Ich antworte zunächst mal, ohne die Beiträge der anderen Eulen gelesen zu haben
Book-Club-Question 1:
“Mimi Reventlow entscheidet sich für ein selbstbestimmtes Leben und gegen den sicheren Hafen der Ehe. Um 1900 herum war dies höchst ungewöhnlich, denn Frauen waren zu dieser Zeit in hohem Maß abhängig finanziell den Männern. Was hat sich Deiner Ansicht seit damals für Frauen geändert?“
Nun, das beantwortet sich natürlich fast selbst. Dass Gleichberechtigung und Selbstbestimmung überhaupt (von einem Großteil der Menschen) als wünschenswerte Dinge angesehen werden. Dass alle Berufe zumindest in der Theorie auch Frauen offenstehen. Dass Heirat nicht mehr die einzige soziale Aufstiegsform ist und auch die Mutterrolle nicht mehr die alleinige erstrebenswerte Daseinsform ist.
Book-Club-Question 2:
„Im Weberdorf Laichingen sehen wir, dass hinter der blütenweißen Industrie des Leinenwebens Ausbeutung und Armut standen. Kennst Du noch andere Industriezweige, in denen zur Zeit der Industrialisierung ähnliche Verhältnisse herrschten?“
Wenn ich mich recht entsinne (die Industrialisierung war nie mein Lieblingsthema) traf das auf eigentlich alle Wirtschaftszweige zu, die hochgradig technisiert wurden. Was die Lebensbedingungen der Arbeiter angeht, fällt mir zum Beispiel noch so etwas wie Bergbau als prekäres Beispiel ein.
Book-Club-Question 3:
“Mimi möchte die Menschen mit ihren Fotografien „im schönsten Lichte darstellen“. Hannes wirft ihr vor, sie würde den Menschen damit ewas vormachen. In seinen Augen wäre es besser, sie würde die harte Realität ablichten. Was denkst Du?“
Ich würde sagen, beides hat seine Legitimität. Die Darstellung auch unschöner Verhältnisse hat dokumentarischen Charakter, kann aufrütteln, auf Missstände hinweisen und so einen eindrücklichen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte leisten. Ich denke da auch heutzutage an so etwas wie den World Press Photo Award, dort werden oft sehr aussagekräftige Bilder prämiert, die auf emotionaler Ebene wichtige Inhalte transportieren.
Andererseits halte ich es nicht für falsch, so eine Art von "Realitätsflucht" zu ermöglichen (etwa, dass die Bäuerin eben doch für einen Tag in die Rolle der feinen Dame schlüpfen kann). Das tun wir ja auch heute noch. Und der Fokus auf das Schöne und vielleicht auch das, was man im Alltag an sich selbst gar nicht sieht, kann natürlich das Selbstbewusstsein einer Person stärken und so ein gutes Gefühl vermitteln. Wenn man sich der Tatsache der Inszenierung irgendwie bewusst ist, finde ich das nicht schlimm. Mit der heutigen Selbstvermarktung und der ganzen Scheinwelt, die beispielsweise über Instagram mit Fotos aufgebaut wird, nimmt das allerdings fast schon groteske Formen an. Ich denke, wie in den meisten Fällen ist hier eine gewisse Balance der richtige Weg.
Book-Club-Question 4:
„Anton und Alexander haben beide große Träume für ihre Zukunft. Welchem der beiden jungen Männer traust Du eher zu, auszubrechen aus der engen Welt Laichingens und warum?“
Grundsätzlich traue ich es beiden zu, wobei Alexander vielleicht größerer Unterstützung und Ermutigung bedarf. Anton wirkt für mich mehr wie der Draufgänger, der irgendwann einfach ausbricht, ohne groß nachzugrübeln.
Book-Club-Question 5:
„Eveline verliert sich oft in Tagträume, dabei denkt sie auch viel an Johann. Sollte sie nicht lieber versuchen, ihr Leben praktisch zu verbessern? Oder sind solche Träume manchmal die einzige Möglichkeit, die Realität zu ertragen – was meinst Du?“
Das von ihr zu erwarten, ist schwierig. Schließlich war es nicht vorgesehen, dass eine Frau sich gegen ihren Mann auflehnte und eigenmächtige Entscheidungen traf. Somit waren ihre herkömmlichen Handlungsoptionen begrenzt. Den Mann, vielleicht damit auch die Kinder verlassen, wäre eine radikale Möglichkeit, aber auch eine Art Verantwortungslosigkeit. Dass sie heimlich ihren Sohn bei der Bewerbung an der Kunstschule unterstützt, ist wahrscheinlich schon ein relativ großer Akt der Auflehnung. Ich halte sie an diesem Punkt in der Geschichte für zu loyal für größere Entscheidungen, kann mir aber vorstellen, dass der Punkt noch kommt.
Zum zweiten Teil der Frage - Träume sind unglaublich wichtig, können einen antreiben, egal, wie unrealistisch sie sein mögen. Dass man sich in sie flüchtet, finde ich nachvollziehbar. Wie schlimm wäre es, hätte man zusätzlich zu seinem traurigen Dasein auch noch keine Fantasie! Nüchtern betrachtet ist es für ihre persönliche Zufriedenheit sicherlich nicht sehr förderlich, dass sie sich in diese Idealvorstellung von Johann flüchtet. Trotzdem verstehe ich, dass sie es tut. Wenn diese auch noch wegbricht, wird das wahrscheinlich ein noch heftigerer Dämpfer für sie.