Beiträge von Ben

    Ich denke schon, dass es Dostojewski in gewisser Weise gut gelungen ist, die Gesellschaft zu porträtieren - eben indirekt, anhand von Hauptpersonen, die in extremer Weise (wie Du sagst) verschiedene Ideen der Gesellschaft darstellen. Deren etwas weitere Umgebung und deren Reaktionen auf sie entsprechen, glaube ich, schon der Gesellschaft. Er stellt sie also in gewisser Weise anhand von ihren Extremen dar. Der Null Papier Verlag schreibt etwa über "Karamasow":

    "Das Buch ist (anspruchsvoller) Kriminalroman, Entwicklungsgeschichte, Psychogramm und Sittengemälde in einem."

    Dostojewski bringt seine Figuren in im Prinzip normal-menschliche, aberübersteigert zugespitzte (oft hysterische) Konflikte hinein; und über ihre Reaktionen kann man, denke ich, das gleiche sagen.

    OK, ich hab's gefunden, glaube ich, ganz am Ende von Kapitel 7.


    "Einmal, an einem klaren, sonnigen Tag, war er in die Berge gegangen und wanderte dort, mit einem qualvollen Gedanken beschäftigt, der jedoch durchaus keine deutliche Gestalt annehmen wollte, lange umher. Über ihm der leuchtende Himmel, unten der See, ringsum in weiter, weiter Entfernung der helle Horizont. Er schaute dies alles lange an und wurde dabei von einem schmerzlichen Gefühl gepeinigt. Er erinnerte sich jetzt, daß er damals seine Hände nach dieser hellen, endlosen Bläue ausgestreckt und geweint hatte.


    Es war ihm eine Qual gewesen, daß er all dem ganz fremd gegenüberstand. Was war dies für ein Fest, was war dies für ein steter, endloser, großer Feiertag, zu dem es ihn schon lange, schon immer, schon seit seiner Kindheit hinzog, und zu dem er doch nie hingelangen konnte? Jeden Morgen ging dieselbe helle Sonne auf, jeden Morgen stand über dem Wasserfall ein Regenbogen, jeden Abend flammte der höchste schneebedeckte Berg dort in der Ferne am Rand des Himmels in purpurner Glut; jede kleine Fliege, die im warmen Sonnenstrahl um ihn herumsummte, nahm an diesem Fest teil, kannte ihren Platz, liebte ihn und war glücklich, jedes Gräschen wuchs und war glücklich!


    Und alles hatte seinen vorgeschriebenen Weg, und alles kannte diesen Weg und kam singend und ging singend; nur er wußte nichts und verstand nichts, weder die Menschen noch die Töne, er stand allem fremd gegenüber, er war ein Ausgestoßener. Oh, er konnte seinen Gedanken damals natürlich nicht mit diesen Worten aussprechen und ausdrücken; taub und stumm quälte er sich, aber jetzt schien es ihm, als habe er all dies schon damals gesagt, all diese selben Worte und als habe Ippolit das über die Fliege Gesagte von ihm selbst, aus seinen damaligen Worten und Tränen, übernommen. Er war davon überzeugt, und das Herz begann ihm bei diesem Gedanken heftig zu klopfen ..."


    Es ist schon auffallend, wie oft Dostojewski Außenseiter als Hauptpersonen auftreten lässt. Myschkin, Raskolnikow, Sonja, Alexej Karamasow, ... Ich hab auch Kapitel 5 und, teilweise, 6 gelesen. Auch da beschreibt Hippolit sein Außenseiter-Dasein:


    "...aber draußen überkam mich schließlich eine solche Verbitterung, dass ich tagelang mit Absicht hinter verschlossenen Türen und Fenstern saß, obwohl ich hätte ausgehen können, genauso wie alle anderen. Ich konnte dieses hastende, geschäftige, ewig düstere und aufgeschreckte Volk, das links und rechts von mir auf dem Trottoir dahineilte, nicht ertragen. Was sollten ihr ewiger Trübsinn, ihre ewige Unruhe und Hast; ihre übellaunige Bosheit (denn sie sind böse, böse, böse)? Wer ist schuld daran, dass sie unglücklich sind und nicht zu leben wissen, obwohl sie sechzig Jahre vor sich haben!"



