Beiträge von Ben

    Fürst Wassil ist ganz schön umtriebig.

    (…)

    Auf dem Kriegsschauplatz erleben wir die Schlacht bei Austerlitz mit, die sog. Drei-Kaiser-Schlacht (…) Gelungen fand ich den Ritt Rostows entlang der Front, wo wir verschiedene Momentaufnahmen erlebten.

    Wie Tolstoi den Wasili beschreibt, finde ich sehr interessant:


    "Seine Pläne sorgsam zu durchdenken, das lag nicht in der Art des Fürsten Wasili. Noch weniger war er darauf bedacht, anderen Leuten Übles zu tun, um selbst einen Vorteil zu erlangen. (…) In seinem Kopf bildeten sich fortwährend je nach den Umständen (…) allerlei Pläne und Kombinationen, von denen er sich selbst nicht genauer Rechenschaft gab, die aber doch den ganzen Inhalt seines Daseins ausmachten. (…) In einer Art von Zerstreuung und Absichtslosigkeit und dabei doch mit der zweifellosen, instinktiven Sicherheit, dass er so handeln müsse, tat Fürst Wasili alles, was erforderlich war, um eine Heirat zwischen Pierre und seiner Tochter zustande zu bringen."

    Von der Schlacht bei Austerlitz fand ich vor allem den morgendlichen Beginn im Nebel sehr spannend und stimmungsvoll beschrieben:


    "In der Tiefe, wo der Kampf begonnen hatte, herrschte überall noch dichter Nebel. (…) Jetzt war es neun Uhr. In der Tiefe lag der Nebel ausgebreitet wie ein zusammenhängender Meeresarm; aber bei dem Dorf Schapanitz, auf der Anhöhe, auf welcher Napoleon, von seinen Marschällen umgeben, stand, war es völlig hell. (…) Schweigend sah er nach den Hügeln hin, welche inselartig aus dem Nebelmeer herausragten (…). Er sah durch den Nebel, wie (…) die russischen Kolonnen mit ihren blitzenden Bajonetten sich immer in derselben Richtung nach dem Tal zu bewegten und eine nach der andern in dem Nebelmeer verschwand."

    Gefragt habe ich mich, warum es für die Russen überhaupt kein Vorteil war, von oben nach unten zu kämpfen? Aber vielleicht ist das gar nicht so praktisch; und wenn der Kampf ausgeglichen ist, bewegt man sich auch wenig vor- oder rückwärts.

    Und Rostow ist annähernd versessen, sich ihm zu zeigen und alles für ihn zu tun. Aber er will auch Anerkennung vom Kaiser. :gruebel . Er bekommt/bekam anscheinend nie genug von anderswo?

    In seiner Familie bekam Rostow anscheinend schon viel Anerkennung, aber das war ihm vielleicht nicht genug... ich hab aber auch den Eindruck, dass es so beschrieben ist, dass ein Großteil des Heeres dieselbe Empfindung hatte wie Rostow, die wohl auch wieder durch das jahrelang aufgebaute "Truppengefühl" hervorgebracht worden war:


    "Rostow stand in den ersten Reihen des Kutusowschen Heeres (…) und war von denselben Empfindungen erfüllt wie jeder Mann dieses Heeres: von einem Gefühl der Selbstvergessenheit, von einem stolzen Machtbewusstsein und von einer leidenschaftlichen Begeisterung für den, welcher die Ursache dieser (…) Veranstaltung war."

    Einmal kam mir die Überlegung, warum sie nicht anfangen, Rauchzeichen etc. zu geben. :D Für mich ist es irgendwie kein Wunder, das Napoleon hier erst einmal gesiegt hat.

    Rauchzeichen :--))) Wenn ich Tolstoi richtig verstehe, war das in all den Schlachten auf beiden Seiten so konfus; das merkt man später in Borodino recht deutlich.

    Hallo zusammen,


    da ich gerade erkältet bin und somit mehr Zeit habe, denke ich, ich kann in der nächsten Zeit vermutlich den einen oder anderen Beitrag schreiben.

