Beiträge von WuscheliLoves

    Jenny Milchman hat mit „Night Falls (Du kannst dich nicht verstecken) – im US-amerikanischen Original „As Night falls“ – einen Thriller abgeliefert, den ich immerhin so spannend fand, dass er für mich als Pageturner wirkte. Das liegt zum einen an dem über lange Strecken ab dem Beginn als „Kammerspiel“ angelegten Szenario, in dem der Roman bis auf die Rückblenden im einsam gelegenen Wohnhaus der Familie Tremont spielt, die aus den Eltern Sandy und Ben und der fünfzehnjährigen Teenager-Tochter Ivy besteht. Zum anderen liegt die Wirkung an einem Motiv, das meiner Erfahrung nach besonders US-amerikanische Bücher und Filme gerne und häufig aufgreifen: es geht im Buch um die direkte Bedrohung einer Familie durch Verbrecher, in diesem Falle durch die beiden entflohenen Strafgefangenen Nick und Harlan.


    Wenn ich hier von einem Motiv spreche, dann, weil es genretypisch bei entsprechenden Werken gerne fast jede Art von Gewalt für die Gegenwehr rechtfertigt bis hin zur Selbstjustiz – und auch, wenn an dieser Stelle natürlich auch deutsches Recht die Option zu Notwehr gibt, selbst zur sogannten erweiterten (also um zum Beispiel Familienmitglieder zu schützen), wirken diese Darstellungen auf die meisten von uns im deutschsprachigen Raum doch gerne recht überzogen. Milchman spart hier nicht an Brutalität – die Eindringlinge sind knallhart bestrebt, ihre Macht mit allen Mitteln durchzusetzen (Entwarnung: KEINE sexuellen Übergriffe) – aber ihre Protagonisten sind für mich dadurch glaubwürdig, dass sie eben keine Selbstjustiz-Bestrebungen aufweisen, sondern schlicht ums nackte Überleben kämpfen und man ihre Abwägungen mitbekommt, welche ihrer Maßnahmen zu welchen Gegenmaßnahmen auf Seiten der Verbrecher führen könnten, so dass vieles nachvollziehbar verworfen wird, um zu keiner weiteren Gefährdung beizutragen.


    Der Spannungsbogen wird durchgängig gehalten ab Beginn, da man bereits nach wenigen Seiten schon mitlesen kann, wie der Ausbruch aus dem Gefängnis vorbereitet und dann auch durchgeführt wird, als vier Gefangene zu einem Außen-Arbeitseinsatz gebracht werden. Darüber hinaus gibt es Rückblenden in die Vergangenheit, zu einer Familie, bei der die Mutter einen, sagen wir sehr speziellen, Fokus auf den kleinen Sohn legt. Der Zusammenhang erschließt sich bald, aber die weiteren Hintergründe werden erst allmählich offenbar.


    Was ich gut finde: Verbrecher Nick wird nicht als an sich gestörte Persönlichkeit dargestellt – die Autorin beschreibt hingegen, inwieweit durch das Fehlen von gezogenen Grenzen in seiner Vergangenheit sein Charakter geformt wurde (keine Entschuldigung durch „traurige Kindheit“ oder „Veranlagung“), das ist einmal etwas angenehm anderes.


    Wermutstropfen
    Das Buch hätte bei mir besser abschneiden können, wenn ich nicht einige Schwächen gesehen hätte.
    Gerade zu Beginn verwendet die Autorin einige Bilder, die wohl sprachlich anspruchsvoller sein sollen, aber auf mich eher befremdlich wirken, z.B. „Harlans Gesicht passte zum Rest seines Körpers. Seine Nase erinnerte an die eines Nagetiers, war grob geformt und einfach mitten in sein Gesicht gedrückt. Seine Augen waren ebenso wenig fein geschnitten, sondern rund wie Münzen und ziemlich ausdruckslos. Sein Mund erinnerte an die weit geschwungene Biegung eines Flusses.“ Der Text wirkt gerade zu Beginn durch ähnliche Stellen auf mich etwas zu sperrig.


    Achtung, Spoiler-Alarm: der Klappentext enthält den Hinweis, dass Sandy einen der Männer kenne – so bitte nicht. Da das meist vom Verlag kommt, kann die Autorin natürlich nichts dafür, also habe ich mich bemüht, das nicht mit zu bewerten. Und: ich sehe nicht, wie etwas möglich gewesen sein soll zum Thema „dritter Mann“.


    Spannung von Beginn an und Kammerspiel-Szenario bei nachvollziehbaren Überlegungen der Familie führen damit bei mir zu 3,5 von 5 Punkten – trotz der genannten Schwächen.