    Hippolit erinnert natürlich an Raskolnikow.


    "Ich erkenne keine Richter an, die mich richten dürften, und weiß, daß ich jetzt außerhalb des Machtbereichs eines jeden Gerichtes stehe."


    Beide haben ja auch Selbstmordgedanken. Eigentlich unglaublich, dass die Beteiligten nach Hippolits missglücktem Selbstmordversuch in heiteres Gelächter ausbrechen; sie scheinen sich sehr sicher zu sein, dass es nur eine vorgetäuschte Szene war. Die Stelle in Kapitel 8, in der sich Myschkin zu Hippolit äußert, ist ziemlich kurz und geht um das Selbstmitleid von Hippolit.


    »Natürlich wünschte er«, erklärte der Fürst, »daß außer Ihnen auch wir alle ihn loben möchten ...«

    »Wieso loben?«

    »Das heißt, es ist... Wie soll ich Ihnen das sagen? Es ist sehr schwer zu sagen. Aber er wünschte gewiß, alle möchten ihn umringen und ihm sagen, daß sie ihn sehr lieben und achten, und ihn dringend bitten, am Leben zu bleiben.<<


    Hattest Du diese Stelle gemeint, oder äußert sich Myschkin irgendwo umfangreicher?

    Danke für den Tipp! Habe gerade schonmal angefangen, in dem Kapitel zu lesen. Ein echter Dostojewski, natürlich. Ich schau dann mal, ob ich ein paar Kommentare dazu abgeben kann.



    Auf dieses Kapitel hatte mich schon mal jemand hingewiesen; ich hatte es auch kurz überflogen, aber es war mir doch zu "gruselig" :--) ; deshalb hab ich nicht weitergelesen, obwohl ich manche Stellen wirklich interessant fand. Aus demselben Grund lese ich auch die Stellen in "Karamasow" nicht, wo Iwan wahnsinnig wird, oder den Faust, wo der Mephisto-Typ eine Hauptrolle spielt. Ist das ein Einzelfall in dem Roman, oder gibt es da noch mehr so extreme Stellen? Oder kannst Du andere Kapitel bei Dostojewski empfehlen, die ähnlich interessant aber nicht ganz so düster sind?

    (...) Porfirij wird dadurch erstmals auf ihn aufmerksam, er ist auch mit Raskolinkows eigener theorie bekannt, dass ein verbrecher infolge seines verbrechens eine phase der krankheit zu durchlaufen hat, die durch seine abkopplung von der gesellschaft entsteht. sowas allerdings immer als gewissenskonflikte und sonstiges zu beschreiben ist mir aber zu wenig und erfasst den fall auch nicht (...)

    zweifel hat er vielleicht schon immer gehabt, aber nicht in einem intellektuellen sinne und es gibt auch keine einzige passage in dem buch, in dem er sich für den mord an lisaweta vorwürfe macht (an der pfänderin schon gar nicht). (...)

    aber um ehrlich zu sein argumentiere ich auch nur so viel gegen diese "schuld und reue" geschichte, weil mir diese erklärung einfach zu billig ist. das klingt so wie "na ja wenn jemand ein verbrecher ist hat er halt schuldgefühle und dann sieht er ein was er falsch gemacht hat." das ist so ein grober unsinn, und Dostojewski in keiner hinsicht angemessen. (...)

    Anscheinend ist es oft so (hab ich irgendwo gelesen), dass es Verbrecher irgendwann wieder zum Tatort zurückzieht. (Wird z.B. von Karl May oft aufgegriffen.) Kann sein, dass es in "Schuld und Sühne" wenig um Gewissenskonflikte oder Reue geht, aber das sind Themen, die mich selber mehr interessieren als Raskolnikows Idee. Wobei es natürlich sehr interessant ist, wie Dostojewski es beschreibt, wie jemand mit der Zeit eine fixe Idee entwickelt, und auch wie er später darin dann ins Wanken kommt oder zumindest merkt, dass er nicht stark genug ist, mit den Konsequenzen seiner Idee fertigzuwerden.


