renitent - entäußern
Beiträge von Brigitte H. H.
-
-
Geist - Gespenst
-
Daher meine gefühlte Bestätigung, dass Cynthia als lockeres Mädchen hingestellt wird.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass der Verleger des Romans in seinem Nachruf explizit auf den Charakter Cynthia eingeht. Wie schwierig es sei, eine solche Figur zu zeichnen. "Cynthia is one of the most difficult charakters which have ever been attempted in our time." (Zitat: The Complete Elizabeth Gaskell Collection, Karpathos Collections, CONCLUDING REMARKS: By the Editor of The Cornhill Magazine.)
Das in "our time" scheint mir hier die größte Schwierigkeit. Wir sind heute gar nicht in der Lage zu verstehen, wie die Zeitgenossen Gaskells den Charakter Cynthia aufnahmen.
Den Begriff "lockeres Mädchen" finde ich persönlich für Cynthia unpassend. Aber vielleicht haben wir beide, Lorelle, eine unterschiedliche Vorstellung, was unter diesem zu verstehen ist. Und diese mag wiederum völlig verschieden sein von der vor 150 Jahren.
Bei Cynthia weiß ich nicht, ob ich sie mag oder nicht. Ihre ehrliche Selbsteinschätzung ihres Charakters, die sie von Beginn an gegenüber Molly zum Ausdruck bringt, hat etwas Entwaffnendes.
Ich denke, auf der einen Seite wünscht sich Cynthia nichts sehnlicher als einen Vater. (Eine wirkliche Mutter hatte sie nie.) Deshalb liegt ihr auch so viel daran, nicht die Wertschätzung von Mr. Gibson zu verlieren. Und auf der anderen Seite hat sie schon in jungen Jahren ihre Wirkung auf Männer erkannt und spielt mit jenen, ohne sich Gedanken um mögliche Folgen zu machen, wie etwa unerwünschte Heiratsanträge. Sie mag es, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und möchte am liebsten von jedem gemocht werden.
-
-
Und wieder eine Seite (S 796) weiter war es Lady Cumnor, die mich zum Schmunzeln brachte. Und an Lady Catherine de Bourgh erinnerte; die hätte vermutlich im gleichen Tonfall das Gleiche gesagt.
Das ist interessant, SiCollier. Ich nehme an, Du hast die Mini-Serie Mütter und Töchter von 1999 noch nicht gesehen?
Ich habe sie jetzt im Anschluss an das Buch seit langem wieder angeschaut. Dort traf ich einige alte Bekannte. Unter anderem Barbara Leigh-Hunt, alias Lady Catherine de Bourgh in der 1995 Verfilmung von SuV, die hier - wie könnte es anders sein - Lady Cumnor spielt. Und gerade bei dieser Zurechtweisung hat sie genau die gleiche Tonlage wie Lady Catherine de Bourgh.
Die Schauspielerin hat sich in den vier Jahren meiner Meinung nach verändert. Ihre Gesichtszüge scheinen mir weicher. In manchen Szenen kommt aber der herrische Ausdruck einer Lady Catherine wieder durch.
Überhaupt habe ich den Film, nun da ich das Buch kenne, viel mehr gemocht. Der Grund, warum ich ihn so selten sah, lag hauptsächlich an Mrs. Gibson. Nun, nach den ausführlichen Passagen ihrer Dialoge im Buch erscheint mir die Dame im Film geradezu harmlos.
Ich mag den Charakter von Lady Harriet besonders. Im Film übernimmt Rosamund Pike, die in der 2005er Verfilmung von SuV die Jane Bennet spielte, sehr beeindruckend diese Rolle. Von der sanften Jane ist hier nichts mehr zu erkennen.
-
Ausgelesen.
Das Meiste fügt sich bis zum Ende, nur das Verhältnis von Molly und Roger natürlich nicht. Da der Roman - leider - unvollendet bleiben mußte, allerdings kein Wunder. Jedoch ist das Ende angelegt und man kann sich denken, wie es hätte ausgehen sollen. Insofern konnte ich das Buch denn doch zufrieden zuklappen.
Das Ende ist klar:
Roger und Molly haben geheiratet!
Woher ich das weiß?
Ein kleines Vögelchen hat es mir erzählt.
Nein, ich mache Spaß. Hier handelt es sich nicht um Dorfklatsch.
Ich hatte gehofft, einer von Euch könnte nähere Auskunft über das Ende geben. Dann habe ich in meine E-Book Gesamtausgabe von Gaskell Schriften nachgeschaut, und siehe da, dort steht geschrieben:
CONCLUDING REMARKS: (By the Editor of The Cornhill Magazine.)
