Beiträge von bartimaeus

    Das Buch ist mir schon in einer Rezension in einer Bücherzeitschrift aufgefallen. Ich muss es mir unbedingt mal für eine Zeit merken, in der ich mehr Zeit am Stück zum Lesen habe - denn interessieren würde es mich nach dieser Rezension noch sehr viel mehr :-]

    Ach ist das schön, dass ein Titel von Antonia Michaelis (leider nicht der Titel, der mir bisher am besten Gefallen hat) sowie "die Meute der Mórrigan" (wunderbare Verquickung von Fantastischem mit irischen Volkssagen) sind. Das macht mir die Reihe gleich sympathisch :-]


    Ein Grund mehr, die anderen Bücher einmal unter die Lupe zu nehmen.

    Zitat

    Original von Kernchen
    Für ein 7 bis 9jähriges Kind ist das politische Umfeld unrelevant.
    Meine eigene Oma, geb. 1935, erzählt oft von früher, auch von den Kriegsjahren. In diesen Erzählungen geht es um alles, nur nicht um Politik. Wenn das Mädchen Helene in seiner Geschichte irgendwelche politischen Äußerungen gemacht hätte, dann wäre das mehr als unglaubwürdig.


    Wir haben aber nicht das Mädchen Helene, das erzählt. Sondern eine alte (fiktive) Dame, die, obwohl sie die Zeit verurteilt (!), für ihre Geschichte eine kindliche Perspektive einnimmt, die dies nicht tut oder sich nicht dafür interessiert.
    Und in dieser Perspektive erzählt sie vollkommen vorbei an ihren Überzeugungen ... Das ist völlig unstimmig.

    Helene. Eine Kriegskindheit
    Dieter Ebels, 2007

    Meine Rezension bezieht sich auf die Ausgabe:
    Wagner Verlag (DKZ), ISBN: 978-3866830745


    "Helene. Eine Kriegskindheit" ist ein Buch, geschrieben aus der Sicht eines deutschen Mädchens, das die Kriegsjahre im nationalsozialistischen Deutschland erlebte. Eines Mädchens, das tugendhaft-christlich und außerordentlich naiv durch diese Tage stolpert, von Alltagssorgen wie Heimweh, Durchfall nach einer zu großen Portion Bonbons oder Blähungen in stickigen Krankenhauszimmern geplagt bis hin zu den in diesem Buch vorsichtshalber schon in Kapitelüberschriften angekündigten Schicksalsschlägen, die da wären: der kriegsbedingte Verlust von Verwandten und Freunden, Vergewaltigung.
    Armes Helenchen. So viel Unglück. Eine geklaute Postkarte, ein toter Lieblingsbruder, ein böser Bauer, ein kleines Horrorszenchen in der wunderschön bayrischen Berglandschaft, dreckige Schuhe und die geliebte "Mutti" eine Todsünderin - ach nein, die christlichen Grundsätze galten ja nur für die anderen... also keine Todsünderin - sie kann einem wirklich ungeheuer Leid tun.


    Und das kleine mutige Mädchen durchsteht das alles, so jung und schon so stark. Da darf ein Tränchen fließen oder auch ein weiteres Dutzend mehr, sie verdient unsere Bewunderung.
    Und darauf beharrt das Buch, es ist sein einziges Thema, Mitleid und Bewunderung für die kleine Helene - die von einem Schicksalsschlag zum nächsten, vom Regen in die Traufe stolpert. Das Buch ist für die Zartbesaiteten, Mitleidenden, die sich der armen Kleinen nicht verschließen können.


    Denn bei einem Blick hinter die Fassade um das süße Mädchen, tun sich mehrere Mängel auf. Abgesehen von reinen historischen Fehleinschätzungen, auf die magali schön einging und die ich mit mäßigem geschichtlichen Faktenwissen während des Lesens nur als verwunderlich hingenommen hatte, fällt vor allem auf, dass die Übel zwar mit dem Krieg verknüpft werden, aber nicht mit dem Nationalsozialismus.
    Da wird heiter im Hinterhof 'Krieg' gespielt - die deutschen Buben gegen imaginäre Tommys und Ivans - da werden ein unbeschreiblicher Nachmittag in Hitlers Kehlsteinhaus verlebt, Postkarten vom beliebten deutschen Kriegsflugzeug gesammelt, und der liebe Papa ist der tolle Kriegsheld. Hitler wird ein-zwei Mal am Rande erwähnt, die Kinder führen anscheinend ein Leben abseits von nationalsozialistischer Propaganda und Beeinflussung.


