige Fische, die es nicht für nötig hielten, sich hinten im Schwarm zu halten und rücksichtlos nach vorne durch die Menge preschten.


    Fridolin sah sich um, sah, dass seine Mutter empört mit ihrer Freundin auf die „ollen Kerle“ schimpfte.

    Flugs nahm er seine Chance wahr und schlüpfte rasch aus dem Schwarm und schwamm so schnell er konnte davon.


    Er jubelte innerlich. Endlich! Endlich konnte er mehr von seiner Umgebung erkunden.

    Begeistert sah er sich um, entdeckte große, sich leicht bewegende Algen, lustige Tiere mit vielen Armen und entdeckte viele andere Fische.


    Plötzlich hüpfte etwas vor ihm auf und ab. Fasziniert begutachtete er das merkwürdige Tierchen.

    „Was bist Du denn?“ traute er sich zu fragen.

    „Das weißt Du nicht?“ antwortete das kleine hüpfende Wesen. „Ich bin Senara, ein Seepferdchen. Ich mache ein wenig Gymnastik, weil mir langweilig ist. Und wer bist Du?“

    „Fridolin bin ich und ich möchte endlich einmal mehr von unserer Welt kennenlernen und ein tolles Abenteuer erleben. Mir ist nämlich auch so oft langweilig.“


    „Das klingt spannend“, meinte Senara „nimmst Du mich mit?“

    „Klar, zu zweit macht es gleich doppelt soviel Spaß“ freute sich Fridolin.

    Schon schwammen und hüpften sie gemeinsam los.

    Vor einem roten, hübschen Gebilde hielten sie an und bestaunten die wunderschönen, funkelnden, sich bewegenden Arme.


    „Das sind Korallen“, sagte Senara. „Mit die schönsten Tiere in unserer Welt“.

    „Die sind wirklich einmalig schön.“ staunte Fridolin:„Da kann man sich ja gar nicht satt sehen.“


    Noch versunken in den Anblick der Korallen, verdunkelte es sich auf einmal über ihnen.

    Das Wasser schien in Bewegung und beide hatten das Gefühl von den Korallen weg, immer höher zu schweben.

    Eine Art Netz war um sie herum und noch immer ging es höher und höher bis sie auf einmal zwei riesige runde Augen erblicken, die sie neugierig beäugten.

    Sie schnappten nach Luft und hörten eine laute Stimme vor sich hallen.

    „Guck mal, Papa, was ich mit meinem Kecher gefangen habe. Ein süßes Seepferdchen und einen hübschen, bunten, kleinen Fisch.“

    Eine noch lauter dröhnende Stimme erklang:“ Die sind ja beide noch ganz klein, die mußt Du wieder zurück setzen, Elisa, die müssen noch wachsen.“

    „Och schade, die hätte ich gerne behalten. Aber, na gut, dann laß ich sie wieder ins Wasser. Macht’s gut, ihr beiden.“


    Endlich bekamen Fridolin und Senara wieder Luft und befanden sich zurück im Wasser.

    Eilig schwammen sie davon. „Puh, das war aber knapp“, meinte Fridolin, noch ganz unter Schock.

    „Ich glaub, ich will wieder nach Hause.“

    „Ja, ich auch, hier ist es mir viel zu gefährlich.“ piepste Senara.

    Daraufhin machten sie sich daran, schnell zurückzuschwimmen bis sie endlich Fridolins Schwarm vor sich entdeckten.


    „Das nächste Abenteuer gehen wir dann aber lieber doch ein wenig vorsichtiger an“, sagte Senara. “Da zeige ich Dir erst mal meine Freunde die Muscheln. Die werden Dir auch gefallen und mit denen kann man richtig viel Spaß haben.“


    Mit dieser schönen Aussicht verabschiedete sich Fridolin von Senara und freute sich auf ihr nächstes gemeinsames Abenteuer.

    Die letzte Handlung

    Voltaire


    Das Schiff wiegte sich leicht in der sanften Dünung. Es waren höchstens zehn Menschen an Bord. Ihre Gesichter waren ernst und verschlossen.

    Es gibt eben schönere Momente. Momente voller Freude, Hoffnung und Optimismus.

    Und dieser Moment würde aus diesem Raster fallen. Tragik, Kummer und Schmerz waren seine Vornamen. Vornamen die die jetzigen Namen gnadenlos verdrängt hatten.


    Die Menschengruppe näherte sich langsam der Reling. Ein kaum spürbarer Wind kam von Lee.

    Einer der Besucher öffnete die silberne Urne. Nun würde die Asche ins Meer gestreut werden. Ein feierlicher wenn auch trauriger und beklemmender Augenblick.

    Einige konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, andere versuchten mit versteinerten Gesichtern ihre Träne zu unterdrücken.