    „Wir wollen so viel an die nächste Generation weitergeben. Eis, Poesie, Werkzeug. Eine bestimmte Lebensweise. Nichts will man verloren gehen lassen, weil man sich sonst selbst infrage stellen müsste.“ S. 349


    Ernest van der Kwast schreibt vom Leben der Familie Talamini, aus dem Tal der Eismacher in der Region Venetien, Provinz Belluno, nord-westlich von Venedig. Er erzählt aus der Sicht des Ich-Erzählers Guiseppe über die Gegenwart der Familie, mit Rückblicken auf die Familiengeschichte ab dem Urgroßvater des Ich-Erzählers, der ebenfalls Guiseppe hieß. Dieser war der erste Talamini, der Speiseeis hergestellt hat. Mühselig musste er die Maschine dafür mit der Hand drehen („drehen, drehen, drehen“ ist eines der oft wiederholten Motive); das Eis zum Herunterkühlen der Zutaten hatte er selbst aus den Bergen geholt. Er war zuerst als Maronibräter nach Wien gegangen, bevor er seiner Faszination für die Eisherstellung nachgeben konnte. Seine Nachkommen folgen der Familientradition: der Vater des Ich-Erzählers, Beppi (natürlich auch ein Guiseppe), sah mit seinen zwei Söhnen die Nachfolge als gesichert an. Als Kinder sind die Brüder noch unzertrennlich, selbst, als sie sich beide in Sophia verlieben: „Luca und ich spielten beide eine absurde Variante des alten Ich-bin-nicht-verliebt-Spiels, und irgendwann konnte ein Dritter mit unserer Beute das Weite suchen. Doch dazu kam es nicht, es trat nie ein Dritter in Erscheinung.“ S. 134


    Stammhalter Guiseppe entscheidet sich gegen die Familientradition: er liebt die Poesie, studiert, arbeitet im Verlag, für eine Lyrikzeitung, für Lyrikfestivals. So übernimmt der jüngere Sohn Luca das Familiengeschäft. „Er [der Bruder, Luca] arbeitete sechzehn Stunden am Tag, machte Eis, verkaufte Eis, reinigte die Maschinen und fiel am späten Abend wie ein Klotz ins Bett. Seine Welt war das Eiscafé, meine begann dort, wo die Terrasse aufhörte.“ S. 180 Es ist hart, das Leben der Eismacher, mit langen Arbeitstagen in der Fremde, Wochen ohne Wochenende oder Freizeit, auch ohne die Kinder, die der Schule wegen in Italien bleiben, im Internat oder bei Verwandten. In den Sommerferien besuchen die Kinder ihre Eltern dort, wo die ihre Cafés betreiben, in Rotterdam, wie im Buch, oder in Deutschland, Österreich oder sonst in Europa.


    Der Autor beschreibt viele Welten in seinem Buch: er berichtet von Lyrik-Liebhaber Guiseppe, der Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Hotels in der ganzen Welt kennt, aber sich sonst oft als Fremder fühlt, weil er soviel unterwegs ist; er erzählt die Geschichte der Eisherstellung, vom harten Leben in Norditalien gegen Ende des 18. Jahrhunderts; er redet vom Bruch in der Familie. Das Buch spricht von Liebe und Verzicht, vom Umsetzen von Träumen und von Pflicht, von Tradition und Moderne, von Hoffnungen und davon, dass nicht alles gut werden muss, wenn diese sich erfüllen. Es spricht aber auch viel davon, was ist, wenn Wünsche nicht erfüllt werden: „Ich sah, weshalb mein Bruder aus Olivenöl Eis zu machen versuchte, warum er Melone mit Minze mischte, warum er bis tief in die Nacht über Rezepten brütete. Ich sah, warum Sophia manchmal bis halb elf im Bett blieb und den ganzen Tag auf die Pfützen starrte, in denen kleine Kinder mit ihren Stiefeln herumplantschten.“ S. 220


    Ich bin kein Poesie-Liebhaber (das Buch schreibt lange und viel über und von Poesie wie vom Eismachen), aber ich verstehe Faszination. Ich verstehe Genuss. Im Buch sagt der Vater über Sohn Luca: „Sein Vanilleeis ist so fest und unwiderstehlich wie der Hintern von Sophia Loren.“ Dazu antwortet sein Gast, jemand aus der Lyrik-Welt von Sohn Giovanni: „Jetzt weiß ich, von wem ihr Sohn seine Liebe zur Poesie hat.“ S. 190. Beides ist sinnlich, Kunst und Genuss – allerdings sieht das speziell der Vater nicht, sieht es Bruder Luca nicht – sieht es vielleicht nicht einmal Sohn Giovanni.


    Während ich im ersten Teil des Buches nur vom Erzählstil gefangen war und davon, in mehrere mir fremde Welten völlig einzutauchen, ließ mich der zweite Teil vieles überdenken. Wenn ich für die Selbstverwirklichung bin, kann das auch das Ende von Traditionen bedeuten, den Verlust von Kulturgut: viele Handwerker finden heute keine Nachfolger mehr. Wenn ich mich der Pflicht verschreibe, bin ich hingegen vielleicht irgendwann verbittert und hasse die, die sich freier entschieden oder um derentwillen ich diese Pflicht auf mich nehme. „Wir wollen so viel an die nächste Generation weitergeben. Eis, Poesie, Werkzeug. Eine bestimmte Lebensweise. Nichts will man verloren gehen lassen, weil man sich sonst selbst infrage stellen müsste.“ S. 349 Ein starkes Buch, das sich einfachen Lösungen verwehrt und lange nachhallt.