    Anatol ist mir total unsympathisch. Ich bin froh, dass sich Marja gegen ihn entschieden hat. Die Arme.

    Absolut! :stop :--)

    Pierre: Der Arme. Irgendwie habe ich ein wenig Mitleid mit ihm. Er kommt mir wie eine Spielfigur seiner Verwandtschaft (oder Bekanntschaft) vor. Vorher kam es mir so vor, dass er seinen eigenen Kopf hat. Aber davon ist nichts mehr zu sehen. (…)


    Marjas Vater schreit mir übrigens zu viel. Es steht sehr oft da, dass er schreit. Ob das wohl richtig übersetzt wurde? (…)


    Als der Kaiser Alexander seine Truppen besucht, erschallen überall auf geordnete Weise 'Hurra'-Rufe. Ich stelle mir das sehr mitreisend vor, wenn man dabei ist. Bestimmt hätte ich eine Gänsehaut bekommen. Was so ein Truppengefühl an Stärke bringt. Sogar sterben würde der eine oder andere für den Kaiser. So ist der Krieg also möglich.

    Pierre hat seinen (scheinbar?) eigenen Kopf wohl zum Teil daher, dass er in Frankreich als Napoleonfreund, Atheist etc. erzogen wurde und diese Positionen nun relativ eifrig vertritt. Vielleicht auch deshalb wird seine weitere Geschichte etwas ungewöhnlich, sozusagen "eigen", werden.


    Es kann gut sein, dass das mit Marjas Vater richtig übersetzt wurde; mir wird er im Verlauf des Buches immer unsympathischer.


    Ich fand ich diese Stelle erstaunlich, bei der es um eine Kavallerieattacke geht:


    " 'Nur schnell, nur schnell!' dachte Rostow, der sich sagte, dass nun endlich der Augenblick gekommen sei, wo er den Hochgenuss einer Attacke kennenlernen sollte, über den er von seinen Kameraden, den anderen Husaren, soviel gehört hatte."


    Dieses Gefühl kommt wohl daher, dass man in dieser Angriffssituation einsehen muss, dass man die besten Überlebenschancen hat, wenn man mutig und die anderen motivierend, scheinbar tollkühn, drauflosstürmt und vorerst völlig auf jede Bindung an das eigene Leben und die Sorge darum verzichtet. Und natürlich von dem erwähnten Truppengefühl.

    Was Marjas Vater betrifft, frage ich mich auch immer wieder, warum er so ist, wie er ist. Was ist eigentlich mit seiner Frau geschehen? Wurde da mal etwas erwähnt? Ich weiß es leider nicht. Vielleicht hat ihn irgendetwas derart geprägt, dass er seine Gefühle auf andere und deshalb merkwürdige Weise äußert.

    Da müsste man sich wahrscheinlich über Tolstois Großmutter informieren... In der Quelle, die ich zu den ersten Kapiteln mal angegeben hatte, steht nur das dazu:


    "Sehr früh verwitwet, widmete er sich bis zu seinem Tode (1821) der Erziehung seiner einzigen Tochter Marie, Tolstois Mutter. Fürst Nikolai Sergejewitsch galt als ein strenger, aber nicht grausamer Gutsherr, der zwar unbedingten Gehorsam von seinen Leibeigenen verlangte, dafür aber auch unaufhörlich auf ihr Wohlergehen bedacht war: sie sollten nicht bloß satt zu essen haben und gut gekleidet sein, auch ihr Vergnügen sollten sie haben. Der alte Fürst führte musterhafte Wirtschaftsbauten auf und hinterließ bei seinen Hörigen das Andenken eines sehr gescheiten Menschen und vortrefflichen Landwirtes."