    Das wäre vielleicht glaubwürdig, wenn wir die passende Perspektive dazu hätten. Ein Kind, dem andere Dinge, die es erzählen will, einfach wichtiger sind, das den Urlaub in der Heide wichtiger findet als eine Ansprache des Führers. Blöderweise haben wir diese - auch nicht unproblematische - Perspektive nicht. Wir haben die Perspektive einer alten Dame, die rückblickend in kindlichem Tonfall erzählt.
    Und da beginnt das größte Problem des Buches, das die Geschichte als zusammengeschustert und schlecht entlarvt. Denn am Ende bemerkt die alte Dame:


    Zitat

    Ebels, D.: Helene. Eine Kriegskindheit. Gelnhausen 2007, ISBN:978-3866830745, S.400-1
    "[E]in Krieg hat kein Happy End [...]. Das, was ich ihnen gerade erzählt habe, war [...] eine Geschichte, gesehen mit den Augen eines naiven Mädchens. Heute sehe ich die damalige Zeit mit ganz anderen Augen. Uns Kindern prägte man eine Welt ein, die beherrscht war von Idealismus und Fanatismus und Adolf Hitler war der Führer [...]. Blinder Fanatismus ist das Schlimmste, was es gibt auf der Welt, und wenn ich sehe, dass es auch heute noch Länder gibt, in denen Eltern ihren Kindern einen solchen Fanatismus einprägen, dann bekomme ich große Angst. [...] Wenn man doch nur allen Eltern auf der Erde klarmachen könnte, dass man unschuldigen und leichtgläubigen Kinderseelen kein Feindbild einprägen darf, dann wäre damit der Grundstein für eine Welt in Frieden und Eintracht gelegt"


    Heute sieht sie das alles anders, aber sie erzählt es dennoch aus der Sicht von damals. Warum denn?


    Solch "eine Welt in Frieden und Eintracht" wie aus diesem Zitat erreicht man nicht dadurch, eine rührselige Geschichte eines deutschen Mädchens zu erzählen, ohne einen Blick auf seine fanatische Umgebung zu werfen - oder unglaubwürdig von einer (fiktiven) Person mit dieser Meinung eine Geschichte größtenteils frei von rückblickender Reflexion naiv-kindlich erzählen zu lassen - und vor allem dadurch problematische Denkweisen nicht zu überdenken. Und selbst wenn man die alte Dame als ungeschickte Konstruktion für eine Rahmenhandlung sieht, die manchmalige Perspektivmischung in der Erzählung missachtet, werden dadurch die Schilderungen Helenes ohne die dazugehörige Reflektion nicht besser.


    Zu häufig werden vom Tod getroffene Übeltäter als von Gott bestraft bezeichnet (sogar von der rückblickenden Helene), zu häufig verurteilt sie leichtfertig Menschen anhand ihrer Moralvorstellungen oder biegt sich die Wahrheit zurecht, falls diese Vorstellungen sie nicht weiterbringen.
    Und auch die Behandlung der 'dummen' Magd, die anscheinend eine geistige Behinderung aufweist, zeugt in meinen Augen durch das unreflektierte Darstellen als etwas Drolliges, mit dem man gern Streiche treiben und tüchtig darüber lachen darf, nicht von Durchdachtheit und dem Wunsch nach einer friedlichen Welt des Miteinanders. Eine kritisch zurückblickende alte Dame passt nicht im geringsten zu Klein-Helenchens gefühlsduseligem Blickwinkel.


    Über solche Banalitäten wie ungelenken Satzbau, der stark an eine mündliche Erzählung von der "guten alten Zeit" erinnern kann, aber stilistisch in einem Buch nur schwer ertragbar ist, Floskelhaftigkeit (ach wie viel brannte fröhlich "lichterloh" im Krieg), fehlerhaft springende Zeitformen, nicht vorhandenes Sprachgefühl und Formatierungsfehler, sprich ein mangelndes oder eher dürftiges Korrektorat/Lektorat mag man da fast hinwegsehen.


    Fazit: Ein Buch für die Tonne.


    Liebe Grüße,
    bartimaeus

    Westmark I: Westmark
    Lloyd Alexander, 1981

    Meine Rezension bezieht sich auf die Ausgabe:
    Firebird, 2002,ISBN: 978-0141310688


    Es existiert eine deutsche Ausgabe unter dem Titel "Der Setzerjunge" bei Lübbe (ISBN: 978-3404204946).


    Mit Westmark nimmt die gleichnamige Trilogie Lloyd Alexanders ihren Anfang und stößt den Leser in das Land Westmark, das von politischen Unruhen geprägt ist. Der König trauert seiner gestorbenen Tochter hinterher, wird krank und kränker und hängt seine Hoffnung an jeden Scharlatan, der behauptet Kontakt zur Geisterwelt herzustellen. Zum Regieren taugt er nicht mehr, die Regierungsgeschäfte liegen schon lange in den Händen des ersten Ministers Cabbarus, der das Volk schröpft, die Presse verstummen lassen möchte und Intrigen nicht abgeneigt ist. Vor allem nicht den Intrigen gegen den königlichen Hausarzt, der den König das ein ums andere Mal aus seinem Dämmerzustand der Trauer reißen möchte.


