Beiträge von SchreibwettbewerbOrg

    Wir müssen über Olli reden

    von Inkslinger


    Der Gemeindesaal brummt. Die Leute drängen sich in den stickigen Raum.

    Der Bürgermeister seufzt. So hat er sich seinen Freitagabend nicht vorgestellt.

    Eigentlich ist bis auf ein paar Berufsnörgler und einsame Witwen kaum jemand auf der monatlichen Gemeindeversammlung zugegen. Meist ist es ein ruhiger Abend, den er mit dem restlichen Gemeindevorstand gemütlich in der Kneipe ausklingen lässt.

    Doch nicht dieses Mal.

    Dafür hat Elfriede Semikolon gesorgt, indem sie Flugblätter verteilt und Straßenlaternen mit Plakaten zugepflastert hat. Er muss diese Farce schnellstmöglich beenden. Ein kühles Blondes wartet auf ihn.

    Der Bürgermeister schlägt dreimal kräftig mit seinem Hammer aufs Pult. "Ruhe im Saal!"

    Die Menge verstummt und glotzt ihn erwartungsvoll an.

    Er zeigt auf die alte Frau in der ersten Reihe. "Treten Sie nach vorn und bringen Sie Ihr Anliegen vor."

    Die Angesprochene steht auf, geht ans Mikrofon und räuspert sich effektvoll.

    "Ich bin heute hier, um ein schändliches Verbrechen ans Licht zu zerren, ehe es vertuscht werden kann. Vor fünf Tagen war ich Opfer eines Mordversuchs. Von diesem Monster!"

    Sie fährt herum und zeigt auf einen Jungen, der offensichtlich gerne woanders wäre.

    Seine Mutter neben ihn stöhnt. "Jetzt mach mal halblang, Elfriede! Olli ist ein guter Junge! Du bist seine Großtante und er liebt dich!"

    "Schöne Art, mir das zu zeigen! Vor's Auto gestoßen hat er mich!"

    "Vor ein geparktes! Und es war ein Unfall!"

    "Das musst du jetzt sagen, ist ja deine Brut!"

    Der Bürgermeister schwingt seinen Hammer.

    "Schluss damit! Ich habe genug gehört! Setzen Sie sich! Der Junge soll vortreten."

    Beleidigt nimmt Elfriede wieder Platz. Olli schleicht ans Mikrofon.

    "So, mein Kleiner. Sag uns, wer du bist."

    "Oliver Punkt. Ich bin elf ¾ Jahre alt."

    "Kennst du die Frau, die eben gesprochen hat?"

    "Tante Elfie. Ähm, Elfriede Semikolon."

    "Und, stimmt es, was sie sagt? Wolltest du ihr wehtun?"

    "Natürlich nicht! An dem Tag bin ich meinen Nachhauseweg gehüpft anstatt zu gehen, irgendwie an einer dämlichen Kante hängen geblieben und gefallen. Dabei habe ich Tante Elfie miterwischt. Das tut mir ganz dolle leid."

    Der Bürgermeister überlegt kurz und nickt. "Ich sehe hier keinen Anlass für ein Eingreifen seitens des Gemeinderats. Es war ein Unfall ohne Verletzte."

    Frau Semikolon springt auf. "Wie bitte?! Das kann nicht dein Ernst sein, Bernhard! Das war eindeutig ein Anschlag auf mich! Du steckst mit denen unter einer Decke!"

    "Jetzt reicht's! Ich habe deine Show geduldet, weil jeder Bürger ein Recht hat, sein Anliegen vorzutragen, aber ich lasse mir keine Bestechlichkeit vorwerfen!"

    "Man kann sehen, dass du Angst vor denen hast! Nur, weil sie die größte Familie der Stadt sind, können sie doch nicht mit allem durchkommen!"

    Sie wendet sich an die versammelte Mannschaft.

    "Seid ihr es nicht auch leid, dass sie durch die Gegend scharwenzeln, als wären sie die Könige von Satzzeichenhausen? Ich habe keine Lust, mich nach Algebra-City vertreiben zu lassen wie die armen Klammern! Ihnen muss Einhalt geboten werden!"

    Unruhe bricht aus. Familien gehen aufeinander los. Jeder Versuch des Bürgermeisters, für Ordnung zu sorgen, verhallt unbeachtet.

    Plötzlich dringt eine Stimme über die Lautsprecher. "Seid mal still, ich muss was sagen!"

