Titel:A Brief History of Seven Killings
Autor: Marlon James
Originalsprache: Englisch
Noch keine deutsche Übersetzung verfügbar
Inhalt:
Im Jahr 1976 in Kingston stürmen sieben Gangster in das Haus von Bob Marley und eröffnen Feuer aus Maschinengewehren. Bob Marley und seine Angehörigen kommen mit ihrem Leben davon, die Gangsters werden aber nie gefangen. Von diesem echten historischen Ereignis ausgehend baut Marlon James eine Geschichte aus, die die Zeit von 1976 bis 1991 anspannt und sein Ende in New York nimmt. Er schmückt die im Schatten gebliebenen Teile der echten Geschichte mit Fiction aus, erfindet Charaktere, die diese Schießerei begangen haben, erlaeutert deren Vergangenheit und die Zustaende, die zu dieser Tat geführt haben, sowie deren Leben nach diesem Ereignis. Dabei erzaehlt der Autor einerseits die Geschichte Jamaikas waehrend des kalten Krieges als Zielscheibe der Amerikaner aber auch der Kommunisten, das Leben in immerwachsenden Ghettos sowie die Entstehung der Rastafari-Bewegung und der Reggae-Musik. Andererseits ist die Geschichte halbwegs wie ein actionreicher Krimi aufgebaut aber dazu im Kommentar mehr.
Meine Meinung:
Als ich angefangen habe, dieses Buch zu lesen, hatte ich sofort das Gefühl, in eine neue Welt einzutauchen. Zum Teil ist die Patois-Sprache (eine Art kreolisches Englisch, typisch für Jamaika) gewöhnungsbedürftig, aber man hat das Gefühl, dass man in Jamaika gelandet ist und erstmal von der musikalische Sprache, von diversen Farben und Gerüchen überwaeltigt wird. Die Dialoge sind gut gelungen und die inseleigene Sprache wird ebenfalls gut eingesetzt. Viele Begriffe und Redewendungen, auch die, die mit Rastafari zu tun haben, werden im Verlauf der Lektüre unauffaellig erklaert. Eine kleine Warnung: die Sprache ist aeußerts vulgaer und obszön, es gibt kaum einen Satz ohne Schimpfwörter und das Niveau entspricht wahrlich dem der Ghettos. Bei den Dialogen fand ich diese Art passend und echt, nun dieser Sprachgebrauch setzt sich bei den Gedankenströmen der Charakteren und Umgebungsbeschreibungen fort und irgendwann hat diese Sprache mich gewaltig genervt. Vielleicht bin ich aber etwas zu konservativ in dieser Hinsicht...
Die Charaktere sind leider sehr klischeehaft und extrem karikaturisiert. Von einem jamaikanischen Autor habe ich andere Einsichten in die Karibik und seine Menschen erwartet, diesbezüglich wurde ich ziemlich enttaeuscht. Es sind identische Charaktere wie in jedem amerikanischen Thrillerfilm, der gewöhnlich und regelmaeßig im Fernseher zu finden ist. Der Autor gibt von Anfang an das Gefühl, dass jeder dieser Charaktere austauschbar ist, was vielleicht der Ghetto-Realitaet entspricht, aber dadurch kann man keine Beziehung zu diesen sowieso klischeehaften Charakteren aufbauen, mir war es im Endeffekt durch die ganzen 700 Seiten egal, was mit denen passiert, dadurch habe ich keine Spannung im Verlauf der Geschichte erleben können.
Wegen der Inhaltsangabe könnte man meinen, dass es sich hierbei um einen politischen Roman handelt oder es um Bob Marley geht. Beide Annahmen waeren aber unzutreffend. Die Themen der Politik, der zwei Parteien, die in 70er und 80er Jahren in Jamaika um Macht ringen, und das Leben und Wirken von Bob Marley werden zwar umrissen, aber nur am Rande und sehr oberflaechlich. Man braucht keinerlei Vorwissen, um der Geschichte zu folgen. Diese Themen dienen eher als Kulisse für eine Gangstergeschichte, es geht vordergründig um die Drogenkartells, die miteinander kaempfen, im Verlauf kristallisiert sich ein Drogenboss heraus und es wird die Geschichte derer erzaehlt, die irgendwie mit ihm in Verbindung stehen. Das wenige Hintergrundgeschehen, das vorhanden ist, wird sehr klischeehaft und fast laecherlich bearbeitet, von antikommunistischen CIA-Spionen zu antirevolutionaeren Kubanern und rassistischer Polizei. Schade...
Es ist schwierig, dieses Buch unter Krimi oder Thriller zu kategorisieren, weil man bei dem Hauptereignis (Schießerei im Haus von Bob Marley) das Ende eigentlich schon weiß. Bei der Erzaehlung der Zeit nach dieser Schießerei wird ebenfalls keinen Spannungsbogen aufgebaut, im Prinzip wird vom Anfang an angedeutet, dass alle sterben werden, die damit zu tun hatten und so kommt es auch... Die beschriebenen Szenen sind zwar sehr bildhaft, sehr actionreich und tarantinohaft blutig und bis zum Absurden extrem brutal (so dass man es kaum noch ernst nehmen kann und auch nicht erschrickt) aber spannend ist es nirgendwo. Ich musste mich öfters fragen, was das Ziel dieser Erzaehlung ist, außer damit Geld zu verdienen.
Dieser Roman ist der Gewinner von Booker-Preis 2015, deswegen bin ich darauf aufmerksam geworden und war sehr gespannt, etwas von einem jamaikanischen Autor zu lesen. Leider bin ich rundum enttaeuscht, für mich ist dieser Roman weder literarisch wertvoll noch unterhaltsam und dazu noch ziemlich langatmig... Es ist mir ein Raetsel, wie er diesen renommierten Preis gewinnen konnte. Von mir 4/10 Punkte.