Beiträge von Rosebud

    Geschichte in der Geschichte

    Königskinder, Roman von Alex Capus, 176 Seiten erschienen im Hanser – Verlag.

    Ein armer Kuhhirte und eine reiche Bauerntochter überwinden alle Grenzen und Hindernisse für ihren Traum von einem gemeinsamen Leben.


    Max und Tina ein langjähriges Ehepaar geraten auf einem Alpenpass in Schneeverwehungen und bleiben stecken, so müssen die beiden eingeschneit kurz unterhalb der Passhöhe die Nacht im Wagen verbringen. Damit die Zeit schneller vergeht beginnt Max eine Geschichte zu erzählen. Die genau dort in den Bergen beginnt und schon Jahrhunderte zurückliegt. Die Geschichte vom Hirten Jakob und seiner geliebten Marie, die Tochter eines reichen Bauern vom Greyerzer Land. Zuerst beginnt Jakob seinen Kriegsdienst und gerät an den Hof Ludwig des XVI. Gibt es eine gemeinsame Zukunft für das Liebespaar?


    Eine Erzählung in zwei Zeitebenen und zwei verschiedenen Erzählsträngen, bildhaft, emotional, mit vielen ausgefeilten Dialogen, Alex Capus hat es geschafft mich zu fesseln. Die Landschaftsbeschreibungen ziehen den Leser hinein in die Geschichte. An einem Nachmittag habe ich die mitreißende Geschichte geschafft, einmal angefangen konnte und wollte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Sei es die Gegenwartsgeschichte, aber auch die Geschichte im 18. Jahrhundert, beides hat mit gleich fasziniert und auf ein gutes Ende hoffen lassen. Die Geschichte lebendig zu erzählen ist dem Autor hervorragend gelungen, da er als Stilmittel die auktoriale Erzählweise gewählt hat. Zu jeder Zeit konnte ich dem Plot folgen und die Handlungen der Charaktere nachvollziehen. Die beiden Erzählstränge fügen sich lückenlos und flüssig ineinander.

    Die Personen sind sehr plastisch beschrieben und der Leser ist stets nah dran am Geschehen. Max und Tina – das sympathische Ehepaar, streitet über Kleinigkeiten, ist sich aber im Großen und Ganzen einig. Auch Jakob und seine Marie, habe ich lieb gewonnen, habe mit ihnen gestritten, gehofft und geliebt. Wobei die Figur Marie einzig ein wenig blass geblieben ist, gerne hätte ich ihre Gefühle, in der langen Wartezeit auf ihren Jakob, erfahren. Absolut begeistert war ich über den wortgewaltigen und umgangssprachlichen Erzählstil Capus. Z.B auf Seite 39.“Fehlt nur noch, dass sie sich einen Finger in den Mund steckt, das hirnlose Ding. Und der ungewaschene Sennenbub, dieses Inzuchtbürschchen aus dem hintersten Alpental am Arsch der Welt.“ Auch die Beschreibung der Königsschwester Elisabeth oder des Kastraten fand ich genial. Tolle Figuren in einer meisterlichen Erzählung. Nebenbei habe ich auch so einige interessante Details aus der Geschichte mitbekommen, die Naturkatastrophe 1783 in Island, bei der ein Ausbruch des Laki-Kraters verheerende Klimafolgen und Missernten für ganz Europa auslöste. Die erste Ballonfahrt eines Hammels, einer Ente und eines Hahns durch die Brüder Mongolfier oder der Beginn der französischen Revolution mit dem Marsch der Poissarden auf Versailles. Es war das erste Buch von Alex Capus, welches ich gelesen habe, aber ganz sicher nicht das letzte. Ich bin begeistert.


    Meine Empfehlung für Capus Fans und für Leser die sich gerne auf kurzweilige und niveauvolle Weise unterhalten lassen. Wohlverdiente und gerne gegebene volle Punktzahl. 10 Eulenpunkte


    Humorvoll und nett


    Die Elternsprecherin, Familienroman von Laurie Gelman, 352 Seiten, ein Mira Taschenbuch.
    Die humorvolle Erzählung einer „etwas anderen“ Elternsprecherin.
    Jennifer Dixon, lässt sich von ihrer Freundin Nina überreden, in der Vorschulklasse an der William H. – Taft Grundschule ihres Sohnes Max, das Amt der Elternsprecherin zu übernehmen. Sie hat dieses Amt bei ihren beiden, nun schon am College studierenden Töchtern bereits ausgeübt und ist sehr erfahren in diesem Job. Mit großer Energie und auf witzige Weise greift sie das Amt an und schon mit ihrer ersten humorvollen Email fühlen sich einige Eltern „auf den Schlips“ getreten. Jenn befindet sich mitten in der midlife-crisis und deshalb sind diese Elternvertreterin-Schwierigkeiten nicht ihre einzigen. Doch mit ihrer heiteren durch nichts so leicht zu erschütternden Art, „rockt sie das turbulente Jahr und findet neue Freundinnen.
    Das Buch ist in 24 überschaubare Kapitel aufgeteilt, die in Schreibschrift betitelt sind. Dazwischen und das ist der Punkt, der die Story aufpeppt und lebendig macht, die manchmal schon etwas sehr speziellen, lustigen Emails die zwischen den Eltern hin- und hergehen. Die Kapitel sind im Ich-Stil aus Sicht der Protagonistin verfasst. Besondere Phrasen, Ausdrücke und Gedanken sind kursiv gedruckt und machen, zusammen mit den spritzigen Dialogen eine lebhafte Erzählung, die ich in zwei Nachmittagen gelesen hatte. Dabei habe ich mich gut unterhalten und musste zwischendurch innehalten und schmunzeln. Ich konnte nur feststellen, ja so ähnlich ist es auch bei uns in der Grundschule zugegangen. Die verschiedenen Elterntypen sind gut beschrieben, die Helikopter-Eltern, die Allergiker-Mutti, die Besorgten, die Coolen und die Spießer, Laurie Gelman weiß wovon sie spricht , sie hat das Amt der Elternsprecherin selbst fünf Jahre ausgeübt. Anfangs dachte ich mir, darf man denn mit den Eltern wirklich so reden? Aber es zeigt sich, man kann und lustig ist es auch noch. Obwohl Jenn, dann die Konsequenzen zu spüren kriegt. Die Handlung ist flüssig und logisch aufgebaut. Eines kommt zum anderen, nichts wirkt gesucht oder konstruiert. Die Charaktere sind so plastisch beschrieben, dass man sie sich gut vorstellen kann, besonders die Protagonistin Jennifer war mir sympathisch, eine Frau Ende vierzig, die mit ihrem Nesthäkchen noch einmal die aufregende Grundschulelternzeit genießt, die aber meiner Meinung nach, schon einige Probleme mit dem „Älterwerden“ hat. Ihre sportlichen Anstrengungen, einschließlich Personal-Trainer, der sie für einen Schlammlauf fitmachen soll, bzw. der Flirt mit dem High-School Schwarm Mr. „Eristjasoeinhottie“ fand ich manchmal ganz schön übertrieben. Auch wie die Supermama“, die ganze Familie, den Haushalt, die Probleme ihrer fast erwachsenen Töchter mit links meistert, ging m.E. einfach viel zu glatt. Spannung habe ich hier nicht erwartet, war auch kaum vorhanden. Insgesamt habe ich mich aber gut unterhalten und wer nicht zu viel erwartet, wird die Lektüre auch genießen.

