Beiträge von Lorelle

    Was man von hier aus sehen kann - Mariana Leky


    Erfüllt alle Anforderungen des Lesekreises und Stoff zum Diskutieren bietet es auch.


    Allerdings ist es schon vor zwei oder drei Jahren erschienen, es kann also gut sein, dass ihr das Buch längst gelesen habt.

    Die Gegenwartsform, in der das Buch geschrieben ist, las sich zunächst extrem holprig. Es hat einige Kapitel gedauert, bis ich mich eingelesen hatte, dann ging es aber - bin da wohl wie viele andere Leser ein Gewohnheitstier...

    Rosys Mann ist in meinen Augen seltsam beschrieben, als "sehr charmanten, bodenständigen und unterhaltsamen Erzähler" habe ich ihn nicht empfunden - mein Fall im echten Leben wäre er sicher nicht ;-)

    Ich denke aber, dass sollte einen literarischen Gegenpol zu der logischen, analytischen Rosy darstellen, so passt das für mich ganz gut zusammen. Der eigentliche Fall hat auch mir gut gefallen.


    Aber zum Autor:

    Es gibt viele nachvollziehbare Gründe, warum ein Buch unter einem Pseudonym erscheint. Warum aber der "Autor" gleich noch eine "Hauptrolle" in der Geschichte spielen muss, erschließt sich mir nicht. Soll das witzig sein oder eine dummdreiste Verschaukelung der Leser? Jedenfalls drängte sich der Verdacht auf, dass es weder einen Arthur Escroyne, noch einen Earl of Sutherly gibt, was eine kurze Internetrecherche schnell bestätigte. Dann aber noch zu behaupten, das Buch wäre eine "Übersetzung aus dem Englischen" ohne dass das Buch einen englischen Titel hat, ausschließlich in Deutschland gedruckt wurde und der Name des Übersetzers nur zu diversen Nachrufen der letzten Jahre und einem ebenfalls verstorbenen Radrennfahrer führt, schießt dann für mich den Vogel in Richtung Verschaukelung der Leser ab. Das gibt in meiner persönlichen Bewertung massiven Punktabzug. Ich möchte aber noch einmal betonen, dass dies nichts am schönen Inhalt des Buches ändert, das empfehle ich tatsächlich weiter.

    Auch wenn ich das erste Buch unglaublich spannend fand, möchte ich jetzt erstmal wieder einige Bücher mit anderer Thematik (habe schon leichte Krimi-Entzugserscheinungen :lache) lesen.

    Daher ist mir März für den Folgeband, der, wie ich hier gerade lese, auch wesentlich umfangreicher ist, etwas zu früh...

    Da werde ich also nicht dabei sein, wünsche euch aber ganz viel Spaß.

    Zwischendurch kommt ihr zwar schon in den Sinn, dass dazu zwei gehören, aber letztlich gibt sie sich doch selber die Schuld. Und anstatt dass die Tante einfach mal Klartext redet, druckst sie auch nur rum und setzt Deborah so zusätzlich unter Druck.

    Da fand ich den Anruf der jüdischen Frau, deren frisch verheiratete Tochter dasselbe Problem hat, aufschlussreich. Auch wenn bei den Satmaren kein Wert auf einen liebevollen Umgang gelegt wird, scheint es in anderen Familien doch engere Bindungen zu geben. Jene Mutter sorgt sich, auch wenn mir aufgefallen ist, dass ihre Motive nicht genannt werden. Da kann es also sein, dass die Mutter nur nicht Zielscheibe von Klatsch und Tratsch werden wollte. Mir legte aber der Anruf positives Verhalten der Mutter nahe.

    Das Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann gezogen, vermutlich, weil es in einer Welt spielt, die einerseits durchaus erreichbar ist (ich war schon in Brooklyn), andererseits aber so fremd, dass ich beim Lesen öfter meinte, es mit einem Paralleluniversum zu tun zu haben.

    Im Vergleich sind mir die letzten Kapitel des Buches, in denen Deborah verheiratet ist (von "erwachsen" mag ich bei einer Siebzehnjährigen nicht sprechen), noch deutlich näher gegangen. Während der früheren Kapitel über Kindheit, Schule usw. geht es mehr um das Alltagsleben. Das war fremdartig, hat auch einige Male zu hochgezogenen Augenbrauen geführt, aber gut - andere Sitten eben. Doch je älter Deborah wird, umso mehr hinterfragt sie die Regeln der Gemeinschaft und zweifelt deren Richtigkeit immer öfter an. Naturgemäß nimmt sie auch mehr Dinge aus dem Umfeld auf, die sie als Kind vermutlich nicht mitbekommen hätte. Es bedarf einfach einer gewissen Reife, um schwere Straftaten an Kindern auch als solche wahrzunehmen.