    (vielleicht ist das hier doch deutlich zu positiv geschildert, wenn man Tolstoi so liest?)


    http://www.lexikus.de/biblioth…-Ahnen-muetterlicherseits

    Liebe sasaornifee und PMelittaM ,


    leider habe ich gerade sehr wenig Zeit zum Eulen. Es könnte zwar sein, dass ich bald wieder so mitmachen kann wie zu Beginn, aber ich denke eher, dass es einige Wochen oder Monate dauern wird, bis ich wieder Zeit für das Forum habe. Falls es so kommt, könnt ihr entweder ohne mich weitermachen (ich lese eure Beiträge bestimmt mal noch durch) oder warten, bis ich wieder da bin.


    Sorry und viele Grüße, und schon mal vielen Dank fürs Mitmachen bisher :-) ,


    Ben

    Die etwa 300 Seiten lange Titelerzählung aus dem Karl-May-Band Nr. 90 der Gesammelten Werke, "Verschwörung in Wien", spielt in Wien Ende des 19. Jahrhunderts. Die Erzählung gehörte ursprünglich wie auch Band Nr. 66-68 und 73 zu Mays Roman "Der Weg zum Glück". Diese 4 Bände finde ich sehr spannend, humorvoll und gut gelungen (gehören für mich zu den besten Karl-May-Bänden), spielen aber in Bayern und z.T. in Triest/Italien; die "Verschwörung in Wien" habe ich leider noch nicht gelesen, wird aber ähnlich gut sein.


    http://www.glanzundelend.de/Ar…verschwoerung-in-wien.htm

    Ich hatte eben gemeint, dass es in der Regel nicht bei kleinen Racheakten bleiben würde. Herrscher sind wohl oft weitgehend Marionetten, denke ich, die großem Druck durch einflussreiche Gruppierungen oder das Volk ausgesetzt sind. Aus den gleichen Gründen, aus denen der erste Herrscher Krieg geführt hat, wird wahrscheinlich auch der Nachfolger Krieg führen. Für diese Sichtweise über historische Vorgänge plädiert auch Tolstoi, als er später im Buch schreibt:


    "Wer da sagt, Napoleon sei [in den Krieg] gezogen, weil er dazu Lust gehabt habe, und sei zugrunde gegangen, weil Alexander ihn habe zugrunde richten wollen, der hat genau ebenso recht und unrecht wie derjenige, welcher behauptet, ein Millionen Zentner schwerer Berg, der unterminiert wurde und zusammenstürzte, sei deswegen gefallen, weil der letzte Arbeiter unter ihm zum letztenmal mit der Hacke zugeschlagen habe. Bei historischen Ereignissen sind die sogenannten großen Männer nur die Etiketten, die dem Ereignis den Namen geben; sie stehen aber, ebenso wie die Etiketten, mit dem Ereignis selbst kaum in irgendeinem inneren Zusammenhang."

    "Die Menschen des Westens bewegten sich nach Osten, um dort andere Menschen zu töten. Und nach dem Gesetz des Zusammenfallens der Ursachen schoben sich nun diesem Ereignis ganz von selbst Tausende kleiner Ursachen für diese Bewegung und für den Krieg als Stützen unter und trafen mit diesem Ereignis zusammen: die Vorwürfe wegen der Verletzung des Kontinentalsystems; und der Herzog von Oldenburg; und der Einmarsch der Truppen in Preußen, der nach Napoleons Meinung nur unternommen war, um einen bewaffneten Frieden zu erreichen; und die Kriegslust des französischen Kaisers und seine Gewöhnung an den Krieg, womit die Neigung seines Volkes zusammentraf; und der Reiz, den die Großartigkeit der Vorbereitungen ausübte; und die Kosten dieser Vorbereitungen und das Bedürfnis, sich Vorteile zu verschaffen, durch die diese Kosten wieder ausgeglichen werden könnten (…)"


    Derartige Überlegungen wird Tolstoi im Verlauf des Buches noch gefühlt einige Dutzend Mal anstellen. :-)

    Jaaa, ich habe es nicht eher geschafft. :lache

    Hätte ja sein können, dass du in Neuseeland lebst... :lache


    Also, wenn das Volk wirklich den Krieg wollte, nehme ich meine Aussage mit der Feigheit wieder zurück. Obwohl, dann waren sie es auf andere Weise?
    (...) Bisher wurde die Zivilisation in 'Krieg und Frieden' auch nicht angegriffen, soweit ich das jetzt beurteilen kann.

