Beiträge von flashfrog


    Joan und Bücherelfin :
    Ja, das treibt mich auch um. Die Frage, ob man (die Angehörigen, der Verein, der Arzt) nicht etwas hätte tun können, um diese schreckliche Verzweifliungstat zu verhindern. Einen Ausweg aufzeigen, den Druck mindern. Verständnis zeigen, wenn jemand mal eine Auszeit braucht. Zuhören. Alternativen aufzeigen (Vielleicht wäre Enke als Jugendtrainer glücklicher geworden, oder in einem anderen Job, wo er nicht diesem unmenschlichen Druck des Profifußballgeschäfts und der dazugehörigen Medienmaschinerie ausgesetzt gewesen wäre.)


    Meine Frage wäre also, was kann man konkret tun, um Menschen, die an einer Depression leiden, im Freundeskreis oder in der Familie, zu helfen? Kann man überhaupt etwas tun?

    Ich frage mich, ob das ein Zufall ist, dass gerade dieses relativ "nette" Bergbuch jetzt in allen Medien so ausführlich besprochen wird. Finde ihre älteren, böseren Bücher viel besser, auch sprachlich.
    Und jetzt so: Eine Frau entdeckt den Sinn des Lebens im Zusammensein mit ihrem Mann. Und wenn der wech ist, bricht alles zusammen, vor allem die Frau. Das ist im Grunde doch fürchterlich unemanzipiert und reaktionär. :hau

    "Der Mann schläft" fängt ungefähr da an, wo "Ende gut" aufhört. Ich finde das neue eigentlich fast pessimistischer als die älteren Bücher von Sibylle Berg. Die Botschaft: Gemeinsam auf dem Bett sitzen und auf den Tod warten ist besser als einzeln auf dem Bett sitzen und auf den Tod warten. Weil es hat sowieso nichts irgendeinen Sinn, was wir Menschen hier machen.
    Vielleicht bin ich für so viel Abgeklärtheit einfach noch nicht weise genug.

    Pasta gibt es in vielen verschiedenen Formen: als Röhren, Fäden, Spiralen, Schmetterlinge, Sternchen, Buchstaben...
    Aber eine gesprerrte Straße ist ganz sicher kein Nudelohr. :bonk
    Allenfalls ein Nadelöhr.



    3 von 5 richtig getippt. :-) Und Schäfer is knapp an einem Preis vorbeigeschrammt. :rolleyes

    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Eine Kombination aus Sprache und Handlung wäre wünschenswert.


    :rofl
    Oder zumindest aus Lauten und erkennbarem Sinn.


    Gregor Sander hat mir ziemlich gefallen. Die Beschreibungen dieser norddeutschen Charaktere und die Dialoge fand ich durchaus gelungen. Den Textaufbau nicht chronologisch zu gestalten, sondern die verschiedenen Zeitebenen über Assoziationen ineinanderzuschieben, fand ich auch gelungen. Man sollte den Text nicht unterschätzen - da steckt inhaltlich sehr viel unter der scheinbar ruhigen Oberfläche!


    Katharina Borns Zeitgeschichte, fand ich im Vergleich dazu nicht so dolle und frage mich, woher das kommt. Liegt das an den unsympathischen Figuren? An der Familienpsychologie? Daran, dass mir die 68er so klischeemäßig gezeichnet vorkommen, die Sprache so konventionell? "Piefig" ist das Wort, das mir hier in den Sinn kommt.


    Caterina Satanik. Wenn eine Frau, die noch nie im Leben irgendwo irgendetwas veröffentlicht hat mit einem Text über die Trennung vom Ex-Freund und Esoterik ankommt, dann bin ich auf das Schlimmste gefasst. Und schon froh, dass das Schlimmste nicht eingetroffen ist. Trotzdem, die bemühte Naivität der Erzählerstimme wirkt für mich höchstens putzig und rettet das schwache Sujet auch nicht.
    Und wer sich zum Bachmannpreis wagt, der sollte nicht auf Welpenschutz rechnen... :peitsch



    Meine Favoriten:
    - Andreas Schäfer, weil ich die Erzählstruktur sehr reizvoll finde, wie das dramatische Ereignis erst Stück für Stück und in Nebensätzen herauskommt, weil die sprachlichen Details hier einmal wirklich stimmig eingesetzt sind. Hier ist einer, der schreiben kann.
    - Gregor Sander, weil ich die Figuren mag.
    - Bruno Preisendörfer, weil Humor so rar gesäht war im diesjährigen Wettbewerb, dass man für jede gelungene Pointe dankbar ist.
    - Karsten Krampitz, dessen Text mir immer besser gefällt, je länger ich drüber nachdenke, weil er einer der wenigen ist, die eine Geschichte erzählen, die mich wirklich neugierig macht.
    - Ralf Bönt, weil das nicht unbedingt der beste Bachmann-Text ist, aber sicher ein gut verkäuflicher Unterhaltungsroman a la Kehlmann wird.
    - Und so rein optisch: Lorenz Langenegger :chen


    Der Preis in der Kathegorie "Lieblingsjurorin" geht für mich dieses Jahr an Hildegard Keller. Sie ist nicht nur literaturgeschichtlich kompetent, was mich besonders für sie einnimmt ist ihre warme, menschenfreundliche Ausstrahlung, die Wertschätzung, die sie dem anderen entgegenbringt.