    Dann war es soweit, die Asche wurde ins Meer gestreut. Das Meer schickte eine besondere Welle, wenigstens hatte es so den Anschein. Aber es war wohl nur eine Täuschung, gewollt in diesem Augenblick.


    Nun war auch meine letzte Tat getan. Ich verband mich mit dem Meer und wurde eins mit ihm. Es war so wie ich es gewünscht hatte. Keine Pflichten mehr, keine Jagd nach allem und jedem mehr – jetzt nur noch Gedanken in die Unendlichkeit gedacht. Gedanken die mir ganz allein gehörten.


    Und nun wusste ich auch wie es war, wenn das eigene Sein in das ganze Sein wechselte. Denn alles ist das Sein, das Sein vor der Geburt, das Sein während des Lebens und das Sein wenn scheinbar alles vorbei ist. Man kehrt dann einfach zurück, dahin wo alles begann.

    Die Flaschenpost

    Iszlá


    Das Papier ist vergilbt, die Glasflasche staubig. In der Öffnung steckt ein kleiner Stein, der das Behältnis nicht vollständig verschließen kann.

    Ich leuchte noch einmal mit meiner Taschenlampe in den kleinen, herzförmigen Spalt im Fels, doch dort ist nichts mehr.

    Mit der Glasflasche kehre ich zu meinem Badetuch zurück. Ich lasse meinen Blick über den gefühlt endlosen und im Sonnenlicht glitzernden Atlantik schweifen und grabe meine Zehen in den warmen Sand Madeiras, überlege, wie ich an das Papier herankomme, ohne die Glasflasche zu zerschlagen. Schließlich versuche ich es, indem ich das Steinchen weiter hineinschiebe. Ein leises Klirren verrät meinen Erfolg.

    Das Papier kann ich mühelos herausschütteln. Neugierig fange ich an zu lesen.


    „Wir grüßen euch, Leserinnen und Leser dieser Botschaft!


    Unsere Hoffnung auf eine Rettung schwindet jeden Tag mehr. Unsere Nahrungsmittelvorräte sind aufgebraucht; selbst unser Wasser geht zur Neige. Es gibt nichts, was unseren Tod noch aufhalten kann.

    Seit Monaten verharren wir an diesem Ort, der unter der glühenden Sonne Stück für Stück verbrennt. Längst sind wir allein, denn die Tiere haben das Weite gesucht, sofern es ihnen möglich gewesen ist.

    Wir nutzen unsere verbleibenden Kräfte – unwissend, wie lange sie uns noch bleiben –, um diese letzte Nachricht in die Welt zu senden:

    Verlasst eure gewohnten Pfade, besinnt euch auf eure Wurzeln! Euch steht wenig Zeit zur Verfügung, doch noch ist es nicht zu spät! Aber ihr müsst jetzt, in diesem Augenblick, in dem ihr diese Botschaft lest, handeln!

    Unsere Vorfahren haben es nicht getan. Und auch wir haben nicht reagiert.

    Nun verweilen wir an diesem Ort. Hunderte Kilometer trennen uns von der afrikanischen Westküste, ein gewaltiges, tödliches Meer aus Sand, Staub und Stein. Nichts, was uns vor der immerwährenden Hitze schützt, uns am Leben erhält.

    Hätten unsere Vorfahren gewusst, was uns eines Tages erwartet, dann hätten sie unverzüglich gehandelt. Heute seid ihr am Zuge.

    Sagt nicht, dass ihr es nicht gewusst habt. Das Wissen um eure Zukunft haltet ihr in euren Händen.

    Wir begeben uns zur Ruhe, sobald wir diese Botschaft dem heiligen Ort übergeben haben. Wir wissen nicht, ob sie euch jemals erreicht.

    Aber wenn sie euch erreicht, werft sie nicht leichtsinnig weg. Sie wird euch – und euren Nachfahren – das Leben retten.


    Mit einem letzten erschöpften Gruß


    Alexander


    Madeira, im August 2187“

    Der alte Mann, das Meer und das Schicksal

    Marlowe


    Omuha fuhr mal wieder mit seinem klapprigen Segelboot hinaus auf das Meer. Die Kinder am Strand winkten ihm nach und riefen freche Sprüche. Aber Omuha war stur, er glaubte an die alten Legenden, dort draußen war der versunkene Kontinent , Europa hatten die Alten ihn wohl genannt. Etliche seiner Funde bewiesen das doch.

