Beiträge von Bernard

    Sicherlich ist die Befriedigung des Rachegedankens nicht die Zielsetzung unseres Rechtssystems. Es gibt aber ein Ziel, das durchaus dem Gerechtigkeitsempfinden des kleinen Mannes auf der Straße Rechnung trägt: "Wahrung des Rechtsfriedens".


    Die Justiz hat sich so zu verhalten, dass der Bürger in seinem Vertrauen in den Rechtsstaat gestärkt wird. Das wird er nicht, wenn er Urteile als grob ungerecht empfindet, wie anscheinend die Mehrheit der Bevölkerung im Fall Mohnhaupt (oder im Fall Ackermann, um einen anderen Bereich anzusprechen).

    Daher hat unser System in diesem Fall in meinen Augen versagt. Nicht, weil die Staatsanwaltschaft oder die Richter falsch entschieden hätten, sondern weil die Gesetze falsch sind, die eine solche Entscheidung erzwingen. Eigentlich ein Fehler der Legislative, die armen Juristen bekommen jetzt nur die Prügel.

    Klappentext
    An vielen faszinierenden Beispielen aus der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen zeigt der Autor die verschiedenen Thesen und Theorien, Probleme und Kontroversen im Zusammenhang mit der Evolution. Wie ein roter Faden zieht sich durch das Buch die Frage: welcher noch unbekannte Faktor könnte die zahllosen den Regeln widersprechenden Phänomene erklären? Ein Buch zum Denken und "Zusammendenken".


    Autor
    Gordon Rattray Taylor, 1911 - 1981, wandte sich nach seinem Studium in Cambridge dem Journalismus zu und arbeitete zunächst für Zeitungen und dann für die britische Rundfunkgesellschaft BBC. Er hat an die 15 Bücher geschrieben, darunter den internationalen Bestseller "Die biologische Zeitbombe".


    Meine Meinung
    Schon in der Schule erschien mir die neodarwinistische Evolutionstheorie, nach der die Entwicklung des Lebens auf zufällige Mutation und umweltbedingte Selektion zurückzuführen ist, als unplausibel. Trotz ihrer geradezu hanebüchenen Unwahrscheinlichkeit wird sie mit nahezu herzerweichender Naivität noch immer an deutschen Schulen gelehrt. Vermutlich gibt es zwei Gründe dafür: Erstens sind die prominentesten Kritiker der Neodarwinisten sind die wenig glaubwürdigen Kreationisten, die eine Weltenschöpfung in 6 Tagen postulieren, und zweitens fällt es der Bildungselite immer schwer, einzugestehen, dass man etwas einfach nicht weiß. Genau dies ist aber bei der Evolution der Fall, wie Taylor in seinem Buch anhand zahlreicher Beispiele belegt. Zufällige Mutation und umweltbedingte Selektion erklären Phänomene, die in der Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten dermaßen selten sind, dass sie als Messfehler gelten können.
    Dies ist ein mutiges Buch. Es zerstört die heile Märchenwelt der allwissenden Wissenschaft, ohne der Versuchung zu erliegen, Antworten zu geben, die es derzeit einfach noch nicht gibt. Was es gibt, ist der "Faktor X", der zu Mutation und Selektion hinzugefügt werden muss. Ein Bewusstwerden über dieses Nichtwissen ist notwendige Vorbedingung, um die Forschung voranzutreiben, statt in der Behäbigkeit überholter Schulweisheiten einzuschlafen.
    Ein wichtiges Buch, zudem noch interessant geschrieben. Eine klare Empfehlung.

    Untertitel
    Ketzerische Gedanken zu Deutschland


    Klappentext
    Die Missstände in Deutschland sind groß. Schuld daran sind immer die anderen: unfähige Politiker, gewissenlose Manager, machtverliebte Gewerkschaften ... nur wir nicht. Wir vertrauen auf unseren Staat. Wir wissen zwar, dass es so nicht mehr weitergeht, aber wir hoffen, dass sich nur ja nichts ändern wird. Denn um zu verändern, müssten wir etwas aufgeben: Sicherheit. Schonungslos analysiert Notker Wolf unsere widersprüchliche Gesellschaft, prangert die deutschen Besitzstandswahrer an und fordert die persönliche Freiheit, um wieder eine zukunftsfähige Gesellschaft zu werden. Ein packendes Plädoyer für einen mutigen Aufbruch.