    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Von der Jury gefallen mir Mangold, Keller und Spinnen bisher am Besten!
    Bei Paul Jandl bin ich mir noch nicht sicher, ich muss bei den nächsten Diskussionen mal mehr auf ihn achten!


    Mangold mag ich sowieso. Schön, dass er seine eigene Sendung kriegt.
    Spinnen ist mir ein bisschen zu selbstgefällig und zynisch.
    Findest du die Feßmann eigentlich auch so unsäglich?
    (Abgesehen davon, dass sie mich an Silvana Koch-Mehrin erinnert...)


    Vielleicht kann Fleischanderl nicht so viel mit den Details deutsch-deutscher Befindlichkeiten anfangen, dieses DDR-Gefühl nicht so nachvollziehen, und auch das Schnoddrig-Berlin-Brandenburgische mag nicht jeder mögen, denke ich mir.


    Bei Sitft fand ich die PInkelpott-Details schon ziemlich authentisch dargestellt. So richtig gelungen ist die Geschichte sprachlich nicht, da hätte ein Lektor noch viel Arbeit zu leisten, das stimmt schon.
    Aber gerade das anonyme "Wir" finde ich eine gute Idee. Wenn sie noch konsequent durchgehalten wäre...

    Herr Palomar : Schön, dass du wieder dabei bist. :wave


    Meine Eindrücke der ersten 2 Lesetage: Die Jury ist nach dem Tiefpunkt letztes Jahr zum Glück wieder mehr mit den Texten beschäftigt als mit sich selber. Hildegard Keller (literaturgeschichtlicher Hintergrund, den sie einbringt, erfrischend, sympathisch und ermutigend gegenüber den Autoren) und Paul Jandl (unprätentiös und meistens meiner Meinung :-) ) sind eine echte Bereicherung.
    Meike Feßmann ist einfach nur peinlich. Schlimm. Hat sie die Texte nicht gelesen? Nicht verstanden? Kennt sie den Unteschied zwischen Literatur und Realität nicht? Zwischen Autor und Erzähler? :rolleyes


    Die Texte der ersten beiden Tage fand ich zum großen Teil brav, bieder. Es ist ein in Schreibwerkstätten offenbar weitverbreiteter Irrtum, dass ein Text besser werde dadurch, dass man so viele unwichtige Details wie möglich aneinanderreiht.
    Nö, wird er nicht.
    Es kommt darauf an, die richtigen Detaiils auszuwählen und auf diese zu fokussieren. Zu beschreiben, wie sich jemand die Schuhe zubindet und welche Farbe die Schnürsenkel haben, langweilt mich als Leser einfach nur, wenn es null Relevanz für die Geschichte hat.



    Gefallen haben mir bisher:


    Andreas Schäfer: "Auszeit" - Über einen Piloten, dessen Sohn getötet wurde. Für mich bisher der beste Text im Wettbewerb. Ein "großes" Thema (der Tod des Kindes), eine stimmige, bildliche Sprache aber ohne die überspannt-gezwungene Motivdrescherei, die mir so viele Texte in Klagenfurt verleidet, eine tolle Erzählstruktur - das Ungeheuerliche, das da passiert ist, erfährt der Leser erst nach und nach und so nebenbei, im Klanghintergrund sozusagen. Einziges Manko ist vielleicht, dass der Text ein Romananfang ist, und man merkt, dass er gerade erst "anrollt" und die Lesung zu Ende ist, bevor er noch richtig abgehoben hat.


    Mein zweiter Favorit bisher ist Bruno Preisendörfer mit "Fifty-Blues". Ich mag die verschiedenen Ebenen, mit denen der Text so scheinbar leicht und mühelos spielt - vom Slapstick bis zum Sinn des Lebens, Gott, Clown und Psychoanalytiker.
    Ein paar wunderbare Sätze, Pointen und Metaphern, die wunderbar in den Kontext passen, ohne bemüht und verkrampft zu wirken.


    Gute Rollenprosa ist die Lebensgeschichte (bzw. das Exposé davon) eines DDR-Pfarrers von Karsten Krampitz. Da steckt eine Menge Material drin - Religion, Widerstand, Geschichte.