    Wieder ein Buch, das ich in ganz kurzer Zeit durchgelesen habe, weil es mich in den Bann zog. Wieder ein Buch, bei dem ich die Wendungen so nicht vorausgesehen hatte (bis auf eine, weil sie sich aus den ausgelegten Spuren für mich ergab). Wieder ein Buch, bei dem ich immer noch auf das Ende starre (das andere war „Nichts ist je vergessen“ von Wendy Walker ganz kurz vorher).



    Ich bin mir wieder nicht ganz sicher, welchem Genre ich das zuordnen soll, ein Krimi ist das nicht wirklich, ein Hauch Psycho (Psycho- was?) ist da, viel Gesellschaftsstudie, viel psychologische Studie der Protagonisten - …ein Roman.


    Der charismatische Frontmann der legendären Band Klarstein wurde vor über dreißig Jahren erschossen – die Journalistin Jule Sommer will im Interview mit dem damaligen Tontechniker der Band, Sebastian Winter, die Ereignisse aufklären – ein Tipp des damaligen Bandmitglieds Herb (man beachte: Sommer, Winter, und Herb st?).


    Der Titel des Buchs bezieht sich auf den Bandnamen „Klarstein“, den sich der Gründer und Frontmann Jerome ausgedacht hatte – um damals Zed zu überreden, für die Band als Drummerin tätig zu werden, hatte er ihr einen Ring mit dazu passendem blauen Saphir geschenkt.


    Das Interview in dem einsam gelegenen Haus von Winter mit Sommer gerät zum Kammerspiel, teils klaustrophobisch, teils zwanghaft, häufig mit bedrohlichem Unterton. Es wird früh klar, dass Winter vorhat, seiner eigenen Dramaturgie zu folgen; bei ihm hat fast alles eine tiefere Bedeutung, so denkt er zum Beispiel mit Blick auf Journalistin Sommer: „Wenn sie wüsste, was dieses Schwimmbecken für ihn bedeutet.“ S. 46 Der Eindruck entsteht, dass beide einander belauern, jeder vom anderen profitieren möchte.


    Die Erzählungen des Tontechnikers geraten zur Reise in die Vergangenheit: „Ich erzähle Ihnen die ganze Story. Ungeschminkt. Aber nur, wenn sie mir versprechen, dass Sie sie auch so veröffentlichen werden, genau so, wie ich sie Ihnen erzähle“. S 22. Die Rückblenden sind atmosphärisch dicht, man kann fast die Geräusche im alten Haus hören oder den Alkohol und die Zigaretten in den Kneipen riechen. Nebenbei bekommt man eine Vorstellung, welche Härten es mit sich bringt, als junge Band bekannt werden zu wollen: die Reisen, der Geldmangel, lange aufeinander zu hocken, die Proben, die Improvisation, Feilen an Songs – aber auch die Businessmaschinerie, erste Anhänger. Durch den Kunstgriff des Wechsels zwischen den Zeitebenen bleibt eine gewisse Distanz zu den Figuren beim Leser durchaus bestehen, auf mich wirkt dadurch der Sog, der sich um die Mitglieder auftat inklusive des einsetzenden Erfolgstaumels surreal – genauso, wie sich so ein Triumph sicherlich für „betroffene“ Bandmitglieder darstellt.


    Insgesamt ein wirklich gut und fesselnd geschriebenes Buch mit düsterer Spannung und viel Einblick in Branche, Menschen und Beziehungen. Der Schreibstil ist flüssig, mit einigen wenigen für mich ungewohnten Ausdrücken, so dem schweizerdeutschen Begriff für eine Obststiege (der Autor ist Schweizer). Manko war für mich vielleicht eine ungewöhnliche Wendung zu viel, die Tochter von Thérèse hätte es nach meiner Meinung nicht gebraucht. Genial dafür die „multimediale“ Einbettung des Buches: es gibt eine Webseite der Band und man kann sogar ihre Lieder hören (bzw., als Leser des Buches auch herunterladen!). Das Ende – ja, da schlage ich den Bogen zu meinen einleitenden Worten – wieder ein Buch, bei dem ich Idee und sicherlich Rückgrat des Autors bezüglich des Endes bewundere.



    Übrigens ist der Autor Informatiker und hat vorher zwei Bücher geschrieben: eines ist ein Fußballroman, das andere ein Roman über einen Alpenflug, was ich im Zusammenspiel auch für reichlich bemerkenswert halte.
    4 von 5 möglichen Sternen (einfach nur, weil noch ein Hauch Luft nach oben ist)

    Super „Gute-Laune“-Buch mit witzig-realistischem Blick auf Management-Attitüden und -Plattitüden


    Klappentext:
    „Die Frau, mit der ich zusammen lebe, ist fantastisch. Nicht nur, dass sie umwerfend aussieht, sie ist auch noch selbstbewusst, humorvoll, tolerant und tierlieb. Der Altersunterschied? Ließ sich nicht vermeiden, es handelt sich um meine Tochter.“ Weil er pleite ist, zieht Türsteher Stefan Fischer mit seinem cleveren Hund Amok zu seiner Tochter Carla. Dank einer Verwechslung ergattert er kurz darauf den Top-Job als Creative Director einer angesagten Werbeagentur, doch mit dem Dienstporsche kommen die Probleme. 1. Stefan hat nicht die geringste Ahnung von Werbung. 2. Seine Tochter darf auf keinen Fall erfahren, dass ihr Vater sich als Hochstapler betätigt. 3. Carla hütet selbst ein Geheimnis. Dann setzt ein Todesfall eine folgenschwere Kettenreaktion in Gang: Die Vater-Tochter-Hund-WG gerät in heftige Turbulenzen ...