    Zum Autor
    Notker Wolf OSB, Dr. phil., geboren 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu, studierte Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften in Rom und München. 1961 trat er in die Benediktinerabtei St. Ottilien am Ammersee ein und wurde 1977 zu ihrem Erzabt berufen. Seit 2000 ist er als Abtprimas des Benediktinerordens mit Sitz in Rom der höchste Repräsentant von mehr als 800 Klöstern und Abteien auf der ganzen Welt - und somit Oberhaupt eines globalen "25 000-Mitarbeiter-Unternehmens". Besonders am Herzen liegt ihm der interkulturelle Dialog mit China und Nordkorea.


    Meine Meinung
    Ein Buch, das mir in vielen Passagen aus dem Herzen gesprochen hat. Erfrischend geht der Autor mit der deutschen Jammermentalität ins Gericht, entlarvt Selbstmitleid und Heuchelei, weist diejenigen in die Schranken, die vom Staat verordnete Glückseligkeit mit Rentengarantie erwarten. Spannend wie ein Krimi lesen sich seine Erinnerungen über seine heimliche Einreise nach Rotchina, wo er nach Spuren der katholischen Mission suchte und die in den Untergrund gewanderten Christen auf ihrem Weg bestärkte.
    Wolf entwickelt scharfsinnige Gedanken, die gleichzeitig immer im konkreten Leben geerdet sind. Ein Buch nicht für Schreibtischstrategen, sondern für solche, die sich nicht zu schade sind, die Ärmel hochzukrempeln. Mit den Illusionen der 68er wird ebenso gnadenlos abgerechnet wie mit vielen anderen Schwärmereien und Heucheleien. Überzeugend legt der Autor beispielsweise dar, dass die "Political Correctness" letztlich mit der Diktatur der Überempfindlichen identisch ist.
    Dabei ist das Buch von einem mitreißenden Optimismus geprägt, mehr ein Weckruf als eine Anklageschrift. Ein Aufruf zu Selbstbestimmung, Mut und Unbeugsamkeit, zu Realismus und Zielstrebigkeit. Trotz einiger etwas langatmiger Stellen im Ganzen lesenswert.

    Klappentext
    Die katholische Kirche ist nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. nicht mehr so, wie sie vorher war. Das haben die beeindruckenden Demonstrationen des Glaubens, vor allem junger Menschen, gezeigt, die ihren Papa Wojtyla in seinen letzten Stunden begleiteten und dann dem neuen Papst aus Deutschland zujubelten.
    Stephan Kulle, der für ZDF und Phoenix vor Ort war und über exzellente Kontakte in den Vatikan verfügt, berichtet von den Tagen, als die Welt nach Rom schaute: vom Tod Johannes Paul II. bis zu dem Augenblick, als Benedikt XVI. auf der Loggia des Petersdomes erschien.


    Zum Autor (Text vom Verlag)
    Stephan Kulle, Jahrgang 1967, Journalist und TV-Moderator. Als Vatikanexperte hat er die Beerdigung von Johannes Paul II., dem er einige Male persönlich begegnet war, und das Konklave für ZDF und Phoenix journalistisch begleitet.


    Meine Meinung
    Ein wirklich faszinierendes Buch! Während alltäglich jemand vorgaukelt, er kenne sich im Zentrum der größten Organisation der Menschheit aus, sei er nun Thrillerautor oder Talkmaster, liegt hier ein Bericht von jemandem vor, der tatsächlich ein Insider ist. Kulle bewegt sich zwischen Kardinälen, begegnet dem Papst (absolut beeindruckende Szenen!), kennt die katholische Kirche als Theologe und Journalist. Er kennt auch den deutschen Medienzirkus, war er doch als Vatikanexperte (einer der wenigen echten) während dieser turbulenten Tage stets involviert. Amüsant, welche Kapriolen in jenen Wochen vollführt wurden.
    Die Verbindung aus persönlichem Erfahren mit einem Ereginis von weltgeschichtlicher Bedeutung macht "Habemus Papam" ausgesprochen lesenswert.

    Klappentext
    Zu glauben ist eine sehr vernünftige Entscheidung
    Sind wir wirklich Papst? Ist Glaube der moderne Trend? Oder ist alles nur ein Medienhype?
    In seinem neuen Buch beobachtet Kulle die religiöse und spirituelle Neubesinnung in unserer Gesellschaft. Sensibel und streitbar analysiert er, warum wir wieder glauben wollen. Stephan Kulle macht glaubhaft, warum sich glauben lohnt.