    OK, meine Aussage mit der "Erwartung des Volkes" war natürlich sehr allgemein; manche "Lobbygruppen", politisch einflußreiche "hohe Tiere" oder Gruppen spielen da natürlich eine besonders große Rolle, wenn der Herrscher sich vor ihnen verantworten muss, warum er keinen Krieg führt, obwohl er/die Nation beleidigt wurde, der Bündnispartner angegriffen wurde, das politische Gleichgewicht auf dem Kontinent in Gefahr ist, man die Gelegenheit hat, 'France great again' zu machen, etc. .

    Bisher wurde die österreichische Zivilbevölkerung angegriffen, die mit Russland verbündet war.

    Ich denke, es ist eher selten, dass "das Volk" wirklich selbst Krieg will, das geht meistens von oben aus. Und ja, es wäre viel einfacher, wenn die Staatsoberhäupter sich einfach duellieren würden. Tun sie aber nie, und werden sie wohl auch nie. Ich denke, Kriege wären dann Vergangenheit und Diplomatie würde die Welt regieren.

    Ich glaube, dass so ein Duell das Problem leider nicht lösen würde. Wenn ein Herrscher (gerade einer, der wie anscheinend Alexander oder Napoleon beliebt war) durch so ein Duell regierungsunfähig gemacht werden würde, würden der Nachfolger oder dessen Volk vielleicht um so mehr auf Wiedergutmachung/Rache sinnen. Ich denke, solange es schon auf kleiner Ebene zwischen Menschen, z.B. in Ehe oder Beziehung, Konflikte bis hin zu Mord und Totschlag gibt, wird es sicherlich auch zwischen Nationen immer wieder Kriege geben.


    Hier noch ein interessantes Zitat, wo ein Offizier über seine eigene Mutlosigkeit so beschämt ist, dass er sich, anscheinend sogar unbewusst, einredet, es wäre anders gewesen:
    " 'Als ich dann sah, Euer Durchlaucht, dass das erste Bataillon stark gelitten hatte, da stellte ich mich am Weg hin und dachte: 'Ich will diese nach hinten zurücknehmen und dem Feind mit einem Dauerfeuer entgegentreten.' Und so habe ich es dann auch gemacht.'

    Der Regimentskommandeur wünschte so lebhaft, dies getan zu haben, und bedauerte so tief, nicht imstande gewesen zu sein es zu tun, dass er sich einbildete, es sei genau so zugegangen. Und vielleicht war es sogar tatsächlich so gewesen? Hatte man etwa in diesem Wirrwarr erkennen können, was geschah und was nicht geschah?"

    Es waren russische Soldaten, von denen einer wegen Diebstahl ausgepeitscht wurde. Der Unterschied ist wohl, dass Rostow in einen Diebstahl unter dem Pawlograder Husarenregiment (eine Kavallerie-Garde) verwickelt war, das besonders auf seine Ehre achtete, während es hier um eine einfache Grenadier-Korporalschaft oder so (Infanterie) ging.


    Bestimmt ist das russische Volk gemeint; Tolstoi rechnete vielleicht nicht damit, dass er auch außerhalb Russlands gelesen werden würde.


    Die Szene, in der die Franzosen und Russen miteinander lachen, ist wirklich erstaunlich. Kann gut sein, dass der Zar und Napoleon feige waren; es hätte wohl aber auch viel Mut gebraucht, gegen den Willen/die Erwartung des Volkes keinen Krieg zu führen. Wenn man "Schwäche zeigte" oder Beleidigungen einfach hinnahm, konnte man schnell abgesetzt werden oder politisch große Probleme bekommen. Feigheit ist es wohl trotzdem (kenne mich mit den Hintergründen nicht so aus), aber eine, die nicht einfach zu überwinden war.

    aber ich merke jetzt, dass ich doch zu müde bin, hier weiterzuschreiben. Ich verschiebe das mal auf tagsüber. Bis später!