    Aber seit das Meer soviel Land weltweit verschlungen hatte, munkelten die Menschen, das Wasser hätte die Menschen bestraft für ihre Sünden. Aberglaube, da war sich Omuha sicher. Jedes Jahr fuhr er hinaus und fischte mit Drahthaken an dicken Seilen Dinge vom Boden. Alte Dosen, viel weiches Zeug , zu nichts nutze, ein Wanderer von weit her erzählte, Plastik hätte man es genannt. Einmal hatte er ein seltsames Metallgestell gehoben, es war ganz leicht, ein rundes Metallrad war daran befestigt, aber niemand konnte was damit anfangen. Nutzloses Zeug sagten alle, alter Idiot schimpften sie ihn dann und und meinten, das Meer würde ihn schon strafen wenn er es bestehle.

    Omuha fuhr diesmal weiter hinaus und hatte Glück. Als erstes fischte er einen runden Gegenstand heraus, leicht und schwarz glänzend war er, nachdem er ihn gesäubert hatte. An einer Seite war ein durchsichtiges Teil befestigt, dass er rauf und runter klappen konnte. Es hatte Ähnlichkeit mit einem Helm, wie die Wächter des Dorfes sie nutzten. Wenn er die alten Zeichen richtig deutete, stand da "Suzuk", vielleicht war das Wort länger, aber das Meer hatte sich seinen Teil geholt. An beiden Seiten waren Flammen abgebildet, das sah einfach wundervoll aus.

    Er fischte weiter und kurz danach hatte er etwas wirklich Schweres am Haken. Er zog und zerrte, er fluchte und schrie, er band das Seil fest und ließ den Wind in die Segel blasen, er wendete und irgendwie gelang es ihm, das Schwere am Haken immer weiter landwärts zu ziehen.

    Er kämpfte als ginge es um sein Leben, hin und her kreuzend sah er nach drei Tagen und vier Nächten endlich die Lichter der Strandfeuer. Bald würde er seinen Triumph feiern können. Das Meer war hier nicht mehr tief und am Abend war es ihm endlich gelungen, eine große Metallkiste an Bord zu hieven. Sogar Buchstaben waren noch zu erkennen. "Dynamit Nobel" stand da, darunter "Landmi", aber alles andere war nur noch bruchstückhaft oder gar nicht mehr zu erkennen.

    Egal, er hatte etwas Großes gefunden, das alleine zählte. Er öffnete mühsam die Kiste und darin lagen kleine runde Dinger, alle in einer weichen Hülle. Er nahm eines davon heraus. Ein Knopf stand oben heraus. Es wurde hell. Er grinste, griff nach dem Suzukhelm, setzte ihn auf, nahm ein großes Plastikteil und legte es sich über die Schultern, das runde Ding legte er auf den Boden, dann ließ er den Wind voll in die Segel blasen, hielt das Ruder fest und grölte und hüpfte auf seinem Boot herum.

    Die Strandwächter sahen das Boot herankommen, darauf ein einen schrecklich anmutenden Dämon mit einem riesigen, schwarz glänzenden Kopf, der Dämon brüllte und voller Angst, aber auch mit dem Mut der Pflichtbewussten, schossen sie Pfeil um Pfeil auf diesen Meeresdämon, der Omuha anscheinend getötet und nun das Dorf als Ziel seiner bösen Absichten hatte.

    Der Dämon schrie, etliche Pfeile ragten aus ihm heraus, er hüpfte und sprang herum und zerrte an seinem Kopf, die Menschen am Strand zitterten zwar, aber vor Angst starr sahen sie plötzlich, wie eine riesige Flamme mit einem gewaltigen Donner das Boot zerteilte, der Dämon auf der Flamme in die Luft flog und es ihn in Stücke zerriss. Teile fielen ins Meer, Dämonenfleisch, Holz, Seilstücke lagen auf dem Wasser, langsam trieben der Wind und die Wellen es fort vom Strand. Die Wächter und alle anderen dort jubelten und verhöhnten den wie sie meinten besiegten Dämon. Einen Tag lang trauerten sie um den alten Omuha, doch das Leben ging weiter.

    Die Kiste lag nicht weit vom Strand entfernt im Wasser, sie hatte die Explosion überstanden. Noch bewahrte sie ihr Geheimnis, vielleicht war das Meer diesmal aber gnädig und vergrub sie für immer.

    Das Bermudadreieck des Nordens

    R. Bote


    12. Juni 1908: Der dänische Schoner Korbinian Låsesmed, mit einer Fracht von 370 Tonnen Bauholz und Kleineisenteilen und sechs Passagieren auf dem Weg von Esbjerg nach Qaqortoq, verschwindet nach einem Zwischenstopp auf dem Färöern spurlos.

    17. Januar 1946: Der isländische Trawler Ísblóm („Eisblume“) gibt am Abend eine Position 160 Seemeilen südlich von Reykjavik an. Der Kapitän kündigt an, noch etwa 30 Meilen nach Süden zu fahren und dann die Netze auszubringen. Am Morgen des 18. Januar meldet das Schiff sich nicht mehr, eine groß angelegte Suche bleibt erfolglos.