    Und schließlich haben wir natürlich noch den Teil der Bevölkerung, der unter den noblen Herrschaften leidet. Zuvorderst der zu naive, aber dadurch sympathische Held unserer Geschichte, der Setzerjunge Theo, dem die deutsche Ausgabe ihren Namen verdankt. Auf der Flucht vor ungerechtfertigter Verurteilung schloss er sich dem quacksalbernden Spitzbuben Las Bombas und dessen zwergwüchsigem Reisgefährten Musket an. Bald stößt auch noch das junge Straßenmädchen Mickle zu ihnen, das das Quartett mit Bauchrednerkünsten komplettiert.


    Doch lange hat es nicht Bestand. Zu sehr widerstrebt dem ehrlichen Theo die Gaunerei und trotz seiner schnell entstandenen Gefühle für Mickle macht er sich aus dem Staub. Um dann mit Revolutionären zusammenzugeraten, bis schließlich das Schicksal des ganzen Königreichs auf den Schultern der Gaunertruppe lastet...


    Und somit die Handlung eines äußerst gewöhnlichen Fantasyabenteuers entsteht. Junger Held mitsamt Freunden rettet das Königreich, seine Liebe "and they all lived happily ever after"
    Wir haben mit dem leicht lächerlichen Las Bombas eine lustige Figur, wir haben den naiven Held, wir haben einen guten, aber vom bösen Berater unterdrückten König, und ein wenig Kampfgeschehen. Die Figuren wirken zum Teil wie Pappschablonen, die ihren Zweck erfüllen, weil sie auf dem kurzen Raum ungenügend charakterisiert werden, die Handlung ist überaus einfach vorauszusehen und mit der Reflexion über den "conflict between good and good, noble ideas broken even for a good cause" wird nicht tiefgehender als in der Äußerung des Autors über das Buch (aus der das Zitat entnommen wurde) der Zusammenhang zwischen Zweck und Mittel ergründet.


    Viel zu obeflächlich und penetrant will der Autor auf den unter 200 Seiten aufzeigen, dass Ungerechtigkeit nicht mit Ungerechtigkeit, Gewalt nicht mit Gewalt bekämpft werden muss, und kotrastiert etwas plump mit dem zwar sympathischen Revolutionsführer Florian, der allerdings nicht vor Gewalt zurückschreckt, und dem königlichen Leibarzt, der die Monarchie unter einem gutmeinenden König erhalten will. Zu offensichtlich wird hier eine Auffassung präsentiert, ohne den Leser selbst nachdenken zu lassen.


    So sehr es hier sein Ziel verfehlt hat, lässt sich dem Buch jedoch nicht die Spannung absprechen, die die junge Zielgruppe fesseln wird und auch mich davon abhielt, das Buch beiseite zu legen. Zu geschickt wird aus den Allerweltszutaten ein zwar nicht überragendes, aber doch zum Großteil stimmiges kleines Abenteuer geschaffen, das ungemein von etwas mehr Seiten und Details profitiert hätte.


    6/10 Pkt.


    Liebe Grüße,
    bartimaeus

    Ten Short Stories
    Roald Dahl

    Meine Rezension bezieht sich auf die Ausgabe samt CD:
    Penguin (Student Edition), 2000, ISBN: 978-0140817799


    Roald Dahl, der Kurzgeschichtenmeister mit schwarzem Humor, wird den meisten ein Begriff sein, hat er sich doch mit Kinderbuchklassikern wie Matilda, Hexen hexen (The Witches) oder Charlie und die Schokoladenfabrik (Charlie and the Chocolate Factory) sowie Kurzgeschichtensammlungen wie Küsschen, Küsschen (Kiss Kiss) einen Namen gemacht. Meistens ein wenig skurril, schwarzhumorig und so, dass man den interessanten Charakteren ihr teilweise nicht sehr schönes Schicksal gönnt.


    Die Student Edition von Penguin möchte einen kleinen Einblick verschaffen, mit Hintergrundinformationen zum Autor anbei, mit Vokabularhilfen, Zusammenfassungen und Aufgabenanstößen. Sie ist anscheinend für den Schulgebrauch vorgesehen. Mitgeliefert ist eine Hörbuch-CD mit 4 der 10 Geschichten (meiner Meinung enthält sie jedoch die uninteressanteren).


    Die Mischung ist bunt, und nicht immer auserlesen. In The Umbrella Man erleben wir mit der Ich-Erzählerin und ihrer frostigen Mutter, warum nette alte Herren mit Regenschirmen es faustdick hinter den Ohren haben, ohne jedoch ein Aha-Erlebnis oder eine Pointe zu finden. Eine eher mäßige Einstimmung.


