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Gerade habe ich das Buch heute ein weiteres Mal ausgelesen.Aufmerksam darauf wurde ich darauf damals zum ersten Mal über den Kulturteil eines Printmediums. Obwohl in dem Buch nicht viel passiert und das Familiengeheimnis, wie schon in anderen Rezensionen angesprochen, eine erwartete und keine wirkliche Enthüllung mehr ist, ist das Buch zutiefst fesselnd. Denn es geht gar nicht um diese Enthüllung, es geht um das Leben an sich, um die menschliche Existenz heute in der westlichen Kultur. Es ist streckenweise melancholisch, höchst analytisch, zwischenzeitlich eklig, immer philosophisch und irgendwie auch religiös. Der Titel ist nicht umsonst so gewählt.
Die Autorin hat die Menschen ganz genau beobachtet und über sie nachgedacht. Das Ergebis findet sich sprachgewaltig in diesem Buch. Ausgangspunkt ist eine wohlsituierte Professorenfamilie. Jedes dieser Familienmitglieder sieht die Realität, in der es lebt anders. Erzählt wird immer abwechselnd aus der Sichtweise der jeweiligen Personen, wie ein innerer Monolog, manchmal fast naturalistisch und wie ein Bewusstseinsstom anmutend. Anfangs erscheint das gewöhnungsbedürftig, ist aber origenell und erfrischend ungewöhnlich. Die Sprache Harriet Köhlers ist dabei sehr bildgewaltig. Häufig schreibt sie wie bei einer Schilderung. Das ist sehr poetisch und sehr fesselnd - manchmal hat man aber das Gefühl, daß sie sich zu gekünstelt und verkrampft um eben so eine metaphorisch-lyrische Sprache mit geistreichen Pointen bemüht. Das ist der einzige Kritikpunkt, den ich an diesem Buch auszusetzen habe. Ansonsten beschreibt es fesselnd Schein und Wirklichkeit menschlichen Lebens am Beispiel dieser Familie - die Lebenslügen, die Wünsche und Träume, die Sehnsüchte, die Ängste, alles taucht auf. Immer präsent ist die eigentliche Frage nach dem Sinn des Lebens. Der Titel ist Programm. Daß die knappe Handlung am Ostersonntag, der für den Leser überraschend ausgeblendet wird, kulminiert, ist ein Kunstgriff der Autorin: Die Osterbotschaft, die menschliche Hoffnung auf den Sinn der hinter dem Leben stehen soll - die Frage nach dem, 'was die Welt im innersten zusammenhält' - 'Die Botschaft hör ich wohl, allein mit fehlt der Glaube.' - das Drama des modernen Menschen, tragisch-komisch dargestellt. Faustisch erfolgt auch die Annäherung daran - am Beispiel Ferdis, der als notorischer Studienwechsler immer wieder versucht dem Sinn auf die Spur zu kommen, versucht sich der absoluten Wahrheit, die es in unserer pluralistischen Welt nicht mehr zu geben scheint, durch sämtliche Studienrichtungen anzunähern. Fündig dabei wird er nie. Er ist es auch, der das Familiengeheimnis ans Licht zu bringen sucht - am Ostersonntag. Goethes Faust mit seiner Sinn- und Wahrheitssuche kam mir bei der Lektüre immer wieder in den Sinn. Stellenweise meine ich auch Zitate daraus gelesen zu haben.
Der Inhalt des Buchs ist eine mitreißende Reflexion über menschliches Leben, Denken und Empfinden, die Handlung Nebensache. Es ist schön und spannend zu lesen, das Buch legt man ungern aus der Hand.
Meine Bewertung: Für alle, denen Selbstreflexion wichtig ist, ein wunderbares Buch, abgefaßt in einer beeindruckenden Sprache. Sehr lesenwert. 10/10 Punkte!