    Autor (Text vom Verlag)
    Stephan Kulle, Jahrgang 1967, ist Theologe, Journalist und Buchautor ("Riss im Glück" und "Habemus Papam"). Mit 23 Jahren erlitt er bei einem schweren Verkehrsunfall eine Querschnittslähmung, kann durch intensives Training heute aber wieder laufen. Er arbeitet unter anderem als Fernsehreporter und Moderator und ist bekannt geworden durch die Moderation der "heute"-Nachrichten. Für den Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF "Phoenix" berichtete der versierte Vatikanexperte vom Konklave 2005. Dabei sorgte er für weltweites Aufsehen, als er vier Minuten vor der offiziellen Bekanntgabe den Namen des neuen Pontifex Maximus verkündete. Kulle lebt in Frankfurt am Main und Rom.


    Meine Meinung
    "Warum wir wieder glauben wollen" ist eine Sammlung von Essays, die teils um allgemein religiöse Fragestellungen kreisen, sich teils mit der Realität der katholischen Kirche auseinander setzen und teils persönliche Erlebnisse des Autors schildern. Letztere Episoden sind sehr interessant, vor allem, als die erste persönliche Begegnung mit dem damaligen Papst Johannes Paul II. beschrieben wird. Hier wird die Glaubensüberzeugung des Autors greifbar und plausibel.
    Je weiter die Episoden vom persönlichen Erleben entfernt sind, umso weniger vermochten sie mich zu berühren. Die allgemeinen Überlegungen zur Existenz Gottes, zum Leiden in der Welt und so weiter bleiben für meinen Geschmack zu sehr in der Schwebe zwischen Allgemeinem und Konkretem. Für eine theoretische Abhandlung sind sie zu wenig zu Ende gedacht, für "Geschichten aus dem Leben" werden die Einzelschicksale zu schlaglichtartig behandelt, zu wenig verfolgt.
    Im Ergebnis ein ehrliches Buch, wohl geschrieben für Zauderer, die ein wenig ratlos außerhalb der Kirche stehen, sich fragen, was ihre Faszination ausmacht und ob sie ihnen nicht doch etwas zu bieten hätte. Für diese mag es die Möglichkeit einer vorsichtigen Annäherung bieten. Das Versprechen von Titel und Klappentext hat es allerdings in meinem Fall nicht einlösen können.
    Kann man lesen, muss man aber nicht.

    Zitat

    Original von licht
    Eine weitere Frage: was ist zivilisierter, das Blut eines Fußsoldaten spritzen zu sehen oder die Explosion eines Panzers?


    Wenn es sich lediglich um Grafiken auf einem Computerbildschirm handelt, halte ich beides für zivilisierter als ein Backpfeife in der echten Welt.


    Ich vertrete nicht die These, dass die Beschäftigung mit Krieg und Militär das Zusammenleben fördert. Ich wollte darauf hinaus, dass gemeinsame Aktivitäten, die man mit anderen Menschen unternimmt (zum Beispiel gemeinsames Spielen am Computer oder im Sandkasten) die Sozialkompetenz stärker fördern als Tätigkeiten, die man allein unternimmt und bei denen keine soziale Interaktion vorkommt (zum Beispiel das Lesen eines Buches). Der Inhalt des Spiels/ des Buches ist in diesem Zusammenhang sekundär.

    Lotta


    Ein Beispiel:
    Meine Freundin und ich spielen gern "Mechwarrior 3".
    Dabei bestückt man zunächst eine futuristische Kampfmaschine, so eine Art 10 Meter hohen Roboter, mit allerlei Waffen vom Maschinengewehr über Raktenlafetten bis zu Laserstrahlern. Dann zieht man damit los und schießt ähnlich ausgestattet Gegner ab, manchmal auch Hubschrauber, Panzer oder Fußsoldaten.


    Ich behaupte: Dabei kommt niemand zu Schaden, wir sitzen in einem warmen Zimmer vor einem hochtechnischen Gerät, nämlich einem Computer und der rechnet die Kollision verschiedener Bildschirmobjekte aus, um daraus farbenfrohe Explosionen zu basteln. Das verstehe ich unter zivilisiert, insbesondere im Gegensatz zu echter Gewalt.


    Ich halte dieses Freizeitvergnügen sogar für sozial förderlich, denn wir spielen gemeinsam - ich lenke, sie schießt. Wenn man so möchte, lernen wir, uns aufeinander abzustimmen, gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Eine toll gesteuerte Kampfmaschine, bei der im entscheidenden Moment das Fadenkreuz verwackelt, ist nämlich ebenso nutzlos wie gut gezielte Schüsse, wenn man in die falsche Richtung rennt.