    Meine Meinung:
    Mir hat dieses Buch aber auch so richtig richtig Spaß gemacht. Das ist so ein Buch für vermutlich (fast) jeden, eines, das sich im Urlaub Mutter, Vater, Kind, Opa und Tante herumreichen können; nichts, um sich an tollen Formulierungen und Wendungen das Hirn zu verbiegen – aber auch nicht flach, die ironischen Einblicke in die Branche sind wirklich sehr gut (es gibt ein Glossar am Ende, ich bin erschreckt über mich selbst, da ich das wirklich nicht gebraucht habe). Die reinen Unterhaltungsbücher sind meist eher für Frauen, damit oft kitschig oder arg gefühlvoll – die für Männer sind meist in einer für Frauen unangenehmen Weise zotig. Krimis und Thriller sind vielen zu blutig. Der Autor schafft es hier, dass man das Buch mit einem Lächeln beiseite legt. Und, ja, natürlich ist da vieles überzeichnet, natürlich sind die Bösen böser und die Netten netter als in der Realität. Ich habe ja gesagt, U N T E R H A L T U N G. Schenken kann man das bestimmt (fast) jedem. Nein, für den griesgrämigen Onkel mit Hang dazu, nur bei der Tagesschau keine Spoiler dazwischen zu rufen, nehmen wir besser ein Sachbuch.


    Ich nutze zum Lesen die Kindle-App auf dem iPad, dabei erscheinen (nicht nur bei mir!) keine Seitenzahlen, sondern nur Prozentwerte bzw. „Positionen“ – die Titelseite ist zum Beispiel hier Pos. 1 von 3407. Zitate können sich daher nur auf diese Angaben beziehen, vielleicht wird das ja einmal etwas benutzerfreundlicher, wenn das ein Verantwortlicher liest.


    Der humorvolle, aber eher ironische als aufgesetzte Prolog, wie im Klappentext wiedergegeben, brachte mich dazu, dieses Buch lesen zu wollen: Der Ich-Erzähler Stefan Fischer berichtet von seinem Umzug samt Hund „Amok“ zu seiner Tochter, in die Wohnung über der Autowerkstatt, in der sie arbeitet. Der Vater ist gerade etwas klamm – und arbeitslos. Der Autor schafft es auch ohne Probleme, dabei vom schnodderigen Tonfall der Tochter zu dem „Denglisch“ in einer Werbeagentur zu wechseln: „Anyway, jetzt geht es darum, unsere Performance upzugraden. Kurz gesagt, wir brauchen einen Hungry Guy, der unser kleines Team so bald als möglich verstärkt.“ S. 22 . Fischer geht zu einem Bewerbungsgespräch als Türsteher – und verlässt den Raum als DER neue Werbemann – dabei hat er eigentlich nur alle Fragen so uminterpretiert beantwortet, dass die zu seiner Branche, der Überwachung, passen: „Dann arbeiten wir in drei Schichten“, sage ich. „Rund um die Uhr. Sicherheit ist unser Thema, nicht wahr? Also machen wir die Bank sicher. So sicher, dass keiner auf die Idee kommt, Scheiße zu bauen.“ S. 24 SO viel Einsatzbereitschaft hatte der neue Chef nicht erwartet bei den üblichen markigen Sprüchen. Der Junior Partner ist noch überrascht: "Das Talent des Junior Partners besteht im Wesentlichen darin, zu durchschauen, was Brokkoli [der Chef] denkt. Und dann damit zu punkten, dass er dies ausspricht, noch bevor der Boss es tut." Pos 313.
    Aufgrund verschiedener Umstände landet Stefan Fischer also in der Werbeagentur. Seine Bewährungsprobe kommt, als die Manager eines Klienten in der „Blitz-Zeitung“ abgelichtet werden, in Begleitung spärlich bekleideter Damen und dabei, mit zu Rollen geformten Geldscheinen Pülverchen vom Tisch zu saugen – wie soll man das erklären? Fischer hat ein feucht-fröhliches Wochenende hinter sich, so ist seine Idee, was denn Leute in ausgelassener Runde da zu sich nehmen können also… Salz! Salz mit Zitrone – und Tequila. Alles gaaaanz harmlos also. Nicht nur sein Chef fragt sich bald „Ist Werbung tatsächlich ein so billiges Geschäft, dass jeder x-beliebige Schaumschläger darin mitmischen kann?“ Pos 2017/3407
    Während Fischer sich zwischenzeitig verheddert zwischen Selbstbild und Realität der Branche gerät ihm einiges außer Kontrolle, auch mit den Damen: „Theoretisch ist ein Mann in der Lage, nein zu sagen, praktisch eher weniger.“ Pos 2133/3407. So entwickelt sich bald – auch dank der himmlisch skurrilen Nebenfiguren wie Ashanti und Opa Neunziger – aus der Situation ein veritables Roadmovie, bei dem ich auch durchaus etwas für’s Leben lernen konnte für den Kauf von Gebrauchtfahrzeugen: „..du legst den dritten Gang ein, lässt die Kupplung kommen und gibst Gas. Wenn sich der Motor abwürgen lässt, ist die Kupplung in Ordnung, schleift sie, ist sie durch.“ Pos 2334/3407.
    In diesem Buch „schleift“ nix. Klasse!