    Neugierig wendet sich der Mob nach vorn, wo Olli mit hochrotem Kopf das Mikro umklammert hält.

    "Es ist doch schnurzpiepegal, wer wie oft im Telefonbuch steht. Wir gehören alle zusammen. Punkte, Kommas und Semikolons. Sogar solche Stinker wie ihr."

    Er geht zu Elfriede, nimmt ihre Hand und führt sie zu der alten Dame, die in der hintersten Ecke des Saals sitzt. "Das ist Ursula Klammer-zu. Ich finde, ihr passt gut zusammen."

    Ohne auf eine Antwort abzuwarten, stößt Olli die schwere Tür auf und hüpft in den Sonnenuntergang.

    Schlusspunkt

    von Marlowe


    Der erste Kuss hat Dir sofort geschmeckt

    das wilde Biest in Dir erweckt

    von da an bekamst Du nie genug

    begingst tagtäglich Selbstbetrug

    und fandest nichts dabei


    Das Erste Mal hats Dir noch weh getan

    es fachte aber auch Deine Neugier an

    um es immer wieder aufs neue zu probieren

    Du hattest ja nichts mehr zu verlieren

    und fandest nichts dabei


    Des einem Weh war Dir Dein Wohl

    aus Langeweile dann der Alkohol

    täglich von allem ein wenig mehr

    triebst Du ziellos hin und her

    und fandest nichts dabei


    Wenn Du Dich einmal dann vergaßt

    erstaunt mal in Dich selber sahst

    warst Du ja doch mit Dir zufrieden

    eigene Gedanken hast Du stets vermieden

    es hat begonnen mit Deinem ersten Kuss

    endete schließlich mit Deinem goldenen Schuss

    in einer langen einsamen Nacht

    hast Du einfach Schluss gemacht

    und fandest nichts dabei

    Im Abgang bitter

    von R. Bote


    Mechanisch legte Melanie die Stempelkarte auf den Tresen. Es war jeden Mittag das gleiche, fünf Tage die Woche: das Tagesgericht, dazu ein kleiner Salat, und seit einem Monat den Stempel dafür. 25 Mal das Tagesgericht oder ein anderes Hauptgericht in der Kantine, und es gab ein Dessert gratis. Eine alte Methode, mit der der Wirt ein paar Kunden zusätzlich locken wollte.

    „Bitte“, sagte der Mann hinter dem Tresen und reichte Melanie die gestempelte Karte zurück. „Ich glaube, Sie sind die Erste, die die Karte vollkriegt.“ Melanie lächelte nur leicht; auch wenn sie Stammkundin und deshalb bekannt war, hatte sie doch kein herzliches Verhältnis zum Personal.


    ***


    Nach Feierabend erledigte Melanie ihre Einkäufe. Als sie bezahlen wollte, stellte sie fest, dass ihr Portemonnaie geplündert worden war: Das Bargeld war weg, die vollgestempelte Bonuskarte aus der Kantine und eine weitere Bonuskarte von einer Bäckerei, die aber erst zur Hälfte gefüllt war.

    Sie hatte einen Verdacht, aber sie würde sich hüten, ihn zu äußern, denn beweisen konnte sie nichts. Ihre Handtasche hatte offen in ihrem Büro gestanden, jeder aus der Firma hätte kurz reinschlüpfen können, während sie nicht am Schreibtisch saß. Der oder die Betreffende hätte sogar bequem vom eigenen Schreibtisch aus nach einem passenden Zeitpunkt suchen können, denn jeder hatte Zugriff auf alle Kalender mit Meetings und Kundenterminen. Es war auch nichts gestohlen worden, was man eindeutig ihr als rechtmäßiger Besitzerin hätte zuordnen können. Die EC-Karte, ohne PIN für einen Gelegenheitsdieb nutzlos, war noch da.


    ***


    Am nächsten Tag musste Melanie sich zum ersten Mal seit langer Zeit woanders etwas zum Mittagessen besorgen. Die Kantine war abgeriegelt, vor dem Haupteingang des Gebäudes sah Melanie einen Rettungswagen, einen Notarztwagen und zwei Polizeifahrzeuge stehen. Was passiert war, war nicht zu erkennen, aber in Ansätzen sprach es sich im Lauf des Nachmittags zu Melanie rum. Eine junge Frau war in der Kantine zusammengebrochen und ins Koma gefallen, warum, wusste wohl noch niemand.