    Die Stelle vom Mord an Lisaweta und der Pfandleiherin habe ich gelesen, und da ist Raskolnikow immerhin (verständlicherweise) extrem mitgenommen von seiner Tat. Aber da ist er wohl, wie Du sagst, völlig von seiner Idee eingenommen, mit vielleicht etwas unbewusstem Schuldbewusstsein, und merkt einfach, wie er (um mich zu wiederholen) nicht stark genug ist, mit den Konsequenzen seiner Idee fertigzuwerden.

    wieso liegt dir denn so viel an der reue? glaubst du im ernst, dass jeder verbrecher aufrichtige schuldgefühle empfindet? ich denke dass die wenigsten das tun, auch menschen nicht, die die justiz nicht als kriminelle brandmarken würde, aber zu sehr viel fragwürdigeren handlungen fähig sind. schon gar nicht so ein intellektueller wie Raskolnikow, der sich sein handeln genau nach seiner denkweise ausgerichtet hat.

    Das Thema Reue interessiert mich generell, aber ich habe es eigentlich nur aufgebracht, weil ich den Roman ja kaum kenne und etwas finden wollte, wo ich Dir "ein bisschen Kontra geben" :--) oder etwas diskutieren kann. Es wäre aber auch ein "schöneres Happy-End" gewesen, wenn am Schluss eine echte Reue von Raskolnikow beschrieben wäre; ohne das ist es natürlich literarisch gesehen kunstvoller und wohl auch deutlich realistischer, wenn Raskolnikow schon, wie Du es beschreibst, jahrelang in seiner Idee festgefahren ist.


    Aufrichtige Schuldgefühle? Da bin ich wohl (vielleicht zum Glück) zu wenig ein Menschenkenner, aber zumindest Gewissensbisse haben wohl (hoffentlich) die meisten. Mit zunehmender Lebensdauer aber wohl immer schwächer, während Raskolnikow ja noch jung ist. Eine gewisse innere Zerrissenheit - der Name Raskolnikow vom russ. "raskolot" = spalten - ist ja wohl auch etwas, was den Roman so interessant macht. Deswegen wollte ich auch Hinweise darauf finden, wie Raskolnikow an seiner Idee zu zweifeln beginnt. In der Sekundärliteratur wird es ja auch oft so dargestellt, Raskolnikow würde am Ende tatsächlich schon seine Tat bereuen.

    der letzte satz zeigt doch schon, dass er da keine wahrheitsgetreuen aussagen macht. es ist eine mischung zwischen gleichgültigkeit, bitterkeit über die niederlage und einem anteil, seine strafe nicht noch schlimmer zu machen als sie ist. seine aussagen vor gericht haben mit seiner eigentlichen einstellung zu seinem handeln nichts zu tun; hätte er da lang und breit seine idee präsentiert, wäre das nicht nur lächerlich rübergekommen, hätte es im sinne der justiz keinerlei rechtfertigung bedeutet, sondern hätte ihm höchstwahrscheinlich sehr viel mehr als 8 jahre eingebracht. im endeffekt hat er sich ja auch gestellt, weil Porfirij - obwohl er ihn bis ins letzte durchschaut hatte - das angebot machte, nicht zu seinen ungunsten auszusagen um ihm die möglichst mildeste strafe zu verschaffen. selbst wenn in seinen aussagen irgendeine wahrheit stecken sollte, ist das alles nachrangig (...)

    Das klingt plausibel. Allerdings scheint mir schon , dass Dostojewski ein bisschen damit spielt (und vielleicht manchmal den Leser auch ein wenig in die Irre führt), dass er hier und da einen Hauch von Reue anklingen lässt, oder mit seinen Anmerkungen zur wahrheitsgetreuen Aussage vor Gericht.


    "Zum größten Verdruss derer, die diese Ansicht vertraten, versuchte der Verbrecher selbst sich fast gar nicht zu verteidigen"

    "... und vielleicht gerade deshalb, weil der Verbrecher es nicht nur verschmähte, sich zu verteidigen und zu rechtfertigen, sondern gleichsam den Wunsch bekundete, sich noch mehr zu beschuldigen."

    "Der Umstand, dass er von dem Geraubten keinen Nutzen gezogen hatte, wurde teilweise der erwachten Reue (...) zugeschrieben. "

    Das klingt (aus dem Kontext gerissen) eben schon danach, dass es ihm nicht so sehr um Schuldminderung gehen würde. Oder war das Berechnung, vielleicht entsprechend einem Rat von Petrowitsch?