    In Dip in the Pool geht es nicht nur um den Pool der Wetteinsätze auf die zurückgelegten Tageskilometer des Kreuzfahrtsschiffes und den bedauernswerten Mr. Botibol, der seinen überhöhten Wetteinsatz in Gefahr sieht, sondern auch um einen Sprung ins tatsächliche Wasser. Mit bösem Ende, das den ersten hämischen Lachanfall bei mir hervorrief.


    Der Butler aus The Butler erteilt hingegen zusammen mit dem Koch seinem neureichen Dienstherren eine Lektion auf dem Gebiet der Weinkennerei, die recht erwartungsgemäß ausfällt.


    In The Hitchhiker hat ein Anhalter ein Geheimnis, um das lange und leider zu auffällig herumgedruckst wird, was dazu führt, dass man sich fragt, wann der Fahrer endlich kapiert, was passiert. Langatmig.


    In Mr. Botibol wird es zur Abwechslung rührend, als der spargelförmige und erfolgslose Mr. Botibol sich zum Hobbydirigenten aufschwingt und das Ende ausnahmsweise hoffnungsfroh auf die Zukunft deutet. Niedlich.


    My Lady, My Dove ist mir, was die Pointe betrifft, etwas schleierhaft geblieben, da ich sie entweder nicht verstanden oder aber als uninteressant abgetan habe.


    The Way up to Heaven glänzt wieder mit schwarzem Humor der Extraklasse, als Mr. Forster es mit den kleinen Schikanen gegenüber seiner Frau zu weit treibt. Fies, schwarz, eine meiner Lieblingsgeschichten.


    Ebenso Parson's Pleasure, in dem ein Antiquitätenhändler die ländliche Bevölkerung ausnimmt und leider Opfer seiner selbst wird. Einfach köstlich, ich hab vorblättern müssen, so stark wuchs die Anspannung, Vorahnung. Wie schön ist es, wenn jemand seine gerechte Strafe bekommt. Wie schön ist Häme...


    The Sound Machine ist das, was man auf Neudeutsch strange nennen würde, skurril, nicht unbedingt einzuordnen, verwirrend. Und doch regt jene Maschine die das Kreischen der Schnittblumen hören lässt, zum Nachdenken an. Oder vielleicht doch eher das Schicksal des Erfinders?


    In The Wish schließlich ist ein Junge überzeugt, dass er einen Welpen zum Geburtstag bekommt, wenn er den Teppich überquert und dabei nur eine Farbe berührt. An solche Wunschspiele erinnere ich mich aus meiner Kindheit, aber es ist ein dennoch sehr unspektakulärer Abschluss.


    Die Auswahl ist somit durchaus nicht komplett nach meinem Geschmack ausgefallen, Geschichten, die mich begeistern oder interessierten, halten sich in etwa die Waage mit den eher unspektakulären. Gemein ist ihnen jedoch eine angenehme Sprache und klare Beobachtungsgabe, der Akzent auf dem Bizarren und den Schattenseiten der menschlichen Natur.


    Häme, schwarzer Humor, berechtigtes Scheitern sind zentrale Elemente, kommen immer wieder und Dahls Charaktere sind häufig das, was man Sonderlinge nennt. Mal sympathische, denen ein freundliches Ende gegönnt wird, häufiger jedoch enden sie weniger glücklich. Und da findet sich durchaus des öfteren ein Schuss Morbidität.
    Morbidität, die niemals Dahl zum Fallstrick wird, denn irgendwie gönnt man es den Betroffenen. Zu geschickt baut Dahl die skurrilen Situationen auf, teilweise mit Anspannung bis zum Zerreißen. In diesen Momenten verfalle ich Dahl und seinen Geschichten immer wieder von neuem. Deshalb werde ich mir sicher die Komplettsammlung der Geschichten zulegen müssen. Ebenso wie Matilda, wo ich bisher nur den entzückenden Film kenne.


    Da leider doch ein wenig zu viele der Geschichten mich nicht überzeugten, und die begeisternden dies in dieser Kollektion nicht völlig (wenn auch stark) aufwiegen können, gibt es für ein annehmbares Taschenbüchlein in hübscher Ausstattung


    8/10 Pkt.


    :wave barti

    Zitat

    Original von keinkomma
    - Haben Sie das alles selbst erlebt? (Klar, ich war anno 1840 katholischer Priester, bin dann zum Elfenkönig mutiert und wohne ab Herbst als epileptischer Mops in einer WG) :bonk


    Über den epileptischen Mops würde ich gerne mehr wissen :grin

    Das Papierhaus
    "La casa de papel", 2004

    Übersetzung aus dem Spanischen: Elisabeth Müller, 2004
    Meine Rezension bezieht sich auf die Ausgabe
    Eichborn, ISBN: 978-3821857305


    Dass Bücher ein Eigenleben besitzen, wissen wir nicht erst, seit Walter Moers uns in der Stadt der traumenden Bücher mit Büchern der ganz besonderen Art bekannt gemacht hat. Nein, der ein oder andere ahnt es wohl auch schon beim Anblick der eigenen liebgewonnenen Bibliothek, beim Stöbern in Antiquariaten, dass diese Bücher eine Lebensgeschichte besitzen. Welcher Büchernarr kennt sie nicht, die vorlauten Bücher in der Buchhandlung, die sich einem förmlich aufdrängen, die einen so lange rufen, bis man nachgibt?