    ***


    Erst am nächsten Morgen berichteten die Zeitungen – nicht nur lokal – über einen perfiden Anschlag, dem eine 19-jährige Auszubildende zum Opfer gefallen war. Sie war wiederbelebt und in die Klinik eingeliefert worden, jedoch in der Nacht gestorben, ohne zwischendurch noch einmal das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

    Die Polizei stand vor einem Rätsel, und was die Spezialisten bislang herausgefunden hatten, machte die Sache eher noch verwirrender. Die junge Frau war an einem Cocktail aus zwei Substanzen gestorben, die jede für sich allenfalls unangenehm waren, in Kombination jedoch hochtoxisch. Gefunden worden war das Gift in ihrem Dessert, man rätselte noch, ob es ihr gezielt untergeschoben worden oder ob sie ein Zufallsopfer war. Der Pächter der Kantine hatte ausgesagt, dass sie wohl überhaupt nur ein Dessert zum Essen genommen hatte, weil sie eine Stempelkarte voll gehabt hatte.


    ***


    Die weiteren Ermittlungen trieben manchem Kantinengast den Schweiß auf die Stirn. Nicht nur, dass erst mal alle unter Verdacht standen, weil es kaum ein Problem gewesen wäre, als Besucher ein paar Sekunden lang unbeobachtet an den Desserts zu hantieren, vor allem zeigte sich, dass es jeden hätte treffen können. Die Desserts standen nicht als fertige Portionsbecher in der Kühlung, es gab jeden Tag große Schüsseln mit Pudding, Cremes, Früchten und Soßen, die die Gäste frei kombinieren konnten. Wie viele unbewusst vergifteten Pudding oder vergiftete Soße gegessen hatten, würde sich kaum noch nachhalten lassen, mit etwas Pech hätte es noch etliche Opfer mehr geben können. Obwohl… Es gab wohl nicht viele, ging es Melanie durch den Kopf, die einen derartig abartigen Geschmack hatten, und wer Schokopudding mit Himbeersoße kombinierte, der hatte es eigentlich dafür schon verdient.

    Ich bin ja so verschossen, in deine Sommersprossen

    von Breumel


    "Mama, ich will heute nicht in die Schule."

    "Was? Aber warum denn nicht?"

    "Die Jungs sind doof."

    "Hm. Grundsätzlich ist das nichts neues, aber manche sind doch auch ganz nett. Was haben sie denn gemacht?"

    "Die haben mich ausgelacht."

    "Und warum?"

    "Wegen meiner Sommersprossen."

    "Okay, das ist wirklich doof. Ganz viele Menschen haben Sommersprossen. Da können sie gar nichts dafür. Und das sieht doch auch nett aus!"

    "Die Jungs sagen, das sieht aus, als ob Fliegen mir ins Gesicht geschissen hätten!"

    Ups.

    "Das ist ganz schön fies. Und blöd. Pippi Langstrumpf hat auch Sommersprossen. Und die ist cool!"

    "Die ist aber auch stark! Die hätte es den Jungs gezeigt. Die wären über den ganzen Schulhof geflogen!""

    "Ich glaube, die hätte die Jungs einfach ausgelacht. Weil die viel zu schlau ist, um Leute zu verhauen. Das macht nur Ärger. Dann haut der andere zurück, und dann wieder, bis einer weint oder verletzt ist."

    "Aber wenn die nicht aufhören, so blöde Sachen zu sagen?"

    "Du weißt doch: Gegen Worte wehrt man sich mit Worten. Nur dumme Menschen wehren sich mit Gewalt, weil ihnen keine Worte einfallen."

    "Meine Freundin Anna sagt, ich soll denen mal richtig auf die Fresse geben. Ist Anna dumm?"

    Böse Falle.

    "Fresse sagt man nicht, das ist nicht schön. Und vielleicht hat Anna nicht so richtig darüber nachgedacht?"

    Fast kann ich zusehen, wie bei Mira die Zahnräder rattern. Man hat's schließlich nicht leicht mit sieben Jahren.

    "Und wenn die mich heute wieder ärgern? Was mache ich dann? Die sind viel mehr als Anna und ich. Die können viel lauter lachen."

    "Dann sagst du das deiner Lehrerin."

    "Dann bin ich eine Petze."

    "Sowas ist kein petzen."