    Mir scheint auch fraglich, dass er, auch wenn ihm klar war, dass dieser Verzicht auf Verteidigung günstig für ihn war, die Kraft haben würde, das auch durchzuziehen, anstatt sich dann doch zu verteidigen, wenn es ihm doch, wie Du sagst, zum Teil auch um Strafminderung ging.


    Ein gewisses Reuegefühl klingt auch hier an:

    "Doch als er diesen letzten Ausruf hervorstieß, begegnete sein Blick zufällig den Augen Dunjas und sah in ihnen soviel, soviel Qual seinetwegen, dass er unwillkürlich zur Besinnung kam. Er fühlte, dass er immerhin diese beiden armen Frauen unglücklich gemacht hatte. Immerhin war er doch die Ursache..."

    Interessant ist auch, dass gegen Ende fast nur (scheint mir) seine Gedanken über den ersten Mord, an Aljona, beschrieben werden, kaum über den an Lisaweta. Hätte er, wenn er seiner Idee treu geblieben wäre, nicht den zweiten Mord unterlassen müssen, auch wenn sie ihn dann nach dem Gesetz als Mörder angezeigt hätte? Hätte er für den zweiten auch gemäß seiner Idee Reue empfinden sollen, oder rechtfertigte seine Idee für ihn auch diesen Mord, weil der erste eine so wichtige, "grandiose" Sache war?

    aber eigentlich ist es schade, dir davon zu vorweg zu nehmen, der epilog enthält einige der schönsten seiten, die jemals geschrieben worden sind.

    Im Gegenteil, ich glaube, das erhöht mein Interesse und meine Motivation zum Lesen, wenn ich schonmal einige interessante Passagen und Zusatzinfos kenne. Früher hätte ich Vorwegnahmen nicht gewollt, um mehr Spannung beim Lesen zu haben, aber darum geht es mir nicht mehr so sehr.

    Deshalb hab ich jetzt auch schonmal in den Epilog reingeschaut; da heißt es in der Gerichtsverhandlung (in der Raskolnikow wohl, wenn ich es richtig verstehe, sehr ehrlich Auskunft gibt) durchaus, dass das Geld Wichtigkeit für R. gehabt hätte:


    "auf die endgültigen Fragen, was ihn denn zum Totschlag bewogen und was ihn den Raub zu vollziehen angetrieben habe, antwortete er sehr klar, mit der plumpesten Genauigkeit, dass der ganze Beweggrund seine schlechte Lage, seine Armut und Hilflosigkeit und der Wunsch gewesen sei, die ersten Schritte seiner Laufbahn mit Hilfe von mindestens dreitausend Rubeln zu sichern, die er bei der Erschlagenen zu finden gehofft habe. Entschlossen habe er sich zum Mord infolge seines leichtsinnigen und kleinmütigen Charakters, der außerdem durch Entbehrungen und Misserfolge verbittert gewesen sei."


    Dass er das Geld nach dem Schock des Mordes nicht mehr anrührt, ist sehr verständlich. Aber ich habe natürlich nicht das ganze Bild des Romans, und es hätte wohl auch wenig Sinn gemacht, vor dem Gericht seine Ideen auszubreiten.

    es ist jedenfall eindeutig keine reue - das ist nicht so interpretativ von mir vor sich hingesagt - sondern verzweiflung darüber, dass er sich selbst nicht gerecht werden konnte und die gesellschaft ihn aufgrund ihrer beschränktheit verdammt hat.

    Dass es keine wirkliche Reue ist, da stimme ich zu. Allerdings laut Dostojewski wohl eine Art von teilweiser Reue, als es vor Gericht (wo Raskolnikow, wie gesagt, anscheinend ehrlich Auskunft gibt) heißt:

    "Auf die Frage aber, was ihn denn eigentlich bewogen habe, sich selbst anzuzeigen, antwortete er freimütig, das sei infolge aufrichtiger Reue geschehen. Dies alles wurde von ihm so gesagt, dass es fast schon an Grobheit grenzte."


    Allerdings wohl nur in dem Sinn, dass er anerkennt, dass er sich gegen den "Buchstaben des Gesetzes" (das er in diesem Punkt wohl verachtet) vergangen hat:

    "gewiss, der Buchstabe des Gesetzes ist übertreten, und Blut ist vergossen, nun, so nehmt doch für den Buchstaben des Gesetzes meinen Kopf ... und damit basta!"