    Aber Bücher sind nicht nur harmlos. Sie können verführen, süchtig machen, Anlass für Diebstahl und Mord sein. Und Bluma Lennon, Hispanik-Dozentin in England, stirbt an einem, an Emily Dickinsons 'Poems' um genau zu sein. Natürlich ist es nicht das zweite Sonett, dass sie in den Tod katapultiert, sondern das Auto, das sie während des Lesens nicht gesehen hat, aber das klingt gleich viel banaler. Und banal möchte dieses Buch nicht sein.


    Es beschwört Bilder, die bei jedem Bücherliebhaber ein Schmunzeln hervorrufen, es jongliert ein wenig mit Namen der Weltliteratur, präsentiert die Spezies des distinguierten Büchersammlers wie die des manischen Büchernarren und liefert die ein oder andere Erkenntnis über den Stellenwert der Bücher in unserem Leben.


    Handlungstechnisch kann es nur wenig vorweisen, es plaudert ein wenig herum, die Handlung ist vielleicht an sich tatsächlich ein wenig banal. Da stirbt eine Dozentin, und ihr Kollege findet daraufhin einen Brief mit einem zementverdreckten Buch, dessen Herkunft er ergründen möchte, was ihn zu der Lebensgeschichte und dem Unheil des Büchernarren Carlos Bauer und dessem seltsamen Häuschen am Strand führt.


    Die Handlung steht aber nicht im Vordergrund und schon auf der ersten Seite wird ein wenig von ihr abgewichen, die ein oder andere Anekdote angerissen. Denn all diese kleine Gedankengänge, einzelne Bilder machen die Stärke des Buches aus. Bluma ist schnell vergessen, verschwindet für lange Zeit aus den Gedankengängen, die sich lieber damit beschäftigen, ob uns die Bücher nicht überrollen oder überfordern.


    Ähnlich wie ich mich von Neuerscheinungen jedes Jahr wieder überrollt sehe, muss sich Carlos Brauer angesichts seiner eigenen Büchersammlung gefühlt haben, nur dass es bei ihm sehr viel schlimmer ist. Wie soll er sie ordnen, diese Tausende von Büchern? Nach Verweisen, welches Buch passt zu welchem? Wird er sie je alle lesen können? Bücher als Bedrohung, vielleicht als Zwang, ein wenig kenn ich das auch, wenn ich mir bewusst mache, wie lange ich dafür bräuchte, mein RuB abzulesen...


    Schwachpunkt und Stärke zugleich sind die einzelnen Bilder, die diese Geschichte beschwört. Carlos' Haus in den Dünen und sein Untergang gehören dazu. Oder die Bücherkartei, die in Flammen steht, wie ein Gedächtnis, das eine böse Laune ausradiert hat. Aber die Verbindung dieser Elemente wird bald schon dem Vergessen anheim fallen. Der Erzähler der Geschichte, Blumas Tod sind nicht so bedeutsam, trotz detail-liebkosender Sprache geht ihnen die Bedeutung und mein Interesse daran verloren. Schade eigentlich, aber da wurde etwas verschenkt. Es fehlt diesem Buch das besondere 'Etwas', das Büchern die eigene Geschichte und die eigene Stimme verleiht.


    Nichtsdestoweniger hat mir das Buch gefallen, vom Cover bis zur schönen, wenn auch leicht überflüssigen Karte, von der ersten bis zur letzten Seite, enthält das Buch schöne, feine Gedankengänge, die doch in Teilen ähnlich ungeordnet wie Brauers Bibliothek erscheinen und eine Bücheratmosphäre, wie sie in gemütlichen alten Antiquariaten anzutreffen ist. So überragend, wie sie angepriesen und ausgezeichnet wurde, ist diese kleine Erzählung allerdings nicht.


    7/10 Pkt.


    :wave bartimaeus


    Edits: Fehlerkorrektur, Link nachgetragen

    Ich habe das Spiel mal bei einem Kumpel angespielt, aber es hat mich weit weniger begeistert als ich hoffte, da die Gestaltungsmöglcihkeiten für die Wesen zwar genial sind (hach, was hab ich da Spaß gehabt :grin) und vor allem die ersten beiden Phasen da besonders hervorstechen, aber mir war der gesamte Ablauf zu geregelt, weil es sich praktisch mit jedem Tier wiederholte...