    Ein "Muss" für Fans, aber etwas zu viele Personen und Verwicklungen


    Schneewittchen muss sterben“ ist der vierte Band der Reihe von Nele Neuhaus um Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein und seine Mitarbeiterin Pia Kirchhoff. Generell kann man die Bücher auch einzeln lesen.
    Tobias Sartorius wird nach zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen und kehrt in sein Dorf Altenhain zurück. Er wurde kurz nach dem Abitur in einem Indizienprozess wegen Mordes an zwei Ex-Freundinnen aus dem Dorf verurteilt, die Leichen wurden nie gefunden, er kann sich an nichts erinnern. Das Dorf hat während seiner Haft seine Eltern quasi mit in Sippenhaft genommen, in dem kleinen Ort kennt jeder den anderen und weiß über die meisten Geheimnisse.


    Zunächst aber stellt die Autorin zu Beginn des Krimis in für sie typischer Art einige Handlungsstränge in den Raum, die so noch nicht wirklich viel Sinn ergeben und die scheinbar unabhängig voneinander stehen.
    Dabei soll es aber nicht bleiben: Glaubhaft baut die Autorin die Atmosphäre einer Dorfgemeinschaft auf, deren Stärke und Schwäche der unbedingte Zusammenhalt ist, in dem fein unterschieden wird zwischen denen, die dazugehören und anderen. Eine eifersüchtige Jugendliche erstellte Flugblätter mit dem Text „Schneewittchen muss sterben“ und die Kommissare bekommen Konkurrenz durch eine rebellische Teenagerin.
    Grandios, wie Neuhaus hier immer noch eins draufsetzt: hielt ich einiges für vorhersehbar, was dann auch so eintrat, toppte die Autorin dieses mit immer noch einer weiteren Verkettung.
    Als etwas problematisch empfand ich die doch sehr große Anzahl von Personen in diesem Buch - ich habe mir dann eine tabellarische Übersicht gebastelt.


    6 Sterne von 10 (bei 5 Sternen also "3+", ich hab's bewusst differenziert)

    Ich habe erst ein wenig gefremdelt mit diesem wundervollen Buch…


    "Auf kleinem Raum gelingt ihr [der Autorin Alina Bronsky] eine märchenhafte und zugleich fesselnd gegenwärtige Geschichte." so heißt es auf dem Klappentext des Schutzumschlages zu diesem ganz besonderen Büchlein. Man kann es eigentlich nicht besser zusammenfassen, es passiert gleichzeitig wenig und sehr viel im Leben der Baba Dunja. Im Alter ist die frühere medizinische Hilfsschwester in ihr Dorf zurückgekehrt, das in der sogenannten Todeszone nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl liegt. Außer ihr leben dort noch weitere Alte, manchmal nebeneinander, manchmal mit- oder sogar füreinander. In Ichform berichtet sie über dieses Leben unter mehr oder weniger skurrilen Persönlichkeiten.
    So erscheint eines Tages ein Nachbar bei ihr:
    „‘Ich werde dir was sagen‘, warnte er mich.
    ‚Ich bin ganz Ohr.‘
    ‚Du bist eine Frau.‘
    ‚Stimmt.‘
    ‚Und ich ein Mann.‘
    ‚Wenn du es sagst.‘
    ‚Lass uns heiraten, Dunja.‘

    Ich kann mir genau vorstellen, was ihn auf Hochzeitsgedanken bringt. Er ist ein Mann und wäscht seine Sachen, wenn sie vor Schmutz steif sind, in einer Schüssel mit Haushaltsseife, um sie dann unausgespült im Garten zum Trocknen aufzuhängen. Zum Essen weicht er sich zweimal am Tag Haferflocken ein, mit verdünnter H-Milch, wenn er welche hat, und mit Brunnenwasser, wenn die Milch alle ist. …“ S. 37ff


    Baba Dunja verfügt über Lebens- und Altersweisheit, viele Errungenschaften der Neuzeit hingegen interessieren sie nicht („tragbares Telefon mit Bildschirm“) – sie nützen nichts in diesem Dorf ohne fließendes Wasser, in dem alles angebaut oder umständlich herangeholt werden muss.