    Pratermord

    Der Schatten, Thriller von Melanie Raabe, 412 Seiten, erschienen im btb-Verlag.

    Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Aus freien Stücken. Und mit gutem Grund.

    Die Journalistin Norah Richter hat sich von ihrem Freund Alex getrennt sie bricht ihre Zelte in Berlin ab, ergreift ein Jobangebot und zieht nach Wien. Dort ist Norah anfangs ziemlich einsam, nur mit ein paar Freunden und ihren Kollegen hat sie Kontakt. Auch in ihrer noch nicht eingeräumten Wohnung fühlt sie sich nicht wohl, dann beginnt das Unheimliche, Sachen verschwinden, andere Dinge tauchen plötzlich auf, ihre Nachbarin sieht ihrer verstorbenen Freundin ähnlich, unmögliche Zufälle verängstigen sie, ihre Freunde wenden sich scheinbar grundlos von ihr ab. Und eines Tages diese unheimliche Begegnung in der Fußgängerzone. Eine Obdachlose weissagt ihr, dass sie am 11. Februar einen Mann töten wird.

    Das Buch beinhaltet 66 kurze Kapitel, die oft mit einem Cliffhanger oder einer besonders spannenden Situation enden, der Leser muss also unbedingt weiterlesen. Zwischen den Kapiteln sind in anderer Schrift deutlich gemacht, die Gedanken und Erinnerungen einer anderen Person eingefügt. Briefe und besondere Textstellen sind kursiv abgedruckt. Noch vor dem Prolog steht der Songtext „Bachlorette“ von Björk und das Gedicht „In the desert“ von Stephen Crane. Die Geschichte ist im auktorialen Erzählstil verfasst. Die Autorin überzeugt mit ihrem bildhaften Schreibstil, z.B. auf S. 10 „Dort! Die Gestirne mit dem feinsten Pinsel auf das Himmelszelt gesetzt“. Oder auf S. 319: „Zu ihrer Rechten befand sich ein Kettenkarussell, und wie es so verlassen dalag, wirkte es wie eine bunt behängte Trauerweide“. Das Setting ist sehr eindrucksvoll beschrieben und zieht den Leser hinein in die Geschichte. Die Autorin hat m. M. nach Wien als Handlungsort sehr gut gewählt, denn die Stimmung des Buches passt hervorragend zur morbiden Stimmung der österreichischen Hauptstadt, dadurch wird eine tolle Atmosphäre geschaffen.

    Dieses Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, ich bin nur so durch die Seiten geflogen, konnte es kaum aus der Hand legen, die Spannung die zu Beginn aufgebaut wird hat sich bis zum letzten Punkt am Ende gehalten. Viele Wendungen und die finale überraschende Lösung haben mich verblüfft. Ich konnte der Handlung zu jeder Zeit folgen. Die Personen handelten nachvollziehbar. Die Protagonistin Norah ist eine taffe Frau, gut in ihrem Job, selbständig und sympathisch. Die Autorin hat es dennoch geschafft, mich stellenweise zweifeln zu lassen, ob sich die Vorkommnisse nicht nur in der Fantasie der Protagonistin abspielen. Ich würde vorliegendes Werk unbedingt als „Psychothriller“ bezeichnen. An einigen Stellen ist es mir wirklich eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Da ging Kopfkino ab. Ständig hatte ich ein unheimliches Gefühl. Besonders bemerkenswert fand ich folgende Stelle: Das Gesicht…sah grimmig und düster aus, wie die Fotos auf den Fahndungsplakaten der RAF-Leute, die in ihrer Kindheit noch in den Poststellen gehangen und ihr eine Heidenangst eingejagt hatten. Genau diesen Satz habe ich, schon vor der Lektüre dieses Thrillers, oft selbst gebraucht. Genau das Gefühl kenne ich aus eigener Erfahrung. Da war ich verblüfft. Ständig habe ich mir Gedanken gemacht, Konstrukte gesponnen, wer ist die mysteriöse Person die Norah stalkt? Wer steckt dahinter? Und auch – tut sie es wirklich?

    Etwas hat mich nachdenken lassen, zum Anfang wird dem Leser nicht ganz klar wie viel Zeit bis zum 11. Februar bleibt, man nimmt wahr, dass es sich in der kalten Jahreszeit abspielt, bis zu einem Punkt an dem es bis zum 11. Februar nur noch einige Tage sind, ich vermute, dass dies ein weiteres Stilmittel der Autorin ist. Auch ist Norah Richter in vorliegendem Thriller die fast einzig agierende Person, sämtliche Freunde, Kollegen Nachbarn usw. sind nur „Statisten“, das hat mich sehr beeindruckt.

    Alles in allem kann ich für diesen Thriller nur mein uneingeschränktes Lob aussprechen. Ich habe ihn genossen, wurde gut unterhalten, Gruselfaktor ist auch vorhanden. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