    Und gerade das Hinnehmen und Vertuschen dieser Straftaten unter dem Deckmantel der Religiosität hat mir diese Sekte endgültig unsympathisch gemacht. Leider sind solche Vorkommnisse aber nicht auf Sekten beschränkt, wie der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche nur zu gut gezeigt hat.

    Das Gefühl am Ende des Buches ist positiv, schließlich ist Deborah auf einem guten Weg: Eingeschrieben am College, dank Buchvertrag und kostbarer Hochzeitsgeschenke arm, aber nicht völlig mittellos und gegen alle Wahrscheinlichkeiten des amerikanischen Rechtsystems gelingt es ihr, ihren Sohn mitnehmen zu dürfen.

    Es mag sein, dass Deborah Feldmann nach dem Verlassen der Satmarer nicht physisch verfolgt wurde. Nach allem, was ich dazu im Internet gefunden habe, wurde sie aber nach Erscheinen des Buches sehr wohl in Misskredit gebracht und psychisch sehr viel Druck auf die "Nestbeschmutzerin" ausgeübt.

    Eli ist ja keine allzu starke Persönlichkeit und klar war der Wunsch da, aber er weiß nicht, wie er ein besserer Vater sein soll, was das beinhaltet. Er fällt in die alten Muster zurück, die ihm anerzogen wurden. Das finde ich sehr schade.

    Ja. Und auch das ist nicht spezifisch für nur bestimmte Gruppen.

    Gruselig fand ich bei dieser Szene vor allem die Vorstellung, dass Kinder in diesem Umfeld automatisch zurückbleiben, wenn die Mutter geht.

    Es wird im Epilog erwähnt, dass es vor Deborah noch nie gelungen ist, dass in diesen Fällen das Kind der Mutter zugesprochen wird.

    Ich war sehr geschockt, von den vertuschten Straftaten (Kindesmissbrauch, Mord) zu lesen. So haben sich meine schlimmen Befürchtungen bewahrheitet...


    Deborah Leben ist nach dem Umzug etwas freier, weil in dem neuen Ort die Satmarer nicht so gedrängt wohnen und überhaupt in der Nachbarschaft viele (auch jüdisch-orthodoxe) junge Menschen leben, die alle ihr Leben leben möchten und hin und wieder ein paar Regeln brechen.

    Es gilt der Grundsatz: es wird nicht darüber gesprochen. So kommt Deborah an den Führerschein und mit Eli geht sie hin und wieder ins Kino.

    Eli, der ein besserer/liebevollerer Vater sein möchte, als sein Vater es war, scheitert an der Aufgabe.

    Ich habe gerade das siebte Kapitel beendet. Für mich war das bis jetzt das Kapitel, welches mich am meisten berührt hat.

    Wenn ich mir vorstelle, wie schwierig es unter Umständen schon in unserer offenen Gesellschaft ist, einen guten Arzt und eine richtige Diagnose zu bekommen, muss das psychische Leiden der Autorin in dieser Zeit immens gewesen sein. Und dann löst die richtige Diagnose das Problem nicht einmal, sondern zieht noch Monate eine Therapie nach - die dazu am Ende nicht die optimalen Ergebnisse bringt.

    Über den angeblichen Sexualkundeunterricht musste ich grinsen und habe mir das bildlich vorgestellt.

    Ich lese gerade dessen praktische Umsetzung (nach der Hochzeit, Kapitel 7) und die mehr oder weniger öffentliche Diskussion darüber. Haarsträubend! :yikes

    Es gibt viele jüdische Frauen, die in der Öffentlichkeit Perücken oder Turbane tragen. Ich wusste es auch nicht bis es in einer Doku erwähnt wurde. Dann habe ich bei Berichten mal genauer hingeschaut.

    Das stimmt. Ich habe davon das erste Mal gehört, als ich vor Jahren anfing, die Krimis von Faye Kellerman zu lesen. Die weibliche Hauptperson, Rina Lazarus, gehört auch einer konservativ-orthodoxen Strömung der jüdischen Kirche an. Sie bedeckt auch ihr Haar, entweder mit einem Tuch oder eben einer Perücke. Der große Unterschied: Rina Lazarus tut das freiwillig. Sie hat eine echte Wahl. Und es verlangt niemand, dass sie ihre echten Haare abrasiert.

    Ja, eine Stunde pro Woche, aber trotzdem ja über 3 Jahre. Wahrscheinlich haben sich die Mädchen nicht allzusehr angestrengt, da sie das in ihrem weiteren Leben eh nicht brauchen.

    Was ich meinte mit der einen Stunde pro Woche: Da außerhalb des Englisch-Unterrichts nur jiddisch gesprochen werden darf oder zumindest soll, Radios verboten sind und Bücher auf Englisch erst Recht, wundere ich mich kein bisschen. Dazu kommt noch das Argument, dass die Schülerinnen es nicht brauchen werden.