    "Das ist denen aber egal. Die nennen mich dann trotzdem Petze. Und dann spielt keiner mehr mit mir."

    "Ich fürchte, dann kannst du sie nur ignorieren, bis es ihnen zu langweilig wird dich zu ärgern. Ärgern macht nämlich nur dann Spaß, wenn sich auch einer ärgert."

    "Und wie schaffe ich das mit dem ignorieren?"

    "Vielleicht, wenn du an das Geheimnis deiner Sommersprossen denkst. Das kennen nämlich nur ganz besondere Menschen."

    "Geheimnis? Was für ein Geheimnis?"

    "Erinnerst du dich noch an das Buch, welches ich dir letztens vorgelesen habe? Das mit dem Sams?"

    "Na klar!"

    "Und weißt du auch noch, was das Sams für besondere Punkte hatte?"

    "Die Wunschpunkte? Du meinst, meine Sommersprossen sind Wunschpunkte? Das glaube ich dir nicht. Ich bin doch kein Baby mehr!"

    "Nein, keine Wunschpunkte wie beim Sams. Umgekehrte Wunschpunkte."

    "Was soll das denn sein?"

    "Jedes Mal, wenn sich jemand etwas Schönes für dich wünscht, bekommst du einen umgekehrten Wunschpunkt. Und weil Papa, ich, deine Omas, dein Opa, die Tante, deine Onkels und deine ganzen Freunde sich so viele gute Sachen für dich gewünscht haben, hast du eben ganz viele Sommersprossen. Aber das ist unser Geheimnis."

    "So viele gute Wünsche?"

    "Ja. Weil du etwas ganz besonderes bist. Und wenn du traurig bist, dann denk einfach daran, wie viele Menschen dich lieb haben."

    Sie schaut immer noch misstrauisch. Aber dann lächelt sie.

    "Das ist schön, Mama. Wenn mich so viele Menschen liebhaben, kann ich die paar doofen Jungs auch ignorieren."

    "Genau! Und jetzt…"

    "Jetzt?"

    "Jetzt ist es Zeit, loszugehen, wenn du pünktlich in die Schule kommen willst!"

    Die besondere Währung

    von Johanna


    Nicht im Westen, Süden oder Osten,

    entstehen manchmal hohe Kosten.


    Eine Stadt im hohen Norden,

    ist dadurch bekannt geworden.


    Die Währung dort ist anderer Art,

    empfunden oftmals als zu hart.


    Manch einer hat sogar das Pech,

    verzichten muß er auf das Blech.


    Dann beginnt er sehr zu klagen,

    „oh weh, mein schöner Wagen.“


    Den darf er jetzt nicht mehr benutzen,

    So kommt er dann ins stutzen.


    „Was hab ich denn nur falsch gemacht?

    Das bißchen rasen hat´s mir eingebracht?“


    Nun muß er eben laufen, darf nicht fahren,

    wird reicher an Erfahrung und an Jahren.


    Ist genügend Zeit vergangen,

    wird er sie zurückerlangen.


    Seine Fahrerlaubnis kommt zurück,

    das wird für ihn das größte Glück.


    In Zukunft wird er meiden die Behörde,

    in der Stadt am Flüßchen Förde.

    Almanca — Türkçe

    von polli


    Nach meinem Referendariat Anfang der 70er Jahre war ich an der Antonius-Grundschule geblieben und hatte Erstklässler bekommen. Die Kinder begannen mit Buchstaben, Zahlen und gewöhnten sich an das Schulleben. Die Eltern im Dorf waren zufrieden und ich war es auch.

    Eines Tages erschien der Rektor in meiner Klasse. Hinter ihm versteckte sich ein großes, schwarzhaariges Mädchen. Ein Gastarbeiterkind. Der Rektor flüsterte: „Vermutlich behindert, kann noch nicht einmal ihren Namen schreiben!“

    Ich führte das Kind zum freien Platz ganz hinten. Der Rektor verschwand und ich überlegte fieberhaft, während meine Klasse Rechenübungen machte, wie ich das Kind beschäftigen konnte. Ich holte Malsachen, zeigte auf die Zeichnungen an der Pinnwand und hoffte, dass das Kind irgendetwas malen würde. Es nahm zögerlich einen Stift in die Hand. Ich war erleichtert und setzte den Rechenunterricht fort.