    Der Horror der frühen Medizin, Biographie von Lindsey Fitzharris, 276 Seiten, erschienen im Suhrkamp - Verlag.
    Joseph Listers Kampf gegen Kurpfuscher, Quacksalber und Knochenklempner.
    Die dunkle Zeit der viktorianischen Medizin. Im frühen 19.Jh. waren Operationen wegen der Folgerisiken strikt zu vermeiden. Chirurgische Eingriffe waren eine Seltenheit und wurden von Ärzten im Straßenanzug, ohne Betäubung und wie Jahrmarkttreiben zelebriert. Doch die Zeiten der Qualen fanden durch die Äthernarkose ein Ende. Weitaus schlimmer waren die Komplikationen durch postoperative Infektionen. Die Gründe für Sepsis, Wundbrand und Gangräne waren noch nicht erforscht. Doch Joseph Lister und viele seiner berühmten Kollegen konnten und wollten sich nicht damit abfinden, dass sie selbst durch unsaubere Instrumente, blutverschmierte Kittel und ungewaschene Hände ihren Patienten den Tod brachten. Hier wird die Lebensgeschichte von Joseph Lister und sein Kampf gegen den Hospitalismus eindrucksvoll beschrieben.
    Das Buch ist in 11 Kapitel unterteilt, die jeweils mit einer zum Inhalt passenden, in Großbuchstaben gedruckten Überschrift versehen sind. Darunter wurden kursiv geschriebene Zitate in kursiver Schrift gedruckt, die überwiegend von berühmten Ärzten stammen. Lateinische Krankheitsbezeichnungen, Fachausdrücke und Eigennamen sind ebenfalls kursiv dargestellt. Am Anfang ist ein Inhaltsverzeichnis angegeben, welches sehr hilfreich war. Einzelne Textstellen sind mit Anmerkungsziffern versehen, die Fußnoten dazu sind im Anhang vermerkt.
    Lindsay Fitzharris hat mich mit ihrem Buch äußerst beeindruckt. Die promovierte Medizinhistorikerin veröffentlich regelmäßig in verschiedenen Zeitungen, auch medizinischen. Bekannt wurde sie durch ihre You Tube-Serie „Under the knife“. Dass die Autorin weiß wovon sie schreibt, merkt man unbedingt. Ich habe das Buch schnell gelesen und zwischendurch fast vergessen zu blinzeln, so spannend hat sich die Lektüre erwiesen. Jederzeit konnte ich der Erzählung folgen, die Charaktere handelten plausibel und nachvollziehbar. Allerdings sollte eine gewisse medizinische Vorbildung vorhanden sein. Fachbegriffe die einem Mediziner geläufig sind, werden nicht näher erläutert. Die hygienischen Zustände im 19. Jh., die infizierten Wunden, die blutigen Eingriffe, der empörende Gestank, auch Leichenhandel werden bis ins kleinste delikate Detail geschildert, deshalb sollte der Leser schon etwas abgebrüht sein. Wer sich für Medizingeschichte interessiert und etwas Fachkenntnisse mitbringt fühlt sich mit dieser Biografie sicher gut unterhalten. Die Person Joseph Lister wurde hervorragend charakterisiert und sympathisch beschrieben. Ihm und anderen Pionieren der Medizin z.B. Pasteur, Semmelweis usw. ist es durch ihre unermüdliche Forschungsarbeit zu verdanken, dass die Gefahr der Ansteckung oder einer postoperativen Infektion nahezu ausgemerzt ist. Ein hervorragendes Sachbuch zu keiner Zeit langweilig oder unverständlich, lebendig geschrieben und sehr unterhaltsam. Dafür von mir volle Punktzahl.


    Mädelein


    Der englische Liebhaber, Historischer Roman von Federica de Cesco, 360 Seiten erschienen im Europa-Verlag.
    Ein historischer Liebesroman aus der Nachkriegszeit.
    Charlotte hatte keinen guten Start ins Leben, 1947 in Münster geboren, noch dazu als uneheliche Tochter und ein Kind eines englischen Besatzungsoffiziers. Sie hat sehr darunter gelitten und musste deshalb viel einstecken. Mit ihrer Mutter Anna hat sie kein gutes Verhältnis. Als Anna schwer erkrankt reist sie nach Münster. Dort bekommt sie den Auftrag etwas Schmuck, die Tagebücher ihrer Mutter und Tonbandaufnahmen an sich zu nehmen. Es ist auch ihre Geschichte die sie in den Aufzeichnungen findet.
    49 Kapitel, die zum Großteil von Annas Lebensgeschichte erzählen. Der Roman spielt in zwei Zeitebenen, zum einen nach dem Tod Annas 1988 und rückblickend in den Briefen, Tagebucheintragungen und Tonbändern, die Charlotte an sich genommen hat. Die Erzählungen aus der Nachkriegszeit und den folgenden Jahren werden in der Ich-Form, aus der Sicht Annas erzählt. Briefe, Gedanken und englische Phrasen erscheinen kursiv gedruckt und werden dadurch deutlich hervorgehoben. Der Plot war stets logisch und plausibel und ich konnte der Erzählung folgen, doch es fiel mir nicht schwer, das Buch immer wieder aus der Hand zu legen. Richtige Spannung kam kaum auf. Die Autorin erzählt jedoch sehr wortgewandt und in einer bildhaften Sprache.
    Ich ging mit ganz anderen Voraussetzungen an den Roman heran, durch das Cover und auch den Klappentext habe ich eine traurig-romantische Liebesgeschichte erwartet. Anna ist durch ihr hartes Schicksal eine verbitterte Frau geworden und so wird die Geschichte auch erzählt. Am besten gefallen, haben mir die letzten Kapitel und der Epilog, da habe ich doch noch ein paar Tränen vergossen, zu schmerzhaft waren die Erinnerungen der Protagonistin. Die Erzählung spielt hauptsächlich nach dem 2. Weltkrieg und in der Zeit des kalten Kriegs, als die europäischen Völker einander als Feinde galten und in vielen Familien das Gespenst des Nationalsozialismus noch lebendig war. Betroffen gemacht hat mich dabei auf S. 107 folgende Zeilen…. „Denn wie auch immer wir uns zu rechtfertigen versuchten, wir waren nicht die Opfer. Wir waren die besiegten Täter.“ Oder auf S. 108 „ Ich musste mir gefallen lassen, was man über uns sagte. Weil das Schuldgefühl auch in mir steckte, Teil meines Körpers geworden war.“
    Auch Charlotte war mir äußerst unsympathisch, sie ging so frech und respektlos und ohne Mitgefühl mit ihrer Mutter um, das hat mich geradezu abgestoßen. Obwohl ihre Mutter so viel für sie tat und so oft für ihre rebellischen Taten auch finanziell aufkam. Das finde ich ungerecht, denn Anna ist ja nicht leichtsinnig schwanger geworden, sie hat auf eine Ehe mit Jeremy gehofft. Auch mit Jeremy konnte ich bei der Lektüre nicht warm werden, dazu fehlte mir die Beschreibung charakterlicher Züge, so blieb er ziemlich blass. Sogar Annas Schwester Linchen fand ich dumm und herzlos. Die Szenen die vom Tod Jeremys handelten und ob und wie, sein Freund Oliver Taylor und Annas Kollegin Ingeborg darin verwickelt waren, blieben nur angedeutet, das hat mir nicht gefallen.
    Insgesamt habe ich mich nur mäßig unterhalten gefühlt, wer bei diesem Roman auf eine unerfüllte, romantische Liebe aus der Nachkriegszeit hofft, wird enttäuscht.