    Die "Wir"-Perspektive in Linda Stifts Text (über eine Flüchtlingsgruppe in einem Schleuser-Lastwagen), über die die Jury so gestritten hat, fand ich übrigens absolut schlüssig: Diese Schicksale nehmen wir üblicherseise nur als abstrakte Zahlen wahr, die Menschen werden entindividualisiert, ihrer Menschenwürde beraubt. Das ist praktisch, denn mit einer Zahl haben wir kein Mitleid. Nur das Einzelschicksal vermag uns zu rühren. Und der Text legt den Finger genau in diese Wunde.




    Interessant finde ich auch die Diskussion über Google und die Digitalisierung der Literatur.
    Einerseits wünsche ich mir als Literaturwissenschaftlierin überall verfügbare und praktisch durchsuchbare elektronische Bücher und benutzerfreundliche Ausgabegeräte, Buch-iPods.
    Andererseits darf das aber nicht zu Lasten der Autoren und Verlage gehen, die gezwungen werden, das, was sie herstellen, quasi umsonst herzugeben, damit andere (Google) damit Geld verdienen.
    Da müssen erstmal vernünftige Regeln und Gesetze her, bevor man das online stellt, denn was einmal im Netz verfügbar ist, lässt sich nicht wieder zurücknehmen.
    Aber das wäre vielleicht einen eigenen Diskussions-Thread wert...

    Ab morgen lesen sie wieder. :hop


    Und man braucht nicht einmal den Fernseher aus dem Keller zu holen, man kann die Lesungen und Diskussionen dies Jahr bequem im Internet an- oder nachhören und lesen: http://bachmannpreis.eu/de


    In der Jury gibt es ziemlich viele neue Gesichter dies Jahr. (Nach dem letzten Mal kann es in dieser Hinsicht ja nur noch aufwärts gehen. :grin)
    Und von den Autoren kenn ich diesmal keinen. :gruebel
    Aber ausführliche Portraits der Autorinnen und -toren sind in der Literatur-Zeitung "Volltext" zu lesen.


    Bin gespannt und freue mich auf anregende Diskussionen mit der Büchereulen-Jury. :kiss

    Stand auch auf meiner inneren Wunschliste, Die Rezi von Denis Scheck hat mich dann wieder abgeschreckt. Da musste erst der Leipziger Buchpreis kommen und heute hab ich mir das Buch doch zugelegt.


    Mich hat Sibylle Lewitscharoff damals beim Bachmannpreis mit ihrer Sprachkunst sehr begeistert, dann hab ich sie ein wenig aus den Augen verloren.

    Ich habe mich gerade durch die 965 Seiten gegähnt.
    Worum gehts? Um einen Baseball, der in einem sehr amerikanischen, sehr entscheidenden Spiel im Stadion bis in die Zuschauerränge geschlagen und von einem der Zuschauer gefangen wird. Der darf ihn behalten. Und im Laufe der Jahrzehnte wandert dieser besondere Ball von diesem besonderen Homerun von Hand zu Hand, von Vätern zu Söhnen, von Geschäftemachern zu Historikern der Alltagskultur. Ich schätze, das wäre zumindest DeLillos Plan gewesen für diesen Roman. Den hätte ich auch gern gelesen.
    Allerdings bläht DeLillo das Buch auf mit einer Unzahl anderer Personen und Geschichten, die alle irgendwie locker mit einander verwoben sind. Und keine davon schafft es, mich wirklich zu interessieren. Es geht um das Alltagsleben in den USA von den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bis knapp vor die Gegenwart, das ist die Folie. Im Hintergrund, oder man mag sagen, Untergrund, passiert die große Geschichte: Es werden Atombomben gezündet, die Welt steht am Abrund des kalten Krieges, Vietnam passiert, Kennedy wird ermordet, all die Zutaten, die zu einem ordentlichen Amerika-Zeitroman gehören.
    An der Oberfläche leben die Figuren derweil ihre normalen Alltagsleben, gehen ins Kino, sprayen Graffiti, betreiben kleinere Gaunereien, haben unwichtige Affären und kitten ihre Ehen, sitzen in Parks oder Kneipen, nehmen Drogen, reden über Kunst, gucken Comedy, sterben, das ganz normales Alltagszeugs halt.
    Ich verstehe ja, dass der Roman bewusst an dieser Oberfläche bleibt, dass das Programm ist. Spannender wird das Ganze dadurch leider auch nicht.
    Es ist so ein bisschen so wie bei einem Baseball-Spiel: Ich habe nie verstanden, was daran toll ist. Ich finde Baseballspiele äußerst ereignisarm und viel zu lang. Vielleicht bin ich dafür einfach zu wenig amerikanisch...


    PS: Sehr empfehlen kann ich dagegen DeLillos Roman "Weißes Rauschen" (auf English: "White Noise").
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