Es handelt sich um einen Nachruf, in dem der Verleger aber auch die Frage über das Ende des Romans schildert. Zumal es ja nur wenig zu ergänzen gäbe "and that little has been distinctly reflected into our minds."
"We know that Roger Hamley will marry Molly, …"
Roger wird zurück nach Afrika geschickt, wo ihm die Zeit sehr lang wird. "How many hours are there in twenty-four when you are all alone in a desert place, a thousand miles from the happiness which might be yours to take – if you were there to take it? How many, when from the sources of the Topinambo your heart flies back ten times a day, like a carrier-pigeon, to the one only source of future good for you, and ten times a day returns with its message undelivered? Many more than are counted on the calendar." Und so weiter und so fort …
Roger kehrt zurück. Aber als er Molly begegnet, ist er verunsichert. Vielleicht hat sie die Zeit seiner Abwesenheit nicht als so lange empfunden wie er. Und er sorgt sich nach wie vor, sie könnte ihn wegen seiner Verlobung mit Cynthia für wankelmütig halten .
"Therefore this young gentleman, so self-reliant and so lucid in scientific matters, found it difficult after all to tell Molly how much he hoped she loved him; and might have blundered if he had not thought of beginning by showing her the flower that war plucked from the nosegay."
"Roger and Molly are married; and if one of them is happier than the other, it is Molly."
Roger wird Professor an einem großartigen wissenschaftlichen Institut, "and wins his way in the world handsomely."
Der Squire ist über diese Heirat genauso glücklich wie Roger. Wenn jemand leidet, dann Mr. Gibson. Aber er nimmt sich einen Partner in seine Praxis und besucht Molly, so oft er kann, für ein paar Tage in London, auch "to get a little rest from Mrs. Gibson."
(Dies ist sogar im Text in Anführungszeichen gesetzt. Also, womöglich ein Zitat von Gaskell.)
Was mit Cynthia nach deren Hochzeit geschieht, darüber habe Elizabeth Gaskell nicht viel gesprochen. Es gibt allerdings eine Anekdote, die Gaskell über sie erzählte und diese sei sehr charakteristisch.
"One day, when Cynthia and her husband were on a visit to Hollingford, Mr. Henderson learned for the first time, through an innocent casual remark of Mr. Gibson's, that the famous traveler, Roger Hamley, was known to the family. Cynthia had never happened to mention it. How well that little incident, too, would have been described!"
Und der Verleger schließt zu diesem Thema:
"But it is useless to speculate upon what would have been done by the delicate strong hand which can create no more Molly Gibsons – no more Roger Hamleys. We have repeated, in this brief note, all that is known of her designs for the story, which would have been completed in another chapter."
Also es fehlte wohl nur noch ein Kapitel! Dies kommt auch am Anfang dieser Concluding remarks zum Ausdruck:
"Here the story is broken off, and it can never be finished. What promised to be the crowning work of a life is a memorial of death. A few days longer, and it would have been a triumphal column, crowned with a capital of festal leaves and flowers: now it is another sort of column – one of those sad white pillars which stand broken in the churchyard.
(Auszüge aus: The Complete Elizabeth Gaskell Collection, Karpathos Collections.)
-
Lang, lang ist es her, dass ich mich gemeldet habe. Aber im Moment ist irgendwie der Wurm drin ...
Gestern habe ich das Buch mit vielen Unterbrechungen bis zum abrupten Ende gelesen. (Meine Ausgabe wurde definitiv nicht ergänzt.) Es hat mir sehr gut gefallen. Sobald ich etwas mehr Muße habe, werde ich Eure Kommentare lesen.
-
-
Ich möchte auch ein Lebenszeichen von mir geben.
Im Moment komme ich überhaupt nicht mehr zum Lesen.
Wenn ich wieder Zeit habe, werde ich den Roman aber definitiv bis zum Ende lesen. Vielleicht gibt es ja den ein oder anderen, dem es genauso geht, und ich werde hier nicht allein sein.
-
Wunschvorstellung - Utopie
-
Rorschachtest - Establishment
-
„Väter und Söhne“ habe ich im September 2018 gelesen. Das Buch war sehr beeindruckend. So beeindruckend, daß ich ... praktisch nichts mehr davon weiß, außer, daß es mich nicht überzeugen konnte. Aber warum, auch das weiß ich nicht mehr.
