Beiträge von Lorelle

    Die Erschießung des jungen Arbeiters fand ich natürlich furchtbar. Das war von Heinrich Mann aber vermutlich auch ganz genau so gedacht.

    Lesetechnisch hatte ich allerdings mehr Probleme mit dem wirren, alkoholgeschwängerten Gerede im Ratskeller. Diese Szene fand ich eher anstrengend und unübersichtlich. Mir fehlte die Konzentration (nach mehreren Versuchen auch das Interesse) den Überblick zu bekommen, wer dort mit wem warum koaliert. Und was mir als Leserin das Telegramm an den Kaiser sagen soll.

    Und ich kann auch nicht bestätigen, dass Chemie ein "Lernfach" oder besonders einfach ist. Zumindest heutzutage ist das gar nicht so und ich denke mal, das es zu damaliger Zeit auch nicht anders war. Für Chemie braucht man schon viel Verständnis für die Vorgänge und Reaktionen. Mit stumpfen Auswendiglernen kommt man da leider nicht weit. Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten.;)

    *lach* Das war nicht persönlich gemeint!

    Die mit Jadassohn geführte Unterhaltung löst bei mir auch nur Kopfschütteln aus. Diese Verschwörungstheorien, die die beiden zusammenfaseln, könnten heute im Nachmittagsprogramm gewisser Privatsender laufen - und den einen oder anderen Psychiater auf den Plan rufen. :huh:

    Und so was galt damals als gebildet...


    Ich denke übrigens nicht, dass Diederich "dumm" ist oder er Chemie der Einfachheit halber als Studienfach gewählt hat. Ich denke eher, er hat ein Fach gewählt, in dem er ziemlich viel stumpf auswendig lernen kann oder einfach Beobachtungen aufschreiben. Ich halte ihn für das, was man im amerikanischen "booksmart" nennt. "Streetsmart" ist er nicht, vom realen Leben hat er keine Ahnung und seine Erziehung hat empathische Fähigkeiten nun wirklich nicht gefördert - was ja der Tenor des Buches ist.

    Ich meine

    Das würde auch heutzutage noch für Dorftratsch sorgen, wenn auch keinen handfesten Skandal mehr auslösen ;)

    Daher meine gefühlte Bestätigung, dass Cynthia als lockeres Mädchen hingestellt wird.

    Gestern ist das Nachsehen untergegangen, aber jetzt liegt das Buch neben mir.

    Nach den von mir beschriebenen Szenen kommt noch Roger Hamleys Abschied im strömenden Regen. Er wirft aus der Ferne Kusshände auf das Haus, die von Molly und Mrs. Gibson erwidert werden :grin

    Dann erzählt Mrs Gibson noch von Verflossenen und möchte sich - vorgeschoben wird Molly - ein neues Kleid kaufen für Cynthias Heimkehr. Molly verweigert sich, Mrs Gibson ist etwas ungehalten. Also alles wie immer.;)

    Diederich als neuer Chef der Firma hat gerade ganz unangenehme Assoziationen zu einem meiner ehemaligen Chefs geweckt - impulsgesteuert, cholerisch und während so eines Anfalls jeglichen Sachverstand vergessend.


    An den habe ich seit Jahren keinen Gedanken mehr verschwendet. Aber auch so ein Typus, der einfach nicht ausstirbt. :yikes

    Womit das Buch jetzt genau endet, kann ich dir aus dem Kopf nicht mehr beantworten :/

    Ich sehe nachher nach, bin gerade unterwegs - und mental schon in der nächsten Leserunde :grin

    Cynthia kommt jedenfalls von der Hochzeitsreise kurz nach Hollingford zurück. Die Geschichte mit Molly und Roger bleibt in gewisser Weise "offen", wobei ich das gar nicht als so offen empfunden habe.

    Der eigentliche Antrag an Molly fehlt noch und wird auch bis zu Rogers Rückkehr aus Afrika fehlen. Aber er hat das Einverständnis von Mr. Gibson, der wiederum die Gefühle seiner Tochter besser erkennt als diese selbst.

    Und nach den Erlebnissen mit der ersten Forschungsreise kann ich auch gut nachvollziehen, dass Roger nun nicht wieder eine heimliche Absprache mit seiner Herzdame trifft. :grin

    [Lady Cumnor zu Cynthia:]

    "Aber Sie müssen sich auf dem Platz, den Gott Ihnen zuweist, ob verheiratet oder ledig, besonnen verhalten. Sie müssen Ihren Mann verehren und sich in allem seiner Meinung anschließen. Schauen Sie zu ihm auf als Ihr Oberhaupt, und tun Sie nie etwas, ohne ihn um rat zu fragen.."