    31. Juli 1962: Das Arktis-Kreuzfahrtschiff Polar Vanguard sinkt in den Gewässern südlich von Island innerhalb von zwanzig Minuten, ohne dass vorher ein Schaden oder ein Zusammenstoß zu erkennen gewesen war. Die Zeit reicht gerade, um die Rettungsboote zu Wasser zu lassen, die ein Frachter nach wenigen Stunden aufnimmt.


    Eike legte das Handy auf den Kajütentisch. Es war kurz nach acht, seine Freiwache, und er hatte die Zeit genutzt, um ein bisschen durch die digitalen Ausgaben verschiedener Zeitschriften zu blättern. Er fuhr seit über 30 Jahren zur See, wie vor ihm schon Vater, Großvater und Urgroßvater; wie viel weiter zurück die Tradition noch reichte, wusste er nicht, aber er glaubte, dass es etliche Generationen waren.

    Von einem „schwarzen Loch im Nordmeer“, so war der Artikel überschrieben, hatte er in all den Jahren nie gehört. Die Korbinian Låsesmed, die Ísblóm und die Polar Vanguard sollten stellvertretend stehen für über 100 Schiffe, die seit Ende des 19. Jahrhunderts in einem vergleichsweise kleinen Seegebiet südlich von Island unter ungeklärten Umständen verloren gegangen waren.

    Eike schüttelte den Kopf. Er war selbst schon oft durch dieses Seegebiet gefahren, nie hatte es irgendwelche Vorfälle gegeben. Oder schon Vorfälle, aber nichts, was nicht mit den üblichen Gefahren der See und den Herausforderungen der Schifffahrt zu erklären war. War das so eine Geschichte wie beim berüchtigten Bermudadreieck, wo sich die meisten Legenden bei genauerer Betrachtung als Erfindungen oder normale Unfälle entpuppten?

    Eine kurze Recherche schien das zu bestätigen. Eike fand zwar ältere Artikel, die ebenfalls von einer auffälligen Häufung ungeklärter Schiffsunfälle berichteten und weitere Beispiele brachten, aber wenn er sich die Einzelfälle anschaute, dann blieb nicht mehr viel Mysteriöses. Der Schoner war fast 40 Jahre alt gewesen, ein geradezu methusalemisches Alter für Schiffe aus dieser Zeit, und bei stürmischer See wahrscheinlich schon kurz nach dem Ablegen in Tórshavn weit vor dem besagten Seegebiet gesunken. Ähnlich verhielt es sich bei der Ísblóm, eine junge, unerfahrene Crew auf einem Eimer, den jeder fliegende Schrotthändler verschämt unter einer Plane versteckt hätte. Der Polar Vanguard war wohl ein falscher Stahl zum Verhängnis geworden, der bei Kälte so spröde wurde, dass er den normalen Belastungen der See nicht mehr gewachsen war.


    „Tja, ich weiß nicht, ob es gut ist, dass dieser Artikel jetzt erscheint.“ Eikes Schiff lag im Heimathafen, und er nutzte die Zeit, um seine Mutter zu besuchen. Er wusste selbst nicht, warum er den Bericht über das angebliche „Schwarze Loch“ vor Island erwähnt hatte, und war überrascht über ihre Reaktion.

    Seine Mutter, schon gut über 70, schien es zu merken. „Ich kenne die Geschichte“, erklärte sie. „Eine riesiger Betrug, aber zu einem guten Zweck: In dem Gebiet lebt eine seltene Walart und zieht dort ihre Jungen groß. Sie sollte vor den Fischern geschützt werden. Aber ich fürchte, heute, wo die Seefahrt ihren Aberglauben verloren hat, bewirkt so eine Geschichte eher das Gegenteil, und irgendwer fängt an, die Sache zu untersuchen.“ Eike nickte betreten, er teilte die Befürchtung. „Aber woher weißt du…?“

    Seine Mutter lächelte fein. „Der Erfinder dieser Geschichte war“, sie machte eine kurze Pause, um die Spannung zu steigern, „dein Großvater.“

    :welle


    Es ist ausgewertet!


    1. Partyplaner (Breumel) - 34 Punkte

    2. Vorbei, aber nicht vergessen (Marlowe) - 27 Punkte

    3. Wunderbare Jahre (Inkslinger) - 20 Punkte

    4. Mit freundlichen Grüßen (Booklooker) - 13 Punkte

    5. Billiges Vergnügen (R. Bote) - 11 Punkte


    Herzlichen Glückwunsch und vor allem: Herzlichen Dank allen die mitgeschrieben, gelesen, bewertet oder kommentiert haben!


    :danke