    Wenn ich in der Zeit ein Buch lesen würde, anstatt gemeinsam mit meiner Freundin dieses Spiel zu spielen, wäre ich vermutlich einen Schritt näher am Amokläufer, denn das Lesen ist grundsätzlich eine sozial isolierte Tätigkeit.

    Zitat

    Original von Lotta
    Aber dass es nicht nur daran liegt, macht es doch nicht zu einem wunderbaren Teil unserer Gesellschaft.


    Ich bestreite, dass es überhaupt daran liegt. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es weniger Gewalt gäbe, wenn der natürliche Drang zur Aggression "zivilisiert" abgebaut würde - etwa in Killerspielen und nicht mit dem Baseballschläger auf der Straße.

    Zitat

    Original von licht
    ich bin nur gespannt auf den großen aufschrei, wenn wieder ein schüler eine schule stürmt oder oder oder ....


    ich halte es für sträfliche augenwischerei, den zusammenhang verharmlosen zu wollen.


    Du vertrittst ja durchaus die Mehrheitsmeinung, Licht, zumindest, wenn ich die öffentliche Debatte richtig verfolge.
    Es ist nur so, dass ich und mit mir einige andere den Zusammenhang "Gewaltspielzeug" --> "Gewalt in der Realität" nicht herstellen können, weil unsere persönliche Erfahrung dagegen spricht. Die mag nicht repräsentativ sein, aber sie ist nun einmal mein Hintergrund.
    Anders ausgedrückt: Wenn ich Deine Prämisse teilte, schlösse ich mich auch Deinen Schlussfolgerungen an.
    Ich erkenne auch Deine differenzierte Argumentation (die vielleicht tatsächlich an das Medium "Internetforum" verschwendet ist), aber da ich die Prämisse nicht teile ... eher im Gegenteil ...

    Ich bin ein Anhänger der These, dass man als Mensch in der Regel ein gewisses Aggressionspotenzial von der Natur mitbekommt. Wahrscheinlich gehört das einfach zum Energielevel, den wir brauchen, um überhaupt aktiv zu werden.
    Diese Energie muss irgendwie abgebaut werden. Man kann das durch Sport machen oder durch das Anschauen von Filmen oder Lesen von Büchern mit Gewaltdarstellungen (bei den Psychologen heißt das, glaube ich, "Kompensationsangst"). Oder eben durch Kriegsspielzeug.
    Ich habe als Kind gern mit solchem Spielzeug gespielt und spiele heute, mit Mitte 30, immer noch gern ab und an ein "Killerspiel" am PC. Ich interessiere mich für militärische Taktiken (auch schon als Kind), schaue gern Kriegsfilme und schreibe gern Geschichten mit militärischem Umfeld.


    Aber bei der Bundeswehr hat es mir nicht sonderlich gefallen, Kriege finde ich nicht erstrebenswert und auch sonst halte ich mich für einen friedfertigen Typ.


    Ich denke, es ist entscheidend, dass Kinder den Unterschied zwischen Spiel und Realität lernen. Dazu kann Kriegsspielzeug sogar einen konstruktiven Beitrag leisten, weil es das Thema (spielerisch) auf den Tisch bringt. Und wenn sie ihre Aggressionen damit spielerisch verarbeiten, statt ihre Kindkollegen zu vermöbeln, haben alle gewonnen.

    Danke für die Rückmeldungen.


    Mit diesem Text versuche ich, stilistisch und inhaltlich Werke aus einem anderen Kulturraum zu kopieren. Deswegen geht Denys Interpretation, die Figur "Ich" in dem Text sei Gott, zwar in die richtige Richtung, trifft es aber vermutlich nicht exakt - schließlich tauchen später auch explizite "Götter" auf.
    Die Herausforderung besteht für mich als Autor darin, einerseits die Exotik der anderen Kultur zu erhalten und andererseits dem Leser aus dem Deutschland des 21. Jahrhunderts zumindest eine Chance zu geben, die Handlung zu greifen.


    Prinzesschen : Genau, ich vermute auch, dass hier das Chaos als Urgrund gesetzt werden soll.


    @Licht: danke. Ich denke darüber nach, ob ich es schaffe, die Entwicklung auch sprachlich zu unterstreichen.


    teufelchen : Bei einem solchen Kompliment kann ich nicht viel Anderes tun, als es anzunehmen. Ich sage: "danke".