    Gut, dass Lord Cumnor nicht unter den Zuhörern saß; er hätte womöglich Theorie und Praxis verglichen.

    :rofl:lache

    Molly wird das Geld los, indem sie dem unvorbereiteten Mr. Preston einfach einen Umschlag in die Hand drückt. Nachdem sie dabei beobachtet wird und vorher ja bereits bei einem Treffen mit dem Mann beobachtet wurde, entwickelt sich ein handfester Dorfskandal und Mollys guter Ruf ist zunächst ruiniert. Aus heutiger Sicht unglaublich und mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn ich bedenke, dass Mr. Prestons Ruf durch die Ereignisse unbeschadet bleibt. Zumindest verschlechtert er sich nicht weiter, beliebt bei der Dorfbevölkerung ist er ja nun auch nicht gerade.

    Die Beschreibung eines Abendessens bei Familie Gibson finde ich faszinierend: Die Köchin stellt auch an Abenden ein Dessert her, wenn alle wissen, dass die teilnehmenden Familienmitglieder gar keine Nachspeise essen. Und das nur, um den Stand der Familie zu betonen – jedenfalls aus Mrs. Gibsons Sicht. Was für eine Ressourcenverschwendung...

    Lady Harriet und ihre wohlüberlegte Schützenhilfe haben mir allerdings sehr gefallen. Liegt es daran, dass sie „von Stand“ ist? Dass sie gebildet ist? Beides zusammen? Jedenfalls verzieht sich der Sturm so schnell wie er aufgezogen ist – typisch Dorftratsch, der funktioniert heute noch nach dem gleichen Schema, nur die Anlässe wechseln.

    Mrs. und Mr. Gibson erfahren nach und nach die Wahrheit hinter der Geschichte und sind über Cynthia entsetzt. Noch verlobt mit dem einen, sich mit einem anderen zu verloben – das würde auch heute noch für Dorftratsch sorgen ;)

    Bei den Gibsons entwickelt sich jedenfalls eine handfeste Familienkrise, die meiner Meinung auch darin begründet ist, dass beide Eheleute nicht in der Lage sind, Probleme an der Wurzel zu packen, sondern aus ganz unterschiedlichen Charakterzügen und Motiven heraus verdrängen. Schließlich löst Cynthia per Brief die Verlobung mit Roger, was eine logische Entwicklung des Romans ist. Hoffnung für Molly!

    Der Abschnitt endet mit einem wahren Paukenschlag, Osborne Hamley stirbt. Molly ist nun die Einzige vor Ort, die von dessen heimlichen Ehe und seinem Kind weiß. Sie zieht ihren Vater ins Vertrauen, der umsichtig reagiert und Molly auffordert, zunächst per Brief die Frau von einer schweren Erkrankung zu informieren.

    "Oh, das hat uns ein kleiner Vogel erzählt", verkündete Miss Browning. Molly kannte diesen kleinen Vogel seit ihrer Kindheit, hatte ihn immer gehasst und hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht.


    :rofl


    Den kenne ich auch! Der ist in Dörfern extrem weit verbreitet und überhaupt nicht vom Aussterben bedroht. :grin

    Mr. Kirkpatrick, Cynthias Onkel und Mrs. Gibsons Schwager aus erster Ehe, kommt zu Besuch – und versteht sich gut mit Mr. Gibson, von seiner mittlerweile erwachsenen Nichte ist er begeistert. Als er sie später nach London einlädt, lehnt Cynthia zunächst ab, weil die entsprechende Garderobe fehlt. Die Szene scheint hauptsächlich gedacht, um auf Cynthias verschwundenes Geld hinzuweisen. Für Leserinnen steht natürlich sofort der Verdacht im Raum, dass Mr. Preston sie erpresst. Mr. Gibson hilft mit Geld aus, Cynthia wird eingekleidet und reist nach London. Vorher erfährt sie aber noch, dass nun auch Osborne von ihrer „geheimen“ Verabredung mit Roger weiß.

    Der Squire lebt mit den Arbeiten auf dem Land weiter auf, Osborne jedoch schwächelt. Es bleibt unklar, ob er körperlich krank oder psychisch angeschlagen ist – was in seiner Situation nur zu verständlich wäre.

    Mrs. Gibson schließt sich in letzter Minute Cynthias Reise an. Sie ist zwar nicht eingeladen, aber wen stört das schon;)

    Molly genießt die freien Tage in vollen Zügen mit ihrem Vater. Nach Cynthias Rückkehr wird für Molly immer offensichtlicher, dass es eine Geschichte gibt, unter der Cynthia leidet.