    Und die späteren Phasen, wenn man mehrere als Stamm oder Volk steuerte fand ich eher langweilig, ich hatte das Gefühl, dass es da gar nicht mehr auf die speziellen Fähigkeiten ankam, die diese Tiere evtl. hätten.


    Ich hab mich gegen das Spiel entschieden.

    Zitat

    Original von Lumos


    :augenreib Dieser Gedanke ist mir überhaupt nicht gekommen. Ich war ziemlich sicher, dass Agnes tot ist. Hab aber die Stelle gleich noch mal gesucht und nachgelesen - du hast natürlich Recht! Aimery wurden nur ihre blonden Haare gezeigt und gesagt, dass sie tot sei.


    Ich hab auch geschlossen, dass Agnes noch leben könnte, aber ich denke nicht, dass das ihr Kind sein könnte, käme das von der Zeit überhaupt hin? Möglich wäre es natürlich, dass sie es da abgelegt hat, wo sie sicher ist, dass es gut verpflegt wird, aber irgendwie wäre mir das fast ein wenig zuviel des Zufalls.


    Zitat

    Original von Büchersally
    Ich habe in diesem Abschnitt das Gefühl, die Karten werden neu gemischt. Während ich Dorothy bislang eher als eingeheiratetes Familienmitglied angesehen habe, hat sie nun die Führung übernommen. Ihr Ehemann ist ja so ein Weichei, dass er keine Lücke zurücklässt, wenn er nun aus dem Haus geworfen wird.


    Das fiel mir auch auf, es ist so ein 'Übergangsabschnitt', der Weichen für Kommendes liegt. Symond wurde rausgeworfen, ein wenig Atmosphäre geliefert und die Beziehung von Dorothy und Aimery hat angefangen sich zu wandeln. Dorothy hängt zwar immer noch ein wenig an ihren Vorurteilen fest, aber sie beginnt ihn zu mögen und zu akzeptieren. Allein diese Szenen mit der Salzgurke :grin


    Zitat

    Original von RichieSymond nehme ich übrigens auch nicht mehr ernst, der tritt nur noch hin und wieder auf und dann meist als Störenfried. Ebenso Gilbert, der kommt nur um immer wieder Ärger zu verursachen - auf sein Ende bin ich schon gespannt.


    Beim ersten mag ich dir zustimmen, aber den zweiten müssen wir anscheinend sehr ernst nehmen, der wird wohl noch für das ein oder andere Unglück sorgen... Vielleicht gibt es ja aber am Ende so etwas wie eine Erkenntnis, sollte der richtige Mörder gefunden werden, aber ich befürchte fast, der hat sich so in seinen Hass gesteigert, dass das nicht mehr möglich ist.


    Daran dass Helewise noch lebt glaub ich allerdings nicht. Aber der Vermutung übers Domus Dei können wir ja jetzt bald nachgehen, wir werden Aimery zu seinen Verhandlungen ja vielleicht begleiten können? Wobei wir ja auch nicht (oder nur im winzigen Rückblick) mit an des Königs Hof waren, (diese Szene über das arme "wie hieß es doch gleich", war übrigens köstlich, Charlie). Schade eigentlich.
    Ich freu mich über die Innensichten in Aimery, vielleicht können wir ja bald noch mehr entdecken, was uns Hinweise gibt.


    ICh bin ja noch gespannt wie das In-den-Krieg-Ziehen mit Sir Eustace wird... So ganz mag ich ihn nicht, allerdings aus anderen Gründen als denen, die Hetfend ins Feld führt ;-). Er wirkt so, als sei er gewohnt, alles zu kriegen, und seinen Kommentar auf den mutmaßlich von Aimery begangenen Mord fand ich befremdlich. Ich kann ihn überhaupt nicht einschätzen.


    Dass Aimery jetzt weg ist, macht das Leben für Dorothy nicht unbedingt leichter, ich verstehe ihre Reaktion da voll und ganz. Aber ich hoffe, wir bekommen ein wenig über Aimerys Verbleib mit, ich find ihn als Charakter immer noch ein wenig spannender als Dottie, wobei sie in diesem Abschnitt viel an Kraft und Stärke gewonnen hat und mir mehr ans Herz gewachsen ist.

    Zitat

    Original von Lumos
    Agnes wird nun endgültig zum "gefallenen Mädchen" und bleibt bei Susannah. Während des verheerenden Brandes findet Clement seine Agnes, hilft ihr gegen die Vergewaltiger und stirbt für sie ;-(.


    Diese Szene fand ich auch sehr stark,


    Zitat

    Gilbert ist echt ein intrigantes Schwein! Unglaublich, wie er Aimery bei Will Hetfend in die Pfanne haut - was dann letztendlich auch entscheidend zum Fall der Stadt beiträgt.