    :wave

    Spontaner Eindruck: Gefällt mir nicht. Für meinen Geschmack ist es formal und inhaltlich zu breit.


    Formal liest es sich für mich wie ein Prosatext mit Zeilenumbrüchen. Ich habe die Reime erst beim zweiten Lesen bemerkt, weil die Zeilen für mich zu lang sind, als dass ich das Ende des letzten Verses noch im geistigen Ohr hätte, wenn ich den nächsten erreiche, und die Übergänge zwischen den Zeilen sind mir zu fließend, sodass für mein Empfinden Akzente fehlen.


    Auch inhaltlich vermisse ich das Zugespitzte, wie ich es für Lyrik erwarten würde. Eine Menge Gedanken zum Jahreswechsel - schön und gut, nach meinem Dafürhalten allerdings eher als Basis für ein (Prosa-)Essay geeignet.


    Sprachlich flüssig und ästhetisch, aber eben nicht lyrisch. Okay, ich bin ein Lyrik-Banause - aber es sieht eben nicht lyrisch aus für jemanden, der nichts von Lyrik versteht. :grin

    Das Gedicht finde ich sehr gut. Es hat eine kompakte, eben dichte Form, die die inhaltliche Aussage pointiert. Sowohl die einzelnen Strophen als auch alle Strophen in ihrer Folge sind gut auf das Ziel ausgerichtet. Alles hat seinen Zweck, das Überflüssige ist weggeschnitten. Das halte ich für ein wesentliches Qualitätsmerkmal für Poesie.


    Mit der Aussage an sich habe ich zwar meine Schwierigkeiten, aber das liegt nicht daran, wie sie präsentiert wird, sondern einfach daran, dass ich anderer Meinung bin - das hat also mit dem Gedicht nichts zu tun und gehört daher nicht hierher.

    Die Form des Gedichts gefällt mir gut. Ich mag den symmetrischen Aufbau vom Abstraktum MUT zum Abstraktum FEIGHEIT, sozusagen eine Reise durch das Konkrete in der Mitte. Vielleicht hätte man noch ein paar Wörter rausnehmen können, um weiter zu verdichten. Das "Stattdessen" wäre da mein erster Kandidat. Trotzdem gefällt es mir vom formalen Aspekt her.


    Inhaltlich finde ich dieses große Thema nur unzureichend behandelt, was aber daran liegt, dass es eben ein so großes Thema ist. Insbesondere finde ich es bedauerlich, dass MUT in dem Gedicht durchgängig mit einem *dagegen* assoziiert wird. Man ist *gegen* einen Missstand, Man setzt sich *zur Wehr*, man sagt *nein*. Das ist mir zu destruktiv, mir fehlt ein "positives Wollen", das durchaus auch ein Aspekt von Mut ist. Das ist lediglich im "Anderen beistehen" enthalten und wird für mein Gefühl daher vom destruktiven Mut-Aspekt erdrückt.


    Ähnlich geht es mir in diesem Gedicht mit der FEIGHEIT, die hier nach meinem Eindruck mit Passivität assoziiert wird. Hier fehlt mir das Aufzeigen von feigem Aktionismus. Gerade Leute, die Angst vor sich selbst haben, neigen nach meiner Erfahrung zu einem explosiven, manchmal aggressiven Tatendrang, was ich in diesem Zusammenhang als Ausdruck von Feigheit werten würde.


    Insgesamt finde ich: ein wirklich schönes Gedicht, aber ein zu umfassendes Thema, das letztlich nicht vollständig gegriffen wird.

    Zitat

    Original von licht
    Nur bye the way: gibt es das Wort "selber" als Wort der Schriftsprache??


    Meines Erachtens ist "selber" ist im Vergleicht zu "selbst" so etwas wie "Gossendeutsch". Dennoch ist eine Verwendung in einem Text aus meiner Sicht legitim, wenn man eine entsprechende Schwingung mitgeben möchte.