    Es entsteht erstes Gerede in Hollingford über Molly und Mr. Preston. Eines Tages stolpert Molly fast über die Wahrheit (Hurra! Auf Seite 603 von 848 gibt’s ENDLICH die Erklärung!), bei einem Spaziergang trifft sie auf Cynthia und Mr. Preston. Der beruft sich auf ein vor Jahren gegebenes Verlobungsversprechen von Cynthia und erpresst sie mit damals von ihr geschriebenen Briefen. Cynthia erklärt Molly später noch, dass sie sich damals 23 Pfund von Mr. Preston geliehen habe, der nun aber unter Berufung auf das aus seiner Sicht bestehende Verlöbnis, die Rücknahme des Geldes verweigert.

    Schließlich trifft sich Molly mit Mr. Preston, um die Angelegenheit zu regeln. Scheinbar ohne jeden Erfolg. Doch Molly kündigt ihm zum Schluss an, sein Verhalten Lady Harriett zu erzählen, was ihn tiefer beeindruckt, als er zugibt. Und dann kommt auch noch Mr. Sheepshanks des Weges und trifft die beiden.

    Am Ende dieses Abschnitts reist Cynthia noch einmal nach London, nachdem sie zumindest die Briefe von Mr. Preston zurück hat. Molly verspricht nun auch noch zu versuchen, das Geld zu übergeben. Osborne Hamley kommt zu Besuch, und trifft Molly allein an. Diese ist erschrocken, weil er auch auf sie sehr krank wirkt.

    So seriös, wie Wikipedia sein kann. :grin

    Ich habe direkt die Information vermisst, WARUM das Buch heute frei verkäuflich ist. Da entsteht der Eindruck, das Buch sei immer noch nicht legal zu erwerben, was aber nicht stimmt.

    Zitat aus dem Urteil von 1971 (heute vor 48 Jahren :))

    Das Oberlandesgericht als letzte Tatsacheninstanz hat festgestellt, bei Gründgens handle es sich um eine Person der Zeitgeschichte und die Erinnerung des Publikums an ihn sei noch lebendig. Aufgrund dieser Feststellungen sind das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, daß der Schutz des Achtungsanspruchs des verstorbenen Gründgens im sozialen Raum noch fortdauere. Hierbei hat der Bundesgerichtshof zutreffend berücksichtigt, daß das Schutzbedürfnis - und entsprechend die Schutzverpflichtung - in dem Maße schwindet, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblaßt und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt.


    Anfang 1981 war die Erinnerung an Gründgens, der 1963 verstarb, "verblasst" genug.


    (Was mich jetzt daran erinnert, dass der "Mephisto" vermutlich ähnlich lange im Regal steht wie der "Untertan")

    Uff. Die Geschichte ist ja hammerhart. Ich brauchte ein paar Seiten, um mich einzulesen, aber dann war ich drin in der Geschichte. Gleich zu Beginn die Beschreibung der väterlichen Prügelstrafe hat echte Zweifel geweckt, ob ich dieses Buch wirklich lesen möchte. Aber um die Figur des Diederich nachzuvollziehen, war diese Episode wohl notwendig. Zumal noch einige im ähnlichen Schema folgen. Ganz nach dem Motto: Nach oben buckeln, nach unten treten.

    Sehr unsympathisch fand ich auch die Beschreibungen der Burschenschaft. Da bin ich doch ganz froh, an einer uncoolen Uni studiert zu haben, die erst NACH den Studentenrevolten gegründet wurde, und an der Verbindungsmitgliedschaften bis heute definitiv nicht zum guten Ton gehören...

    Aber auch an einer anderen Uni wäre Frauen bis heute der Zugang zu den Verbindungen verwehrt. Womit auch ein Bezug zur Emanzipationsdebatte weiter oben hergestellt ist. (Wobei ich an einer Verbindungsmitgliedschaft keinerlei Interesse hätte. An einer gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit allerdings schon ;))

    Diederichs Umgang mit Agnes fand ich anfangs noch zum Lächeln - der arme Junge weiß gar nicht, WIE er um eine Frau werben soll und Gefühle verbietet er sich sowieso. Die Episode am Ende des Abschnitts ist allerdings gar nicht mehr zum Lächeln. Was für ein mieser Schuft Diederich ist... Ein Beispiel mehr dafür, dass diese Doppelmoral auch in Deutschland vor gar nicht soooo langer Zeit üblich war.

    Jetz bin ich wirklich gespannt, wie es mit Diederich weitergeht.

    Das ist für mich der erste Roman seit langer Zeit, dessen "Held" mir durch und durch unsympathisch ist, den ich aber trotzdem weiterlesen möchte.

    Falls jemand von euch den Abschnitt schon zu Ende gelesen hat, kann der/diejenige kurz hier schreiben, mit welchem Ereignis er endet? Danke!

