Beiträge von Taitie

    Mir fiel es nicht leicht, in das Buch hinein zu finden. Vor allem am Anfang schreibt die Autorin etwas abgehackt und wenig geschmeidig, was nicht unbedingt für den Lesefluss sorgt. Billies schnoddrige Sprache mit vielen Vulgär- und Fäkalausdrücken wirkt zwar authentisch und ist der Protagonistin angepasst. Ich kenne und liebe fast alle früheren Werke der Autorin, trotzdem war es für mich nicht einfach zu lesen.
    Für Lebendigkeit der Geschichte sorgen die direkte Ansprache des Sterns und des Lesers. Hat man sich mit Billies frechen und holprigen Ausdrücken arrangiert, taucht man in eine wunderschöne und anrührende Geschichte über die Freundschaft und Liebe ein. Anna Gavalda vermittelt uns die Botschaft, dass man alles schaffen kann, dass es immer einen Ausweg gibt, wenn zwei Menschen zusammenstehen, sich gegenseitig unterstützen, auffangen und lieben. Die Wirkung des Buches auf den Leser ist meiner Meinung nach anfangs mehr oder weniger trostlos, später dann doch hoffnungsvoll.


    "Nur wer fällt, lernt fliegen" ist vielleicht nicht Anna Gavaldas bestes Werk, aber durchaus lesenswert.

    " Das Mädchen mit dem Fingerhut " von Michael Köhlmeier ist eigentlich eine fiktive Geschichte über ein sechsjähriges Mädchen in einer fremden Stadt irgendwo in Westeuropa. Yiza hat weder eine Familie noch ein Zuhause. Nur einen Fingerhut kann sie ihr eigens nennen.
    Niemand interessiert sich für sie wirklich, weder Menschen noch Institutionen. Niemand weiß irgendwas über sie und niemand möchte es wirklich wissen. Aber alle glauben zu wissen, was sie braucht und wollen ihr helfen. Das Schlimme daran ist, dass sie es nicht ihretwegen tun, sondern entweder aus den beruflichen Gründen, weil sie es müssen, oder sie helfen ihr, weil sie sich dadurch besser fühlen.


    Michael Köhlmeier greift sehr aktuelles, sogar akutes Thema auf. Es wird heutzutage viel über die Flüchtlingskrise diskutiert. Die illegalen Migranten, überwiegend aus angeblich sicheren Herkunftsstaaten Osteuropas, die schon lange bei uns und unter uns leben, bleiben immer noch für die Meisten „unsichtbar“. Weil wir sie nicht wirklich sehen wollen. Weil es für uns einfacher ist, die Kriegsflüchtlinge am Bahnhof mit Teddys zu bewerfen, eventuell eine Kleinigkeit zu spenden und sich dann als bessere Menschen zu fühlen?


    Spenden heißt noch lange nicht teilen und aufnehmen heißt nicht annehmen.


    Und so wird dieses Kind das, was es braucht, wahrscheinlich nur bei den Freunden finden. „Die Freunde, das sind eine Horde von Zerlumpten, die bereits zu alt sind für Mitleid und Rührung."


    Die Erzählweise des Autors gefällt mir sehr gut. Der Schreibstil ist einfach und sachlich, fast emotionslos. Die Geschichte von Yiza wird schonungslos und authentisch erzählt. So sieht die Realität von vielen Flüchtlingskindern aus. Da helfen die Emotionen weniger.
    Der Leser bleibt nachdenklich und betroffen zurück und hoffentlich lernt etwas über sich selbst.
    Beindrückend nüchtern und erschreckend ehrlich geschriebener Roman.
    Absolut lesenswert, gar keine Frage.