    Tagsüber? 00:01 Uhr? :--)

    Aber hier konnte ich mit den Kriegshandlungen nichts anfangen; wie z.B. die Truppenbewegungen oder Kriegsstrategien am Anfang.

    Die Beschreibung des Kriegsgeschehens liest sich teilweise schon sehr düster; irgendwie ist es auch ganz großes (und grausames, weil realistisches) Drama, wie an dieser Stelle:


    " 'Wenn von Bagrations Abteilung morgen der zehnte Teil davonkommt, dann will ich Gott danken', fügte er [Kutusow] wie im Selbstgespräch hinzu.

    Fürst Andrei sah zu Kutusow hin, und unwillkürlich haftete sein Blick (...) auf den sauber gewaschenen Falten der Narbe an Kutusows Schläfe, wo ihm beim Sturm auf Ismail eine Kugel in den Kopf gedrungen war, und auf dem ausgelaufenen Auge des Oberkommandierenden. 'Ja, er hat ein Recht, so ruhig von dem bevorstehenden Untergang dieser Menschen zu sprechen', dachte Bolkonski."

    OK, dann schönen Urlaub dir!


    Telefon und Funk haben natürlich viel verändert, aber ich vermute, Missverständnisse, Tricks & Befehlsauslegungen gibt es heute auch noch - gerade, weil es im Kriegsgeschehen um Leben und Tod oder um das Schicksal des Landes/der eigenen Familie geht.


    Tolstois Humor finde ich auch super; ich kann mich kaum an einen annähernd so humorvollen/satirischen Schriftsteller erinnern.

    Ja, gerade bei den verschiedenen Offiziern hätte Tolstoi öfter die zugehörigen Namen dazuschreiben sollen. Vielleicht liegt das aber auch an den Übersetzern oder ist/war in Russland so üblich. Ich merke auch immer mehr, wie "grottenschlecht" ich die ultra-gekürzte Lorenz-Version im Vergleich zur Röhl-Version finde; z.B. sind, glaube ich, fast alle humorvollen Stellen in diesem Abschnitt weggekürzt.


    Sehr nett fand ich z.B. dieses Zitat:

    "Man hätte meinen sollen, dass es unmöglich sei, sich noch strammer auszustrecken, als es Timochin zu der Zeit getan hatte, wo ihn der Regimentskommandeur tadelte. Aber in diesem Augenblick, wo sich der Oberkommandierende zu ihm wendete, reckte sich der Hauptmann dermaßen gerade, dess es schien, wenn der Oberkommandierende ihn noch eine Weile ansähe, so würde der Hauptmann sich Schaden tun; und deshalb wandte sich Kutusow schnell von ihm ab, da er augenscheinlich die Situation des Hauptmanns begriff und ihm alles Gute wünschte. Über Kutusows volles, durch eine Narbe entstelltes Gesicht flog ein ganz leises Lächeln."

    Zuerst hatte ich die ersten 3 Abschnitte in der stark gekürzten Lorenz-Version gelesen, dann den ersten Abschnitt nochmal bei Röhl. Um mit dem fortlaufenden Lesen nicht zu weit vorauszueilen, aber doch mitreden zu können, je nachdem, wie weit die anderen sind, hab ich danach ausgewählte Kapitel gelesen (vor allem die Geschichte von Pierre und die Schlachtenbeschreibungen). Auf diese Weise hab ich zuletzt die Schlacht von Borodino gelesen.

    Zur Unterteilung: In Teil 1 beginnt Kapitel 18 mit dem Diner bei den Rostows und damit, dass Marja Dmitrijewna dort ankommt.

    In Teil 2 besteht Kapitel 10 aus dem Gespräch zwischen Andrej und dem Diplomaten Bilibin. Kapitel 11 beginnt mit dem Diplomatentreffen bei Bilibin, bei dem neben Andrej unter anderem auch Fürst Ippolit anwesend ist.