    Eine Geschichte von Leben und Tod


    Die Charité, Historischer Roman von Ulrike Schweikert, 496 Seiten, erschienen im Rowohlt-Verlag.
    Leben und Sterben im wohl berühmtesten Krankenhaus Deutschlands – der Berliner Charité.
    Berlin 1831, die Cholera ist in Deutschland ausgebrochen und hat auch Berlin erreicht. Zu dieser Zeit beginnt die junge Elisabeth ihre Arbeit als Krankenwärterin in der Charité, dort versuchen die Ärzte unter ihnen auch Professor Dieffenbach, verzweifelt die Epidemie aufzuhalten. Ein schier unmögliches Unterfangen, denn keiner weiß zu dieser Zeit, was der Auslöser dieser Krankheit ist und wie sie übertragen wird. In dieser Zeit waren Frauen im medizinischen Bereich nur als Pflegerinnen „geduldet“. Elisabeth entdeckt ihre Liebe zur Medizin und zu einem jungen Arzt, aber auch die Lebensgeschichten der jungen Gräfin Ludovica und der Hebamme Martha sind in dieser Geschichte miteinander verknüpft.
    Mir hat dieses Buch unheimlich gut gefallen, so gut habe ich mich schon lange nicht mehr unterhalten gefühlt. Ulrike Schweikert, von der ich etliche Bücher kenne, hat wieder einmal auf eindrucksvolle Art bewiesen, wie gut recherchiert, bildhaft und mitreißend sie ihre Bücher schreibt. Im vorliegenden Roman verwendet sie den auktorialen Erzählstil, lebendige Dialoge und gute Beschreibungen des Settings gaben mir während der Lektüre stets das Gefühl, mitten drin im Geschehen zu sein. Durch meine medizinische Vorbildung kann ich absolut bestätigen wie gut Schweikert sich vor dem Verfassen ihres Werks mit der Materie auseinander gesetzt hat, zu keinem Zeitpunkt konnte ich irgendwelche nicht plausiblen oder nicht authentischen Szenen entdecken. Chapeau! Alle agierenden Personen handelten glaubhaft und nachvollziehbar. Der Roman ist in 3 Bücher aufgeteilt, die aus insgesamt 31 Kapiteln bestehen. Jedes Kapitel ist in Abschnitte unterteilt und mit einer zusammenfassenden Überschrift versehen. Das gewährleistet den steten Überblick über das Geschehen. Ein Buch welches sämtliche Sinne anspricht, der Geruch der eiternden, schwärenden Wunden, das Stöhnen der Sterbenden, mir war es als könnte ich den Ärzten bei ihrer grausamen Arbeit über die Schulter sehen. Ich liebe Bücher über Medizingeschichte und nach der Lektüre dieses Romans wird wohl jeder Leser froh sein, dass die Medizin heutzutage nicht mehr auf dem damaligen Stand ist. Das ist diesen tüchtigen und wissbegierigen Männern und auch Frauen zu verdanken, die in diesem Buch erwähnt werden. Hier eindrucksvoll beschrieben, das Kindbettfieber, das von Frau zu Frau übertragen wurde. Erst Jahre später konnte Semmelweis beweisen, dass die Ärzte selbst, mit ihren ungenügend gereinigten Händen, diesen Frauen den Tod brachten. Meine Lieblingsfigur natürlich die Protagonistin Elisabeth eine moderne toughe Frau, die weiß was sie will. Tüchtig und voller Mitgefühl für ihre Patienten. Die unerfüllte Liebe zwischen Gräfin Ludovica und Professor Dieffenbach hat mich auch stark berührt, sowie das Schicksal der Hebamme Martha und ihrem Sohn August. Ein tolles Buch, ab Seite 150 hab ich den Rest in einem einzigen Tag ausgelesen, weil ich das Buch erst aus der Hand legen konnte, als die Geschichte zu Ende erzählt war. Ich habe mit den Figuren gelacht und geweint und wollte sie am Ende eigentlich nicht mehr gehen lassen. Einige der Figuren sind überliefert und haben wirklich an der Charité geforscht und praktiziert, das macht das Ganze umso authentischer. Eine intelligente unterhaltsame Lektüre für Leser die sich für historische Romane, speziell Medizingeschichte interessieren. Meine Diagnose volle Punktzahl

    Ja zu Ende hören auf jeden Fall, denn der Schluss hat noch so einige Überraschungen parat.


    Der Charakter Claire hat mich sehr frustriert, gerade bei ihrem Beruf! Ich fand sie total egoistisch! X(

    Diese Stelle im Buch hat mich richtig böse gemacht:


    Und wie ihr Sohn da so saß, wurde ihr bewusst, dass er sie als Frau ohne Frausein sah.


    Ich finde kein Sohn sollte seine Mutter anders sehen.
    Ich kann mir vorstellen, dass dies Buch als Hörbuch aber ganz gewisse Reize hat.

    Viel Spaß dir noch!

    Wo ist Billy?


    Sommernachtstod, Kriminalroman von Anders de la Motte, 432 Seiten, erschienen bei Droemer & Knaur.
    Vor zwanzig Jahren ist ein kleiner Junge verschwunden, kann der Fall nach so langer Zeit noch gelöst werden?
    An einem Sommerabend verschwand Billy, der Bruder Veras, spurlos. Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen. Im Stockholmer Therapiezentrum, in dem Vera arbeitet, erscheint eines Tages ein neuer Patient, Isak. Seine Geschichte erinnert Vera stark an den Fall ihres kleinen Bruders. Schon bald wird klar, Isak scheint etwas über das Verschwinden von Billy zu wissen. Um endlich Klarheit zu erlangen will Vera auf eigene Faust herausfinden was genau damals passiert ist. Bei der Suche nach ihrem Bruder kehrt Vera in ihr Heimatdorf zurück. Dort stößt sie auf eine Mauer des Schweigens und des Misstrauens.
    Schon mit dem Prolog hat es de la Motte geschafft mich zu fesseln, die Spannungskurve steigt langsam aber dennoch stetig an. Die letzten 100 Seiten habe ich in einem Durchgang gelesen, ich musste einfach wissen, was damals passiert ist. Gekonnt hat der Verfasser es erreicht, dass ich bei einigen gefährlichen Szenen, die Vera erlebte, Gänsehaut bekam. Bis zur letzten Seite konnte ich nur rätseln was mit Billy passiert ist. Keiner der Charaktere blieb von meinen Verdächtigungen verschont. Das Ende war überraschend und hat mich zutiefst bewegt, hervorragend gemacht. Der Schriftsteller bedient sich dem personalen Erzählstil, es handelt sich um zwei verschiedene Erzählstränge in zwei Zeitebenen in der Gegenwart aus der Sicht Veras und 1983 aus der Perspektive von Krister Månsson, dem damaligen ermittelnden Polizeichef. Der Wechsel zwischen den Zeitebenen, ermöglicht ein flottes Lesetempo, dazu tragen Cliffhänger am Ende der Kapitel bei. Zwischen den 33 Kapiteln befinden sich kursiv gedruckte Liebesbriefe, von denen ich anfangs dachte, dass sie aus der Feder Veras stammen. Diese Liebesbriefe und auch der Prolog sind eine äußerst geschickte Art, den Leser auf eine total falsche Fährte zu führen. Auch ich bin dem Autor auf den Leim gegangen, chapeau. Jederzeit konnte ich dem Geschehen folgen. Die Charaktere sind so plastisch beschrieben, dass man sie sich gut vorstellen kann, sie handelten zu jeder Zeit logisch und nachvollziehbar, wenn dies auch manchmal erst später klar wird. Der Plot ist wirklich äußerst raffiniert und durchdacht inszeniert. Die Protagonistin Vera erschien mir anfangs etwas seltsam, ich habe sie aber, aufgrund ihres Mutes und ihres Durchhaltevermögens zum Ende hin gut leiden mögen. Einer meiner Lieblingscharaktere war der etwas glücklose Polizeichef Krister Månsson, ihm hätte ich es gegönnt, wenn er den Fall damals schon hätte lösen können. Sehr gut beschrieben fand ich die Figur des „Familienpatriarchen“ Harald Aronsson. Ein richtiger Unsympath der mit Macht und Geld, nicht nur die Geschicke der Familie in den Händen hält, sondern auch wie ein König über das ganze Dorf herrscht. Eine hervorragende Unterhaltung, ein spannender Krimi und eine traurige, emotionale Familiengeschichte. Eine ausdrückliche Leseempfehlung.

