Den ersten Teil kenne ich nicht, doch
man konnte diesen Teil hier unabhängig davon lesen, ich hatte zu keinem
Zeitpunkt Verständnisschwierigkeiten.
Nach dem Sturz von Zar Peter wird Katharina die Große zur
Alleinherrscherin über Russland. Zwar ist sie europäisch orientiert, besonders
für Bildung setzt sie sich ein, doch hapert es in Russland an vielen Ecken.
Gerade was die Leibeigenschaft betrifft, redet sie zwar viel, doch letztendlich
folgen keine Taten. Anhand von Darija und Andrej, denen wir später begegnen,
wird deren Elend realistisch ohne Beschönigung dargestellt. Katharina hat mich
letztendlich zwiegespalten zurückgelassen.
Besonders ihre Ziehtochter Sonja, die mit geschätzten 5
Jahren zu ihr an den Hof kommt, ist ihr ans Herz gewachsen. Doch Sonja
entwickelt sich zu einer intelligenten, jungen Frau, die sich für mehr
interessiert als nur Prunk und schöne Kleider. Schon in jungen Jahren stellt
sie die politische Situation Russlands in Frage.
Regelmäßígen Kontakt pflegt Katharina zu dem Philosophen
Stephan Mervier, der von dem preußischen König Friedrich als Spion an den Hof
geschickt wurde. Mit seiner jungen Frau Johanna siedelt er nach St. Petersburg
über. Schnell trifft Sephan auf Gleichgesinnte und tritt einem philosophischen
Zirkel bei, der die Politik und die Zarin sebst in Frage stelt. Johanna dagegen
fühlt sich zunächst vernachlässigt, kann sich aber als Künslerin etablieren und
trifft auf die schwermütige, russische Seele Boris. Politische Intrigen werden
geschmiedet, Aufstände werden geplant.
St. Petersburg wurde hier als schillernde Stadt dargestellt,
ich hatte ständig das Gefühl, mich mit den Figuren durch die Straßen und
zwischen den vielen Prachtbauten zu bewegen. Diese Beschreibungen waren
bildhaft und wirklich schön zu lesen.
Auch die Charaktere wurden vielschichtig ausgearbeitet. Es gab
kein schwarz und weiß, jede Figur hatte ihre guten Seiten, aber auch
Schwachstellen. Vor allem der ständige Perspektivenwechsel hat mir gefallen, so
bekam man in verschiedenen Situationen jeweils Einblick in die Gedanken der
agierenden Personen.
Auch das Leben am Hof wurde hier eindrückich beschrieben. Im
Gegensatz dazu stand die Armut der Leibeigenen und einiger der anderen
Einwohner, die es nicht so gut getroffen haben. Allein die Zarin Katharina
entscheidet über Not und Wohlstand. Gerade zum Ende hin entwickelt sich das
Geschehen noch mal richtig dramatisch.
Bisher hatte ich Katharina die Große eher weniger auf dem
Schirm. Verbunden mit den Schicksalen und Erlebnissen der einzelnen Charaktere
wurde hier die russische Historie wirkich lesenswert dargestellt und ich konnte
einiges Wissen hierüber mitnehmen. Einzg die politischen Geschehnisse wurden
für mich an manchen Stellen zu trocken und dataillilert geschildert. Doch die
authentisch ausgearbeiteten Figuren machten diesen Roman spannend und
mitreißend. Und auch die Beschreibungen über St. Petersburg haben mir
ausgesprochen gut gefallen, so dass ich laufend bewegende Bilder vor meinen
Augen hatte. Ich habe mitgefiebert, mitgefühlt, gehofft und gebangt, vor allem
das Ende hat noch nachgwirkt. Meine Lieblingscharaktere waren hier definitiv
Sonja und Johanna und die Entwicklung von Boris hat mich am meisten gefesselt.
Positiv anzumerken sind definitiv die Karten, auf die ich
immer wieder schauen musste, um die Schritte der Charaktere zu verfolgen und
auch das Personenregister war äußerst hilfreich.
Gerne wäre ich beim nächsten Teil wieder dabei.
Insgesamt vergebe ich dafür 9 von 10 Eulenpunke