    Ich fand es ziemlich krass, wie viel dieses Heraufbeschwören des 'Gräuels' der gleichgeschlechtlichen Liebe auslöst (vielleicht auch ein klein wenig übertrieben) - zuerst hab ich ja gedacht, das würde nur ein wenig Konfliktpotenzial hinzufügen, aber wies aussieht, hat Aimery einen neuen Feind fürs Leben...


    Bei dem Treffen mit Sir Eustace kam mri übrigens noch eine Hypothese für Aimerys Schuldgefühle in den Kopf. Es wird ja betont, dass er keinen Tropfen Alkohol mehr anrührt, und er streitet den Mord nie wirklich ab, sondern erwähnt ihn selbst gegenüber Sir Eustace, ich vermute er war von Helewises Ehebruch so geschockt, dass er sich tüchtig einen hinter die Binde gegossen hat und kann sich an nichts oder etwas Falsches erinnern, weswegen er auch in Betracht zieht, dass er sie wirklich umgebracht haben könnte. Aber vielleicht ist das auch zu viel des Spekulierens... :gruebel


    Den richtigen Mörder suche ich im Domus Dei, in das ich zu gerne einen Blick werfen würde...


    Zitat

    Original von Lesebiene
    Im 1. Teil waren Zweifel auf die Tote von der Salzwiese die Mutter von Symond und Agnes ist. Ich hege langsam Zweifel an der Vaterschaft von Aimery. Kann der Schwarze blonde Kinder zeugen? :gruebel


    Ich bezweifle nur die Vaterschaft in Bezug auf Symond, da waren von Seiten des Großvaters doch sogar Andeutungen, dass sie einen Bastard großgezogen hätten, ich vermute, dass das Gilberts Sohn sein könnte...
    Agnes hat trotz ihres liederlichen Charakters zu viel sympathische Züge und Ähnlichkeit mit ihrem Vater.


    Und diese Szene, wo das Feuer ausbricht, das fand ich furchtbar dramatisch, auch weil Aimery das mit der falschen Beflaggung erkennt. Die fand ich toll geschrieben Charlie, wobei mir der Tod des Sohns am Ende fast ein wenig zu sehr ins Dramatische ging.


    :wave barti

    Zitat

    Original von Caia


    Ehrlich gesagt habe ich ihn in Verdacht, daß er der Mörder ist... so, wie er sich nach Helewise verzehrt hat, nimmt er jetzt auch Agnes...


    Ja, Gilbert wird zu einem richtigen Fiesling, wobei ich denke, dass wir noch mehr von ihm zu erwarten haben :-) Aber er wird Helewise nicht umgebracht haben, der ganze Hass auf Aimery baut sich ja vor allem auf die Tatsache auf, dass Gilbert ihn für den Mörder hält. Eigentlich müsste man sogar Mitleid mit ihm haben, weil er über den Tod von Helewise so sehr in den Hass getrieben wurde. Andererseits ist sein Verhalten nicht mehr wirklich zu entschuldigen ... Vor allem das gegenüber Agnes.


    Zitat

    Original von streifi
    Agnes mag ich irgendwie nicht, der Gedanke, daß sie ihrem Vater schadet mit ihrer Beziehung zu Gilbert und ihrer Spionage kommt ihr reichlich spät. Irgendwie ist sie mir schlichtweg zu egoistisch.


    Ich find sie da trotz allem noch sympathisch. Aber es ist klar, dass ihre Leichtlebigkeit ihr irgendwann zum Fallstrick werden musste. Und das Spiel mit dem Feuer geht nicht immer gut. Mir tut sie mehr Leid, als dass ich sie nicht mag. Ich find ihren lieben Herrn Bruder da viel schlimmer...


    Zitat

    Original von JaneDoe
    Dorothy hat endlich die traurige Gewissheit, daß ihr Mann sie betrügt (noch dazu mit diesem Mannweib,m der hat sie doch nicht alle :pille).


    Symond wird immer unsympathischer, ja, wobei ich noch nicht einmal den Schwerpunkt darauf liegen würde, dass er etwas mit Susanna hat (der dürfte man sogar jemanden gönnen), sondern dass er sich überhaupt nach Sudewede aufmacht... Und bei diesem Ganzen 'Rumgehure' der Geschwister Fletcher mag ich gar nicht an evtl. Krankheiten denken, die die sich einfangen könnten... :rolleyes


    Zitat

    Original von streifi Das Aimery sie mit den gleichen Worten wegschickt, wie vorher schon Helewise, ist ziemlich bitter. Aber vermutlich hat er sich genauso verraten gefühlt wie damals. Auch wenn das Kind in einer Unheilverheissenden Nacht geboren wurde, deswegen ist es doch ihr Kind!