    Sich finden


    Die Schönheit der Nacht, Roman von Nina George, 315 Seiten, erschienen bei Droemer Knaur.
    Eine Geschichte vom Werden, vom Versteinern und vom Aufbrechen übers Frau sein und frei sein.
    Seit ihr Sohn Nico erwachsen ist, haben Claire und Gilles nicht mehr viele Gemeinsamkeiten. Sie schlafen getrennt, Gilles hat verschiedene Affären und auch Claire verbringt anonyme, amouröse Stunden mit fremden Männern. Nach einem dieser Treffen trifft sie im Hotelflur auf Julie. Am selben Abend will Nico Claire und Gilles Sohn, den Eltern seine neue Freundin vorstellen. Und Claire fällt aus allen Wolken, es ist die junge Frau vom Hotelflur – Julie.
    Soweit die Leseprobe, ich war sofort von dieser Geschichte begeistert. Ein Frauenroman, eingeteilt in 33 Kapitel, die französischen Phrasen, Liedzeilen, bzw. die Gedanken der Charaktere sind kursiv gedruckt und heben sich deutlich ab. Anfangs war ich hellauf begeistert von der wunderbaren Sprache, der bildhaften Beschreibung und der Lebhaftigkeit der beschriebenen Dialoge. Bis ich mit der Zeit realisiert habe, dieses Buch hat eine äußerst schwache Handlung, die Spannung die ich mir anfangs erhofft habe blieb jedoch äußert flach. Zwar konnte ich der Handlung folgen und sie auch nachvollziehen. Jedoch blieben mir die Beweggründe der Charaktere oft verschlossen. Zu jeder Zeit konnte ich die Lektüre unterbrechen, das Buch auch einige Tage aus der Hand legen. Dabei hat mich aber die Sprache, mit der Nina George Bilder vom Meer, Häusern, Landschaften und Stimmungen „gemalt“ hat, total überwältigt. Wenn ich zu lesen begonnen habe, meist gleich viele Seiten. Die Sprache der Autorin hat alle meine Sinne beschäftigt, Gefühle Gehör, sehr oft werden Lieder und Tänze erwähnt, oder die Geräusche der Natur. Die Schilderung vom Geschmack der Speisen oder von Weinen, all das hat mir sehr gut gefallen.
    Mit Claire, der Professorin für Verhaltensbiologie konnte ich mich absolut nicht identifizieren. Sie ist die Versteinerte, die Felsin. Ich finde, für eine Frau die so erfolgreich, klug, gut aussehend und nicht unvermögend ist. Ist sie mit ihrem Leben einfach viel zu unzufrieden. Eine Frau an der man sich wehtun konnte wenn man ihr zu nahe kam. Auch ihre Ansichten über ihre Mutterschaft fand ich unmöglich, mehrmals wird im Buch betont, dass sie nie ein Kind wollte. Wie sie Schwangerschaft und Muttersein als Last empfand. S. 34/35 Der Körper fremdbenutzt, die Seele wird auseinandergerissen und ein Teil von ihr gehört dem Kind und geht mit ihm, egal wohin, für immer. Oder S. 67. Und wie ihr Sohn da so saß, wurde ihr bewusst, dass er sie als Frau ohne Frausein sah. So wie alle Söhne dies tun…. und doch war es so ungerecht, dass Claire ihrem Sohn am liebsten eine Ohrfeige gegeben hätte, stellvertretend für alle Mütter. Auch die psychologischen Analysen und Gedanken der Protagonistin über Verhaltensweisen ihrer Gegenüber, waren m. M, nach zu ausschweifend, zu langweilig. Die Person Julie fand ich interessant, ihre Ängste waren für mich eher nachvollziehbar sie hat im Laufe der Geschichte die größte charakterliche Wandlung durchgemacht. Die männlichen Charaktere sind im vorliegenden Roman sehr schlecht „weggekommen“ gerne hätte ich etwas mehr über Gilles erfahren, auch Nicolas der Sohn des Paares blieb relativ blass. Das Ende der Geschichte fand ich schön. Trotz einiger Kritikpunkte bin ich froh, das Buch gelesen zu haben. Schon der schönen Sprache wegen.