    Wegen den Fürstinnen hab ich mal versucht (basierend auf den Übersetzern Hauff und Röhl), eine Übersicht zu machen:

    - kleine Fürstin: Lisa Bolkonskaja (geb. Meynen); bei Bolkonskis zu Hause manchmal auch nur 'Fürstin' genannt

    - (ältere/mittlere/junge) Fürstin: Katharina/Olga/Sophie Besuchowa (bei Röhl 'Prinzessinnen')

    - Fürstin: Anna Drubezkaja

    - Gräfin: Natalja Rostowa (die Mutter, nicht die Tochter)

    - Prinzessin (bei Röhl): Marja Bolkonskaja; Helene Besuchowa (geb. Kuragina)

    Der Tod von Peters Vater und die Erbschaft ist schon fast tragikomisch. Aber auch sonst gibt es einige Szenen, die in diese Richtung gehen, schon allein deshalb gefällt mir die Lektüre.

    Stimmt, manche Stellen sind richtig sarkastisch, vor allem später manchmal, wenn es um militärische Strategien und Intrigen um die Strategie geht. Oder auch darum, verlorene Schlachten und Manöver schönzureden.

    Herzhaft lachen musste ich über den Vergleich:


    „... und so wurde der Vicomte der Gesellschaft in der prächtigsten und für ihn selbst am vorteilhaftesten Beleuchtung vorgesetzt, wie ein mit Gemüse garniertes Roastbeef auf einer heißen Schüssel.“ (Bergengruen, dtv 19932, S.18.)

    Zu diesem alten Zitat hat mir auch der Vergleich eine Seite davor gefallen:


    "Anna Pawlowna betrachtete ihn [den Vicomte] augenscheinlich als eine Art von Extragericht, das sie ihren Gästen anbot. Wie ein geschickter Maître d'hôtel dasselbe Stück Rindfleisch, das niemand essen möchte, der es in einer schmutzigen Küche sähe, als etwas ganz außergewöhnlich Schönes präsentiert, so servierte bei der heutigen Abendgesellschaft Anna Pawlowna ihren Gästen zuerst den Vicomte und dann den Abbé als etwas ganz besonders Feines."


    Ich lese jetzt parallel noch eine Buch über Tolstoi. Ich finde es richtig spannend, was ich von ihm so erfahre.

    Stimmt, seine Biographie ist wirklich außergewöhnlich.

    PMelittaM

    :wave Hi, schön, dass du jetzt auch da bist. :-)

    Ein verspätetes Hallo auch von mir an alle Beitragsschreiber :wave; ich hatte euch noch gar nicht richtig begrüßt. (sorry, bin manchmal etwas unhöflich...)

    OK, sorry, ich werde versuchen, daran zu denken.


    Ich probier's gleich mal aus:


    Ein etwas ähnlicher Charakter wie Nikolai Bolkonski ist später im Buch (hier ist aber wohl kein Spoiler nötig ;) ) der französische Marschall Davoust; seine Schilderung finde ich ziemlich humorvoll:


    "Sicherlich hätte er ein besseres Quartier finden können, aber Marschall Davoust gehörte zu den Leuten, die absichtlich unangenehme Lebensbedingungen suchen, nur, um das Recht zu haben, selber unangenehm zu sein. Aus ebendemselben Grund sind sie auch immer hastig und hartnäckig beschäftigt. Wie kann ich an die glücklichen Seiten des Lebens denken, wenn ich, wie Sie sehen, hier in einem schmutzigen Schuppen auf einem Fass sitze und arbeite! schien sein Gesicht zu sagen. Das hauptsächliche Vergnügen und Bedürfnis dieser Leute besteht darin, wenn sie mit lebenslustigen Menschen zusammentreffen, diesen ihre eigne und hartnäckige Geschäftigkeit vor Augen zu halten."

    Als Rostow den Geldbeutel unters Kopfkissen steckt, sind außer Denisow sonst nur der Diener Lawruschka (der wohl das Vertrauen der beiden besitzt) und Teljanin im Raum.


