Hart auf Hart
Tom Coraghessan Boyle
ISBN 978-3-446-24737-6
Verlag Hanser
395 Seiten
22,90€
Über den Autor:
T.C. Boyle ist ein amerikanischer Schriftsteller, der als Enfant Terrible der amerikanischen Literaturszene gilt. Sein Schreibstil ist stark von seinem Mentor John Irving beeinflusst. Er zeichnet sich durch eine hohe Erzähldichte, scharfe Perspektivwechsel und die gestochen scharfe Zeichnung seiner Charaktere aus.
Klappentext:Die Außenseiter Adam und Sara verlieben sich ineinander - zusammen alleine gegen eine Welt von Spießern, Ordnungshütern und vermeintlichen Feinden. Bis einer der beiden sich in die Natur zurückzieht und außer Kontrolle gerät. Mit bösem Witz und tragischem Ernst erkundet T.C.Boyle die dunkle Seite des amerikanischen Traums.
Meine Meinung
Handwerklich ist es ein typischer Boyle. Gut recherchiert, mit Witz und mit hoher Erzähldichte lässt er den Leser tief in die Geschichte selbst, in die Denkschulen und Gedankenwelten seiner Charaktere eintauchen. Die scharfen Perspektiv- und Charakterwechsel kommen auch nicht zu kurz. Einzig selten ist, dass der Roman zwar in der Gegenwart spielt, aber niemand BMW fährt.
Er befasste sich in diesem Buch mit der amerikanischen libertären Bewegung als sie noch ein Randgruppenthema war und beweist damit großen Weitblick, denn als Fanal besetzten Libertäre fast genau ein Jahr nach Erscheinen des Buches ein Verwaltungsgebäude eines Naturparks in Oregon.
http://www.sueddeutsche.de/pol…und-seine-miliz-1.2804784
Diese und artverwandte Bewegungen wachsen schon seit geraumer Zeit. Und zwar nicht nur in Amerika, sondern auch in ganz Europa. Hier werden sie unter dem Begriff "identitäre Bewegungen" zusammengefasst. Die Denkstrukturen sind allerdings (national angepasst) dieselben. Wie salonfähig libertäre Ansichten mittlerweile sind, lässt sich am Beispiel Deutschland gut illustrieren. Verschwörungstheoretische Gruppen, wie etwa die Reichsbürgerszene, sind zwar noch immer relativ unbekannt, aber wachsen stark und finden immer weitere neue Mitglieder, die auch verblüffend lange Zeit bei der Stange bleiben. Und das sind nur die ganz radikalen Ausläufer dieser Strömung. Etwas seriöser geht es auch: Die AfD und auch PEGIDA haben starke libertäre Elemente als Partei- bzw. Bewegungsdoktrin.
Dieses Buch ist anwendbar. Es lässt den Leser nicht nur mit einer guten Geschichte zurück, sondern auch mit einem Verständnis, wie Menschen (politisch) radikal werden und wie sie dann ticken können. Obwohl er sich hier mit politischer Radikalität befasst, reicht es, bei einem Gedankenexperiment einfach die Feindbilder zu modifizieren und man hat ein fertiges radikales Denkmodell. In diesem Zug zeigt sich auch, wie austauschbar das alles ist.
Man kann sich so gut in die Charaktere hineinversetzen, dass man denkt, man läuft in ihren Schuhen. Man ist beinahe genauso empört über die vermeintliche Ungerechtigkeit z.B. einer Polizeikontrolle, obwohl die Absurdität dieser Gedankenwelt und die daraus resultierende selffullfilling prophecy, die paradoxerweise noch als Bestätigung wirkt, gleichzeitig scharf gezeigt wird. Trotz dass der Roman schon vom Thema her recht politisch ist, steht Boyle im Hintergrund und wertet nicht. Es spielt im Amerika und man braucht eine recht umfassende Kenntnis der amerikanischen Kultur um all die kleinen Ironien und Seitenhiebe zu verstehen, aber man kann einem Autor nicht vorwerfen, dass er über sein Heimatland schreibt.
Mir sind beim lesen keine zähen Strecken aufgefallen, und der Showdown ist eine richtig coole Nummer, ohne übertriebene Klischees. Ganz so, wie es wahrscheinlich in der unaufgeregten Realität passieren würde.
Ich würde das Buch empfehlen. Es reduziert sich ohne politisches Interesse und ohne Kenntnis des american way of life rein auf die Geschichte, aber die ist auch so ziemlich gut.
Für alle, die auf solche Themen steil gehen, sei das Buch wärmstens empfohlen. Es ist schon grundsätzlich kein Buch, was man nach dem Lesen einfach zu den anderen stellt, ohne einen weiteren Gedanken dran zu verschwenden, aber wenn man sich damit befasst, begleitet es einen eine lange Zeit.
*So. Herzlichen Glückwunsch, ihr habt es geschafft. Nun habe ich genug geschwurbelt. Ich hoffe, ich habe euch nicht genervt und alles soweit richtig gemacht. Das war meine erste Rezension, als geht bitte nicht so hart mit mir ins Gericht.