Joan Weng ist mit „Feine Leute“ ein außergewöhnlicher Kriminalroman gelungen. Außergewöhnlich deshalb, weil er zunächst einmal nicht der Machart üblicher zeitgenössischer Krimis folgt. Das kann man gut oder schlecht finden, Geschmacksache eben. Mir als weitgehender Krimiverweigerer gefällt der Sprung ins Milieu der 1920er Jahre, die Kokserei, die Kriegsversehrten, die Krise der jungen Republik, die sich im Hintergrund bereits ankündigt und in Deutschland noch katastrophale Folgen haben wird. All dies ist glaubhaft dargestellt und bestimmt das Verhalten der durchweg scharf konturierten und sehr menschlich agierenden Figuren. Es gibt hier erfrischenderweise keinen Haudegen-Kommissar, der mit vorgehaltener Waffe Türen eintritt, Zeugen einschüchtert und für den jeder Fall der wichtigste seiner Karriere zu sein scheint. Es ist Joan Weng hoch anzurechnen, ebendiesen Mut gefunden zu haben und sich nicht um gängige deutsche Krimikonventionen zu scheren. Dieses Debüt(!) braucht Zeit und Aufmerksamkeit. Wer beides mitbringt, wird mit einem schönen, exzellent ausgedachten Puzzle samt grandiosem Finale belohnt, indem es um menschliches, allzu menschliches geht. Liebe, Eifersucht, Intrigen, Geld, Macht, Ansehen, all das eben, was Romane spannend macht. Und ich vermute mal, Joan Weng hat da noch das eine oder andere in petto.
Watermelon