    "und gleich darauf trat Teljanin, ein kleiner Offizier derselben Schwadron, ein. Rostow warf den Beutel unter das Kissen und drückte die ihm entgegengestreckte Hand Teljanins. Teljanin war vor dem Feldzug zur Strafe aus der Garde versetzt worden, er führte sich sehr gut im Regiment, war aber nicht beliebt, und besonders Rostow konnte einen unwillkürlichen Widerwillen gegen diesen Offizier weder überwinden noch verbergen. (...) Der Leutnant sah niemals jemand ins Gesicht, mit dem er sprach, beständig schweiften seine Augen umher."


    Vorgestern hab ich die Stelle bei Röhl nachgelesen, und da ist Teljanin (EDIT; ich hatte es nicht ganz korrekt in Erinnerung) schon am Eintreten, als Rostow anscheinend noch das Geldzählen abschließt und den Beutel dann unters Kopfkissen wirft.


    Ja, die Hitze ist schon schlimm. Vielleicht muss man sich nur ganz fest vorstellen, man wäre im Russland des 19. Jahrhunderts...

    In dem oben erwähnten Link wird auch näher auf den netten Ilja Andrejewitsch Rostow bzw. dessen Vorbild eingegangen:


    "seinen Großvater, den Grafen Ilja Andrejewitsch Tolstoi, schildert Tolstoi als einen ebenfalls beschränkten, dabei aber sehr weichherzigen, lebensfrohen und nicht nur freigebigen, vielmehr geradezu unsinnig verschwenderischen und grenzenlos vertrauensseligen Menschen. Auf seinem Landsitz wechselten in fast ununterbrochener Reihenfolge Bankette, Theateraufführungen und Bälle. Auch liebte er es, hoch zu spielen, obgleich er gar nicht zu spielen verstand. Da er ferner noch einen jeden, der ihn darum bat, Geld lieh oder schenkte und sich schließlich auch auf eine Fülle verwickeltster Geschäfte einließ, war sein Gut bald so verschuldet, dass ihm nichts mehr zum Verleben übrig blieb, und Graf Ilja Andrejewitsch Tolstoi sich um den Posten eines Gouverneurs von Kasan bewerben musste, den er auch, dank seiner vorzüglichen Verbindungen, erhielt. Tolstoi erzählt von diesem seinem Großvater, er sei zornig geworden, wenn man ihn, in seiner Eigenschaft als Gouverneur, Bestechungsgelder anbot, und er habe solche auch nur von den Domänenpächtern angenommen, was damals allgemeiner Brauch gewesen sei."


    Die Sache mit dem Verspielen hoher Summen hat Tolstoi wohl variiert und auf Iljas Sohn Nikolai übertragen (später im Roman). Sonst würde Nikolai sich nach seiner Spielpleite wohl nicht so vor seinem Vater schämen.

    Auf der deutschen Wikipedia-Seite findet man bei 'Krieg und Frieden' unten die Literaturnachweise --> Kategorie Hauptpersonen --> letzter Punkt: (Liste der Charaktere in dem Roman «Krieg und Frieden»), russische Wikipedia.

    Ich habe angefangen, den russischen Text Stück für Stück in den Google-Übersetzter zu kopieren. Ich bin fündig geworden. Dort steht, dass Nikolai Sergejewitsch Wolkonskij, Tolstois Großvater, der Prototyp für Nikolai Andreevich Bolkonsky gewesen sei und für Marja Tolstois Mutter.


    Ich habe auch entdeckt, dass Tolstoi wohl sehr viele Personen als Prototypen hergenommen hatte. Laut Wikipedia sollen es allein 6 Personen für die Familie Rostow gewesen sein.


    Tja, Google Translator lüftet die letzten Geheimnisse der Menschheit...