    Und in dem Sinn, dass er in dem Moment, als er sich zum Geständnis entschließt, Sonjas Worten (vielleicht, weil er keine bessere Alternative sieht) zustimmt:

    "Geh auf einen Kreuzweg, verneige dich vor der ganzen Welt, küsse die Erde, die du entweiht hast, und sage laut vor allen Menschen: Ich habe getötet!"

    deswegen verschwendet er im ganzen buch auch kaum einen gedanken an die verwendung des geldes, er rührt es kaum an, das ist nur netter zusatz der seiner situation dienlich wäre. im epilog wird Raskolnikows auseinandersetzung mit seinem scheitern an seinen ansprüchen auf ergreifende weise geschildert; er war nicht stark genug, um seine idee bis in letzte konsequenz zu verfolgen, es ist kein schuldgefühl oder reue die ihn begleitet (nach der reue sehnt er sich sogar).

    Interessant; da hatte ich von dem, was ich bisher gehört habe, wohl ein falsches Bild. Hätte Raskolnikow sich denn am Ende gewünscht, er hätte seine Idee konsequenter verfolgt? (so hört sich das in dem Zitat an; und dafür müsste er ja eventuell "stark genug sein", um das Sehnen nach Reue ablegen können - würde er das am Ende wollen?)

    das faszinierende daran ist, dass es diese art zu denken keineswegs abwegig ist für einen person, die bereit ist über den engen horizont der lächerlichen konventionen hinaus zu sehen und es gibt auch genügend historische beispiele dafür. es ist eine sache, die abhängig ist von grundannahmen, die schwierig oder gar nicht zu beweisen sind, wie z.b. Gott.

    wenn es keinen Gott gibt, welche wahrheit kann man dann noch für sich anerkennen? was ist tatsächlich die letzte schlussfolgerung aus dieser erkenntnis? deswegen sind konträre positionen der figuren seiner bücher auch auf ihre weise berechtigt, weil sie nicht auf demselben fundament gebaut wurden, aber bis ins höchste und konsequenteste hinaus gedacht sind - unabhängig davon, ob sie das wohlgefallen der gesellschaft finden. - gerade das machen die autoren nicht, die sich so gern der "strohmänner" bedienen; sie denken wahrscheinlich nicht mal ihre eigene ideologie richtig zu ende. solche typen sind aber die regel.

    Ich würde mal vermuten, dass die meisten sowieso das glauben, was sie gerne glauben wollen, unabhängig von Beweis oder nicht und egal, wie stark/schwach die Argumente sind.

    Ich habe mal gehört, dass Dostojewski quasi immer gegen einen "iron man" argumentiert statt gegen einen "straw man". Viele Autoren lassen ihre Überzeugung nur gegen eher schwache "Strohmann"-Argumente angehen, während Dostojewski anscheinend immer versucht, möglichst die allerstärksten Argumente aufzufahren, die gegen seine Überzeugung sprechen. So gibt er etwa in "Schuld und Sühne" dem Raskolnikow alle möglichen angeblichen Rechtfertigungen für seinen Mord in die Hand (z.B. mit dem erbeuteten Geld Gutes für die Menschheit tun, seine Schwester vor einer unglücklichen Ehe retten, ...), um dann dagegen zu argumentieren.


    Mir hat zu dem Thema mal jemand zwei kurze Links von Uni-Vorlesungen zugeschickt, die ich hier mal anfüge, falls es Dich interessiert.



    (...) ich bevorzuge die übersetzung von e.k rahsin die in zusammenarbeit mit Mereschkowski ausgearbeitet wurde, aber das ist auch nur persönliche präferenz. ich habe ebenso mit der Geier übersetzung begonnen. (...)

    Danke für den Tipp! Bisher habe ich auch vor allem von Rahsin und Geier Gutes gehört.

    Zitat

    wieso interessiert dich Dostojewski denn?