    Wenn daraus nicht noch einmal eine Situation entsteht, an der er sich die Schuld geben muss... Irgendwie kamen mir da leichte Vorahnungen.


    Zitat

    Original von Anita
    Dotty ist mir zum teil sympathisch, schön finde ich das sie alles in die Hand nimmt und sich selber versucht ein ordentliches Leben aufzubauen. Aber manchmal erscheint sie mir zu voreingenommen, vor allem wenn es um ihren Schwiegervater geht.


    Ja, das fällt mir auch auf, dieses unreflektiere Übernehmen der Vorurteile, sie hat sich nciht einmal gefragt, ob er den Mord nicht begonnen hätte kommen können oder sich wirklich ein eigenes Urteil gebildet. Sie sieht immer den morallosen "Schwarzen" in ihm. Irgendwie ist das der Teil, den ich an ihr nicht mag, dass sie sich zu sehr in Pflicht, Tugend, allgemein Akzeptiertes flüchtet und einen dadurch eingeschränkten Blick hat oder ihre Tochter vernachlässigt. Ganz so rechtschaffen handelt sie nämlich auch nicht immer, ich erinnere mich an die Wutanfälle gegenüber Matilda.


    :wave barti

    Zitat

    Original von Charlie
    Und ich finde, Lesen und Gaertnern sind so ungefaehr die schoenste Kombination, die es gibt.


    Auch wenn ich selber keinen grünen Daumen hab (dafür aber meine Mutter), sitze ich deshalb beim Lesen unter dem Apfelbaum mit Blick auf den Gemüsegarten. Die Stimmung passt wunderbar. :-]

    Zitat

    Original von Hörnl
    Ich mag die Club-Ausgabe sehr gerne. Da hat man einen richtigen Schinken in der Hand. Die Farben des Umschlages und des Buches selbst finde ich sehr schön - ich mag so zarte Farben einfach gerne. Die Schiffe haben's mir angetan


    Ich schließe mich mal an, vor allem, was den oberen Teil und die Farbgebung betrifft. Mit den Triefaugen-Schönheiten mag ich mich nicht noch nicht so ganz anfreunden... Aber dafür entschädigt ja dieses wunderschöne Schiff in den rötlichen Tönen im Buch innen noch zusätzlich :heisseliebe


    Nachdem ich etwas Startschwierigkeiten mit dem Prolog hatte (den ich schon einmal wann anders angelesen und das Buch deswegen erst einmal weggelegt hatte), habe ich nun wieder wunderbar hineingefunden. Der von Jane-Doe genannte typische Charlie-Stil trifft das ganz gut. Ich finde diese nahezu rundum gelungene Mischung mit ihrem leichten Anklang an Antiquiertheit, den Kose- und Beinamen, die sofort Figuren entstehen lassen und ihrer Lebendigkeit wieder überwältigend. Selbst derbe Formulierungen, die mir häufigl ein Dorn im Auge sind, passen wunderbar in dieses Stimmungsbild. Lesefluss ist schon da, Charlie ;-) Auch wenn mir ein leichtes Übermaß an den Worten "derweil" und "wiewohl" auffällt.


    Zur Handlung kann ich nur sagen. Sie hat mich am Haken. Wobei ich mich mehr für Aimery als Dorothy interessiere. Dorothy mag zwar eine starke, lebendige Person sein, die auch Szenen hat, in denen sie glänzt (die Badesszene :grin). Aber in ihrer Beharrlichkeit und Pflicht ist sie trotz aller Sympathie (noch) ein klein wenig langweilig. Mein Lieblingscharakter ist bisher Aimery, bei dem ich nicht im geringsten in Betracht ziehe, dass er direkt etwas mit dem Tod seiner Frau zu tun hat, und der seine Rolle als 'Schurkenheld' (mir fällt gerade kein besseres Wort ein für die Bösen, die uns ans Herz wachsen) wunderbar ausfüllt.


    Seine verzogenen Kinder, nun ja, Symond ist für mich noch recht blass, vom Charakter, wie auch vom Äußeren: er ist für mich ein blasser Mensch, zu weich um etwas Richtig auszuführen oder seinen schlechten Angewohnheiten etwas entgegenzusetzen. Arme Dorothy. Und seine Schwester nimmt trotz ihrer Leichtlebigkeit natürlich die Herzen ein. :-)


    Gilbert, der Feind und Gegenspieler mag zwar ein netter Zeitgenosse sein, aber ich denke, er wird für unsere kleine Familie noch zur Bedrohung... Ich bin misstrauisch, was wirklich in ihm steckt.
    Bin ich eigentlich der einzige, der diese Familiensituation amüsant findet, von der Draufsicht? All dieses Konfliktpotential sorgt für so viele lustige Stellen.


    Und deswegen bin ich auch weiterlesen, und schreib erst später was zu Teil 2, obwohl ich ihn schon durch habe :grin