    Terror im Zoo


    Nachtwild, Thriller von Gin Phillips, 310 Seiten, erschienen im dtv-premium-Verlag.
    Eine Jagd auf Leben und Tod. Joan und ihr kleiner Sohn erleben ein Attentat im Zoo.
    Joan und ihr 4jähriger Sohn Lincoln, sind im Zoo. Sie müssen sich beeilen, denn bald ist Ende der Öffnungszeit. Als sie zu den Ausgängen kommen, hören sie Schüsse und sehen leblose Körper auf den Wegen liegen. Joan wird klar, dass sie ihr Leben und das ihres Sohnes nur retten kann, wenn sie den Kampf um Leben und Tod aufnimmt. Die Mutter wächst über sich hinaus um ihr Kind zu retten. Kann sie diesen Kampf gewinnen?
    Bei vorliegendem Werk handelt es sich um den ersten Thriller aus der Feder der Autorin. Was ich sehr gut fand und so noch nie gelesen habe war, dass es sich hier um eine Echtzeiterzählung handelt. Das Geschehen umfasst einen Zeitraum von 16 Uhr 55 bis 20 Uhr 05. Also knapp 3 Stunden voller Spannung, geschildert aus der Perspektive der Protagonistin Joan. Die einzelnen Kapitel sind auch mit der Zeitangabe versehen. Dazwischen gestreut befinden sich einzelne Kapitel mit einer Raute kenntlich gemacht, aus der Sicht verschiedener Charaktere im personalen Stil. Ungern habe ich das Buch aus der Hand gelegt, denn die Spannung die schon auf den ersten Seiten beginnt, steigert sich bis zum furiosen Ende auf der letzten Seite. Leider hat mich dabei gestört, dass m. M. nach die ausführlichen Rückblicke und Abschweifungen, der Protagonistin der Spannung eher abträglich waren und den Lesefluss gestört haben. Zu jeder Zeit konnte ich der Erzählung folgen, die Autorin hat es raffiniert geschafft, durch ihren bildhaften Erzählstil, das Szenario, in meinem Kopf zu Bildern werden zu lassen. Sehr gut könnte ich mir diesen Thriller als Film vorstellen. De Personen waren zum größten Teil authentisch, gut charakterisiert und handelten nachvollziehbar. Ich hätte aber gerne mehr über die Figur Robby erfahren, der so wie ich es interpretiert habe, eine Intelligenzminderung hatte und bei dem Terrorakt einfach nur Mitläufer war. Die Beweggründe für das Attentat und der Planer Destin blieben völlig im Dunkeln. M. E. kommt der kleine Lincoln, 4 Jahre alt, in der Geschichte viel zu altklug daher. Sein Alter und sein Wissensstand, wie auch Wortschatz, passten nicht zusammen. Joan war eine tolle Figur, durch sie hat die Autorin deutlich gemacht, zu was eine Mutter fähig ist, wenn sie ihr Kind beschützen will. Deutlich ist sie im Laufe der Geschichte über sich selbst hinausgewachsen. Auch die Figuren Kailynn eine Angestellte im Zoo und Margaret, die ehemalige Lehrerin von Robby waren mir sehr sympathisch und bereicherten die Story. Ich kann dieses Buch guten Gewissens empfehlen und vergebe 7 von 10 möglichen Sternen.


    Bonsaiparkett und Schnippikäse


    Kühn hat Ärger, gesellschaftskritischer Kriminalroman von Jan Weiler, 400 Seiten, erschienen im Piper-Verlag.

    Martin Kühn ermittelt wieder, sein 2. Fall.

    Martin Kühn Kriminal-Hauptkommissar aus München kommt nach einem Burnout wieder an seinen Arbeitsplatz zurück. Amir, der Sohn libanesischer Einwanderer wurde an einer Bushaltstelle tot aufgefunden. Der Junge wurde zu Tode geprügelt und einfach liegen gelassen. Kühn und seine Mannschaft machen sich auf die Suche nach dem Täter. Dabei ermittelt er auch bei den sogenannten „Reichen und Wohltätigen“ der Münchner Schickeria. Dabei hat er genügend private Probleme, der Titel des Romans könnte auch „Kühn hat Sorgen“ lauten. Kann der Schuldige am Tod des libanesischen Jugendlichen gefunden werden?

    Zuerst einmal, dieses Buch hat mich komplett überwältigt, immer wieder musste ich innehalten und über das Gelesene nachdenken. Oft habe ich mich erwischt, wie ich innerlich den Kopf geschüttelt habe oder zustimmend nicken musste. Dabei handelt es sich hier nicht um einen normalen „Krimi“ im Whodunit-Stil, sondern vielmehr um eine gesellschaftskritische Milieustudie. Der Plot teilt sich in 16 Kapitel, durchgehend mit einem zusammenfassenden Titel überschrieben. Allein Kapitel 14 hebt sich von den anderen ab, hier handelt es sich um das Wortprotokoll einer Vernehmung, toll gemacht! Jan Weiler hat für seinen Roman den auktorialen Erzählstil gewählt. Viele Dialoge und bildhafte Beschreibungen von Setting und Personen machen die Geschichte lebendig. Weilers clevere ironische Gesellschaftsbeobachtungen und menschliche Innenansichten sind genial. Stetig steigert sich die Spannung ich habe mit Kühn zusammen recherchiert, den Täter gesucht und am Ende konnte ich es kaum mehr ertragen. Ab da bin ich nur so durch die Seiten geflogen bis die erschütternde Wahrheit ans Licht kam. Dass Jan Weiler auch humoristisch kann, kennt man aus seinen anderen Büchern, aber auch in vorliegender Geschichte musste ich schmunzeln, z.B. auf S. 224 …Klaubers Gebiss sah aus wie der stark bemooste Eingang zu einer karpatischen Waldhöhle… Für die Lektüre von Kühns 2. Fall ist die Vorgeschichte des 1. Teils nicht notwendig, trotzdem werde ich sie mir im Nachhinein noch „gönnen“. Ohne zu spoilern ist es schwierig, dieses geniale Buch genügend zu würdigen. Die Beschreibung der Familie van Hauten fand ich faszinierend. Eine Familie für die sich das Meer teilt. Die Gutmenschnummer, die Elfie van Hauten abzieht, der Vater Claus – das menschgewordene Upgrade, so ähnlich kenne ich es auch aus meinem Wohnort, scheint den Autor auch zu beschäftigen, da kann ich seiner Sicht nur zustimmen. Zu jeder Zeit konnte ich dem Geschehen folgen, die handelnden Personen agierten plausibel und nachvollziehbar. Meine Lieblingsfigur natürlich der Protagonist Kühn, ein hervorragender Ermittler, mit toller Menschenkenntnis und sozialer Kompetenz. Leider aber, gerade im familiären Bereich unsicher und gegenüber seiner eigenen Gesundheit sogar leichtsinnig. Die Figur Amir und auch Julia mochte ich sehr gerne, wobei mir die restlichen van Hautens zu glatt, zu schön und zu perfekt waren, nicht weil der Autor sie so beschrieben hat, sondern weil ich solche Menschen im richtigen Leben auch nicht leiden kann. Das vorliegende Buch kann ich wirklich nur empfehlen, man bekommt sehr viel in einem einzigen Buch, dazu noch gute Unterhaltung. Nur eine Frage blieb bei mir offen. Was ist Schnippikäse? Volle Punktzahl was sonst?

    Mit dem Bär ans Meer


    Ans Meer, Roadmovie von René Freund, 144 Seiten, erschienen im Deuticke-Verlag

    Ein Roadtrip ans Meer mit dem Linienbus.

    Anton ist ein sympathischer Typ, Busfahrer und ein wenig verliebt in Doris. Ihr will er imponieren und da er sowieso vermutet, dass es sein letzter Arbeitstag bei dem Busunternehmen ist, beschließt er der totkranken Carla ihren vielleicht letzten Herzenswunsch zu erfüllen. Er beschließt kurzerhand mit dem Linienbus ans Meer zu fahren.