    Agnes Vater besucht Diederich und bemüht sich einigermaßen freundlich, Diederich zur Ehe mit seiner Tochter zu überreden. Diederichs Aussage

    "Wenn Sie es durchaus hören wollen: Mein moralisches Empfinden verbietet mir, ein Mädchen zu heiraten, das mir ihre Reinheit nicht mit in die Ehe bringt."

    macht Vater Göppel die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens klar. Dann folgen noch ca. zwei Seiten in denen Diederich sein Verhalten vor sich selbst rechtfertigt.

    Vermutlich bin ich die Falsche, um die Frage zu beantworten. :grin

    Mir hat das Buch von Anfang an gut gefallen, aus meiner Sicht gibt es also nichts, was Fahrt aufnehmen müsste.

    Dann bin ich mit dem Lesen auch deutlich weiter als mit dem Schreiben - ich muss gerade sehr aufpassen, um nicht versehentlich zu spoilern. ;)

    Ich wollte unbedingt wissen, was es mit Mr. Preston auf sich hat, bei der Frage bin ich in diesem Abschnitt immer noch nicht weiter...

    Mr. Preston ist nun Verwalter auf dem Landsitz Cumnor Towers und damit räumlich wesentlich näher an der Familie Gibson.

    Eine erste Begegnung zwischen Mr. Preston und dem Squire verläuft nicht gerade angenehm, Roger verhindert ein Eskalieren der Auseinandersetzung, aber damit ist klar, dass Mr. Preston in seiner neuen Nachbarschaft nicht als netter Mensch wahrgenommen wird. Von mir als Leserin ja auch nicht, aber ich lauere weiter auf eine Erklärung.

    „Es ist nicht anzunehmen, dass eine Begegnung, wie sie Mr. Preston soeben mit Roger Hamley gehabt hatte, die Achtung steigerte, die die beiden jungen Männer in Zukunft füreinander hegten.“

    Als langfristige Konsequenz aus der Begegnung beschließen Roger und der Squire, die Arbeiten zum Trockenlegen des Landes – die wegen Osbornes Schulden aus Geldmangel eingestellt werden mussten – wieder aufzunehmen. Der Squire lebt dadurch wieder ein bißchen auf. Ich mag diese Figur.

    Es wird klar gesagt, dass Cynthia „nicht ein Tausendstel der Zuneigung Roger empfand wie dieser für sie“. Keine Überraschung...

    Für Roger kündigt sich eine zweijährige Forschungsreise an, die Mitglieder der Familie Gibson gehen aus ganz unterschiedlichen Gründen unterschiedlich mit dieser Information um. Mr. Gibson ist besorgt, weil er bei Osborne eine schwere Krankheit vermutet, auch wenn ein anderer Arzt ihm widerspricht. Cynthia verlobt sich mit Roger, allerdings will er sie nicht an dieses Versprechen binden, weil er lange fortbleiben wird. Es soll also eine „heimliches“ Eheversprechen sein, keinesfalls aber eine offizielle Verlobung, von dem aber viel zu viele Leute wissen, um es lange unter der Decke halten zu können ;-)

    Es folgt eine ernsthafte Auseinandersetzung der Eheleute Gibson. Mr. Gibson nimmt seine ärztliche Schweigepflicht offensichtlich ernst. So ernst, dass er seine Vermeidungstaktik aufgibt und gegenüber seiner Frau offen Missbilligung äußert, als er herausfindet, dass sie ein Gespräch über den Gesundheitszustand von Osborne Hamley belauscht hat. Und daraus folgerte, dass dieser bald sterben wird und Roger Hamley Erbe wird. Da sind die Leser klar im Informationsvorsprung gegenüber der berechnenden Mrs. Gibson.

    Der ehemalige Azubi Mr. Coxe kommt zu Besuch, nun selbst Erbe eines ansehnlichen Vermögens. Er nimmt ernsthafte Bemühungen um Molly auf – die schlichtweg kein Interesse an ihm hat. Ich habe bei diesem Abschnitt wieder fürchterlich gelacht – da hat Mr. Gibson nun Mrs. Gibson am Hals, die als Anstandsdame für die Tugend seiner Tochter fungieren sollte. Und Mollys Tugend war durch Mr. Coxe gar nicht in Gefahr.

    Cynthia jedoch flirtet mit ihm, was ihn hoffen lässt – vergeblich. Irgendwie wird Cynthia ja immer mehr als lockeres Mädchen hingestellt, was mir leid tut. Mit heutigen Maßstäben ist das Mädchen extrem harmlos. Aber im Vergleich zu der vollkommenen Molly kann sie nur verlieren.