Da nun immer wieder gefragt wird, ob denn nun wirklich schon wieder die Amerikaner die Welt retten müssten ...
Wie ich diese Geschichte geschrieben habe oder - um doch ein Wort zu verwenden, bei dem ich immer etwas allergisch reagiere, weil es danach klingt, als ob mir das nicht gelungen wäre; und darüber habe ich nicht zu urteilen - wie ich diese Geschichte schreiben wollte:
Es ist eine Geschichte voller Spiegelungen, voller Leitmotive und Versatzstücke. Dazu gehört auch "der Amerikaner", der zunächst sehr pragmatisch an die Sache herangeht ('Wie kann man sich mit den schon geschlagenen Demokratien verbünden, wenn man doch den Hitler womöglich noch gegen die Sowjets brauchen wird'), um dann nach und nach aus diesem Traum (auch dem Traum, dass man sich einfach raushalten könnte) zu erwachen. Und es ist ein äußerst unsanftes Erwachen. Er steht damit stellvertretend für sein Land, wie er auch mit der Rettung des Zuges (= Rettung Europas) für sein Land steht. Die ist bekanntlich nicht dem deutschen Widerstand (= Ingolf) gelungen sondern letztendlich dem Eingreifen der Vereinigten Staaten zu danken.
Wobei gerade dieser Widerstand ja im Buch eine große Rolle spielt, die unterschiedlichen Gruppen, die daran beteiligt waren, aufgerufen werden, von den Kommunisten (Otto und seine Gruppe in Breslau) über die Kirche bis zum konservativen Establishment, das über Ingolf gleich mehrfach verortet wird, einmal über Admiral Canaris und einmal über den Kreis um Stefan George, das "geheime Deutschland", auf den seinerseits immer wieder hingewiesen wird. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen (ich füge stattdessen zwei Buchtipps an): Sowohl der deutsch-jüdische Historiker Ernst Kantorowicz, dessen Biographie Kaiser Friedrichs II. Ingolf Helmbrecht ständig mit sich rumschleppt, gehörte diesem Kreis an, als auch die Brüder Stauffenberg; (Stauffenberg --> Staufer; das ist keine Ableitung, aber doch mehr als eine Koinzidenz). Auf jeden Fall haben diese Kreise eine bedeutende Rolle rund um den 20. Juli gespielt. Von Claus Stauffenberg ist überliefert, dass er in den Tagen vor dem Attentat immer wieder das Gedicht "Der Widerchrist" (= Hitler) vor sich hin gemurmelt hätte. Wenn ich mich richtig erinnere, war es Marion Dönhoff, die als erste berichtete, dass Stauffenberg vor dem Exekutionskommando nicht "Es lebe das heilige Deutschland!" gerufen habe, sondern "Es lebe das geheime Deutschland!"
So oder so: Das Ganze ist eine gespenstische Geschichte, in weit mehr als einer Beziehung (dazu besonders auch der letzte aufgeführte Titel; wer ein bisschen vertraut ist mit dem Establishment der Bonner Republik, der kommt da aus dem Kopfschütteln nicht wieder raus).
Joachim Fest: Staatsstreich - Das Grundlagenwerk
Thomas Karlaufs: Stefan George - Die Entdeckung des Charisma
Ulrich Raulff: Kreis ohne Meister - Raulffs geniale Dekonstruktion des George-Kreises; eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe
Einige weitere Motive sind ja schon angesprochen worden. Das Russland-Motiv etwa, das sich variiert bei Boris, Katharina und Alexej findet. Überhaupt die unterschiedlichen Perspektiven, die Blicke durch unterschiedliche Brillen auf die Dinge, die sind. - Weil sie sind. Die Dinge sind so, wie sie sind.
"Intentio vera nostra est manifestare ea, quae sunt, sicut sunt." - "Unsere wahre Absicht besteht darin, die Dinge, die sind, darzustellen so wie sie sind."
Ach ja, das ist von Friedrich II.
(Und jetzt les ich noch mal in Ruhe, was Du gerade geschrieben hast, SiCollier )