Ich habe Change of Heart auf Englisch gelesen und bin verdammt enttäuscht. Von allen Picoult-Büchern, die ich bisher gelesen habe (und das sind einige) mit Abstand das schwächste. Während die Autorin in anderen Romanen subtil, differenziert und vor allem feinfühlig schreibt, ist es ihr hier komplett misslungen.
Aber erst mal zum Inhalt: June Nealons Ehemann Kurt und ihre Tochter sind vor elf Jahren ermordet worden. Der Täter ist ein junger, geistig zurückgebliebener Mann namens Shay Bourne, der als Handwerker bei der Familie arbeitete. Das Motiv: Kurt hat ihn ertappt, als er die siebenjährige Elisabeth missbrauchte.
Elf Jahre später fürchtet June um das Leben ihrer zweiten Tochter Claire - das Mädchen braucht dringend ein Spenderherz. Dem Mörder ihres ersten Kinds steht derweil die Giftspritze bevor, doch in den Wochen vor der Ausführung des Urteils geschehen seltsame Dinge im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses: Aus den Wasserhahnen der Zellen läuft Wein, tote Vögel erwachen zu neuem Leben, ein an AIDS leidender Mithäftling scheint plötzlich geheilt zu sein. Beobachtet werden diese Vorfälle von Shays Seelsorger Michael (der in der Jury saß, die ihn zum Tode verurteilte), seiner Anwältin Maggie, dem Mithäftling Lucius und der Sensationspresse, die den Verurteilten entweder zum Messias erklärt oder verdammt. Und plötzlich äußert Shay Bourne einen sehr merkwürdigen Wunsch: Er will, dass Claire Nealon sein Herz bekommt.
Das klingt nach gutem Stoff - aber es ist zu viel für ein Picoult-Buch. Die 490 Seiten (englische Ausgabe) werden den vielen Themen nicht gerecht: Todesstrafe, Organspenden, Religionen, das Leben im Gefängnis, sexueller Missbrauch... Daraus hätte man auch drei Romane schneidern können. In Change of Heart bleibt Picoult deshalb an der Oberfläche, schafft es nicht, einem der Themen Tiefe zu verleihen. Sie verliert sich in Nebensächlichkeiten - Maggies Konflikt mit ihrer Mutter, ihre Gewichtsprobleme... Auch das Messias-Thema endet als flacher, pseudo-mysterischer Witz. Die Leute campieren vor dem Gefängnis, um dem neuen Jesus zu huldigen, man verweist auf einen 1945 gefundenen christlichen "Geheimtext" - und am Ende fragt sich der Leser, was das alles eigentlich soll. Ich glaube, ohne den religiösen Kram hätte ich das Buch nicht ganz so schlimm gefunden.
Die Protagonisten bleiben blass - allen voran June, die mich nach Lesen der Buchbeschreibung am meisten interessiert hat. Wie muss sich eine Mutter fühlen, die, um ihr Kind zu retten, das Herz des Mörders ihrer Familie annehmen muss und ihm damit Absolution erteilen würde? Ich weiß es nicht. Jodi Picoult weiß es anscheinend auch nicht, denn Junes Kapitel sind extrem kurz, meistens nur zwei oder drei Seiten lang, und ermöglichen keinerlei Identifikation mit der Figur. Im Gegenteil, am Ende wird June richtig unsympathisch. Um nicht zu spoilern, sage ich nicht, warum.
Mein Fazit: 2 von 10 Punkten, ein weiteres Buch für den Flohmarkt-Stapel und die Erkenntnis, dass zu viele Themen auf zu wenig Raum die Suppe versalzen.