Enna und Jale Eggers lieben es, mit ihrem Boot unterwegs zu sein. Die 17-jährigen Zwillingsschwestern aus dem Alten Land sind gerne in der Natur und zählen die Tage, bis ihre Mutter Alea aus ihrer langen Haft entlassen wird. Seit Jahren leben sie im Ungewissen: Was hat ihre Mutter verbrochen? Wer ist ihr Vater? Und warum machen Alea und Ehmi, die Großmutter der Mädchen, ein solches Geheimnis um die Antworten? Als endlich die Entlassung entsteht, sind plötzlich sowohl Alea als auch Jale verschwunden. Enna ist geschockt und begibt sich auf die Suche nach ihnen…
„Stromlinien“ ist ein Roman von Rebekka Frank.
Die Struktur des Romans ist komplex. Er beinhaltet 57 Kapitel, zwischen denen sich einige mysteriöse Einschübe befinden. Erzählt wird aus wechselnder Perspektive, vor allem aus der Sicht von Enna, Jale, Alea und Gunnar, dessen Verbindung zu den Mädchen erst später klar wird. Immer wieder gibt es große Zeitsprünge, die chronologische Reihenfolge wird nicht eingehalten. Die Handlung umfasst 100 Jahre: 1923 bis 2023. Sie spielt vorwiegend in Hamburg und im Alten Land.
In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman begeistert. Treffende, teils ungewöhnliche Metaphern und Vergleiche sind an vielen Stellen zu finden. Besonders atmosphärisch und anschaulich sind die wunderbaren Naturbeschreibungen, die nur an manchen Stellen etwas ausufernd geworden sind.
Das Personal des Romans ist umfangreich, aber nicht zu zahlreich. Im Mittelpunkt stehen die Zwillingsschwestern Enna und Jale, wobei Erstere besonders viel Raum einnimmt. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich gut verfolgen. Die andere Schwester bleibt deutlich blasser. Nicht immer hat sich mir das Handeln und Denken von Enna, Jale und Alea in Gänze erschlossen. Die Figuren sind allerdings mit psychologischer Tiefe und in sich schlüssig dargestellt.
Aus inhaltlicher Sicht bietet das Buch vor allem zwei Aspekte: Sie ist einerseits ein interessanter Generationenroman und andererseits eine gleichwohl spannende wie bewegende Kriminalgeschichte. Gut gefallen hat mir, dass die Autorin nicht nur eine fiktive, sondern auch zwei historische Schiffstragödien eingearbeitet hat. In einem ausführlichen und lesenswerten Nachwort erklärt sie unter anderem die tatsächlichen Hintergründe dieser Ereignisse und erläutert, was ihrer Fantasie entstammt und was nicht. Auch politische und gesellschaftlich relevante Themen wie die Elbvertiefung sind eingeflossen und verleihen der Geschichte zusätzliches Gewicht.
Im ersten Drittel nimmt die Geschichte nur gemächlich Fahrt auf und enthält Längen. Danach ist der Roman jedoch zunehmend fesselnd und unterhaltsam. Unerwartete Wendungen und eine Fülle von Einfällen machen die Handlung unvorhersehbar. Das geht leider ein wenig zulasten der Glaubwürdigkeit. Insgesamt wirkt die Geschichte zudem stark konstruiert.
Das hübsche und kreative Covermotiv passt außerordentlich gut zum Roman. Auch der prägnante, zweideutige Titel ist eine hervorragende Wahl.
Mein Fazit:
Mit „Stromlinien“ ist Rebekka Frank ein empfehlenswerter Roman gelungen, der in mehrfacher Weise Unterhaltungswert besitzt und mit sprachlicher Schönheit glänzt. Nur was die Glaubwürdigkeit der Handlung angeht, hat mich die Geschichte nicht völlig überzeugt.
Ich vergebe 4 von 5 Sternen.