Rezension
Johann Wolfgang von Goethe: "Faust. Der Tragödie erster Theil"
Johann Wolfgang von Goethe, Wegbereiter einer der wichtigsten deutschen Literaturepochen, schuf mit seinem Werk „Faust. Der Tragödie erster Theil“ das imposanteste Drama der Klassik, das diesen Status bis heute behält. Uraufgeführt am 19.01.1829 bleibt das Werk, einmal gesehen, im Kopf des Zuschauers.
Goethe erzählt die Geschichte des Doktor Faustus, der sich, um sein Lebensziel zu erreichen, alles zu wissen, dem Teufel verspricht. In Unwissenheit über die Wette zwischen Gott und Mephistopheles geht er auf den Pakt ein und wird fortan von Mephisto begleitet, der ihm jeden Wunsch erfüllt und versucht, ihn vom Weg des Strebens abzuhalten, ihn zu verführen. So seien Auerbachs Keller genannt, doch Feiern scheint Faust absolut nicht zu gefallen, die Walpurgisnacht ist ein zweiter Versuch, der scheitert, doch die Liebe zu Margarethe funktioniert. Faust verliebt sich und tappt in die Falle. Seine Erlösungswünsche vom Irdischen werden zu Beginn des Dramas bereits beendet, er hat keine andere Wahl.
Goethe versteht es, seine Figuren, insbesondere Mephistopheles und Faust strukturiert und klar anzulegen, der Leser beziehungsweise Zuschauer identifiziert sich vorzugsweise mit Faust und steigt sofort ins Drama ein. Gretchen wird als junge Frau nachvollziehbar dargestellt, ihre Position macht sie deutlich und zeigt, wie sie zu Faust steht. Trotz allen Lobes, das Goethe entgegenzubringen ist, da er seine Handlungsträger in Stein gießt, wie es sein muss, muss trotzdem erwähnt werden, dass die Auswahl des Dramenstoffes und die Figuren nicht sonderlich kreativ sind. So wissen wir, dass es bereits im Volksbuch und im Augsburger Rechnungsbuch Erwähnungen des Doktor Faustus gibt und auch Mephistopheles ist dem erfahrenen Leser längst bekannt. Der Pakt mit dem Teufel, das Ende – nichts ist selbst erfunden, alles ist nachlesbar. Selbst Auerbachs Keller ist nur benutzt, nicht erdacht. So wirkt das Drama fast langweilig, man möchte meinen, Goethe nutzte es zur reinen Popularisierung seiner selbst, doch das hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nötig.
Ein Blick sei auch auf den inneren Konflikt geworfen. Die Gefühlswelt, die Faust durchlebt, ist ein Delirium des Auf und Ab, eine Qual sondergleichen. Goethe mutet seinen Protagonisten und vor allem dem Leser beziehungsweise Zuschauer eine Fülle von Informationen und Handlungssträngen zu, die einer besonderen Konzentration bedürfen. Der leichte Stoff „Emilia Galottis“ von Lessing oder das Oberflächenspiel Büchners in „Dantons Tod“ ist gegen den Faust beinahe lächerlich. Kindisch wirkt ebenfalls Brechts „Dreigroschenoper“ gegen den opus summum Goethes. Eine kristallklare Herausarbeitung der Strukturen, der Gefühlswelt, des inneren menschlichen Dranges wünscht man sich geradezu von anderen Dramen der Welt. Selbst Shakespeares „Romeo und Julia“ ist seichte Unterhaltungsliteratur, die Schilderung der Liebe, die zwischen Faust und Gretchen stattfindet, löst ekstatische Zuckungen aus, während Romeo und Julia es vielleicht gerade zur Fingerregung schaffen.
Zuletzt sei die Bedeutung des Werkes in der Welt zu sehen. Kaum ein anderes Werk ist so bekannt und so vielzitiert wie Faust. Sei es der Osterspaziergang oder der berühmte Satz: „Das also war des Pudels Kern!“ (Vers 1323). Die metaphorisch-rhetorische Schlaggewalt des Dramas zeichnet es von selbst aus. Lebensweisheiten und Darbietungen innerster Verzweiflung wechseln sich mit Liebesschwüren und zotigen Sätzen ab. Wenn auch zu sagen ist, dass manchmal ein wenig Mäßigung seitens des Autors angebracht wäre, auch hier mutet er dem Leser viel zu.
Das in Versen verfasste Werk „Faust. Der Tragödie erster Theil“ Johann Wolfgang von Goethes stellt das größte und bedeutendste Drama deutschsprachiger Literatur dar. Der Mensch wird in seinem Innersten auf das Wesentliche reduziert und trotzdem bleibt das Gesamtbild. Von Goethe schafft es, meisterlich zu zeigen, wo die menschlichen Grenzen liegen, er hält der Gesellschaft den Spiegel vor, ohne, dass sie es merkt. Ein ausgemachtes Geniewerk des lyrischen Dramas, was den Vergleich mit großen Autoren der heutigen Zeit nicht scheuen muss, ihm vielleicht nicht würdig ist. Das Drama ist ein Pflichtwerk jedes Menschen, der Deutsch lernt oder es als Muttersprache spricht. Die Sprache in ihrer schönsten, reinsten Form, der Ausdruck in seiner klarsten Art.
Von Goethe schaffte ein Meisterwerk, das die Menschen bis heute darstellt und sie sollten es lesen! Richard Wagners Ouvertüre „Faust“ unterstreicht den Lesegenuss ungemein.
Johann S.