    Als es zur Pause läutete und sich der Klassenraum leerte, wandte ich mich dem Mädchen zu. „Zeig mal, was du gemalt hast.“

    Sie sah mich misstrauisch an. Vor ihr lag das Blatt Papier, unbenutzt. Ich drehte es um. Auch nichts. Ich versuchte es mit Reden.

    „Wie heißt du?“

    Schweigen.

    „NAME?“

    Sie murmelte etwas Unverständliches, das wie Asl klang. Immerhin eine Antwort.

    „Assel?“

    Sie schüttelte den Kopf. Ich nahm einen Stift und schrieb ein A.

    „A?“

    Sie nickte. Super! Motiviert machte ich weiter und malte ein s. Sie nickte wieder. War doch ganz leicht, mit ihr zu arbeiten! Ich probierte ein l, wieder Zustimmung. Und dann? Ich gab ihr den Stift. Sie setzte einen kleinen senkrechten Strich hinter mein l.

    „Ach so, ein i.“

    Ich ergänzte den fehlenden Punkt. Das Kind schüttelte den Kopf.

    „E?“

    Wieder Kopfschütteln. Das Kind wirkte überfordert.

    „Pause“, sagte ich.

    Keine Reaktion.

    Ich ließ das Mädchen im Klassenraum sitzen und beschloss, mich mit dem Rektor auszutauschen.

    „Sie heißt Asli Arslan, ist bald neun Jahre alt. Das steht hier in den Papieren. Der Vater kann etwas Deutsch, die Mutter spricht nicht. Ich wünschte, wir hätten mehr Erfahrung mit solchen Ausländerkindern. Gibt’s in der Türkei eigentlich eine Schulpflicht für Mädchen? Kann das Kind irgendwas? Wir können doch schlecht einen Nachhilfekurs basteln. Mann, sie holen Arbeitskräfte aus fremden Ländern, aber uns bescheren sie Probleme, wenn die Arbeiter ihre Familien anschleppen!“

    Der Rektor schimpfte weiter. Das half mir nicht.

    Ich beschloss, dem Kind als Erstes beizubringen, seinen Namen korrekt zu schreiben, und kehrte in die Klasse zurück.

    „Hallo Asli“, sagte ich. „Wir lernen jetzt das i. Das i“, wiederholte ich laut und malte ein Riesen-I in die Luft. Ich zeigte auf Asli. „I“, sagte sie gehorsam. Dann ließ ich sie ein paar i auf das Blatt malen. „Punkt!“, sagte ich jedes Mal, wenn sie den Punkt auf das i setzte. Geht doch. Vielleicht ist sie nur schüchtern oder hat Heimweh, wer weiß.

    Nach der Pause stand Sachkunde auf dem Programm, meine Kinder sollten von ihren Haustieren erzählen. Asli verbrachte die Zeit mit Übungsblättern zum i. Alle Reihen fehlerfrei ausgefüllt! Dann schrieb ich ihren Namen auf ein neues, leeres Arbeitsblatt und reichte ihr den Stift. Sie schrieb: „Aslı“ und legte den Stift weg. Kein Lernzuwachs. Ärgerlich. Ich ergänzte einen dicken Punkt, schrieb ihren Namen dreimal hintereinander, tippte auf jeden I-Punkt und signalisierte ihr, das gesamte Arbeitsblatt mit ihrem Namen auszufüllen. Dann wandte ich mich wieder den Haustier-Anekdoten meiner Erstklässler zu, die jetzt recht unruhig geworden waren.

    Als ich, mittlerweile erschöpft, Aslis Blatt entgegennahm, sah ich, dass sie sämtliche Punkte weggelassen hatte. Nur über dem allerletzten Buchstaben schwebte ein winziger Schmetterling.


    PS Ich danke all meinen Ehemaligen, besonders aber Aslı Arslan, für ihre Geduld mit mir. Teşekkürler!

    Auswertung (korrigiert):


    1. Platz (18 Punkte) Der heilige Jürgen von polli

    1. Platz (18 Punkte) Simon & Melina von Inkslinger

    :welle

    3. Platz (16 Punkte) Nacht der Angst von Breumel

    4. Platz (13 Punkte) Geh dich bewegen! von R. Bote

    5. Platz (5 Punkte) Damals wars... von Johanna


    Wieder ein herzliches Dankeschön an alle die in irgendeiner Form mitgemacht haben, besonders aber an die Autoren!

    :danke