    Der Schreibstil von Alina Bronsky ist wunderbar leicht zu lesen, oft mit leiser Ironie, liebevoll und stets voller Würde für ihre Figuren.
    Ich war traurig, als die Geschichte, eher eine Novelle, zu Ende war; ungeachtet dessen habe ich doch ein klein wenig gefremdelt mit der Geschichte, weil mir nach der Lektüre noch etwas fehlte, mehr so ein Gefühl als etwas großartig greifbares: Letztendlich stellte ich fest, dass ich den Entschluss einer so klugen und zutiefst lebensbejahenden Frau, in diese Todeszone zu ziehen, nie ganz nachvollziehen kann – ich muss mich da wirklich zwingen, an ihr hohes Alter zu denken und mit zu bedenken, wie entsetzt sie auf junge, gesunde Neuzugänge im Dorf reagiert: Baba Dunjas Tschernowo ist ein Ort derer, denen die Strahlung keinen Schaden mehr zufügen kann, weil sie so alt sind oder bereits vorher krank waren, und es ist auch der Ort derer, denen die Stadt zu laut ist, zu teuer, zu eng, zu schnell und zu wenig selbstbestimmt. Baba Dunja benötigt keinen Aufbruch mehr. Sie ist angekommen.

    Ihr habt mich jetzt richtig neugierig auf die Hörbuch-Fassung gemacht - das Buch habe ich letzte Nacht durchgelesen. Mich störte irgendwie die Kürze, jetzt nicht für das Buch, da passte es perfekt, aber ich hätte diesen Schreibstil noch ewig so weiterlesen wollen.


    Mir gefällt diese Mischung von Dunja Baba aus Altersweisheit, Altersabgeklärtheit, einem Misstrauen gegenüber vielen Neuerungen ("tragbares Telefon mit Bildschirm") - ohne dabei irgendwie zu vermitteln, dass sie jetzt einen Hauch dumm wäre, weil sie ja alt ist oder "nur" aus dem Dorf kommt. Ich mag, wie die Autorin den Personen Würde verleiht, wie sie auch untereinander würdevoll miteinander umgehen.


    Wer hier schon etwas anderes von Alina Bronsky empfohlen hat - was würdet ihr empfehlen? Sonst gehe ich wohl chronologisch 'ran :grin

    „Der Konjunktiv jedoch war das Glitzerpapier auf dem Geschenk namens Leben, und riss man es ab, um nachzusehen, was es für einen bereithielt, ahnte man, dass Gott den Wunschzettel mal wieder nicht hatte richtig entziffern können.“ S. 399


    Genau diese Chance auf die Einlösung ihres Wunschzettels ergreift die junge Romy, als sie in der Stadt gerade mit ihrem Traum, als Schauspielerin zu arbeiten, gescheitert ist, selbst in ihrem Job als Souffleuse. Sie kehrt zurück dahin, wo sie sich immer beschützt gefühlt hat, in ihr Dorf, das fast nur noch von den Alten bevölkert wird. Sie ist hier aufgewachsen, gerade ist hier ihre Großmutter gestorben. Gelegentlich ruft noch ihr ebenfalls gescheiterter Kollege Ben an.
    Im Ort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein und Romy deckt ein seltsames Verhalten auf, zu dem eine bestimmte Art der Platzknappheit ihre schrullige Wahlfamilie veranlasst. Als sie in Erwägung zieht, zu bleiben, stößt sie jedoch nicht nur auf Gegenliebe "Lass uns hier, behalt uns im Herzen, genau wie wir dich immer im Herzen behalten. Aber du musst fortgehen." ..."die Zeit verbraucht nicht nur den Körper. Sie verbraucht auch den Geist. Für dich gibt es noch viel zu erleben, für uns nicht mehr." S. 79 Das Dorf ist wie so viele wortwörtlich am Aussterben.


    Dann hat sie sie, die Eingebung, die aller Leben umkrempeln soll:
    „Bau es!“ S. 107 Heraus kommt der aberwitzige Plan, ein elisabethanisches Theater aufzubauen und Romeo und Julia aufzuführen, mitten in der Provinz. Und entgegen allen Widrigkeiten. Die Erzählung ist leicht und lustig, zum Nachdenken anregend und melancholisch, traurig und fröhlich – und in jedem Falle anders, als ich selbst während der Lektüre noch erwartet hatte.


    Hier irgendetwas mehr zu schreiben, läuft Gefahr, zu viel zu verraten. Zu wenig zu schreiben hingegen könnte bedeuten, dass man diese herrlich verrückte Geschichte übersieht über die Liebe und Freundschaft, Verrat und Vertrauen, Aufgeben und Mut und den Tod und das Leben – ja, das ist viel und das störte auch einige Leser. Ich finde, dieses Buch hier „darf“ das, weil schon die Grundidee, ein ganzes Dorf, das sich verantwortlich fühlt, ein früh mutterloses Kind heranzuziehen zu einer jungen Frau und immer für sie dazu sein, gerne sein darf, nämlich einfach zu schön und viel zu selten.


