Hilfe in den Krisengebieten auf Kosten der eigenen Familie ...
Mit Johanna und Elsa lerne ich beim Lesen zwei starke Frauen kennen, die sich nicht etwa in ihrer Stärke ergänzen, sondern an einander reiben und sich somit immer weiter von einander entfernen. Die Mutter Johanna hat ihr Leben dem Job, nein, ihrer Berufung, verschrieben und versucht dennoch händeringend den Spagat zwischen Arbeit und Familie hinzukriegen. Allerdings geht es bei ihrer Arbeitsstelle mitnichten um einen „9 to 5 Job“, sie ist nahe dran, wenigstens einen kleinen Teil der Welt zu retten und gibt alles dafür. Währenddessen hält ihr Mann Ralph mit Töchterchen Elsa in New York die Stellung und versucht ein wenig Normalität in ihrer aller Leben aufrecht zu erhalten. Zuerst schleichend aber doch sehr offensichtlich versucht Elsa mit der Arbeit der Mutter zu konkurrieren und kämpft verzweifelt um deren Aufmerksamkeit. Geprägt durch Kindheit und Jugend fällt sie schließlich als erwachsene Frau in genau das gleiche Muster wie ihre Mutter und gibt 200% in ihrem Job als Strafverteidigerin der schwersten Verbrecher gegen die Menschlichkeit. Während sich ihre Mutter nach dem Tod Tante Tonis in deren Haus verkrochen hat, erlebt Elsa einen Breakdown der besonders schlimmen Art. Ein Burnout zwingt sie schließlich in die Knie und unfreiwillig in die Arme ihrer Mutter. Es beginnt eine schwierige Zeit für beide Frauen doch ganz langsam beginnt auch ein zartes Pflänzchen der Hoffnung zu wachsen …
Mit „Der Morgen nach dem Regen“ beschert mir die wunderbare Autorin Melanie Levensohn, die ich schon durch ihren sehr berührenden Roman „Zwischen uns ein ganzes Leben“, dem ich wohlverdiente fünf Sterne gegeben hatte, kennenlernen durfte. Wie damals schafft sie es auch mit ihrem aktuellen Buch wieder, mich zu überzeugen. An vielen Stellen konnte ich Johannas inneren Drang verstehen, nämlich Menschen, die alles im Leben verloren hatten oder vielleicht sogar nie besaßen, zu helfen. Auch ich habe in meinem Umfeld geliebte Menschen, die es mehr oder weniger freiwillig in Krisengebiete verschlug und die alles gegeben haben um zu helfen und zu retten was zu retten war. Dennoch wird auch in diesem Buch deutlich, wie Helfende gegen Windmühlen kämpfen und man immer am Rand der Verzweiflung agiert. Melanie Levensohn hat es meiner Meinung nach geschafft, den Kreis zwischen Hoffnung und Trauer, Mut und Resignation zu schließen. Sie lässt Menschlichkeit zu und schreibt eine berührende Geschichte, die nicht einen Moment ins Kitschige abdriftet. Von mir gibt es für diesen eindringlichen Roman eine absolute Leseempfehlung verbunden mit hoffnungsvolle fünf Sternen. Ich wünsche dem Buch eine große Leserschaft und freue mich schon heute auf weitere Zeilen aus der Feder Melanie Levensohns.