    Mich persönlich interessieren vor allem die glaubensbezogenen und die psychologischen Aspekte, wie Dostojewski die Personen beschreibt (vor allem in den Passagen über den Starez, Alexej und Dimitri). Auch die teilweise fast hoffnungslos verzwickten, turbulenten und wendungsreichen Konflikte, in die Dostojewski seine Personen immer wieder hineinstürzt und wie sich die einzelnen Charaktere dazu verhalten, finde ich interessant. Z.B. während der Gerichtsverhandlung in "Karamasow" oder mit den unübersichtlichen Geldströmen/Besitzansprüchen bei Dimitri. Auch im "Idiot" geht es ja schön turbulent zu.

    Wie Dostojewski das Leiden beschreibt und wie er Ideen von verschiedenen Seiten beleuchtet, finde ich ebenfalls beeindruckend.


    Du hast ziemlich sicher Recht, dass der "Effekt" stärker ist, wenn man es als Ganzes liest, aber in der Hinsicht hat mich "Karamasow" bisher vielleicht überfordert, und ich habe mir dann eben (leider?) nur einige Stellen herausgepickt.


    Nietzsche hat ja übrigens wohl auch gesagt, Dostojewski gehöre "zu den schönsten Glücksfällen seines Lebens".

    (...) Die Brüder Karamasow gelten als sein Magnus Opum, und das wohl zurecht, allerdings habe ich es selbst noch nicht abgeschlossen, da ich es mir noch aufheben will sobald ich selber reifer geworden bin. am ende muss ich sagen dass ich wohl noch zu jung war um alles zur gänze zur verstehen das sich in anderen romanen abgespielt hat - im sinne der ganzen tiefe-, ich bereue es allerdings nicht, da mir Dostojewski den wert der höheren literatur gezeigt hat und ich bis heute auch nichts vergleichbares gesehen habe.

    Vielen Dank für die ausführliche Antwort! In den letzten Monaten hab ich "Die Brüder Karamasow" überflogen und insgesamt vielleicht ein Viertel davon gelesen. Vom "Idiot" hab ich auch die ersten 200 Seiten überflogen.

    Vielleicht war es für mich auch erstmal zu viel zum Verdauen, um Karamasow gleich ganz am Stück zu lesen; ich würde zustimmen, dass ich bei Romanen bisher nichts vergleichbar Tiefgründiges gefunden habe.


    Deshalb lese ich jetzt erstmal Biographien über Dostojewski, auch Bücher mit Interviews mit Swetlana Geier, wo sie interessante Sachen sagt.


    Zum kompletten Durchlesen würde ich nach jetzigem Stand wohl erstmal "Die Brüder Karamasow" nehmen ; zum "großflächig Lesen" mit dem Idiot weitermachen. Bei "Böse Geister" bin ich noch nicht sicher, ob ich es lesen werde; scheint ja recht 'gruselig' zu sein. Vom "Jüngling" und z.B. dem "Doppelgänger" konnte ich mir bisher noch nicht so recht ein Bild machen.

    Hallo zusammen,


    ich habe vor, in der nächsten Zeit einige Romane von Dostojewski zu lesen. Zur Zeit lese ich einige Biographien über ihn, um mir einen Überblick zu verschaffen. Es wäre nett, wenn der eine oder andere etwas schreiben könnte, was er an einem der Romane gut findet oder nicht so.


    MfG, Ben

    Noch kurz zu meinen Leseinteressen/Hobbies:

    Seit ein paar Monaten interessiere ich mich sehr für Tolstoi und Dostojewski; ansonsten würde ich Karl May und C.S. Lewis zu meinen Lieblingsautoren zählen. Anlass für das Interesse an T.&D. ist wohl, dass ich bei meinem 2. Durchgang durch die Karl-May-Bände nach etwa einem Drittel etwas ins Stocken gekommen bin. Deshalb hab ich mir aus der Bücherei ein paar Dutzend Bücher über die/von den beiden ausgeliehen und bin gerade fleißig dabei, einige Biographien über Dostojewski zu lesen. Vor ein paar Tagen habe ich "Dostojewskis Gelächter - die Entdeckung eines Großhumoristen" (E. Henscheid) fertiggelesen, ein sehr witziges Buch.


    Ansonsten interessiere ich mich für klassische Musik (Brahms, Rachmaninow, Dvorak, Beethoven etc.) und für Geschichte bzw. geschichtliche Hintergründe zu Büchern.