Hallo Ihr Lieben,
falls es euch interessiert, kann ich ja mal meinen Senf zur Herrin der Burg geben.
Ich fand das Mittelalter immer sehr faszinierend - Burgfräulein und tugendhafte Ritter und Romantik und so. Daher wollte ich auch ein Buch schreiben, das in dieser Zeit spielt. Aber je mehr ich recherchierte, desto schneller zerbrach meine romanischte Vorstellung. Es war eine verdammt harte und grausame Zeit, in der das Leben eines einfachen Menschen gar nichts zählte. Vor allem die Frauen wurden kaum als Menschen gesehen und behandelt. Sie waren eine Wertanlage - oder eine Belastung, wenn man Mitgift zahlen musste, sie waren Arbeiterinnen, mussten für die Vermehrung sorgen und sie - vor allem die Mägde und anderen unfreien Frauen - waren dazu da, die Triebe abzureagieren. Wenn die Ritter ein Dorf überfielen, dann wurden die Frauen und Kinder geschändet. Das gehörte zu normalen Fehdenführung. Beziehungen, wie wir sie heute kennen, gab es damals nicht. Die Frauen mussten damit leben!
Ich bin auf einen Bericht gestoßen (so eine Art Rechtsakte): Ein Ritter ist auf einem Feld einem jungen Mädchen begegnet - vermutlich ca 10 Jahre alt - . Sie war noch Jungfrau. Er hat sie vergewaltigt, und dabei ist sie dann gestorben!!! Damit hat er ihren Besitzer, einen anderen Adeligen, geschädigt - es fehlte ihm ja eine Arbeitskraft. Der Vergewaltiger wurde zu 100 Solidi Ersatzzahlung verurteilt, damit der Geschädigte sich eine neue Magd kaufen kann. - Ansonsten hat sich der Vergewaltiger anscheinend nicht strafbar gemacht.
Nachdem ich sehr viel über das Leben damals recherchiert habe, wollte ich einen Roman schreiben, der die damalige Zeit realistisch darstellt und nicht wieder ein romantisches Märchen in die Welt setzen.
Diese Grausamkeiten sind aber nur ein Teil der Welt und des Buches. Es geht um mehr: um Freundschaft und Treue und Familie und Erwachsenwerden in einer feindlichen Welt. Dies hat mindestens genauso viel Gewicht. Die Lebensweise, die Feste, Kleidung, Essen - eben das Alltagsleben der Leute wird dargestellt, daher finde ich das Buch zu sehr reduziert, wenn man nur über die grausamen Szenen redet.
Übrigens: ich finde die Zeit der Hexenverfolgung und damit auch das Buch "Die Hexe und die Heilige" grausamer. Aber das empfindet jeder anders. Vielleicht, weil man sich die Folterungen und Hinrichtungen gar nicht so genau vorstellen - und ich sie auch nicht detailiert beschreiben will.
und im Bauernkrieg wurden bei einen Schlacht 10 000 Bauern, die keine Chance hatten vom Herr des Schwäbischen Bundes niedergemetztel.
Ich will nun keinen Bogen zu den Weltkriegen schlagen...
Das nur, um zu sagen: die Welt ist an vielen Ecken nicht humaner geworden. Es ist nur die Frage: sieht man hin und spricht man drüber.
Aber, da ich Romane schreibe und nicht anprangern will, ist jedes Buch eine Mischung aus allem - nur die Gewichtung verschiebt sich ein wenig.
Im "Kreidekreuz" geht es zwar auch um Krieg und Grausamkeit, aber das Pendel schlägt dort mehr zu meiner Hauptperson - Anne Katharina Vogelmann - aus. Ihr Leben - und ihre Liebe - stehen mehr im Mittelpunkt.
Ich hoffe, das Kreidekreuz gefällt euch wieder besser.
Herzlichst
Ulrike Schweikert