    Noch vor dem Beginn des Beginns,
    als es noch keinen Boden und keinen Himmel gab,
    nicht Meer und nicht Regen,
    lange, bevor der erste Mensch aus dem Mais geformt wurde,
    vor Wind und Blitz,
    noch vor dem ersten Augenschlag der Zeit
    wogten die Brecher des Chaos,
    nimmermüde,
    gewaltig,
    zerstörerisch.
    Nichts bestand.
    Nichts gedieh.
    Da griff ich das Chaos.
    Ich sperrte es in einen Edelstein
    der rot war und leuchtend.
    Und ich tauchte in den Rubin
    und zog heraus das Spinnennetz der ersten Welt.
    Ich spannte auf die Richtungen des Himmels,
    den weißen Norden,
    den schwarzen Westen,
    den gelben Süden,
    zuletzt den roten Osten.
    Ich ließ den Zyklus der Tage beginnen,
    den Zyklus des heiligen Jahres,
    den des Sonnenjahres,
    den Zyklus des Mondes
    und den der Venus
    und alle anderen Zyklen der Zeit.
    Ich verwob sie,
    ich verbarg sie.
    Nur wer klug ist, soll sie erkennen.
    Ich bestimmte die Götter,
    ich gab ihnen ihre Reiche in den Nischen der Zeit.
    Ich war es, der all dies tat.
    Ich.
    Ich habe dich geschaffen.

    Zitat

    Original von Raziel
    Ich bin schon einigermaßen überrascht, denn ich hätte nicht gedacht das es so viele Hobby-Autoren gibt.


    Irgendwer hat mir mal erzählt, dass statistisch gesehen jeder Deutsche ein unveröffentlichtes Romanmanuskript in der Schublade habe. Als ich das hörte, hielt ich es für übertrieben. Inzwischen glaube ich, es könnte hinkommen.

    Zitat

    Original von licht
    sorry, habe ich auch nur an einer stelle kategorien von gut oder schlecht bemüht??????


    Ich zitiere Deinen ersten Beitrag:

    Zitat

    Original von licht
    Verschiedene Wohlfahrtsorganisationen - vermutlich fast alle - führen als Ziel ihrer wichtigen Arbeit in der Pflege von hilfsbedürftigen Menschen die Formulierung: Ermöglichung von Selbstbestimmung als eines der wichtigsten Ziele auf. Jedesmal, wenn ich das lese oder höre, kommt in mir eine Sponatane Abwehrreaktion auf.


    Da Du von "spontaner Abwehrreaktion" schreibst, gehe ich davon aus, dass der Begriff "Selbstbestimmung" bei Dir negativ belegt ist - falsch interpretiert?

    "Selbstbestimmung" ist ein Freiheitswert (im philosophischen Gegensatzpaar Freiheit/ Sicherheit). "Freiheit" ist immer auch "Risiko". Je mehr Freiheit, umso mehr Risiko.


    Den Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit muss jede Gesellschaft für sich definieren.
    Wir könnten zum Beispiel die Sicherheit in der Bundesrepublik erhöhen, indem wir eine Ausgangssperre zu Einbruch der Dunkelheit verhängten. Die meisten Verbrechen finden nachts statt, es ist plausibel, anzunehmen, dass weniger Verbrechen stattfänden, wenn nachts niemand mehr die Wohnung verließe. Diese zusätzliche Sicherheit würden wir aber mit einer Einbuße an Freiheit (an der Selbstbestimmung der Bundesbürger) bezahlen - man hat eben bei Dunkelheit nur noch die Handlungsoptionen, die man innerhalb seiner eigenen vier Wände realisieren kann.
    Anderes Beispiel: Individueller Personenverkehr. Wir könnten die Sicherheit erhöhen, wenn wir Privatpersonen das Führen eines Kraftfahrzeugs untersagen würden. Es ist plausibel, anzunehmen, dass es ohne PKWs erheblich weniger Verkehrstote geben würde - das Leben wäre also "sicherer". Der Preis dafür wäre eine Einbuße der Freiheit durch weniger Mobilität.
    Man könnte auch umgekehrt die Freiheit zu Lasten der Sicherheit erhöhen: Abschaffung der Führerscheinpflicht zum Beispiel.


    Es gilt also, das rechte Maß zu finden.


    In den Beispielen, die Du eingangs angeführt hast, scheint mir das gegeben. Eine Tante von mir arbeitet beispielsweise in einem karitativen Werk, wo sie lange Zeit mit der Individualbetreuung von Senioren betraut war. Dadurch war es diesen möglich, in ihrer Privatwohnung zu wohnen. Sie haben eine Wahlmöglichkeit, eine Alternative zum Altersheim bekommen. Sie konnten dadurch selbst bestimmen (sic!), ob sie lieber zu Hause wohnen bleiben oder in ein Heim ziehen wollten.
    Ich kann nicht erkennen, was daran schlecht wäre.