    Hier handelt es sich um ein emotionsgeladenes Buch, eine Geschichte über Mut und etwas für andere zu wagen, ohne an die Konsequenzen für sich selbst zu denken. Kaum hatte ich zu lesen begonnen, war ich mitten drin und konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, bis die letzte Seite gelesen war. 55 Kapitel angenehm gegliedert, mit berührenden und auch witzigen Dialogen, im auktorialen Schreibstil hat mich René Freund bezaubert. Seine bildhaften Erzählungen gaben mir das Gefühl ich bin dabei, ein Teil der Reisegruppe. Die Figuren sind so lebendig geschildert, ich meinte sie schon ewig zu kennen und habe mit ihnen geweint und gelacht. Besonders gefallen haben mir die beiden Mädchen Helene und Annika, besonders Annika die Tochter der krebskranken Carla ist ein unglaublich tapferes und beherztes Mädchen. Meine Lieblingsfigur natürlich Anton Spitzname Bärli, gemütlich gutmütig und schüchtern was Frauen angeht – trotzdem ein stiller Held, zwar kein Traummann aber ein Fels in der Brandung, auch für seine Doris. Eine wunderbare Frau auch Carla, tapfer und mutig, ihr habe ich es gegönnt, dass sie sich ihren letzten Wunsch erfüllen konnte. Einzig Mechthild, Antons Mutter, war nervig, eine Gefängniswärterin und Kontrollfreak aber hauptsächlich denke ich aus Sorge um ihren Sohn. Am Ende der Lektüre hat man nicht nur ein berührendes und wundervolles Buch gelesen, sondern bekommt auch noch etwas mit für danach. Etliche Zitate hab ich mir aufgeschrieben. Z.B. „Mutig ist nicht der, der keine Angst hat, sondern der, der seine Angst überwindet.“ Oder dieses: „"Ein Held ist jemand, der etwas tut, obwohl er weiß, dass es ihm schadet". Dem Plot konnte ich zu jeder Zeit folgen und die Figuren handelten stets plausibel. Abwechselnd habe ich geschmunzelt oder geweint. Ein Buch, das sich hervorragend als Geschenk eignet. Nur Eines hat mir an diesem Buch nicht gefallen, es war viel zu schnell gelesen! Sicher werde ich diesen Roman noch öfter zur Hand nehmen. Meine Empfehlung für die Leser, die Roadmovies genießen, die gefühlvolle Bücher lieben und für Menschen die ein ganz besonderes Geschenk suchen. Volle Punktzahl 10 Eulenpunkte!

    Mutige Frauen


    Der Zopf, Roman von Laetitia Colombani, 288 Seiten, erschienen bei S. Fischer.
    Drei Frauen, drei Leben, drei Kontinente – ein Zopf.
    Dies hier ist die Geschichte von drei Frauen die unterschiedlicher kaum sein können. Smita in Indien als Abschaum der Menschheit geboren, versucht mit allen Mitteln ihrer Tochter Lalita ein besseres Leben zu ermöglichen. Giulia die Italienerin versucht nach dem Tod ihres Vaters das Familienunternehmen zu retten, schließlich Sarah aus Kanada, eine erfolgreiche Anwältin erfährt von ihrer schweren Erkrankung. Drei Schicksale, die auf den ersten Blick völlig unterschiedlich sind und sich am Ende doch zu einem kunstvoll geflochtenen Zopf verbinden.
    Die Handlung des Buches wird durch Prolog und Epilog zusammengefügt. Der Plot gliedert sich in drei Erzählstränge, jeder Strang - die Geschichte einer starken Frau. Die einzelnen Kapitel sind mit dem fettgedruckten Namen der jeweiligen Protagonistin und dem Ort der Handlung überschrieben, das erleichtert dem Leser die Orientierung. Zwischen den Kapiteln sind Gedichte, passend zur Erzählung, in kursiver Schrift eingefügt. Auch fremdländische Wörter und Ausdrücke sind kursiv hervorgehoben. Für den interessierten Leser sind die Quellenangaben am Ende abgedruckt. Laetitia Colombiani hat als Erzählstil die auktoriale Weise gewählt. Trotz spärlicher Dialoge handelt es sich hier um ein äußerst lebendiges Werk, die Autorin besticht durch ihren lebhaften und bildmalerischen Erzählstil, ich konnte mir das Setting sowie die beteiligten Personen hervorragend vorstellen, zu jeder Zeit konnte ich der Handlung folgen und die Charaktere handelten stets plausibel und nachvollziehbar.
    Das vorliegende Werk hat mich in seiner spannungsgeladenen emotionalen Dramatik unglaublich beeindruckt. Eine hervorragende Idee und mit genialem, bildhaftem Schreibstil perfekt ausgeführt. Ich habe zu Lesen begonnen und das Buch erst aus der Hand gelegt, als es fertig gelesen war. Die Schicksale der Hauptpersonen haben mich bis ins tiefste Herz berührt. Smita, die Inderin war mein Lieblingscharakter, als „Dalit“, also Unberührbare geboren und somit außerhalb jeder Kaste. Jenseits von allem, unwürdiger Abschaum der Menschheit, sie muss die Fäkalien der kastenzugehörigen Inder mit bloßen Händen beseitigen, da es in Indien keine Toiletten gibt. Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt sie in einer Hütte, die Familie ernährt sich von Ratten die ihr Mann auf den Feldern der Jats fängt. Dieses würdelose Leben will sie ihrer Tochter Lalita ersparen deshalb, soll diese Lesen und Schreiben lernen. Eines Tages nimmt sie ihre Tochter und macht sich auf den Weg in ein besseres Leben. Giulia aus Palermo ist die Tochter des Perückenmanufakturbesitzers Lanfredi. Als ihr Vater einen schweren Unfall erleidet, muss sie feststellen, dass die Firma vor dem Ruin steht. Um die Frauen, die in der Manufaktur arbeiten und ihre Mutter und Schwestern zu retten, muss sie handeln. Die dritte im Bunde ist die kanadische Anwältin Sarah, Mutter von drei Kindern, zweimal geschieden, Partnerin in einer renommieren Anwaltskanzlei in Montreal. Eine Kriegerin, eine Powerfrau für die immer ihre berufliche Kariere vor Ehe und Kindern kam. Dann erfährt sie plötzlich, dass sie sehr schwer krank ist und sie beginnt zu kämpfen. Oberflächlich betrachtet, haben diese drei Frauenschicksale nichts miteinander zu tun, doch wie bei einem Zopf fügt sich das ganze am Schluss gekonnt zu einem kunstvollen Ganzen. Wie passend dieser Titel! Dazu ein wunderschönes Cover! Meine uneingeschränkte Leseempfehlung und volle Punktzahl.

    Kluftinger, Regionalkrimi vom Autorenduo Volker Klüpfel und Michael Kobr, 480 Seiten, erschienen im Ullstein Verlag.

    Der 10., etwas andere, sehr persönliche, Jubiläumsband um den Allgäuer Kommissar Kluftinger.