    Und weil es ja schon etwas macht mit den Menschen, die so plötzlich so viel wagen und tun, fragt sich nicht nur Romy im Buch: „Wann wurde der eigene Traum zum Alptraum eines anderen?“ S.485 Ich war auch schon so weit, dem Autor dieses Gepäck, dass er ihr und uns da aufbürdet, übelzunehmen, wäre das nicht ganz einfach so leicht, so zart, so bittersüß geschrieben: „Vor Wochen noch war der Tod eine unumgängliche Gewissheit, traurig zwar, aber nicht tragisch. Jetzt jedoch hatten sie, ohne sich dessen gewahr zu werden, begonnen, sich gegen ihn zu wehren.“ S 226 Und man kann noch so sehr darüber nachdenken, was vielleicht mit der einen oder anderen Person im Buch bei einer anderen Ausgangslage passiert wäre, und hier zitiere ich meine wunderbare Oma, die Teil von meinem Dorf war – „wenn das Wörtchen wenn nicht wär….“.


    Das Buch bekommt von mir 9 Punkte

    Ich bin da ziemlich rabiat: Ich mag es nicht, quasi gezwungen zu werden, alle Bände lesen zu müssen, um im Ansatz mithalten zu können.


    Fast noch schlimmer sind Cliffhanger am Ende eines Buches - also quasi Band x.1 und man braucht x.2. Geht mindestens einen Punkt runter in der Bewertung durch mich, sowas ist Nötigung.


    Wenn man mich lässt, lese ich die weiteren Bände hingegen ganz freiwillig... :lache

    Das mit der Ausführlichkeit ist, glaube ich, eine Frage des Alters.
    Man hat in einem Interview Ann Hathaway und Robert de Niro gefragt, wie sie Mails schreiben - er simuliert Hände auf Tastatur, sie Daumen am Smartphone... "wir" haben uns eher an die Kürze gewöhnt, er stammt noch aus der Generation, wo man gar nicht erst anfing, wenn man das Porto auf dem Umschlag nicht ausnutzte... :grin

    Klappentext:
    Eines Abends nach den Ordinationsstunden taucht in der Praxis des praktischen Arztes
    Alexander Wertheimer ein dubioser und verängstigter Mann auf. In seiner Begleitung eine schwer verletzte, vermutlich minderjährige Ukrainerin. "Liebesgeschichte" ist das Protokoll, das Wertheimer von dieser Begegnung mit Maria Melnyk und von den fatalen Folgen, die daraus erwachsen, anlegt. Persönliche Erinnerung, Bekenntnisschrift, Verteidigungsrede und Schuldeingeständnis gleichzeitig, ist dieses Protokoll ein Kosmos aus Pathologie und Gewalt, der vom Erzähler aber als Liebe und leidenschaftliche Zuneigung wahrgenommen wird. Thomas Jonigk wirft in seiner unverwechselbaren eleganten Stilistik das übliche Täterprofil über den Haufen –
    Alexander Wertheimer ist ein reflektierender, feministisch denkender, Andrea Dworkin und Ingeborg Bachmann zitierender Mann, dem das alles nicht passieren dürfte; aber er ist leider auch ein sich selbst ausgelieferter Mann, der einem bei der Lektüre, auch wenn er sich völlig schutzlos darbietet, von Seite zu Seite unheimlicher wird.
    Jonigks Meisterschaft in der Darstellung von Gewalt und Abhängigkeiten in Familien-, Sex und Liebesbeziehungen, der Macht der Phantasien und der Sehnsucht nach Erlösung erweist sich auch in "Liebesgeschichte", wo er seinen subversiven Witz ganz besonders verstörend einsetzt.


    Meine Meinung:
    Die Rückseite des Schutzumschlages vermerkt „Liebesgeschichte – eine irritierende, beunruhigende Versuchsanordnung über Entfremdung und Begehren“. Thomas Jonigk arbeitet auch als Theaterregisseur und –dramaturg, und wenn ich an die generelle Tendenz seiner Branche denke, viele Stücke zu inszenieren in dem Bestreben, das Publikum zu schockieren, so passt das hier zusammen.


    Der Arzt Alexander Wertheimer ist der Ich-Erzähler dieser Geschichte. Nein, kein sympathischer Held, niemand, mit dem sich auch nur im Ansatz jemand zu identifizieren versuchen sollte. „Vom Terror, nicht geliebt zu werden“ steht noch auf der Rückseite: Wertheimer ist ein Besessener, er scheint zu Stalking zu neigen, wirkt grenzwertig zwangsneurotisch. Er verwechselt Wissen mit Überheblichkeit, glaubt, durch die Lektüre von kulturell relevanter Lektüre kultiviert zu sein.


