Mutige Frauen
Der Zopf, Roman von Laetitia Colombani, 288 Seiten, erschienen bei S. Fischer.
Drei Frauen, drei Leben, drei Kontinente – ein Zopf.
Dies hier ist die Geschichte von drei Frauen die unterschiedlicher kaum sein können. Smita in Indien als Abschaum der Menschheit geboren, versucht mit allen Mitteln ihrer Tochter Lalita ein besseres Leben zu ermöglichen. Giulia die Italienerin versucht nach dem Tod ihres Vaters das Familienunternehmen zu retten, schließlich Sarah aus Kanada, eine erfolgreiche Anwältin erfährt von ihrer schweren Erkrankung. Drei Schicksale, die auf den ersten Blick völlig unterschiedlich sind und sich am Ende doch zu einem kunstvoll geflochtenen Zopf verbinden.
Die Handlung des Buches wird durch Prolog und Epilog zusammengefügt. Der Plot gliedert sich in drei Erzählstränge, jeder Strang - die Geschichte einer starken Frau. Die einzelnen Kapitel sind mit dem fettgedruckten Namen der jeweiligen Protagonistin und dem Ort der Handlung überschrieben, das erleichtert dem Leser die Orientierung. Zwischen den Kapiteln sind Gedichte, passend zur Erzählung, in kursiver Schrift eingefügt. Auch fremdländische Wörter und Ausdrücke sind kursiv hervorgehoben. Für den interessierten Leser sind die Quellenangaben am Ende abgedruckt. Laetitia Colombiani hat als Erzählstil die auktoriale Weise gewählt. Trotz spärlicher Dialoge handelt es sich hier um ein äußerst lebendiges Werk, die Autorin besticht durch ihren lebhaften und bildmalerischen Erzählstil, ich konnte mir das Setting sowie die beteiligten Personen hervorragend vorstellen, zu jeder Zeit konnte ich der Handlung folgen und die Charaktere handelten stets plausibel und nachvollziehbar.
Das vorliegende Werk hat mich in seiner spannungsgeladenen emotionalen Dramatik unglaublich beeindruckt. Eine hervorragende Idee und mit genialem, bildhaftem Schreibstil perfekt ausgeführt. Ich habe zu Lesen begonnen und das Buch erst aus der Hand gelegt, als es fertig gelesen war. Die Schicksale der Hauptpersonen haben mich bis ins tiefste Herz berührt. Smita, die Inderin war mein Lieblingscharakter, als „Dalit“, also Unberührbare geboren und somit außerhalb jeder Kaste. Jenseits von allem, unwürdiger Abschaum der Menschheit, sie muss die Fäkalien der kastenzugehörigen Inder mit bloßen Händen beseitigen, da es in Indien keine Toiletten gibt. Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt sie in einer Hütte, die Familie ernährt sich von Ratten die ihr Mann auf den Feldern der Jats fängt. Dieses würdelose Leben will sie ihrer Tochter Lalita ersparen deshalb, soll diese Lesen und Schreiben lernen. Eines Tages nimmt sie ihre Tochter und macht sich auf den Weg in ein besseres Leben. Giulia aus Palermo ist die Tochter des Perückenmanufakturbesitzers Lanfredi. Als ihr Vater einen schweren Unfall erleidet, muss sie feststellen, dass die Firma vor dem Ruin steht. Um die Frauen, die in der Manufaktur arbeiten und ihre Mutter und Schwestern zu retten, muss sie handeln. Die dritte im Bunde ist die kanadische Anwältin Sarah, Mutter von drei Kindern, zweimal geschieden, Partnerin in einer renommieren Anwaltskanzlei in Montreal. Eine Kriegerin, eine Powerfrau für die immer ihre berufliche Kariere vor Ehe und Kindern kam. Dann erfährt sie plötzlich, dass sie sehr schwer krank ist und sie beginnt zu kämpfen. Oberflächlich betrachtet, haben diese drei Frauenschicksale nichts miteinander zu tun, doch wie bei einem Zopf fügt sich das ganze am Schluss gekonnt zu einem kunstvollen Ganzen. Wie passend dieser Titel! Dazu ein wunderschönes Cover! Meine uneingeschränkte Leseempfehlung und volle Punktzahl.