    Kluftinger ist endlich Opa, doch seine Freude über das erste Enkelkind wird getrübt. An Allerheiligen hat sich die Familie auf dem Friedhof versammelt. Doch hier gibt es eine schreckliche Überraschung, auf einem frischen Grab, steht ein Holzkreuz mit seinem Namen! Als eine Todesanzeige und Sterbebildchen mit seinem Namen auftauchen, beginnt er, zusammen mit seinem Team zu ermitteln. Bald wird klar, dass die Bedrohung tief in der Vergangenheit wurzelt. Wie viel Zeit bleibt dem Kommissar und seinen Kollegen, den Täter zu finden?

    Der Plot ist in vier Abschnitte eingeteilt. Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und Totensonntag. Diese sind in 34 Kapitel gegliedert. Mit Wortwitz und Situationskomik, durch lebhafte, lustige und zum Teil makabere Dialoge in Allgäuer Mundart haben es die Autoren wieder geschafft, einen hervorragenden Regionalkrimi zu präsentieren. Als Erzählstil wurde erneut die auktoriale Weise gewählt. Immer wieder werden Szenen aus Kluftingers Vergangenheit eingefügt. Welche ganz deutlich durch eine andere Schrift gekennzeichnet sind.

    Der vorliegende Jubiläumsband hat mir wieder sehr gut gefallen, beim Lesen ist es mir erneut passiert, dass ich laut Lachen musste. Z. B. als die „Neubespannung“ der großen Trommel nötig wird. Aber dieses Mal, blieb es nicht beim Lachen, auch ein paar Tränen konnte ich bei einigen Stellen nicht zurückhalten. Ich liebe Regionalkrimis, aber die Kluftinger-Bände sind meiner Meinung nach, einfach das Beste in diesem Genre. Nun wird auch, endlich, das Geheimnis um den Vornamen des Kommissars gelüftet, aber nicht ohne ein weiteres Rätsel in den Raum zu stellen, ist denn das „Butzele“ ein Mädle oder ein Bub? Herrlich wie es die Verfasser geschafft haben, um dieses wichtige Detail herum zu lavieren, ohne die Information preis zu geben. Dies hält den Kluftinger-Fan auf jeden Fall „bei der Stange“, chapeau! Ganz tief bin ich wieder einmal in diesem Band versunken und habe mich ab und zu gewundert, wie viele Seiten weiter ich schon wieder gekommen bin. Natürlich war das Buch in Null-Komma-Nix gelesen, so sollte Lesen sich anfühlen! Endlich, kann der Leser auch herausfinden, warum der Kommissar so ein Original geworden ist, die Rückblicke zeigen es ganz deutlich, zu einem großen Teil, sind wohl die Gene daran schuld. Der Plot war zu jeder Zeit nachvollziehbar und die Figuren handelten plausibel. Liebgewonnene Charaktere, Richie Maier, Sandy Henske, der Hefele und Kluftis Familie, auch sein „Lieblingsfeind“ Dr. Langhammer sind wieder mit von der Partie, ich wollte sie am Ende, wieder einmal, nicht gehen lassen. Sogar einige Bekannte wie z.B. Hubertus Jennerwein und Oliver von Bodenstein tauchen, zur Freude der Kenner von Regionalkrimis, auf – ein würdiger Jubiläumsband. Überraschende Wendungen haben den Spannungsbogen hochgehalten und der Schluss endet mit einem Cliffhanger. Ein kleines bisschen bin ich traurig, weil es nun wieder eine gefühlte Ewigkeit bis zum nächsten „Kluftiger“ dauert.

    Meine unbedingte Leseempfehlung für Klufti-Fans. Und wohlverdiente 10 Punkte. Priml.

    Mein Mann der Schläfer

    Wahrheit gegen Wahrheit, Agententhriller von Karen Cleveland, 352 Seiten, erschienen im btb-Verlag
    Debütroman von Karen Cleveland, die selbst acht Jahre für die CIA als Analystin tätig war.
    Vivian Miller ist Spionage-Abwehr-Analystin bei der CIA, hat 4 Kinder und einen Ehemann, Matt. Die beiden führen eine harmonische Ehe, Matt ist ein toller Vater und liebevoller Gatte. Endlich ist der Tag gekommen, auf den Vivian schon seit Monaten hinarbeitet. Ein von ihr entwickelter Algorithmus soll mutmaßliche russische Spione enttarnen. Im Computer eines russischen Agentenbeauftragten stößt sie auf 5 Schläfer, die in den USA operieren. Einer davon kommt ihr sehr bekannt vor. Ihre Ehe, ihr Familienleben und ihr Job – plötzlich ist alles in Gefahr.
    Das Buch ist in 25 Kapitel aufgeteilt. Jedes Kapitel ist mit einem Stern, in dem sich die Kapitelzahl befindet, überschrieben. Russische Redewendungen und wichtige Textstellen sind kursiv gedruckt und damit deutlich hervorgehoben. Die Geschichte wird aus der Sicht der Protagonistin in der Ich-Perspektive erzählt, damit fiel es mir leicht, mich in die Gedanken und Gefühle der Hauptperson hinein zu versetzen. Schlagfertige Dialoge, z.B. von den Kindern machen die Erzählung sehr lebhaft. Mir hat es gut gefallen, das die Autorin, Viv immer wieder in der Zeit zurückblicken ließ, das erklärte den Sachverhalt hervorragend, lässt den Leser die Situation besser verstehen und führte dazu, ganz nah an den Charakteren „dran“ zu sein. Bei vorliegendem Werk handelt es sich nicht um einen Agenten-Thriller im klassischen Stil. Wohl eher um ein Familien-Drama im Agentenmilieu. Der Einstieg mit einem Knall, hat mich sofort in die Geschichte hineingeworfen und die Spannung konnte sich steigern um nach einer, für mich unvorhersehbaren Wendung, fulminant zu enden. Dem Plot konnte ich zu jeder Zeit folgen und er war logisch aufgebaut. Aber mit den Charakteren hatte ich einige Probleme. Vivian eine kluge Frau Agentin und Computerspezialistin war einfach naiv, stellenweise sogar dumm. Während der „Rückblicke“ wird dem Leser ganz deutlich vor Augen geführt, wie Matt sie beeinflusst hat. Gerade bei diesem Beruf, den sie ausübt sollte man in dieser Hinsicht nicht so blauäugig sein. Matt wurde mir im Laufe des Buches immer unsympathischer, ein Lügner und Manipulierer. Ich hätte ihm kein einziges Wort mehr geglaubt, doch immer wieder geht sie ihm auf den Leim. Schon am Anfang ist Viv ihr Leben als große Lüge vorgekommen und immer wieder hat sie sich sein Verhalten schöngeredet. Sehr gut beschrieben waren jedoch die Ängste und Zweifel der Mutter, die für ihre Kinder sogar töten würde. Im Ganzen habe ich mich aber gut unterhalten und konnte das Buch schnell weglesen. Dass das Buch verfilmt wird, kann ich mir sehr gut vorstellen. Von mir 4 Lesesterne.