Jetzt habe ich nochmals in meinen damaligen Leserundenaufzeichnungen nachgelesen - das war eine LR bei Lovelybooks - und nicht mal die Stelle, die ich als die bezeichnet habe, die ich wohl nie vergessen werde, habe ich noch im Kopf (im Gegensatz zu der in der LR zitierten Stelle eines Buches, das ich vor etwa 43 -
- Jahren gelesen habe). Ich schätze, daß es mir mit diesem Buch hier allerdings ganz anders ergehen wird.
Dieses Phänomen kenne ich. Es gibt Bücher, da weißt du, sie haben dich beeindruckt - aber den Inhalt wiedergeben?
Und andere Bücher, die hast du vor Jahren gelesen, und bei denen erinnerst du dich stellenweise an jedes Wort.
-
Warum denke ich bei Mr. Gibson unweigerlich an Mr. Bennet aus Stolz und Vorurteil?
Immer den Weg des geringsten Widerstands gehend...
Mr. Bennet würde diesen Vergleich allerdings weit von sich weisen. Er geht schließlich keiner Arbeit nach. Er ist ein Gentleman! Ein gutes Buch in seiner Bibliothek mehr braucht dieser genügsame Herr nicht. Störungen jeglicher Art sind unerwünscht. Das müsst Ihr doch verstehen. Und bei fünf Töchtern und dieser Frau ... -
Jetzt wo Du das schreibst. Vor einer halben Ewigkeit lief im Fernsehen (wurde mW nie wiederholt) die Serie "Giuseppe Verdi - Eine italienische Legende". Die zweite - oder dritte? - Folge endete eben damit und dem (fast schon unheimlichen) Kommentar aus dem Off (aus dem Gedächtnis zitiert): "Er wollte nie wieder eine Oper schreiben".
Und dann kam Nabucco.
Ich bin beeindruckt. Genau diese Verfilmung sehe ich mir im Moment an.
Dieser Mehrteiler gehört zu jenen Filmen, die damals die ganze Familie sah und über die man sich austauschte.
-
Rerik - Rikambio
-
ErstellungsKOSTEN
-
Fahrgestell - Sportwagen
(Nein, nicht die Beine eines Menschen!)
-
Da sind Konflikte vorprogrammiert.
Ohne diese Konflikte bräuchte Gaskell das Buch nicht zu schreiben.
Ich denke, diese sind ein zentrales Thema von Frauen und Töchtern, wie der Titel nahelegt.
-
Was ich wirklich bemerkenswert finde, ist, dass Gaskell hier über ihre eigene Jugendzeit schreibt und dennoch die Erklärungen für notwendig hält. (Bedenkt, sie wurde nur 55 Jahre alt!) So groß waren die Umbrüche in jenen Jahren!
Was früher die Eisenbahn an Veränderungen mit sich brachte, ist vielleicht mit Handy und Internet heute vergleichbar.
-
Ich beschäftige mich im Moment mit dem Komponisten Giuseppe Verdi. Beide Kinder aus seiner ersten Ehe starben im Kindesalter. Dann verlor er auch noch seine Frau kurz nach dem Tod seines Sohnes. Er trauerte bestimmt nicht anders, als dies heute ein Mensch in einer solchen Situation tun würde. Seine komische Oper, die er ausgerechnet in dieser Zeit der Trauer komponieren musste, viel dann auch prompt beim Publikum durch. Verdi beschloss, nie wieder zu komponieren. Dies zeigt doch, wie tief ihn diese Schicksalsschläge trafen. Erst zwei Jahre später feierte er mit Nabucco einen seiner größten Erfolge.
Ich denke, es ist eher der Umgang der Gesellschaft mit der Kindersterblichkeit. Früher war sie Normalität, gehörte sie zum Leben. Dabei brauchen wir gar nicht so weit zurückzugehen. Fragt in Euren eigenen Familien nach. Diphtherie und Scharlach waren die Killer im Kindesalter meiner Eltern. Und ja, meine Familie war auch betroffen.
Wenn heute ein Kind stirbt, wissen viele überhaupt nicht, wie sie mit den Eltern umgehen sollen. Die meisten schauen weg. Es ist wie ein Makel. Bei Bewerbungen wird den betroffenen Eltern sogar geraten, ihr totes Kind nicht zu erwähnen, weil man sie dann nicht mehr für belastbar hält. Ich würde behaupten, das Gegenteil ist nicht selten der Fall. Denn jene gingen an den Rand der Belastbarkeit und wuchsen über sich hinaus.