    Trotzdem liest sich „Liebesgeschichte“ leicht und ist stilistisch nicht unangenehm, zeigt eher sprachliche Kompetenz des Autors. Problematisch wird es beim Inhalt, den zu beschreiben fast unmöglich ist, ohne automatisch zu viel zu verraten, bereits der Klappentext geht eigentlich zu weit. Daher so viel: Wertheimer erkennt an sich „dieses Gefräßige, das keinen Raum für zwei lässt, weil ich mir alles einverleibe, das ich zu lieben glaube.“ (S. 54f) Sein Einverleiben ist nicht zart, verstörend sind seine Phantasien wie seine Handlungen. Gegenüber den Gefühlen und Bedürfnissen seiner Mitmenschen – speziell Frauen – ist er blind und taub, leider nicht stumm, was er sagt, klingt wie eine Gebrauchsanweisung, so in den Gedanken über seine Nachbarin: „…dazu kommen z.B. Gewebeschwächen im Bereich der Brust und der Oberarme, Pigmentstörungen (Dekolleté), starke Hornhautbildung (beide großen Zehen sowie Fersen), Zahnfleischrückgang (beim Gähnen sichtbar) sowie Andeutungen von Krampfadern in der linken Wade.“ (S. 73). Na danke! Bisweilen wirkt Jonigk hiermit komisch, der Klappentext spricht von „subversiv“. In Sätzen wie „ich sehe, wie Vergeblichkeit aus mir herausquillt“ (S. 15) hingegen wird er doch sehr vorhersehbar.
    Alles in allem ist mir dieser Roman zu sehr (wenn auch technisch gut) konstruiert, zu kalkuliert. Sein Antiheld bietet so wenig Identifikationspotential wie das weitere Personal des Romans. Das Thema ist wichtig, die Darstellung verstört – das „passt“, aber lässt mich darüber hinaus unbewegt. Eine Rezension, die ich aus Ratlosigkeit konsultierte, zog den Vergleich zu Nabokovs „Lolita“. Vielleicht Lolita auf der Bühne mit nackten Schauspielern, Statisten aus dem Obdachlosen-/Flüchtlingsheim und irgendwie rennt dabei jemand herum und sagt.
    WEITER.


    zu Stilmitteln:
    Jonigk nutzt wiederholt ganz eigene stilistische Mittel ein, jedoch nicht in ähnlicher Persistenz wie der aktuelle Walser:
    „Ihr seid doch über jedes Detail informiert, ihr Staatsoberhäupter und Familienväter, ihr Frauenhasser, Mädchenhändler und Kinderschänder, ihr Zyniker und Rechtsverdreher, meine hochverehrten Richter und Mörder: Ihr alle heuchelt Korrektheit/Gesetzestreue/Betroffenheit, aber ich weiß, DASS KEIN EINZIGER VON EUCH FREI VON SCHULD IST.
    WEITER.“
    (S. 94).
    • Mehrfach erscheinen Aufzählungen, die die „Wahrer des Rechts und der Gesellschaft“ in einem Atemzug nennen mit denen, die diese verletzen.
    • Häufig stehen „Begriffe zu Auswahl“, getrennt mit Schrägstrich – Jonigks Hauptperson ringt um den korrekten Wortgebrauch, er redet / denkt (ja, das steckt an) wie im Rausch, mag sich vielleicht auch nicht festlegen (lassen).
    • Einige Sätze oder Satzteile oder Worte sind komplett in Großbuchstaben, was für mich die Assoziation von „Schreien“ in SMS-Darstellung hervorruft.
    • Jonigk arbeitet auch damit, Handlung mit dem Zeilenvorschub darzustellen – die Lesefolge wirkt dadurch gepresst, stockend, ausweichend.
    • „WEITER“ leitet mehrfach einen Gedankensprung im „stream of consciousness“ des Ich-Erzählers ein.
    Was einzig noch fehlt im obigen Beispiel, kann man darstellen anhand von
    „…ein bewegungsunfähiger Querschnittsgelähmter (Anm.: Pleonasmus? Überprüfen!).“ (S. 68) – häufige Nutzung von Klammern, oft in einer Art, als rezensiere der Arzt sich selbst, um vielleicht beim nächsten Sprechen oder Denken sich korrekter ausdrücken zu können. Dabei ist ihm Sprache wichtig wie auch Literatur oder generell Wissen.

    Das Buch fand ich grandios, ich muss unbedingt noch meine Rezi nachziehen. Hier hatte mich der Klappentext total aufgeregt, weil er irgendwie nur teils mit der Handlung zu tun hat:
    Dass das junge Mädchen Emma heißt, erfährt man ganz spät - ich dachte schon, es sei so wie bei "Rebecca", wo man ja den Namen der Ich-Erzählerin nie erfährt.
    Und sie kennt zwar ihre Großmutter nicht, es ist aber ganz eindeutig ihre Großmutter.
    ...es gibt ja später genug, was im Buch nur angedeutet wird bzw. wo man nicht weiß, ob es Traum/Wunsch ist oder Realität.

    Ich lese gerade parallel von Nele Neuhaus: Schneewittchen muss sterben und von Alessandro Baricco: Mr. Gwyn.


    Den Krimi hatte ich schon einmal gelesen, ich wollte ihn nur wieder einmal sehen...es beruhigt mich manchmal, etwas vertrautes zu lesen, einen Nele Neuhaus-typischen Anfang, bei dem erst einmal verschiedene Szenarien präsentiert werden, mit teils namenlosen Menschen - und noch steht nichts im Zusammenhang.


    Alessandro Baricco habe ich mir zugelegt aufgrund der vielen positiven Leserrezensionen und habe aber wirklich gerade die ersten 10 Seiten gelesen - der Schreibstil gefällt mir, wirkt etwas altmodisch - betulich, sehr ruhig.