    Ich hab auch noch einen Link gefunden (auf deutsch), der das bestätigt. Bin noch nicht weit damit gekommen, mir dort die verschiedenen Kapitel anzuschauen (mal sehen, was da noch weiteres über die Prototypen steht), aber ich hab unter anderem auch diese Anekdote über einen Vorfahren aus dem 17. Jahrhundert gefunden:


    >>Einer der Nachkommen des Indris, Peter Andrejewitsch Tolstoi, war „Tischaufseher“ bei Hofe und einer der Haupträdelsführer im Strelitzen-Aufstand (1683). Nach dem Fall der Zarentochter Sophie trat dieser Peter Andrejewitsch Tolstoi auf die Seite Zar Peters, der sich indes lange Zeit hindurch mit größter Zurückhaltung zu ihm verhielt. Zar Peter soll ihm bisweilen beim Trinkgelage die hohe Perücke vom Kopfe heruntergerissen und ihn auf den kahlen Schädel schlagend so angeredet haben: „Köpfchen, Köpfchen, wärst du nicht so verdammt gescheit, längst schon hättest du vom Körper Abschied nehmen müssen!“<<


    http://www.lexikus.de/biblioth…e-Ahnen-vaeterlicherseits

    http://www.lexikus.de/biblioth…-Ahnen-muetterlicherseits

    Den Link zu Barbara Conrads Übersetzung finde ich interessant, aber er bedeutet leider, dass ich auch nur eine gekürzte Version habe.

    Nein, Marja Dmitrijewna ist nicht verrückt, nur sehr exzentrisch, also eine Person, von der zu lesen unterhaltsam ist.


    Hier noch ein Zitat zu den Verniedlichungsformen im Russischen:


    "Generell, die Russen mögen ALLES verniedlichen. Als Kinder lernen die Russen keine Wörter wie: кот и мышь [kot i mysch] (Katze und Maus), sondern котик и мышка [kotik i myschka] (Kätzchen und Mäuschen). Statt нос [noss] und глаза [glasa] (Nase und Augen) - носик [nossik] und глазки [glasski] (Näschen und Äugelchen). (…)

    Nennt man sich beim Vornamen, so wird selten der volle Name verwendet, sogar wenn man sich siezt. (…) Maria ist Mascha, Maschenka, Marussja, Mussja und Manjetschka. (…) Kätzchen, Fischchen und Schwälbchen sind die meistgebräuchlichsten Tierbezeichnungen für eine Person als Kosename."

    Nikolai Andrejewitsch Bolkonskij: Hui, auch so eine merkwürdige Person. Manchmal habe ich mir gedacht, er hat vielleicht eine harte Schale, aber einen weichen Kern. Z.B. als er seinen Sohn verabschiedete. Aber als er dann seine Schwiegertochter so böse angeguckte, war ich mir dann nicht so sicher.

    Als Figur in einem Buch finde ich ihn richtig klasse. Im wahren Leben brauch ich das nicht.

    Nochmal zu Nikolai Bolkonskij: Ich denke schon, dass er entweder seine Kinder liebt oder zumindest fest davon überzeugt ist. Von seinem Sohn Andrej hat er jedenfalls eine sehr hohe Meinung, wenn er zu sich sagt:

    "Da hat Lisa nun Andrei geheiratet (ein besserer Mann dürfte jetzt schwer zu finden sein), und ist sie etwa mit ihrem Schicksal zufrieden?"

    Über seine Tochter Marja würde er vielleicht Ähnliches sagen.


    Als er die Nachricht vom wahrscheinlichen Tod Andreis bekommt, sieht man, wie er extrem emotional und traurig reagiert, sich das aber wieder durch die überzogene Härte äußert:

    >>"Lieber Vater! Andrei?" fragte sie [Marja], und die anmutlose, unbeholfene Prinzessin sah in ihrem Kummer und in ihrer Selbstvergessenheit so unsagbar rührend und lieblich aus, dass der Vater ihren Blick nicht ertragen konnte und sich schluchzend abwandte.

    "Ich habe Nachricht erhalten. Unter den Gefangenen ist er nicht; unter den Toten hat man ihn auch nicht gefunden. Kutusow hat geschrieben", schrie er so laut und scharf, als ob er mit diesem Schreien die Prinzessin hinaustreiben wollte. "Er muss tot sein!"<<